Interview Smilla Johansson im Interview

Worum geht es in deinem Buch Blütenmord?

In Blütenmord geht es um einen Kriminalfall, der alles in den Schatten stellt, was die Kommissarin Josefine Svensson bisher erlebt hat. Sie wird während der Ermittlungen nicht nur mit einem perfiden Mörder kleiner Mädchen konfrontiert, sondern muss auch erneut gegen ihre traumatische Vergangenheit kämpfen. Generell spielt die Vergangenheit der Protagonisten eine größere Rolle, als man es vielleicht von anderen Krimis gewohnt ist.
Es geht um persönliche Grenzen und den Mut, diese zu überschreiten und sich seinen Ängsten zu stellen. Um Zusammenhalt, Freundschaft und die grausamen Abgründe der menschlichen Seele.

 

Als Buchhändlerin hast du tagtäglich mit Büchern zu tun. Nun veröffentlichst du selbst einen Roman! War das schon immer dein Traum?

Tatsächlich, ja. Seit ich schreiben gelernt habe, schreibe ich eigene Geschichten. Das fing schon in der Schule mit freien Aufsätzen an. Mir hat es auch immer schon Spaß gemacht, die Geschichten dann vorzulesen und allen zu zeigen; stolz darauf zu sein, dass wirklich ich das geschrieben habe. Dieses Gefühl ist geblieben und hat mich motiviert, mit einer meiner Geschichten den Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen.
Das eigene Buch in den Händen halten zu können und einen plastischen Beleg dafür zu haben, was man geschafft hat, muss ein unheimlich tolles Gefühl sein. Ich werde es ja bald selbst erleben!

 

An dem Fall in Blütenmord ermitteln auf der einen Seite die Kommissarin Josefine und auf der anderen die beiden Jugendlichen Elijah und Lion. Wie kamst du auf die Idee, einen Mord von zwei so unterschiedlichen Seiten zu beleuchten?

Ich liebe Detektivgeschichten und Rätsel. Ebenso habe ich ein Faible für Kriminologie und faktische Arbeit. Ich konnte mich beim Schreiben einfach nicht für eine Seite entscheiden. Beides hat seinen Reiz.
Für die Jungs ist es alles ein großes Abenteuer, in das sie sich völlig unvoreingenommen stürzen können, um sich daran auszuprobieren. Für Josefine ist es ihr Job und bitterer Ernst. Sie hat eine große Verantwortung was den Umgang mit diesem Fall angeht und kann daher den Mord nur aus dieser eingeschränkten Sicht betrachten. Die Neugierde der Jungen und die kriminologische Arbeit, die Josefine liebt, sind beide für mich selbst sehr wichtig. Es ist der Kontrast dieser beiden Seiten, der die Geschichte so unterschiedlich zeichnet und dadurch so spannend macht.

 

Was fasziniert dich an den Abgründen der menschlichen Seele besonders?

Die Abgründe der menschlichen Seele sind eine Folge der individuellen Grenzen einer jeden Persönlichkeit. Wozu ein Mensch fähig ist, wenn er genau diese Grenze überschreitet und in den Abgrund stürzt, ist das, was mich wirklich fasziniert. Ich lasse die Protagonisten in meinem Buch bewusst diese Grenzen überschreiten.
Jeder Mensch hat eine persönliche Grenze, etwas, das ihn davon abhält einen bestimmten Punkt zu überschreiten. Aber was passiert, wenn ebenjener Punkt überschritten wird? Wie reagiert dann dieser Mensch und wie reagiert vielleicht jemand anders auf die gleiche Situation?
Die unterschiedlichen Ausprägungen der Abgründe sind in ihren Grausamkeiten und Tiefen nochmal eine Sache für sich. Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Die Abgründe der menschlichen Seele sind sozusagen die „Du kommst aus dem Gefängnis frei“-Karte, wenn es darum geht, Verhalten zu rechtfertigen. Denn sobald man in den Abgrund fällt, schwebt man und alles ist einem egal.
Die eigentlichen Abgründe definieren sich aus der individuellen Sicht auf die Dinge, die geschehen. Und das beste daran: sie sind beeinflussbar. Neue Erkenntnisse in einem Mordfall, gesellschaftliche Konventionen, moralische Konflikte – das alles sind Faktoren, die die Menschen begrenzen. Werden diese Grenzen überschritten, stehen wir vor dem Abgrund, der sich individuell sehr weit fächern lässt. Darin liegt die Faszination für mich.

 

Smilla Johansson Interview Portrait

Polizeiarbeit, Obduktionen und kriminelle Netze – es gibt viele detailreiche Hintergründe in Blütenmord. Wie sah deine Recherche zu diesen Themen aus?

Vielseitig. Ich habe wirklich viel Fachliteratur über kriminologische oder ballistische Arbeit gelesen und mir mein Wissen angeeignet. Da mein Vater Sportschütze ist und ich mich sehr für Waffen aller Art interessiere, hatten wir auch mehrere intensive Diskussionen über die Ausstattung der Tatwaffe und der dazugehörigen Munition. Zumindest da konnte ich aus erster Hand lernen.
Natürlich habe ich auch den ein oder anderen Fernsehkrimi gesehen und ein paar mehr Kriminalromane gelesen als üblich, einfach um ein wenig mehr in den Arbeitsvorgang eines Kriminalkommissars einzutauchen. Recherche und Inspiration sind hier für mich zwei Begriffe, die mehr oder weniger ineinander übergehen.

 

Einige Kapitel in Blütenmord sind aus Tätersicht geschrieben und lesen sich so packend wie beklemmend. Wie war es für dich, beim Schreiben in diese Perspektive einzutauchen?

Es war hochinteressant. Dies sind tatsächlich die Szenen, bei denen am wenigsten Arbeit drinsteckt und die auch in der Überarbeitung kaum Aufmerksamkeit von mir bekommen haben. Beim Schreiben selbst war es, wie durch eine Brille zu schauen. Ich habe mehr oder weniger meinen Gedanken freien Lauf gelassen und einfach geschrieben, was ich dachte, das Täter denken. Es hat unheimlich Spaß gemacht mal als einer der „Bösen“ zu schreiben und nicht mit menschenverachtenden oder arroganten Zügen hinter dem Berg zu bleiben, denn sind wir doch mal ehrlich, das ist es doch, was wir von einem eiskalten Mörder erwarten.

 

Du hast mit dem Schreiben begonnen, als du selbst Schülerin warst. Ein Teil deines Romans ist sogar im Unterricht entstanden. Was haben deine Lehrer dazu gesagt?

Die meisten waren, wenn sie mich erwischt haben, nicht so begeistert. Einmal war ein Lehrer so sauer – er dachte ich würde Zettelchen mit meiner Sitznachbarin schreiben – dass ich vor der Klasse vorlesen musste, was ich geschrieben hatte. Seine Reaktion, als er gemerkt hat, dass es der Anfang einer Geschichte war, war umso cooler. Er hat mich auf einen Grammatikfehler hingewiesen und dann war gut. Aber dieses Gefühl, etwas Verbotenes zu tun und eventuell dabei erwischt zu werden, war an machen Tagen einfach das spannendste am ganzen Unterricht, da konnte ich einfach nicht widerstehen. Aber ich saß immer neben grandiosen Mitschülern, die mich unter dem Tisch getreten oder mit dem Ellbogen angestupst haben, wenn ein skeptische Lehrerblick zu lange auf mir ruhte. Zugegeben, im Matheunterricht war es irgendwann einfach zu auffällig, da habe ich es dann gelassen.

 

Mit welchen drei Worten würdest du Blütenmord kurz und knapp beschreiben?

Tiefgründig, unterhaltsam und nervenaufreibend.

 

Planst du schon weitere Romane?

Richtig geplant nicht wirklich, aber es sind momentan zwei in Arbeit. Das eine Projekt, „Die Wikinger von Vinland“, basiert auf einer historischen Grundlage und einer Idee, die mir schon seit meiner Kindheit im Kopf herumspukt.
Das andere soll eine Fantasy-Reihe werden, bei der aber bisher nur ein grober Gedanke und ein Weltkonzept den Weg aufs Papier gefunden haben.

 

Und welches Buch liest du gerade?

Das wechselt bei mir täglich! Aber aktuell sind es Das Gold der Krähen von Leigh Bardugo und Just in Time von Juliette Bernard (eine meiner Eroberungen der Leipziger Buchmesse).