Leseprobe Verfalle niemals einem Duke

1. Kapitel

Davina tippte die Spitze ihrer Haube an, um zu kontrollieren, ob sie noch richtig saß, und glättete das Leder ihrer Handschuhe. Im Vorzimmer saßen zwei weitere Personen, beide Gentlemen, wenn man ihrer Kleidung und Haltung nach ging. Sie ging davon aus, dass sie vor ihr drankämen.

Der Befehl war vor drei Tagen bei ihr eingegangen, auf beeindruckendem, cremefarbenem Papier, mit exquisiter Handschrift versehen und einem Wappen auf dem Wachssiegel. Sie wurde aufgefordert, um genau ein Uhr nachmittags am St. James’s Palace einzutreffen und das Papier dem Fußjungen an der Tür zum Gesellschaftszimmer auszuhändigen. Jener junge Herr hatte sie daraufhin hierhergebracht.

Was für einen Aufruhr der Brief aber ausgelöst hatte. Mr. Hume, der sie beschäftigte, hatte darauf bestanden, ihn selbst zu lesen, und dann eine Stunde ihrer Aufmerksamkeit für sich beansprucht, während er ihr einschärfte, wie sie sich verhalten sollte, was sie nicht sagen durfte und wie man auf unauffällige Weise Drohungen in gehobener Gesellschaft aussprach. Sie hoffte, dass ihr Letzteres erspart bleiben würde. In ihrem Schoß hielt sie den Brief, den ihr Großvater vom Hof geschickt bekommen hatte. Sicherlich würde die Angelegenheit schnell erledigt sein, wenn sie diesen vorzeigte.

Ihre Finger fuhren über den anderen Brief, den sie mitgebracht hatte. Dieser war von ihrem Vater und beschrieb alles, was er über das Erbe wusste. Er hatte ihn ihr gegeben, als er mit der Erkrankung darniedergelegen hatte, die letzten Endes auch sein Leben gefordert hatte. Ich überlasse das dir, was auch immer es dir bringen mag. Trotzdem hast du ein Recht darauf, davon zu wissen. Sie wünschte, er könnte an ihrer Seite sein. Seine ruhige, bestimmte Art hatte ihr immer Selbstbewusstsein geschenkt.

Ein anderer Diener erschien im Zimmer. Er kam auf sie zu. Die zwei Gentlemen schienen davon verärgert zu sein. Ihre wütenden Blicke folgten ihr, als sie hinausbegleitet wurde.

Sie war fast nie nervös, aber jetzt setzte sich die Aufregung in ihrem Magen fest. Sie musste sich zusammenreißen, wenn sie mit dem König redete.

Der Diener brachte sie zu einem Zimmer nicht unweit des Wartezimmers. Ein Mann grüßte sie und bat sie, auf dem aus blauer Seide gepolsterten Sessel nahe dem Fenster Platz zu nehmen. Dann setzte er sich auf einen Holzstuhl, der dafür sorgte, dass sein Rücken durchgedrückt blieb.

„Ich bin froh, Eure Bekanntschaft zu machen, Miss MacCallum. Ich bin Jonathan Haversham. Ich gehöre dem Haushalt an.“

Er meinte natürlich den Haushalt des Königs. Möglicherweise war er ein wichtiger Teil davon. Vielleicht auch nicht. So wie sie die Sache sah, konnte es sein, dass Mr. Haversham nichts weiter war als ein besonders alter Diener. Er war sicherlich kein junger. Er sah aus, als wäre er etwa fünfzig und hatte dünne graue Haare, die an den Seiten licht wurden und auf seinem Kopf gänzlich fehlten. Er war schlank und kantig, hatte schwere Augenlider und einen breiten, lockeren Mund und erweckte den Anschein, als würde er sich lieber nicht mit ihr abgeben.

„Euer Antrag auf eine Audienz wurde genehmigt“, sagte er.

„Ich hatte schon früher welche gestellt.“

„Das ist mir bewusst. Ihr versteht sicher, wie beschäftigt Seine Majestät ist. Er nimmt die Sorgen seiner Untertanen jedoch ernst, also bat er mich, an seiner Stelle mit Euch zu sprechen.“

Also würde sie doch nicht mit dem König sprechen. Aber wenigstens hatte sie bei irgendjemandem eine Audienz. „Wie ich es in meinen Briefen erklärte, habe ich Beweise, dass das Gut meines Urgroßvaters von der Krone übernommen wurde, als er starb. Mir ist bewusst, dass in vielen Fällen das Gut im Verlauf wieder der Familie zuteilwird. Ich habe einen Brief vom Vater des Königs, in dem steht, dass er für meine Familie dasselbe tun würde.“ Sie überreichte das alte, gefaltete Stück Pergament. „Der König selbst sagte mir, dass er sich um die Angelegenheit kümmern würde, wenn er in Edinburgh ist.“

Mr. Haversham überflog den Brief. „Was lässt Euch glauben, dass Euer Großvater der Erbe dieser Ländereien ist?“

„Er sagte es meinen Vater, ehe er starb.“

Mr. Haversham schenkte ihr ein Halblächeln. „Es gibt oft Irrtümer bei solchen Angelegenheiten.“

„Der letzte König schien das nicht zu denken.“ Sie deutete auf den Brief, den er immer noch in den Händen hielt.

„Der vorherige König war von Zeit zu Zeit verwirrt.“ Sie fragte sich, ob er den Brief als Fälschung abtun würde. Aber das wäre schwierig, denn er trug das Siegel. „Habt Ihr denn Beweise, die die Behauptungen Eures Großvaters untermauern?“

„Ich gehe davon aus, dass sie vom ehemaligen König behalten wurden.“

„Wir fanden keine Hinweise, die darauf schließen lassen.“

Ihr Herz sank. Sie konnte nicht einmal garantieren, dass es Beweise gegeben hatte, also konnte sie jetzt nicht darauf bestehen, dass sie sie suchten.

„Der König, der jetzige König, der noch lebende, sagte mir persönlich, dass er sich darum kümmern würde. Er war in Edinburgh und ich hatte eine Audienz bei ihm. Ihr wart nicht anwesend, aber ich bin mir sicher, dass er sich an mich erinnert, und wenn nicht, waren da genug andere anwesend, die es sicherlich tun. Der Mann, der die Audienz für mich organisiert hat, tut es.“ Von ihm habe ich genug Beweise, also versucht nicht mich davon abzubringen.

Seine Lippen wurden dünn und falteten sich dann wie die eines Frosches. „Keiner stellt Eure Audienz in Frage, Miss MacCallum. Wir werden uns die Angelegenheit genauer ansehen. Wir haben sogar bereits damit begonnen. Deswegen mein Hinweis wegen der Beweislage. Ihr werdet einen brauchen. Könige verschenken nicht blind Ländereien, nur weil man Behauptungen aufstellt. Und was das hier angeht“, er winkte mit dem Brief in seiner Hand. „Es wird zur finalen Entscheidung beitragen, wenn die Beweise vorliegen.“

Sie schnappte sich den Brief aus seinen Fingern. „Ich passe darauf auf, wenn es Euch nichts ausmacht, Sir. Ich würde nicht wollen, dass er abhandenkommt, und ich bin mir sicher, dass Ihr hunderte oder aberhunderte von Briefen hier im Palast herumfliegen habt.“

„Natürlich. Wie Ihr wünscht.“ Er warf dem Brief einen gierigen Blick zu.

„Ich bemühe mich, Euch so schnell wie möglich weitere Beweise zukommen zu lassen, zusätzlich natürlich zu denen, die ihr schon habt“, sagte sie. „Ich bin entschlossen, diese Sache zu klären.“

„So wie wir, Miss MacCallum.“ Er erhob sich und bot ihr die Hand. „Ihr werdet der Duchess die Grüße seiner Majestät ausrichten, hoffe ich. Er war entzückt davon, ihren Brief zu bekommen.“

Davina bezweifelte das. Aber der Brief war wahrscheinlich der Grund, warum man sie überhaupt empfangen hatte. Wenn die Duchess von Stratton nicht geschrieben hätte, wäre ihre Reise nach London sicherlich umsonst gewesen.

Ein anderer Diener eskortierte sie zurück durch die Kammern und Korridore, bis er sie wieder im Gesellschaftszimmer zurückließ.

Keiner nahm sie wahr. Ihr wurde der ein oder andere Blick zugeworfen, aber keiner sah lange in ihre Richtung. Zu unschicklich gekleidet, um wichtig zu sein, sagten ihr die flatternden Lider. Ihr war es egal. Sie war nicht hergekommen, um mit ihrem Aussehen oder ihrem Charme zu beeindrucken. Sie war um der Gerechtigkeit willen gekommen, für sich und ihren Vater, und den Großvater, den sie nie kennengelernt hatte.
Ihre Gedanken wandten sich wieder ihrem Treffen zu. Sie ging die Erinnerung langsam durch und suchte nach Hinweisen darauf, ob es besser gelaufen war als gedacht. In dem Moment schwang die Tür auf und ein Mann trat ein.

Sie hielt inne. Seine Anwesenheit verstärkte nur ihre Fassungslosigkeit über den Ausgang der Audienz.

Er trat ein, wie er es sicherlich schon hundert Mal getan hatte. Sein Blick ignorierte die üppigen Möbel und Dekorationen des Zimmers. Sie hatte staunen müssen.

Seine Anwesenheit vernahm jeder, ganz ohne dass er darauf aufmerksam machen musste. Man nahm seine Ankunft selbst in der hintersten Ecke wahr. Einige Damen justierten ihren Sitz, damit sie ihm womöglich ins Auge fielen.

Er ragte über alle Anwesenden hinaus und machte den Eindruck, die unbeugsame Art von Mann zu sein. Sein vages kleines Lächeln implizierte Toleranz anstelle von Freundlichkeit. Seine ansehnlichen Züge waren einer Statue ähnlich. Seine gerade Nase und die eckigen Kieferknochen wiesen auf das germanische Blut hin, welches von seiner Urgroßmutter stammte. Seine Augen, eher dunkelgrau als blau, hatten einen messerscharfen Blick, der alles zu durchbohren schien.

Eric Marshall, der Duke von Brentworth. Der fürstlichste aller Dukes.

Davina war ihm vor einigen Tagen auf einer Party vorgestellt worden, bei der zelebriert wurde, dass die Duchess von Stratton endlich die immer berühmter werdende Parnassus als eigene Zeitschrift anerkannt bekam. Davina war eingeladen worden, weil sie ab und zu Artikel beisteuerte. Das war der einzige Grund, warum sie die Duchess, oder überhaupt eine der gehobenen Damen, kannte. Fast alle Teilnehmer waren weit über ihrem Stand.

Der Duke hatte sich dazu herabgelassen, sich mit ihr zu unterhalten. Sie hatte sich gegen ihn behauptet und die Zeit genommen, Maß von ihm zu nehmen. Immerhin sollte man das mit Männern machen, die potenzielle Feinde waren. Sie hatte damals schon von ihrem Treffen heute gewusst, und war von einem besseren Auskommen ausgegangen. Die Einladung eines Königs verlieh einem einiges an Selbstbewusstsein, wenn man mit einem Duke sprach.

Sie hatte heute kein Verlangen nach einer Unterhaltung mit dem Duke. Sie sah zur Seite und ging durch das Zimmer, ihre Gedanken wieder auf die möglicherweise unüberwindbare Hürde der Beweise gelenkt, die sie nun finden musste, ehe sie ihr Erbe antreten konnte.

***

Es war selten, dass Brentworth zu Hof geladen wurde. Zugegebenermaßen war es nicht wirklich eine Vorladung. Eher eine Einladung, wie sie Könige eben aussprachen, wenn ihnen danach war. Seine Majestät wäre entzückt darüber, Euch morgen um zwei Uhr nachmittags zu empfangen.

Er war um viertel vor zwei in St. James’s Palace eingetroffen und hatte sich die ganze Zeit über gefragt, warum seine Majestät ihn überhaupt sehen wollte. Er und der König kamen nicht sonderlich gut miteinander aus. Der Monarch war ein Narr und Brentworth eben nicht, also hatten sie nichts gemeinsam.

Er überlegte, dass es mit dem Treffen zusammenhängen konnte, welches er früher am Tag gehabt hatte. Es konnte sein, dass seine Majestät von seinen erneuten Versuchen, die Sklaverei in den Kolonien abzuschaffen, Wind bekommen hatte. Vielleicht wollte er seine Meinung dazu äußern und gedachte das bei einem informellen Treffen zu tun.

Brentworth wusste nicht, was für eine Meinung der König vertreten würde. Dieser Monarch war nicht für sein Interesse an der Politik bekannt, oder überhaupt an Sachen, die nicht seinem Pläsier dienten. Wahrscheinlich hatte er jedoch eine Meinung. Die meisten Männer hatten eine, egal wie unwissend sie waren.

Es war kein Gesellschaftszimmer-Tag, also waren nicht viele unterwegs. Im Vorzimmer gab es keine Meute, die danach gierte, die Obrigkeit bei ihrer Parade zu bestaunen. Er ging mit langen Schritten durch die Kammer, durchquerte auch die nächste und trat ins Gesellschaftszimmer. Mindestens zwanzig Leute flanierten dort umher.

Er verkündete seine Ankunft niemandem. Die Diener kannten ihn und als er eintrat, eilte einer durch den Raum und verschwand in den Büroräumen, die davon abgingen.

Im Zimmer trödelte er, während er darauf wartete, vom König begrüßt oder von einem Diener abgeholt zu werden, um ihn zu seiner Majestät zu bringen. Währenddessen fiel ihm eine junge Dame in einem adäquaten blauen Kleid und einer Haube auf der anderen Seite des Zimmers auf. Er erkannte sie als Miss MacCallum. Sie war ihm auf einer Party Anfang der Woche vorgestellt worden. Sie war eine Autorin mit einem ungewöhnlichen Interesse an der Medizin.

Sie hatte ihn damals mit ihrer Fähigkeit, sich auf der Feier voller Adeliger zu behaupten, beeindruckt. Er konnte auch nicht die Tatsache ignorieren, dass sie von seinem Titel und seinem Status nicht im Geringsten beeindruckt gewesen war. Das passierte fast nie, vor allem nicht mit Frauen. Die meisten Lords wären verärgert gewesen, aber sein Interesse war geweckt worden.

Ihre Haube verdeckte das meiste ihres blonden Haars, sodass man nicht sehen konnte, dass sie es nicht besonders lang trug. Der Haarschnitt war ihm trotz ihrer Versuche, das zu verbergen, schon während der Party aufgefallen. Er war zum Schluss gekommen, dass ihr Interesse an der Medizin von einer eigenen Erkrankung stammte, und dass der Schnitt ein Versuch gewesen sein musste, ihr Fieber zu brechen.

Zu diesem Zeitpunkt schien sie fehl am Platz und angespannt. Er kreuzte ihren Weg, ehe sie den Raum verlassen konnte.

„Miss MacCallum, was für eine angenehme Überraschung.“

Sie blieb ruckartig stehen und blinzelte das fort, was sie so in Gedanken gehalten hatte. Ihr Knicks war ordentlich. „Euer Gnaden.“

„Seid Ihr krank, Miss? Ihr seht aus, als hätte Euch etwas heimgesucht.“

Sie warf der Tür zum Gang mit den Büroräumen einen Blick zu. „Nicht heimgesucht vielleicht, aber entmutigt, weil mit meinem Anliegen hier so leichtherzig umgegangen wird.“

„Ihr habt Anliegen, die Euch zu Hof führen?“

„Allerdings. Ich habe aber die Befürchtung, dass man nicht gebührlich damit umgehen wird. Das lernte ich heute.“ Ihre Züge waren zu verwegen, um modisch zu sein, und zeigten ihre Emotionen und Gedanken ungefiltert. Im jetzigen Augenblick schien sie mit Frust und Wut zu kämpfen.

„Ich hoffe doch, dass es nichts Ernstes ist.“

Die Wut gewann den Kampf. „Sehe ich aus wie die Art von Frau, die einen König mit Nichtigkeiten belästigt?“

„Natürlich nicht“, sagte er beschwichtigend und lenkte sie beiseite. „Wenn Euch jemand gekränkt haben sollte, müsst Ihr mich das wissen lassen. Ich werde sichergehen, dass es nicht wieder vorkommt.“

„Nicht gekränkt. Nur abgetan als jemand, der der Gerechtigkeit nicht würdig ist.“ Sie sah an sich hinab und strich über ihr ordentliches, blaues Kleid und das dunklere Jackett, welches sie darüber trug. „Wenn ich mich vielleicht eher wie …“, sie deutete zu den Damen, die sich in der Nähe unterhielten, „wie sie kleiden würde, hätte es meiner Sache eher geholfen.“

Wahrscheinlich, dachte er. „Ganz und gar nicht. Ihr seht fabelhaft aus.“ Solide und ehrlich, wie die Art von Frau, die Mode und Kleider nicht brauchte, um glücklich zu sein. Sie trug eine Art von Selbstbestimmtheit mit sich, welche ihm schon bei der Party der Duchess von Stratton aufgefallen war, aber ihre Aufgewühltheit rührte ihn derart, dass seine beschützerische Seite herausgelockt wurde. „Kann ich Euch vielleicht helfen?“

Sein Angebot überraschte sie offenbar. Sie betrachtete ihn mit schief gelegtem Kopf, als würde sie tatsächlich überlegen, doch dann schien sie sich anders zu entscheiden. „Es ist ein privates Anliegen, aber ich danke Euch. Nur Seine Majestät kann mir helfen, aber ich fürchte, dass er es nicht tun wird.“

„Falls Ihr im Recht seid, solltet Ihr nicht aufgeben. Der Haushalt verwendet alle Mittel, um ihn vor möglichen Problemen zu schützen, ganz egal ob es welche gibt oder nicht. Wenn Ihr durchhaltet, Miss MacCallum, werdet Ihr womöglich noch gewinnen.“ Oh, wie einfach es herauskam. Er glaubte seinen Worten selbst nicht. Die Männer in den Büroräumen würden ihre Probleme verdecken und vergraben, wenn sie glaubten, dass es dem König eher dienen würde.

Sie nickte entschlossen. „Ihr habt recht. Euren Hinweis nehme ich mir zu Herzen. Noch kann ich die Beweise sammeln, die ich brauche, um die königliche Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.“

Am anderen Ende des Zimmers öffnete sich eine Tür und ein glatzköpfiger Mann trat ein. Miss MacCallum schien es nicht zu entgehen. „Ich muss nun gehen, Mylord. Ich möchte diesen Mann nicht wieder sehen, ehe ich darauf vorbereitet bin.“ Sie schenkte ihm einen schnellen Knicks und verschwand, ehe sich der Mann zu ihnen vorgearbeitet hatte. Er blieb vor Brentworth stehen.

„Euer Gnaden, ich danke Euch für Euer Kommen.“

Eric kannte Haversham. Er war schon jahrelang Diener des Königs. Er konnte ihn nicht ansehen, ohne an Shakespeares Julius Caesar zu denken. Brutus hat ein ausgemergeltes, hungriges Aussehen. Lasst mich von Männern umgeben sein, die dick sind.

„Mein Meister schickte nach mir. Oder so nahm ich an.“

Haversham errötete. „Ich schrieb in seinem Auftrag, auch wenn er mich heute bat, an seiner Stelle zu sprechen.“

„Ich bin es nicht gewohnt, dass man mich an irgendjemanden abschiebt, selbst wenn es sich um einen begnadeten Diener wie Sie es sind handelt.“

„Abgeschoben? Gütiger Himmel, nein. Absolut nicht, Euer Gnaden. Es wird Euch viel Zeit sparen, wenn ich die Vorarbeit leiste. Einiges erkläre. Dann muss Seine Majestät seine Zeit nicht damit verbringen, außerdem kann ich es womöglich auch, nun, direkter tun.“ Er hustete in seine Faust. „Wenn Ihr versteht.“

Brentworth verstand. Es konnte den König eine Stunde kosten, ihm etwas zu erklären, was Haversham in zehn Minuten ausführlich vortrug. „Wenigstens waren Sie nicht töricht genug, um einen Pagen zu schicken, der mich zu Ihnen bringen sollte.“

„Natürlich nicht! Nein, es ist wahrlich besser, dass wir im Privaten sprechen, nun, das soll bedeuten, dass die Angelegenheit in Frage eine ist, die dem König Unannehmlichkeiten bringt, und ihm ist es lieber, wenn Ihr Euch mit mir hierhin setzen würdet.“

Hierhin bezog sich auf zwei Stühle, die hinter einer Statue standen, um eine Illusion von Privatsphäre zu kreieren. Eric warf sich auf einen davon und wartete darauf, dass Haversham endlich zum Punkt kam.

„Wie Ihr sicherlich wisst, wurden nach dem Jakobitenaufstand einige Titelträger gebrandmarkt. In einigen Fällen wurden von jenen, die nicht dem Adel angehörten, Ländereien beschlagnahmt“, begann der Diener. „Bei manchen gingen die Ländereien verstorbener feudaler Barone wieder ins Eigentum der Krone über, weil keine Erben oder Verwandten ausfindig gemacht werden konnten. In solchen Fällen wurde auch von offizieller Brandmarkung des Familiennamens abgesehen.“

„Damit wurde vor Jahrzehnten abgeschlossen.“

„Das stimmt, aber hin und wieder bekommen wir einen Antrag, diese Angelegenheiten aufzuarbeiten. Jemand gibt an, Nachfolger einer dieser Männer zu sein und einen Anspruch auf das Gut zu haben. Üblicherweise Verbrecher. Abenteurer.“ Haversham winkte abfällig. „Es passiert öfter als man annehmen würde. Einige wollen der Krone eine Petition stellen, nachdem das College of Arms sie abgewiesen hat. Wir versenden einen Standardbrief mit dem Hinweis, dass sie von weiterem Betrug absehen sollten, da sonst eine Freiheitsstrafe droht. Damit ist das meiste dann abgetan.“

„Und wenn es dann nicht erledigt ist?“

„Kümmere ich mich um sie. Es ist langwieriger, aber mit der Zeit geben die restlichen ebenfalls auf.“

„Fabelhaft. Warum bringt mich diese Angelegenheit dann heute zu Hof?“

Der Sekretär schien überrascht. „Oh! Ich dachte, Ihr würdet es bereits wissen. Nun, das ist nun wirklich alles sehr peinlich.“ Er lehnte sich näher. „Vor Kurzem kam wieder ein Nachkomme. Nur besitzt dieser einen Brief vom vorigen König, welcher ihm den Anspruch so gut wie zusagt.“

„Wie unschicklich für Sie.“

„Wirklich sehr unschicklich. Es ist keine Fälschung. Er trägt die königliche Unterschrift und auch sein Siegel und verspricht quasi die Rückgabe der Ländereien. Aber seine Majestät war zu dem Zeitpunkt natürlich komplett verrückt. Wer konnte wissen, was er in seinen privaten Korrespondenzen schrieb? Aber so ist es nun mal.“

„Wollen Sie meinen Rat? Ist das der Grund, warum ich hierher befohlen wurde? Ich denke, Sie sollten …“

„Bei allem Respekt, Euer Gnaden, das ist nicht der Grund, warum Ihr eingeladen wurdet. Als ich hinauskam und Euch sah, ging ich davon aus, dass Ihr es wüsstet. Immerhin habt Ihr mit Davina MacCallum gesprochen. Sie ist die Anspruchstellerin in Frage. Sie besteht auf eine weitere Audienz mit dem König, um die Sache zu klären. Mir wurde aufgetragen sicherzugehen, dass dies niemals passiert.“

„Eine weitere Audienz?“

„Ich befürchte, dass sie sich in Edinburgh gesprochen haben.“

„Wenn eine fünfminütige Unterhaltung mit seiner Majestät sie zufriedenstellt, verstehe ich nicht, warum …“

„Zusätzlich zum Brief des letzten Königs muss ich bedauerlicherweise gestehen, dass sie sich vom aktuellen ein Versprechen zusichern lassen hat. In Edinburgh. Die ganze Angelegenheit stellt sich als potenzielle Peinlichkeit für seine Majestät heraus. Eine große, sogar. Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass diese Geschichte nicht herauskommt.“

Eric wollte lachen. Davina MacCallum hatte es geschafft, dass der König von Großbritannien sich vor ihr versteckte. Seine Achtung vor ihr stieg augenblicklich.

„Haversham, all dies ist wirklich interessant, fast schon amüsant. Aber ich muss Ihnen sagen, dass ich besagte Dame nicht gut genug kenne, um sie zu beeinflussen.“ Er stand auf. „Mein Rat für seine Majestät ist, dass er ihr einfach das Land geben sollte. Ich fürchte, er wird sich nicht gegen sie behaupten können.“

Haversham sprang auf die Füße. „Genau meine Gedanken, Euer Gnaden. Nicht unbedingt, dass er sich nicht gegen sie behaupten könnte, ich wäre nie so disloyal so etwas zu sagen, aber was das Land angeht. Viel einfacher. Keine Peinlichkeiten. Es gibt nur ein Problem. Das Land gehört nun jemand anderem. Er wird unseren Entschluss wahrscheinlich nicht so glücklich auffassen.“

Jetzt kamen sie endlich weiter. „Ich werde im Namen des Königs mit ihm sprechen, wenn es das ist, was gebraucht wird. Wer ist er?“

Haversham leckte über seine Lippen und bot ein zittriges Lächeln. „Ihr, Mylord.“

2. Kapitel

Spät nachmittags betrat Davina das Haus am Bedford Square, das als Sitz des Parnassus Club diente. Er war vor einem Jahr von der Duchess von Stratton etabliert worden und hatte nur weibliche Mitglieder. Davina war bei ihrer Ankunft in London eingeladen worden, ein Mitglied zu werden, und das am selben Tag, an dem sie Mrs. Galbreath kennengelernt hatte, die zwei ihrer Aufsätze erworben hatte.

Es war so exklusiv wie in anderen Clubs auch, und es erforderte eine Abstimmung der Mitglieder, um neue einzulassen, genau wie ein gewisses Honorar. Sie war jedoch aus Wohltätigkeit aufgenommen worden, nicht, dass Mrs. Galbreath es so formuliert hätte, und die Abstimmung war sehr demokratisch verlaufen. Während es viele Damen gab, die vorbeikamen, um sich im Salon zu entspannen, oder im Wettzimmer zu wetten, waren nicht alle so hochwohlgeboren.

Andere, wie die Schatzmeisterin des Clubs, waren angesehene Damen geworden. Davina nahm an, dass alle diese Eigenschaft anerkannten, genau wie sie, aber im Gegensatz zu den anderen erleichterte es sie. Und als Resultat waren sie und die Frau, die als Amanda Waverly geboren und nun die Duchess von Langford war, beste Freundinnen geworden.

Amanda saß an einem Schreibtisch in der Bibliothek, als Davina ankam, ihr dunkler Kopf über den Stift geneigt. Sie trug eine einfache Leinenschürze über einem schillernden Kleid in der Farbe von Amaryllis.

„Arbeitest du an den Konten?“, fragte Davina. „Oder schreibst du einen Brief?“

Amanda sah auf und grüßte sie. „An den Konten.“

„Und du willst nicht das Arbeitszimmer dafür verwenden?“

„Normalerweise finde ich es ganz schicklich.“ Amanda sah zur Seite, wo drei Frauen am Kamin saßen. „Aber Mrs. Bacons Tratsch ist mir heute schicklicher. Von hier aus kann ich lauschen.“

„Wie skandalös. Ich werde beide Aktivitäten nicht stören. Aber bei der Party habe ich selbst etwas mitgehört. Die Duchess sprach davon, sich heute mit Mrs. Galbreath treffen zu wollen. Hat sie es getan?“

„Sie sind in Mrs. Galbreaths Kammer.“

„Geht die Duchess normalerweise sofort, nachdem sie miteinander gesprochen haben? Oder zeigt sie sich noch hier unten im Club?“

Amanda legte ihren Stift ab. „Warum fragst du? Willst du mit ihr sprechen?“

„Man könnte doch ein paar Worte wechseln.“

Amandas Grinsen wurde breiter. „Ich habe eine bessere Idee. Wenn sie runterkommt, sage ich ihr einfach, dass du mit ihr sprechen möchtest.“

„Keine Umstände bitte.“ Nicht schon wieder, fügte sie beinahe hinzu. Sie hatte einen ziemlichen Umstand gemacht, als sie bei ihrem informellen Gespräch um einen Brief für den König gebeten hatte.

„Ich denke nicht, dass sie es so sieht. Ich habe es ja auch nicht als solchen aufgefasst.“

Das war anders. Davina fing die Wörter auf, ehe sie ihr entfleuchten. Diese Duchess könnte es vielleicht als Beleidigung ansehen, dass sie implizierte, dass sie nicht so fürstlich wie Lady Clara war.

Amüsement leuchtete in Amandas Augen auf. „Sie frisst dich schon nicht auf, Davina. Ich bin sicher, dass was auch immer du ihr sagen willst, sie interessieren wird.“ Sie neigte den Kopf zur Tür. „Ich glaube, ich höre sie gerade im Gang.“

Man hörte weibliches Geschnatter, als die beiden Damen zusammen die Treppen hinunter und in die Bibliothek kamen.

„Nach dem Treffen am Dienstag werden wir abstimmen“, sagte die Duchess zu ihrer Begleiterin. Sie bemerkte Davina. „Ich bin froh zu sehen, dass Ihr den Club nutzt, Miss MacCallum. Ich hoffe, dass Ihr Euch hier geborgen fühlt.“

„Das tue ich, Euer Gnaden. Es ist nicht weit von meinem Zimmer, also kann ich jeden Tag herkommen, wenn meine Pflichten getan sind.“

„Ich sagte ihr, dass sie unbedingt zu den Buchhändlern gehen und ein paar Medizinbücher für die Bibliothek aussuchen soll“, sagte Mrs. Galbreath. Sie war eine feingliedrige, elegante blonde Frau, die im Haus des Clubs wohnte und es leitete, gleichzeitig war sie auch Herausgeberin der Parnassus.

„Heute kam sie, weil sie mit dir über etwas sprechen möchte, Clara“, sagte Amanda.

„Tatsächlich? Nun, lasst uns dafür einen ruhigen Ort suchen.“ Sie sah sich in der Bibliothek um und presste die Lippen zusammen, als sie die drei Damen am Kamin sah. „Wir gehen ins Esszimmer, damit uns keiner überhört.“

Amanda errötete, denn es war eine Anspielung darauf, dass die Frauen sie belauschen könnten. Sie neigte sich wieder über ihre Arbeit. Davina folgte der Duchess aus dem einen Zimmer ins andere.

Es als Esszimmer zu bezeichnen war ein wenig lächerlich, denn es diente lange nicht mehr als solches. Man hatte es als Wettraum eingerichtet, mit kleinen Tischen und einem Wettbuch. Davina hatte die Frauen oft Whist um Geld spielen gesehen, und einmal sogar vingt-et-un.

Die Duchess setzte sich an einen der Tische nahe der Tür zum kleinen Garten und lud sie ein, Platz zu nehmen.

„Wie ich Euch letzte Woche sagte, bin ich aus gutem Grund nach London gekommen“, begann Davina. „Es war nicht, um Tutorin zu werden. Das dient lediglich als Mittel zum Zweck.“

„Ihr wolltet mit dem König über eine wichtige Familienangelegenheit sprechen, denn er hat Euch Versprechen gemacht. Habt Ihr das erreichen können?“

„Ich wurde heute zum Palast bestellt, dank des Briefes, den Ihr für mich geschrieben habt. Ohne Euren Einfluss wäre das sicherlich nicht passiert.“

„Es war nicht mein Einfluss, sondern der meines Vaters, dessen Geist an meiner Seite steht. Für mich hegt der König keine Vorliebe. Aber es ist gut zu wissen, dass ich noch etwas Einfluss habe, egal wie gering er zu sein scheint. Ich bin froh, dass Ihr Eure Audienz bekommen habt.“

„Das habe ich, nur leider nicht mit dem König. Ich traf einen Mann namens Mr. Haversham.“

Ihr wurde ein freundliches, aber bedauerndes Lächeln geschenkt. „Es ist nicht einfach, einen König zu sehen, vor allem diesen. Ihr wurdet abgewiesen, weil er nicht an sein Versprechen erinnert werden will.“

„Das nehme ich ebenfalls an.“

„Ihr sagtet, dass Ihr ihn bei einem Essen während der Festlichkeiten in Edinburgh getroffen habt. War er beschwipst? Was für eine lächerliche Frage, natürlich war er das. Und da wart Ihr, ein hübsches junges Ding, und er sagt Euch seine Hilfe zu, um großzügig zu wirken, und wer weiß, was er noch wollte. Oh, Ihr müsst mir nichts darüber erzählen. Seine Angewohnheiten sind in aller Munde, genau wie seine Vorliebe für die Damen.“ Sie tippte einen Finger gegen ihr Kinn. „Darf ich fragen, worum es genau geht? Ihr habt diese Informationen letzte Woche nicht angeboten, und ich wollte Euch nicht drängen, doch …“

„Es geht um ein Erbe. Eines, das schon lange ignoriert wurde. Sein Vater, der letzte König, versprach ebenfalls, dass er sich darum kümmern würde. Nur dann wurde er verrückt und …“

„Also versprachen bereits zwei Könige ihre Hilfe und es kam zu nichts? Das ist inakzeptabel. Er hat Angst, dass Ihr es ihm übelnehmt, wenn er sein Wort nicht hält, oder das seines Vaters ehrt.“

Das ist das, was Mr. Hume, ihr Arbeitgeber, gesagt hatte. Die stärkste Waffe ist die des Tratsches. Er fürchtet sich davor, schlecht dazustehen.

Die Duchess überlegte einen Moment. „Ich denke, dass Ihr noch vom Palast hören werdet. Sie klären die Sache entweder in Eurem Sinne, oder versuchen Euch geldlich zu befriedigen. Ihr müsst entscheiden, ob Ihr mit Letzterem zufrieden sein könntet und wenn ja, wie viel Euch das Erbe wert ist.“

„Glaubt Ihr das tatsächlich?“

„Ich nehme es an, weil ich selbst auch so handeln würde, wenn ich mit so viel Entschlossenheit konfrontiert würde.“

Davina hoffte, dass es ein Kompliment war. Sie fragte sich, ob Haversham dasselbe gesehen hatte, was die Duchess in ihr sah.

„Ich hoffe, dass Ihr recht habt.“ Davina stand auf, um sich zu verabschieden. „Ich danke Euch für Eure Hilfe. Ich hoffe doch sehr, dass ich nicht zu dreist war, Eure Hilfe zu erfragen.“

Die Duchess lachte. „Es war wirklich dreist. Aber ich schätze das ungemein bei einer Frau.“

„Dann bin ich umso dankbarer.“

Die Duchess erhob sich ebenfalls. „Sagt mir, was passiert. Vielleicht berichtet Ihr mir eines Tages über Euer Erbe. Ich denke, dass sich dort eine interessante Geschichte verbirgt.“

***

Eric streckte die Beine aus und starrte in die tintige rote Flüssigkeit in seinem Glas. Seine beiden Freunde, der Duke von Stratton und der Duke von Langford, hatten bereits ausgetrunken. In etwa zehn Minuten würde es an der Zeit sein, wieder zu den Damen zu stoßen.

„Es ist gut, dass ihr gekommen seid“, sagte Langford ungerichtet in den Raum hinein.

„Natürlich sind wir gekommen. Ein kleines Abendmahl ist die perfekte Gelegenheit für deine Ehefrau, ihren neuen Flügel auszuprobieren“, sagte Stratton.

„Zur nächsten kannst du mehr Gäste einladen“, sagte Eric. Er nahm einen Schluck von seinem Port. „Es lief gut und alle Abendessen sind gleich, nur die Anzahl von Stühlen verändert sich.“

Mit nur drei Pärchen war es die kleinste aller Partys gewesen. Der erste Anlauf von Amanda Waverly, eine Gastgeberin zu sein, hatte gut genug funktioniert. Mit ihrem Menü brauchte sie noch Hilfe, aber da würde ihr der Koch zur Seite stehen. Oder eine der Damen. Strattons Frau Clara würde sich nicht zieren, der neuen Duchess Anweisungen zu geben, wenn sie glaubte, dass es nötig war.

„Ich sagte ihr, dass es nicht genug Gäste seien, aber sie war so nervös … Nun, sie wurde ja auch nicht in den Stand geboren.“ Langford fuhr sich auf die Art durch die dunklen Locken wie er es immer tat, wenn er besorgt war.

Eric wusste, dass es seinem Freund egal war, wie das Abendessen lief. Seiner Frau war es aber wichtig, und seine Sorge galt ganz und allein ihrem Wohl.

„Vielleicht sollte ihre nächste Party ein Nachmittagstreff werden. Ein Salon“, sagte Brentworth. „Vielleicht ein weiterer für dieses Journal, für das sie arbeitet.“ So käme er dazu ein Thema anzusprechen, welches schon seit Tagen in seinem Kopf die Runde machte. Die Autorin des Journals würde so auch kommen. Davina MacCallum glaubte also, dass sie durch Hinterhalt an seine Ländereien kommen könnte? Sie würde sehr schnell lernen, was das hieß.

„Es war auch gut von dir gewesen, zu dem Treff damals zu kommen“, sagte Stratton mit einem bedeutsamen Blick in seine Richtung.

Nicht gut, notwendig. Duchess oder nicht, das Journal war kontrovers und Claras Gönnerschaft hatte sich reichliche Kritik eingefangen. Nicht, dass es ihr oder Stratton etwas ausmachte. Beiden waren kontroverse Angelegenheiten, ja sogar Skandale, nicht fremd. Es war aber die Rolle eines Freundes dort auszuhelfen, wo man konnte, und Brentworth hatte gewusst, dass seine Anwesenheit die Sache abmildern würde.

„Ich hatte Spaß“, sagte er, auch wenn das eine Übertreibung war. „Ich nahm sogar eine Ausgabe der Parnassus heim und habe sie gelesen. Lady Farnsworth hält sich in ihren Aufsätzen nicht zurück, aber das habe ich auch nicht von ihr erwartet. Der Artikel über die Historik war interessant, auch wenn ich von der Autorin noch nie gehört habe. Und die Hinzugabe von Miss MacCallum war ebenfalls … erhellend.“ Sehr interessant. Er musste zugeben, dass sie ein Händchen für Prosa hatte.

„Amanda sagt, dass diese Frau an sich sehr engagiert ist, also wundert es mich nicht“, sagte Langford.

„Kennst du sie persönlich?“, fragte Eric.

Langford schüttelte den Kopf, während er sich Port nachschenkte und die Flasche an Stratton weiterreichte. „Ich habe kurz mit ihr auf der Feier gesprochen. Nur wenige Worte. Amanda hat sich mit ihr angefreundet. Ich fand es seltsam, dass sie aus Edinburgh stammt, sich aber nicht im geringsten schottisch anhört, aber sie berichtete wohl, dass sie in ihrer Kindheit in Northumberland wohnte.“

„Ihr Aufsatz kombinierte die Beschreibungen einer Abenteurerin mit dem Rat eines Arztes. Nur, dass sie natürlich kein Arzt ist.“

„Ihr Vater war einer, sagt Amanda. Sie ist im Sommer mit ihm gereist und hat die Leute an abgelegenen Orten versorgt.“

„Eine Auszubildende, also“, sagte Stratton. Er sprach in einem lässigen Tonfall, der die ungewöhnliche Aussage kontrastierte.

„Hört sich danach an“, sagte Langford. „Vielleicht übernimmt sie seine Arbeit, jetzt da er verstorben ist.“

„Nur, dass sie kein Arzt ist“, wiederholte Brentworth.

„Lieber jemand, der etwas von Medizin versteht und keinen Titel hat, als jemand, der einen hat aber nichts weiß“, sagte Stratton.

„Sie kann seine Arbeit nicht weiterführen. Sie ist eine Gouvernante“, fügte Brentworth hinzu. Das hatte Haversham ihm berichtet.

„Die Stelle hat sie erst vor Kurzem angenommen, direkt vor ihrer Ankunft in London. Sie hat den Vertrag bei Hume vor einem Monat unterschrieben.“

„Hume? Der Radikalist?“

„Genau der. Er sieht es aber so, als hätte er eine Tutorin für seine Tochter angestellt, keine Gouvernante“, fuhr Langford fort. „Miss MacCallum trägt die Verantwortung, seiner Tochter eine ganze Reihe an Fächern nahe zu bringen. So war sie auch in Edinburgh eingestellt, nicht als Gouvernante.“

Brentworth dachte an den Artikel in der Parnassus zurück. „Ich glaube, dass Davina MacCallum ebenfalls eine Radikalistin sein könnte.“ Es würde einiges erklären, wenn Politik ihre Motivation wäre, und nicht Gier. Zum einen schien sie nicht der Typ zu sein, der nach Reichtümern geierte. Aber schottische Länder den Schotten zurückzugeben … Er konnte sich das bei ihr gut als Ziel vorstellen, denn es erlaubte, einen Betrug mit einer verdrehten Rationalisierung nicht als solchen zu sehen.

„Warum sagst du das? Mein Tutor hat nicht die politischen Ansichten meines Vaters adoptiert, warum würde sie Humes annehmen?“

„Ich glaube nicht, dass sie irgendwas adoptierte. Ich denke, dass sie ihn kennt, weil sie bereits ähnliche Ideen für dieselbe Angelegenheit teilen.“

„Angelegenheit? Singulär?“, sagte Stratton. „Ich nehme an, du meinst die schottische Angelegenheit. Man kann sicher annehmen, dass deren Reste nach den Hinrichtungen in den Zwanzigern zur Ruhe gelegt wurden.“

„Amanda hat mir nichts über irgendwelche politischen Meinungen ihrer Freundin erzählt“, warf Langford ein.

„Ihr Aufsatz beschrieb eine Reise östlich von Glasgow, wo der ganze Ärger stattfand. Ihr Patient war die Frau eines Webers. Sie bezog sich auf die schreckliche Abwesenheit des Mannes von seinem Zuhause, und die Schwierigkeiten, die es mit sich brachte. Es ging wahrscheinlich um einen, der abtransportiert wurde.“

„Macht es was aus? Ich glaube nicht, dass sie nach London gekommen ist, um ein Attentat auf jemanden auszuüben“, kommentierte Stratton.

Brentworth ging nicht darauf ein. Nein, sie kam nach London, um tausende Acres meiner Ländereien zu stehlen.

Langford schenkte seinem Freund einen harten Blick. Brentworth hielt es aus. Bei den meisten Männern war er sich sicher, dass sie seine Miene nicht lesen konnten, aber das war Langford, der ihn zu gut kannte und die irritierende Angewohnheit hatte, unter seine Rüstung zu kriechen.

Langford lächelte teuflisch und Schalk leuchtete in seinen blauen Augen auf. „Du interessierst dich einen Dreck für ihre politischen Ansichten. Du suchst einfach nach einem Grund danach, dich für sie zu interessieren, und dieser passt dir.“

Strattons Augenbrauen schossen in die Höhe. Er musterte Brentworth ebenfalls.

„Unsinn“, sagte Eric. „Du hast keine Ahnung, wie falsch du liegst. Deine bestehende Schwärmerei für deine Frau lässt dich glauben, dass alle Männer Idioten wie du sind, Langford. Ich habe kein Interesse an schottischen Frauen mit unschicklicher Dreistigkeit und seltsamer Bildung und Manier. Ist es nicht an der Zeit, dass wir zu den Damen zurückkehren? Ihr beiden langweilt mich.“

„Unschickliche Dreistigkeit, also? Du hast dich bereits mehr mit ihr beschäftigt als mit jeder anderen Frau.“ Mit einem eingebildeten und triumphalen Grinsen erhob sich Langford, um die Gentlemen zurückzuführen.

Das mochte vielleicht stimmen, aber nicht aus dem Grund, den Langford annahm.