Leseprobe A merry scary Christmas

Kapitel 1

Sir Tiny

Ich lief Patricia entgegen, aufgeregt mit der Rute wedelnd, sobald sie die Haustür öffnete. Sie zu sehen, machte mich immer glücklich, und der runde Korb, den sie trug, versprach zusätzlich eine aufregende Überraschung. Wenn Patricia etwas mitbrachte, musste es für mich sein! Außerdem trug sie ihre Ausgehsachen – einen Hut, der sie gegen die Sonne schützte, die um die Mittagszeit in Kairo besonders heiß war, und ihr luftiges weißes Kleid. Wenn Patricia in diesem Kleid das Haus verließ, brachte sie meistens etwas für mich mit. Den Hundekorb, den sie mir geschenkt hatte, liebte ich heiß und innig. Er war groß und hatte ein bequemes Kissen. Es war der beste Schlafplatz, den ich je gehabt hatte, – wenn man einmal von Patricias Bett absah.

Bitte, bitte … lass mich sehen, was du da hast, bettelte ich, während ich neben Patricia in den Salon trabte.

„Ja, ich freue mich auch, dich zu sehen …“, antwortete Patricia, da sie mich mal wieder nicht verstand. Eigentlich war es egal, was ich sagte. Ihre Antwort war fast immer Guter Hund … Brav, Sir Tiny oder auch mal Aus!, wenn ihr nicht gefiel, was ich tat.

Um meine Freude kundzutun, da Patricia leider keines meiner Worte verstand, wedelte ich noch stärker mit der Rute. Damit zumindest konnte ich ihr meine Begeisterung kundtun. Patricia streichelte mir über den Kopf und stellte dann den Korb auf den Boden.

Was ist es?, rief ich aufgeregt. Ist etwas zu essen in dem Korb? Ich hatte immer Hunger, und die Aussicht auf einen Nachmittagssnack ließ mein Herz schneller schlagen.

„Erschreck sie nicht gleich mit deinem Bellen, Sir Tiny.“

Bellen?! Ich bellte nicht, ich verlieh nur meiner ungezügelten Vorfreude Ausdruck.

Als Patricia das Gitter von dem seltsamen runden Korb öffnete, konnte ich es kaum erwarten, meinen Kopf hineinzustecken und mir die Leckerlis zu holen. Warum sonst sollte ein Gitter vor dem Korb sein, wenn nicht dafür, dass niemand an die Leckerlis herankam? Patricia war klug und dachte wirklich an alles. Zwar verströmte der Korb einen seltsamen Geruch, den ich von irgendwoher kannte, aber meine Neugierde war größer als meine Vorsicht. Ich schob meine Schnauze in die Öffnung – und zog sie sofort wieder zurück, weil etwas schmerzhaft meine empfindliche Nase traf – gefolgt von einem Fauchen.

Ich gab ein erschrockenes Winseln von mir und suchte Schutz hinter Patricia. Was um Himmels willen war Schreckliches in dem Korb? Und warum hatte Patricia mich nicht vorgewarnt, dass das Essen noch lebte?! Ich war kein Jäger … mein Essen wurde mir in der Regel gut durchgegart serviert. War das irgendein neues Spiel? Immerhin strich sie mir tröstend über den Kopf. „Hat Miss Kitty dich erschreckt? Ich habe dir ja gesagt, du sollst nicht so stürmisch sein.“

Sie bedachte mich mit einem aufmunternden Blick. „Ihr werdet bestimmt Freunde. Miss Kitty gehört jetzt zur Familie. Es ist Weihnachten, und sie saß schon so lange vor dem Haus.“

Ich bedachte Patricia mit einem verständnislosen Blick. Miss Kitty? Weihnachten?

Anstatt einer Antwort streckte sich mir eine rotgetigerte Pfote aus dem Korb entgegen, und kurz danach folgten zwei gelbe Augen, Schnurrhaare und dreieckige Ohren, von denen eines allerdings nur noch halb vorhanden war und einen hässlichen Riss hatte. Eine Katze!

Ich sprang an Patricia hoch und versuchte, mich ihr verständlich zu machen. Ich glaube nicht, dass ich das gut finde. Das hier ist doch mein Haus, alles ist doch gut, wie es ist; und Katzen sind nicht fürs Haus geeignet. Sie riechen seltsam. Überleg dir das doch noch einmal …

Natürlich fand ich bei Patricia kein Gehör. „Aus, Sir Tiny! Sitz!“, sagte sie streng, und ich ließ mich auf meinen Hintern plumpsen, in der Hoffnung, sie würde sich die ganze Sache noch einmal überlegen.

Tat sie nicht … Stattdessen tätschelte sie mir den Kopf und bedachte Miss Kitty und mich mit einem mahnenden Blick. „Ihr beide werdet euch sicher gut verstehen, wenn ihr euch erst mal richtig kennengelernt habt.“

Mit diesen Worten verließ sie den Salon, um irgendwas zu tun, was Menschen eben so den ganzen Tag lang taten. Bei Patricia war das meistens, mit John zu diskutieren oder sich über ihn zu beschweren.

Ich blieb allein mit der Katze und begann, den neuen Hausbewohner vorsichtig zu mustern. Die Katze tat das Gleiche, allerdings war sie dafür auf den Tisch gesprungen, auf dem Patricia nachmittags ihren Fünfuhrtee servieren ließ. Von dort oben beobachtete sie mich aus ihren gelben Augen. Das ärgerte mich, denn dieser Tisch war tabu, – ich hatte nur ein einziges Mal meinen Kopf darauf gelegt und dafür Ärger bekommen.

Auf den Tisch dürfen wir nicht, klärte ich unseren Hausgast freundlicherweise auf.

Die Katze betrachtete mich weiter aus ellipsenförmigen Pupillen und ließ sich endlich zu einer Antwort herab. Was du nicht sagst, Hund! Jetzt stell mal deine großen Schlappohren auf! Ab heute ist das mein Revier und deshalb sage ich, wo es langgeht; und wenn du keinen Ärger haben willst, dann troll dich! Mein Haus, mein Revier, mein Tisch! Verstanden?!

Einen Augenblick lang vergaß ich sogar das Hecheln. Was ging hier vor sich? Das alles fühlte sich ganz und gar nicht richtig an. Mein behagliches Heim war offensichtlich von einem Eindringling übernommen worden. Wie konnte Patricia mir das antun? Allein der Gedanke, dass ich für den Rest meines Lebens den Geruch nach Katze in der Nase haben würde! Und zu allem Überfluss meinte die Katze auch noch, sie könne tun und lassen, was sie wollte! Das würde ich nicht einfach so hinnehmen! Patricia mochte vielleicht blind für die wahren Absichten dieses Eindringlings sein, aber ich wusste, dass ich zumindest einen Mitstreiter auf meiner Seite hatte. John mochte keine Katzen!

Kurz entschlossen lief ich aus dem Salon und rief Johns Namen. Er musste unbedingt das Übel mit eigenen Augen sehen, das sich auf Katzenpfoten ins Haus geschlichen hatte.