Leseprobe Die Tote in der Wand

Prolog

Horst stützte sich an der Wand neben der Zellentür ab. »Das ist so nett von dir, Gabilein.«

»Du bist der Einzige, der sich dafür bedankt, in einer Ausnüchterungszelle eingesperrt zu werden, Horst.« Gabi wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht. »Dein Dunst wird auch immer … wuchtiger

Es klirrte, als Gabilein den richtigen Schlüssel heraussuchte und die Zellentür damit öffnete. Sie war schon nett, machte ihm ständig Komplimente.

Sein Dunst wurde wuchtiger.

Ja, bei seiner Parfümauswahl war er sattelfest.

Horst bedankte sich mit einer leichten Verbeugung, die dafür sorgte, dass er auf geradem Weg in die Zelle taumelte. Vor der Wand gelang es ihm, zu stoppen und in einem eleganten Winkel auf sein Bett zu fallen.
Gabi atmete scharf ein. »Ach, Horst. Das nimmt noch ein böses Ende mit dir.«

»Aber hier drinnen bin ich doch sicher.«

Er setzte sich wieder auf. War das auch wirklich seine Zelle? Mit gerunzelter Stirn sah er sich um. Da waren die Fliesen auf dem Boden, die jeden Tag frisch gereinigt wurden. Es stand ein Glas Wasser bereit und die Toilette war geschrubbt. Die Risse in der Wand verschafften seiner Zelle einen gewissen Nostalgie-Charme.

In der Luft lag der Geruch von Essigreiniger, nur ohne den dezenten Beiklang von Urin und Toilettensteinen, wie er es von der Bahnhofstoilette kannte. Zu Hause war es dagegen sauber, aber viel zu still. Er mochte diese ständige Stille nicht.

Das hier war eine kostenlose Deluxe-Unterbringung, das gab es in Niederteerbach sonst nirgends. Er würde morgen persönlich Sterne auf die Tür malen, jawohl!

Er begann leise zu summen.

»Ich lass dich dann mal alleine«, sagte Gabilein. »Bis morgen früh.«

Horst stimmte wie jeden Abend ein Ständchen an. »In deinen Hafen werf ich meinen Anker … tuut, tuut.«

Die Tür wurde hektisch geschlossen, es klirrte, der Schüssel wurde gedreht. Kurz darauf erklang sehr laute Musik aus einem entfernten Radio. Das geschah ständig, wenn er ein Ständchen brachte. Seltsam.

Horsts Blick wanderte zum Wasserglas am Boden. Ob er die Bestellung auch ändern konnte? Vielleicht könnte Gabilein ihm einen Prosecco hinstellen? Er würde sie morgen mal fragen.

Aber zuerst das Naheliegende.

Horst fixierte die Toilette, die schräg gegenüber in die Wand verbaut war. Auch hier überall Fliesen mit Rissen dazwischen. Der Innenarchitekt hatte schon was drauf, mit all diesem Abrisshaus-Charme.

Horst erhob sich, den Blick starr auf sein Ziel gerichtet, und taumelte los. Mit einem zusätzlichen Schwenk in Richtung Tür erreichte er die Toilette, stützte sich mit den Händen voraus an der Wand ab.

Er blinzelte.

Da war ein Zeh.

Sicherheitshalber wackelte er mit seinen eigenen, aber die waren ja in den Schuhen. Wieso konnte er dann einen davon sehen? Und der guckte auch noch aus der Wand. Ein abgeplatztes Fliesenstück lag daneben.

Er richtete seinen Oberkörper auf, doch die Umgebung drehte sich zu sehr. Ein kurzes Taumeln, dann prallte er noch einmal gegen die Fliesen.

Ein weiteres Stück Fliese löste sich und krachte splitternd zu Boden. Dahinter kam eine Plastikplane zum Vorschein und darunter …

»Gabi!«, brüllte Horst und vergaß sogar das ›lein‹. »Gabi!«

Die Musik wurde lauter gedreht.

Er taumelte zurück zu seinem Bett. Irgendwie drehte sich hier alles.

»Gabilein«, murmelte er leise. Und schlief ein.

1. Kapitel

Maike stand an der Theke der Bäckerei, den Blick hinter sich zur Tür gewandt.

Auf dem Weg hierher hatte sie so ziemlich jeder Bürger von Niederteerbach, dem sie begegnet war, angelächelt und einen »Guten Morgen« gewünscht. Es wirkte fast, als wäre sie die verlorene Tochter des Ortes, die nach Jahren der Abwesenheit zurückgekehrt war.

»Guten Morgen«, erklang die resolute Stimme der Bäckereifachverkäuferin.

Maike wandte sich ruckartig der Theke mit den ausgelegten Teilchen zu. »Morgen.«

»Ah, Frau Kriminalhauptkommissarin.«

Das ließ sie nun doch dezent irritiert zurück. »Kennen wir uns?«

»Ja irgendwie schon, oder?« Die Bäckereifachverkäuferin grinste wie ein Honigkuchenpferd. Ihr gebundener Dutt war eingenetzt, die rosigen Wangen leuchteten.

»Und woher genau jetzt?«, fragte Maike.

Wenn solche Zusammentreffen stattfanden, waren sie meist von der unfreundlichen Sorte. Wer lächelte die Kriminalhauptkommissarin auch freundlich an, die ihn oder sie Wochen – oder Jahre – zuvor in eine Arrestzelle gesteckt hatte? Hier ging sie allerdings nicht von einer rehabilitierten Mörderin aus. Und wie sollte die auch von Maikes bisheriger Wirkungsstätte, Berlin, hierhergekommen sein?

»Na aber! Ganz Niederteerbach weiß doch, wer Sie sind.«

»Offensichtlich.« Sie betonte jedes Wort. »Aber woher?«

»Na, durch den Artikel natürlich.«

Ihr Magen machte einen Satz. »Reden wir hier von einem Zeitungsartikel? Über mich?«

»Sie waren wirklich gut abgebildet auf dem Foto. Nur etwas schlanker. Schon ein Weilchen her, aber das geht uns ja allen so.« Ein Lachen folgte, das an Maikes steinerner Miene abprallte. »Also Ihr Werdegang war richtig spannend. Dass Sie in Köln aufgewachsen sind, dann ging es in die Hauptstadt. Da hört man ja einiges, über Berlin. Sodom und Gomorrha.«

»Schlimmer«, sagte Maike trocken.

»Ach, echt? Sind Sie deshalb hierher zu uns gekommen?«

»Eine Puddingbrezel.« Sie deutete auf die Auslage.

»Das ist ein Quarkstreusel. Die Puddingbrezel liegt weiter links. Aber brauchen Sie sowieso nicht.« Wieder lag das Grinsen auf dem Gesicht der Verkäuferin. »Da hat die Gabi … ach, gehen Sie einfach mal auf die Wache.«

Maike seufzte. Sie dachte kurz darüber nach, den Dialog weiterzuführen, fühlte sich dann aber zu müde. Da es gestern nach ihrer Ankunft zu spät gewesen war, erinnerte ihre Wohnung an ein verrücktes Labyrinth aus Umzugskartons. In einem davon wartete die Kaffeemaschine noch immer darauf, ausgepackt zu werden und mit einem wundervollen Summen zum Leben zu erwachen.

»Na dann. Schönen Tag Ihnen.« Sie verabschiedete sich mit einem Nicken.
Sie verließ die Bäckerei Strietzel und trat auf den Marktplatz. Es schien, als hätte das Herzstück der Stadt alle hässlichen Gebäude wie ein Magnet angezogen und rings um sich gruppiert. Dass Maikes Wohnung dazugehörte, sprach Bände. Das Rathaus lag ebenso in Sichtweite, in dem auch die Polizeiwache lag.

Hinter einem Parkplatz, auf dem ein paar einsame Autos standen, stieg sie die Stufen hinauf und wurde von einer kühlen Eingangshalle des grauen 70er-Jahre-Baus verschluckt. An der Decke hing ein angestaubter Leuchter, vor dem Treppenaufgang gab es ein Schild, das die einzelnen Bereiche aufführte. Sie musste nach oben in den zweiten Stock.

Irgendwer hatte sich kurzerhand dazu entschieden, alles – vom Standesamt bis zur Polizeiwache – hier hineinzupferchen. Und über diesem Flickwerk thronte die Bürgermeisterin.

Maike stieg die Stufen empor, anfangs immer zwei auf einmal nehmend. Gegen Ende versuchte sie, ihr Keuchen zu unterdrücken. Roch sie da irgendwo Kaffee?

Wie magisch davon angezogen, ignorierte sie die versammelte Hochzeitsgesellschaft vor dem Standesamt und erreichte einige Stufen später den Eingang zur Polizeiwache.

Der Schmelztiegel aus Stimmen blieb hinter ihr zurück, und eine angenehme Ruhe breitete sich aus. Jemand hatte frisch geputzt, denn es roch nach Reinigungsmittel und Staubsauger. Sie betrat ein schmales Büro, in dem zwei Schreibtische gegeneinandergepresst worden waren. Die Wand auf der rechten Seite endete direkt in der Mitte des Fensters – es schien als wäre diese Wand nachträglich mit perfektem Dilettantismus eingebaut worden.

»Frau Kriminalhauptkommissarin.« Ein junger Polizeibeamter sprang von seinem Stuhl auf, als habe man ihn gerade beim Faulenzen ertappt. »Sie sind da.«

»So halb.«

»Wie bitte?« Er eilte auf sie zu, das dunkle Haar perfekt gescheitelt, die Uniform gebügelt und ohne ein Staubkorn.

»Ohne Kaffee«, ergänzte sie.

»Ach so. Das tut mir leid. Ich mache Ihnen sofort eine Tasse.«

Maike mochte seine offene Art. »Das ist nett, bekomme ich aber auch allein hin. Und Sie sind?«

»Yilmaz. Polizeikommissar Lukas Yilmaz.« Er schüttelte ihre Hand mit dem kraftvollen Nachdruck eines Neulings, der erst noch vom Dienst abgeschliffen werden musste. »Und das ist Petzold … Gabi. Ich meine, Gabi Petzold. Polizeihauptkommissarin und Leiterin der Wache.« Er nickte in Richtung des leeren Schreibtischs. »Normalerweise. Sie ist aber gerade nicht da.«

»Ach, tatsächlich.« Maike schmunzelte. Schritte näherten sich auf dem Gang.

»So, ich habe noch ein paar Blumen hingestellt. Unsere Neue …« Eine mittelgroße Frau mit grauem Haar und Lachfalten um die Augen hielt verblüfft im Türrahmen inne.

»Das wäre dann ich«, Maike streckte die Hand aus.

Das Gesicht ihres Gegenübers leuchtete freundlich auf. »Frau Pech.« Die Lachfalten vertieften sich, ein energetisches Funkeln trat in die Augen. »Schön, dass Sie uns gefunden haben.«

»Hinterm Standesamt links, vorbei an der Tankstelle im ersten Stock. Hat am Ende irgendwie geklappt. Und Sie sind Frau Petzold.«

»Gabi, bitte. Jeder nennt mich Gabi.«

Maike ließ eine Braue in die Höhe wandern. »Jeder hier? Also sie beide?«

»Der Ort.« Gabi gab ihr einen leichten Stups in die Seite und machte damit endgültig klar, dass es mit ihr einfach werden würde.

Maike kannte es auch anders. Vom altgedienten Kollegen, der sich von einem ›Mädel‹ nix sagen lassen wollte bis hin zur Wadenbeißerin. Hatte sie alles schon gehabt. »Also dann … Gabi

»Ich zeige Ihnen Ihr Büro. Das hat die Bürgermeisterin persönlich in die Wege geleitet. Neueste Ausstattung.«

»Das wäre mal eine Abwechslung«, murmelte Maike.

Sie verließen den Raum und betraten drei Schritte nach links die andere Seite ›der Wand‹. Diese erwies sich als dünne Rigipswand. Ob der Architekt des Ortes sich mit dem Maurer verbündet hatte? Sowas ging doch nicht mal mit Bestechung in die Genehmigung.

Die Einrichtung war überschaubar. Wandschrank, zwei Stühle und ein Schreibtisch. Auf diesem standen ein Telefon und ein altersschwacher Computer, ein wenig versetzt im Hintergrund ein Drucker. Davor entdeckte sie einen Teller mit belegten Schnittchen, einen zweiten mit süßen Teilchen. Jetzt ergab die Verweigerung der Verkäuferin, ihr das Puddingteilchen zu verkaufen, plötzlich Sinn. Unweigerlich fragte sie sich, wie viele Gäste noch eingeladen waren, das konnte sie niemals alles alleine verputzen. Aber das Wichtigste … eine dampfende Tasse Kaffee. »Das ist ja nett«, sagte Maike freudig. Ihr Blick wanderte weiter. »Und sogar ein halbes Fenster.«

»Ja, das ist vielleicht ein wenig ungeschickt«, gab Gabi zu. Lukas Yilmaz war ihnen gefolgt und verschränkte nun die Arme. Er seufzte schwer. »Ich habe denen gesagt, dass die Bauvorschriften …«

»Ja, ja, ja.« Gabi wiegelte ab. »Die Bürgermeisterin persönlich hat dafür gesorgt, dass das seinen Weg nimmt. Damit die Frau Pech sich bei uns auch mit einem eigenen Büro wohlfühlt. Und das ist doch eine nette Geste.«

Maike trat an den Tisch, schnappte sich die Kaffeetasse und schaute aus dem halben Fenster. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie, dass der Fenstergriff auf der anderen Seite ›der Wand‹ lag.

Gabi war ihrem Blick gefolgt.

»Sie können dann einfach dreimal klopfen, dann kippen wir das Fenster.«

»Das ist ja ausgefuchst«, sagte Maike trocken.

»Wir machen das alles auf dem kleinen Dienstweg … also das mit dem Fenster kippen.«

»Ist mir schon aufgefallen.« Maike blickte auf die Kaffeetasse, sog den Geruch tief ein. »Sie sind ein Engel.« Sie nippte leicht an dem schwarzen Gebräu. Das Schlucken fiel schon deutlich schwerer. Was immer dieses Zeug war, Kaffee konnte man es nicht nennen.

Gabi hatte ihren Blick bemerkt, aber glücklicherweise falsch gedeutet. »Ach, das tut mir leid. Sie wollten bestimmt noch Milch. Oder Zucker?«

»Beides.« Maikes Stimme war ein Krächzen.

»Ich hole schon«, bot sich Lukas an.

Gabi hielt ihn zurück. »Lass doch bitte erst mal den Horst raus.«

»Das klingt wie eine … äh … freundliche Umschreibung für irgendetwas.« Maike schaute fragend in die Runde.

»Wie bitte?« Gabi blinzelte.

»Ich meine, lass doch mal den Horst raus. Das klingt irgendwie … merkwürdig.«

»Nein, nein, er soll einfach nur den Horst rauslassen. Der ist in der Arrestzelle. Musste erst mal ausnüchtern. Wir sind heute spät dran.« Maike blickte ihrem neuen Kollegen hinterher. »Das scheint ja schon fast wie alltägliche Routine.«

»Er ist unser Dauergast in der Ausnüchterungszelle. Jaa, wir haben da eine gewisse Routine entwickelt.«

»Damit wir seinen Rhythmus nicht durcheinanderbringen?«

»Genau.« Gabi nickte eifrig.

»Gestern musste ich die Musik besonders laut aufdrehen, er hat noch recht lange seine Arien zum Besten gegeben.«

»Er singt?«

»Nein, das auf keinen Fall. Es hat eher etwas von Kreissäge mit Singsang. Mein Chef, der Manfred – ist schon lange in Pension – hat dem Horst vor Jahren mal ein Kompliment für seinen Gesang gemacht. War natürlich nicht ernst gemeint. Aber seitdem geht es die Schlagercharts von anno dazumal rauf und runter.«

Maike stellte die halbvolle Kaffeetasse auf den Tisch und hoffte darauf, dass es nicht auffiel. »Und wie war das mit der Top-Ausstattung?«

»Na, der Stuhl.« Gabi deutete auf das Konstrukt. »Der ist ergonomisch.« Maike betrachtete das seltsame Etwas aus grüner Polsterung, Metall und Plastik. »Der ist doch garantiert Baujahr ’90.«

»Eben. Wir anderen haben Baujahr ’80. Da war die Bürgermeisterin rigoros. Für Sie nur das Beste.«

Innerlich schüttelte Maike nur den Kopf. Niederteerbach war genauso schrecklich, wie sie es von ihrem einzigen Besuch in Erinnerung hatte. Unweigerlich wirbelten die Bilder jener schicksalhaften Nacht durch ihren Kopf, die ihr Leben für immer verändert hatte.

Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte und schreckte sie aus ihren Gedanken.

Sowohl Gabi als auch sie starrten auf das Gerät.

»Also, das ist jetzt seltsam«, sagte Gabi verwundert. »Vielleicht ist es ja die Frau Graefe.«

»Und wer ist das?« Maike hatte den Namen schon mal gehört, konnte ihn aber gerade nicht zuordnen.

»Die Bürgermeisterin. Aber die würde wohl eher einfach runterkommen.«

Maike überwand ihre Verblüffung über den frühen Anruf und trat an den Schreibtisch. »Kriminalhauptkommissarin Maike Pech am Apparat, Kripo Köln, Außenstelle Niederteerbach.«

»Na, das nenne ich doch mal eine vorbildliche Meldung mit Namen und Dienstgrad, sehr gut«, erklang die Stimme ihrer besten Freundin durch den Hörer, das breite Grinsen schwang mit herüber.

»Zoe.« Maike signalisierte Gabi das alles gut war und das Gespräch einen Augenblick dauern würde.

Daraufhin verließ diese den Raum und schloss die Tür hinter sich.

»Na, wie läuft es auf der neuen Wache?«

»Also ›neu‹: Das ist auf jeden Fall das Gegenteil vom Niederteerbacher Flair«, berichtete Maike. »Ich habe ein halbes Büro im 70er-Jahre-Stil. Aber die Kollegen sind supernett, das kann ich jetzt schon sagen.«

»Und die Wohnung? Du hast dich gestern gar nicht mehr gemeldet.« Was neben der Müdigkeit auch dem Schock geschuldet gewesen war. Die Wohnung war … speziell. »Weißt du, wieso viele Worte verlieren? Du kommst mich einfach mal besuchen und ich zeige sie dir dann. Momentan ist ja sowieso alles voller Kartons.«

»Wie ich dich kenne, auch noch in einem Jahr.«

»Nicht, wenn du mir hilfst.« Maike lehnte sich triumphierend auf ihrem Stuhl zurück.

»Das wird dann wieder wie damals in Berlin?«

»Aber unbedingt. Cocktails, Tratschen und von fünfzig Kisten haben wir immerhin drei ausgeräumt.« Maike erinnerte sich mit Freude daran zurück.

»Und den Inhalt einer weiteren in die Dusche gestellt.« Zoe lachte ihr herzliches Lachen, das Maike so sehr liebte.

Sie hatte Zoe in Berlin wirklich vermisst.

»In der ersten freien Minute rücke ich mit flüssiger Verpflegung an«, versprach Zoe. »Aber zuerst bist du für heute Abend bei uns eingeplant. Mark freut sich auch schon riesig.«

»Mein Bruder freut sich riesig?«, echote Maike. »Du meinst, weil er seine Gefühle ständig zeigt wie ein Leuchtfeuer.«

»Er macht das auf seine Männerart, weißt du? Ein Lächeln hier, ein zustimmendes Grunzen da.«

Bevor Maike antworten konnte, erklang ein hektisches Klopfen an der Tür.

»Warte mal kurz.« Sie wandte sich er Tür zu. »Jaaa?«

Die Tür wurde geöffnet. Im Rahmen stand ein sichtlich geschockter Lukas Yilmaz. »Frau Pech.«

Etwas Schreckliches musste vorgefallen sein, wenn er sie mit dem Nachnamen und nicht mit dem Dienstgrad ansprach. »Was gibt es denn?«

»Da ist eine Leiche.«

Maike seufzte genervt. »Ist das einer dieser Scherze, die mit den Neuen gemacht werden? Und die Leiche befindet sich wo?«

»Sie ist eingemauert.«

»Das ist kreativ«, sinnierte sie. »Darauf sind die Kollegen in Berlin nicht gekommen. Als der Lemtzig seine Stelle angetreten hat, war das eine Puppe. Die saß im Pausenraum.«

»Ach, spiel doch mit«, drang Zoes Stimme aus dem Telefonhörer. »Wenn die sich schon so viel Mühe geben.«

Wie aus dem Nichts stand Gabi ebenfalls im Türrahmen. Sie war kreidebleich. »Frau Pech, da ist eine Leiche. Eingemauert in der Wand.« Die Stimme allein reichte aus, um jeden Zweifel im Keim zu ersticken.

»Zoe? Hast du das gehört?«, fragte Maike.

»Ich habe gerade beschlossen, dich an deiner Arbeitsstelle zu besuchen.« Zoe klang jetzt einhundert Prozent professionell. »Und die Spurensicherung bringe ich mit, ich kenne den Pöller. Das machen wir auf dem kleinen Dienstweg. Ich versuche, den Staatsanwalt unterwegs zu erreichen.«

»Bis gleich.« Maike wollte auflegen, riss den Hörer aber noch einmal in die Höhe. »Zoe?!«

»Ja?«

»Bring mir doch bitte einen Kaffee mit.«

Erst danach legte sie auf und folgte Gabi und Lukas, um sich die Leiche in der Wand anzuschauen.

2. Kapitel

Eine dreiviertel Stunde später stand Maike mit Gummihandschuhen und Schutzanzug in der Ausnüchterungszelle. Der entsetzte Horst saß mit Gabi und Lukas in deren Büro und berichtete.

Leise Klopfgeräusche hallten durch die Zelle. Mit Hammer und Meißel bewaffnet klopfte Walther Pöller von der Spurensicherung aus Köln mit seinen Kollegen die Fliesen auf. Stück für Stück fielen diese zu Boden. »Gleich ham’mas«, vermeldete er in wohlbekanntem Kölner Dialekt. Spätestens jetzt wusste Maike, dass sie nicht mehr in Berlin war.

Der weiße Ganzkörperanzug spannte über seinem Bauch, der Dreitagebart verlieh ihm den rauen Charme eines trinkenden Detektivs aus einem Noir-Krimi. Von seinem Handwerk verstand er aber etwas, wie Zoe versichert hatte.

Maikes beste Freundin wirkte selbst in ihrem unförmigen Ganzkörperanzug elegant, er betonte sogar noch ihre gertenschlanke Figur.

Zoe hatte Staatsanwalt Sandro Grasso bisher nicht erreicht, weshalb dieser auch noch fehlte. An einem Verbrechen gab es jedoch keinen Zweifel, wer verstarb schon an einer natürlichen Ursache in der Wand einer Ausnüchterungszelle.

»Was sagst du?«, fragte Maike.

Zoe betrachtete mit verschränkten Armen die Wand, an der gearbeitet wurde. »Ich bin froh, dass ich als Rechtsmedizinerin im Obduktionssaal stehe und nicht ständig diese Vorort-Arbeiten machen muss.«

»Bezüglich der Leiche, meinte ich.«

Mittlerweile war ein größerer Teil der Plastikplane freigelegt. Einzig die Zehe – oder deren Reste – lugten daraus hervor.

»Die Plane hat das Opfer konserviert, hinzu kommt die luftdichte Versiegelung. Als die Platte mit den Fliesen abgebrochen ist, hat sich das jedoch rapide verändert, wie man unschwer am Geruch feststellen kann.« Maike unterdrückte den Drang, durch die Nase zu atmen. Bereits beim Betreten der Arrestzelle war ihr übel geworden. Wie dieser arme Horst es die ganze Nacht überstanden hatte, wollte sie gar nicht wissen.

»Todesursache? Geschlecht?«, hakte sie nach.

Zoe ging ein wenig näher heran und warf einen intensiven Blick auf die ›stehende‹ Leiche. Sie war noch vom unteren Torso an bis zum Kopf eingemauert.

»Es handelt sich um eine junge Frau«, sagte Zoe. »Die Beckenknochen sind eindeutig.«

»Wollen Sie vielleicht weitermachen?« Pöller hielt ihr herausfordernd Hammer und Meißel hin.

»Ach, Pöllerchen.« Zoe gab ihm einen Ellbogenknuff. »Jetzt seien Sie nicht eingeschnappt. Ich bin ja schon weg.«

Er nickte ruppig, doch das Funkeln in seinen Augen machte deutlich, dass er und Zoe gut miteinander auskamen. »Expresszustellung direkt in Ihr persönliches Fach.« Er zwinkerte ihr zu.

»Aber Porto nicht vergessen«, gab Zoe zurück. Sie wandte sich Maike zu. »Wir lassen die Kollegen hier vielleicht erst mal arbeiten.«

Beide verließen die Ausnüchterungszelle. Vor der Tür stand ein Abfalleimer für die Einmalanzüge und Handschuhe bereit. Sie zogen die Schutzkleidung aus. Zoe streifte einmal mit der Hand über ihren Hosenanzug und wirkte, als sei sie gerade aus einer Konferenz gekommen.

»Kannst du das Alter bestimmen?«, fragte Maike. »Ungefähr?«

Zoe sah sich kurz in beide Richtungen um. Sie waren allein im Flur.

»Noch nicht, sorry. Aber komm schon, das wäre doch ein zu großer Zufall. An deinem ersten Tag stolpert ein Betrunkener über die Lösung des Rätsels, das uns seit gut zwanzig Jahren beschäftigt? Wer immer das da drinnen ist, es ist nicht … «

»Da sind Sie ja!«, erklang eine unbekannte Stimme

Am Ende des Ganges tauchte eine Frau mit akkuratem grauen Bobhaarschnitt und der abgestrahlten Wucht eines Schnellzugs auf. »Ich suche Sie schon überall.«

»Und mit wem habe ich das Vergnügen?«, fragte Maike und griff nach ihrem Becher Kaffee, den Zoe ihr mitgebracht und der auf dem Tisch brav gewartet hatte.

Verdutzt hielt die unbekannte Frau inne. »Die Bürgermeisterin natürlich.«

»Oh, natürlich.« Maike nickte. »Frau Graefe. Schön, Sie persönlich kennenzulernen.«

Dass Maike ihren Namen kannte, schien die Bürgermeisterin prompt wieder zu besänftigen. Das Lächeln auf ihrem Gesicht kehrte wie angeknipst zurück. »Ja, das ist es. So schön.« Ihr Blick fiel auf den Raum mit der Spurensicherung. »Wenn auch unter absolut schockierenden Umständen, die einmal mehr bekräftigen, dass es eine ausgezeichnete Idee war, Ihre Stelle in Zusammenarbeit mit der Kölner Kripo zu schaffen.«

Zoe wurde vollständig ignoriert.

»Wissen wir schon etwas über den Hergang? Und die Identität?«, fragte die Graefe.

»Wir beginnen jetzt erst einmal mit der Untersuchung«, stellte Maike sanft aber nachdrücklich klar und dachte nicht im Traum daran, irgendwelche Informationen weiterzugeben. »Das wird bestimmt ein paar Tage dauern, bis wir da mehr wissen.«

Sie schob sich an der Bürgermeisterin vorbei und steuerte auf das Büro von Lukas und Gabi zu. Als sie sich umdrehte, stand Zoe hinter ihr, die Graefe im Türrahmen.

»Ist noch was?«, fragte Maike.

»Eine ganze Liste«, erwiderte die Bürgermeisterin.

»Aber das können wir auch ein anderes Mal besprechen.« Sie linste in Richtung Spurensicherung. »Sobald Sie mehr wissen. Die Erfolge sollen schließlich nicht unsichtbar bleiben. Ein befreundeter Journalist könnte da problemlos einen Artikel schreiben.«

»Wie der über meine bisherige Arbeit mit Bild und Lebenslauf?«

»Gern geschehen. Wir beide werden Niederteerbach wieder sicherer machen.«

Damit wandte sie sich ab und stapfte hinaus.

»Sie ist …«, sagte Zoe.

»Speziell«, ergänzte Gabi mit einem wissenden Blick. »Und wer sind Sie?«

»Zoe Iyeke Schwäfel.« Sie reichte Gabi die Hand.

»Ach, das freut mich aber. Stammt der zweite Name aus dem Benin?« Sie ergriff die Hand und schüttelte sie kräftig.

Zoe wirkte so verblüfft, wie Maike sich fühlte. »Das stimmt. Woher wissen Sie das? Mein Vater stammt aus Benin.«

»Meine Schwester hat einen Arzt von dort geheiratet«, erklärte Gabi. »Da habe ich eine Antenne für die Namen. Aber ich bin einfach die Gabi. Das ›Sie‹ lassen wir besser weg.«

Zoe nickte, noch immer verblüfft.

Maike wusste, dass ihre beste Freundin es mit ihrer dunklen Hautfarbe oftmals nicht leicht gehabt hatte und sofort in Verteidigungsstellung ging, wenn die ersten Fragen – meist völlig hemmungslos – auf sie abgeschossen wurden.

Erneut bewies Gabi, dass Maike viel Glück mit ihrer neuen Kollegin hatte.

»Zoe ist mit meinem Bruder verheiratet, außerdem meine beste Freundin und arbeitet in der Rechtsmedizin in Köln«, erklärte Maike. »Das beschleunigt den Informationsfluss ungemein.«

»Ach, das ist ja toll«, sagte Gabi.

»Aber den offiziellen Dienstweg müssen wir schon einhalten.« Lukas hatte sich unbemerkt an seinen Schreibtisch gesetzt. »Sonst sind die ganzen Beweise am Ende nicht nutzbar.«

»Machen Sie sich da keine Sorgen«, sagte Maike. »Wir erfahren alles nur etwas früher, quasi bevor der Papierkram hier eintrifft. Was hat Horst denn erzählt?«

»Letztlich nicht viel«, erwiderte Lukas. »Er hat den Zeh gestern entdeckt und ist dann eingeschlafen.«

»Ich mache mir solche Vorwürfe.« Gabi nahm sich ein Schnittchen vom Teller, der seinen Weg inzwischen auf ihren Schreibtisch gefunden hatte.

»Weil du die Leiche in der Wand nicht vorausgesehen hast?«, fragte Maike. »Ab jetzt gilt, man sollte die Ausnüchterungszellen immer auf mögliche Tote prüfen.«

»Wenigstens den Zeh hätte ich ja bemerken können. Wie er so aus der Wand herausguckt. Ich habe ja extra immer wieder auf das Überwachungsvideo geschaut, aber da lag der Horst schon auf seinem Bett und hat geschlafen.«

»So ein Zeh ist recht klein«, beschwichtigte Zoe.

 

»Außerdem weißt du ja nicht, wann die Platte abgebrochen ist. Mach dir da keine Gedanken.«

»Aber wenn der arme Horst jetzt ein Trauma davon behält?« Gabi ließ nicht locker.

»Und mit dem Trinken anfängt? Das wäre natürlich tragisch«, sagte Maike, was ihr prompt einen Ellbogenstoß von Zoe einbrachte. Sie ergänzte beschwichtigend: »Ich habe den Horst ja nur kurz gesehen, aber auf mich wirkte er sehr robust.«

Lukas deutete auf seine Gesprächsnotizen. »Er hat darum gebeten, dass wir ihm das nächste Mal anstelle eines Wasserglases doch bitte Prosecco hinstellen.«

Für eine Sekunde herrschte Stille.

Dann brachen sie alle in Gelächter aus. Es war ein erlösendes Lachen, dass die Spannung verpuffen ließ, von der Maike erst jetzt bemerkte, dass sie überhaupt dagewesen war.

»Na schön.« Sie klatschte in die Hände. »Wer hat diese Fliesen da drinnen verbrochen?«

»Das war der Roth«, erwiderte Gabi und wischte sich eine Lachträne beiseite. »Der Bauunternehmer von Niederteerbach.«

»Wann war das denn in etwa?«, fragte Maike.

»Das ist jetzt noch gar nicht so lange her. 2006 glaube ich, ja genau« Gabi nickte eifrig.

»Das sind fünfzehn Jahre!«, sagte Maike. »Ist doch ganz schön was.«

»Oh, ja.« Zoe nickte tiefgründig, ein angedeutetes Lächeln in Richtung Maike. »Manchmal kann schon ein einziges Jahr den Unterschied machen. Da ist mit 39 noch alles tipptopp und mit 40 hat Frau gefühlt ein Bein im Grab.«

»Ich kenne da jemand anderen, der eigentlich mit beiden Beinen im Obduktionssaal stehen sollte«, knurrte Maike. »Pöller wollte dir doch die Leiche per Express zustellen, bereite am besten schon mal alles vor.«

»Mein Stichwort. Ich kann hier eh nichts mehr tun. Und der Kaffee scheint zu wirken, du bist wieder so scharfzüngig wie eh und je.« Maike genoss die Frotzelei zwischen ihnen beiden. »Ich verabschiede mich in Richtung Skalpell und Bauchspreizer. In ein paar Stunden telefoniere ich mal durch.«

Bei dem Wort ›Bauchspreizer‹ bekam das Gesicht von Lukas einen leichten Grünstich.

»Wir sehen uns heute Abend.« Zoe zog Maike in eine Umarmung.

»Schön, dich wieder hier zu haben.«

»Schön, wieder hier … oder wenigstens in der Nähe zu sein.« Damit war Zoe auf und davon.

»Diese Ausbesserungsarbeiten waren also 2006?«, hakte Maike nach.

»Wenn man es genau nimmt, war es eine komplette Neugestaltung«, sagte Gabi. »Die Ausnüchterungszellen gehörten ja ursprünglich nicht zu dem Komplex. Sie wurden nachträglich eingebaut.«

»Da haben wir mal Glück gehabt.« Maike trank einen weiteren Schluck des mittlerweile kalten Kaffees und spürte, wie die Lebensgeister zurückkehrten. »Andernfalls dürften wir jetzt in einem Cold Case ermitteln, der noch weiter zurückläge. Wann wurde dieser ganze Komplex hier hochgezogen?«

»1982«, sagte Gabi sofort. »Vor 39 Jahren. Fast 40.«

Maike verzog den Mund. »Da ist sie wieder, die Zahl. Wieso frage ich auch? Konzentrieren wir uns also auf 2006. Ich brauche alle Vermisstenfälle aus diesem Jahr. Kannst du mir da eine Datenbankabfrage machen?« Maike wandte sich bereits der Tür zu. »Nicht so richtig«, wurde sie von Gabi gestoppt.

»Das ist hier noch alles auf Papier«, erklärte Lukas. »Es gibt da wohl ein Archiv. Habe ich selbst aber noch nicht besucht.«

»Wieso wundert mich das nicht.« Maike seufzte.

»Also, Gabi, du bringst uns bitte aus dem Archiv die Vermisstenfälle aus dieser Zeit. Alle Personen unbestimmten Alters. Ich will nichts ausschließen, bis Zoe das Ergebnis der Obduktion schickt.«

»Wird gemacht.« Gabi nahm ihre Jacke von der Garderobe.

»Falls am Ende niemand passt, schicken wir eine Abfrage an die Kollegen in der Umgebung«, dachte Maike bereits weiter und konnte spüren, wie ihr Jagdtrieb erwachte. »Ich brauche außerdem eine Liste aller Personen, die zum damaligen Zeitpunkt Zutritt zu den Räumlichkeiten hatten.«

»Dem Rathaus?«, hakte Gabi nach, während sie sich umständlich in ihre Jacke zwängte.

»Na ja, es wird ja niemand vom Standesamt hier hereinspaziert sein, um eine Leiche in die Wand zu mauern. Das wäre dann die kürzeste Ehe der Geschichte gewesen. Ich meine alle Personen, die unbemerkt die Arrestzellen hätten betreten können.«

Ihr war durchaus bewusst, dass das auch alle von Gabis ehemaligen Kollegen mit einschloss, sie sprach es jedoch nicht aus. Die Wahrscheinlichkeit deutete doch eher in Richtung der Bauarbeiter, bedachte man die Plastikfolie und das nachträgliche Verputzen.

»Schick mir die Adresse von diesem Bauunternehmer bitte aufs Handy«, bat sie Gabi außerdem. »Lukas, Sie und ich statten dem Herrn einen Besuch ab.«

Sie wollte so schnell wie möglich die ersten Informationen einsammeln.

Mittlerweile hatte Zoe längst Meldung nach oben gemacht, was bedeutete, dass sie spätestens Morgen in Köln antanzen durfte, um ihrem Chef und dem Staatsanwalt zu berichten.

Gemeinsam mit Lukas ging sie hinunter zum Parkplatz.

»Kennen Sie diesen Roth?«, fragte Maike.

»Bisher hatte ich noch nicht mit ihm zu tun«, erwiderte Lukas. »Bin ja selbst erst seit einigen Monaten hier. Aber er ist wohl ein örtliches Urgestein.«

»Dann finden wir den Rest einfach gemeinsam heraus.« Maike nickte voller Tatendrang und merkte erst einige Schritte später, dass Lukas stehen geblieben war. Er stand neben einem winzigen Gefährt und deutete darauf.

Maike starrte auf das ›Auto‹. »Ist nicht Ihr Ernst.«

»Das ist ein Twizy«, sagte Lukas.

»Ach, was?«

»Fährt elektrisch und ist sehr umweltfreundlich.«

»Lassen Sie mich raten: Ihr Dienstfahrzeug?« Maike hatte ein wenig Angst vor der Antwort.

»Genau.«

»Und jetzt sollen wir zu zweit in diesem Ding …«

»Nach Ihnen.« Lukas nickte eifrig und sie verdächtigte ihn, Spaß an der Sache zu haben.

Es hätte Maike keinen Augenblick gewundert, wenn die vorbeispazierenden Einwohner ihr Smartphone gezückt hätten, um die nächsten Minuten des Horrors auf ewig festzuhalten.

Der winzige Zweisitzer war eine fahrende Pillendose. Nachdem Maike Platz genommen hatte, wurde der Sitz nach hinten geschoben und Lukas zwängte sich in den vorderen Teil.

»Ist dafür auch die Bürgermeisterin verantwortlich?« fragte Maike drohend.

»Elektromobilität für alle, um Niederteerbach grüner zu machen.«

»Grüner, sicherer … was kommt als Nächstes?«

Anstatt zu antworten, startete Lukas das ›Auto‹ und sie brausten mit der Geschwindigkeit eines motorisierten Trollies vom Parkplatz.