Leseprobe Niemand wird dich hören

Kapitel 1

Sonntag, 23. Juli 2017

»Wir machen es wie gestern«, entschied Tom. »Ich den Kopter, du die Kamera.«

»Okay.« Fabian nickte und verteilte die Fernsteuerungen.

»Ist das Akkufach richtig zu?«

Fabian verzog das Gesicht. »Ja«, presste er zerknirscht zwischen den Zähnen hervor. »Das passiert mir nicht noch mal, und ich wäre dir echt dankbar, wenn du mich nicht jedes Mal dran erinnerst.«

Tom grinste.

Bei einem ihrer ersten Flugversuche hatte Fabian die Klappe vom Akkufach nicht richtig geschlossen. Ausgerechnet über einem kleinen See war es aufgesprungen und der nagelneue Quadrokopter wie ein Stein vom Himmel gefallen. Es grenzte an ein Wunder, dass er dabei nicht kaputtgegangen war.

»Wie viel Zeit haben wir?«, fragte Tom.

Fabian sah auf die Uhr. »Schätze höchstens zehn Minuten.«

»Okidoki, dann wollen wir mal. Bereit?«

Fabian nickte.

»Sieh zu und lerne vom Meister.«

Fabian verdrehte die Augen.

Die Drohne hob ab. Dabei machte sie ein leises surrendes Geräusch. Zuerst trudelte sie ein bisschen hin und her, aber schon nach kurzer Zeit hatte Tom alles im Griff und das kleine Flugobjekt gewann langsam an Höhe. Das Videosignal war stabil.

Es war sechs Uhr am Sonntagmorgen. Am Himmel stand keine einzige Wolke und das Thermometer war bereits auf zwanzig Grad geklettert. Es würde wieder ein heißer Tag werden.

Tom und sein bester Freund Fabian waren extra früh aufgestanden, damit sie ungestört mit ihrem Spielzeug ein paar neue Flugmanöver üben konnten. In den letzten Wochen hatten sie das Starten und Landen auf großen Freiflächen trainiert. Jetzt waren sie in der Lage, den Kopter sicher in der Luft zu halten und zu manövrieren und brannten darauf, den nächsten Schritt zu wagen: einen Flug durch eine Ruine.

Zwischen den beiden Freunden hatte sich schnell eine Arbeitsteilung herauskristallisiert. Tom war eindeutig der bessere Pilot, er bediente die beiden Joysticks. Fabian war der Fotograf und zuständig für die Kamerasteuerung und das Videostreaming.

Das Gelände war perfekt: Eine alte Strumpffabrik im Norden Kölns.

Die Bürogebäude waren bereits abgerissen worden und man hatte dort mit dem Bau eines Familienwohnparks begonnen. Die Baugrube für den ersten Bauabschnitt war ausgehoben. Montagmorgen sollte das Fundament gegossen werden.

Die stählernen Bewehrungsmatten am Boden der Baugrube, die der Verstärkung des Betons dienten, schimmerten rostrot in der frühen Morgensonne und die senkrecht stehenden Stangen für die äußeren Wandanschlüsse verliehen dem Ganzen das Aussehen eines riesigen eisernen Gerippes.

Die ehemalige Lagerhalle der Fabrik stand aber noch, halb verfallen wartete sie auf ihren Abriss. Alle Fenster waren eingeschlagen und dort, wo früher einmal die Stahltore gewesen waren, klafften jetzt große Löcher. Die Halle war der ideale Ort, um den Flug im Inneren eines Gebäudes zu üben.

Der Plan war, die Drohne auf hundert Meter Höhe steigen zu lassen, sie im Sturzflug zur Erde zurückzubringen und durch das vordere Tor in die Halle zu fliegen. Dann würde Tom versuchen, drinnen ein paar Schleifen zu drehen. Das war der schwierigste Teil, weil er für diesen Zeitraum nur über das Auge der Kamera sehen konnte. Als Letztes wollte er in Bodennähe über die Freifläche hinter der Lagerhalle bis zu der Baugrube jagen, dort noch einmal richtig hochziehen und zurückfliegen. Der Akku hielt maximal zehn Minuten, je nach Windsituation.

Tom überprüfte die Anzeigen auf der Fernbedienung und nickte zufrieden, als die Drohne die erforderliche Höhe erreicht hatte. Sie war jetzt mit bloßem Auge fast nicht mehr zu erkennen. Er zog sachte den Steuerungshebel nach vorn, nahm das Gas weg und die kleine Flugmaschine sauste im Sturzflug zur Erde hinunter.

Fabian hielt konzentriert die Luft an.

Kurz vor dem Boden lenkte Tom die Drohne gekonnt in die Horizontale und flog direkt durch das große Tor in die Halle.

»Wow«, rief er aufgedreht. Dann senkte er den Blick auf den Laptop-Monitor, denn innerhalb der Mauern hatte er keine Sicht mehr auf den Kopter. Jetzt war Fabian sein Auge.

»Mega, Alter!« Fabian war beeindruckt von den Flugkünsten seines Freundes. »Flieg mal ein bisschen im Kreis. Mal sehen, was so geht, dann kann ich ein paar schöne Aufnahmen schießen«, sagte er.

Tom nickte. Er drosselte das Tempo und ließ die Drohne in der Mitte der Halle schweben. Die Kameras, die sie verwendeten, konnten sich horizontal im 360-Grad-Radius drehen und vertikal in einem 90-Grad-Raum bewegen. Damit hatten sie einen guten Rundumblick.

Tom steuerte langsam durch die Halle. Scherben wohin das Auge reichte, ein paar alte Matratzen, ein kaputtes Kinderfahrrad, Plastiktüten, Kartons mit dem Logo der Strumpffirma. Viel Interessantes war nicht dabei.

»Geh mal ein bisschen tiefer und weiter nach rechts. Ich hab da was gesehen.«

Tom folgte den Anweisungen seines Freundes.

Beim Anblick einer toten Ratte verzog Fabian angewidert das Gesicht.

Plötzlich flog etwas Großes blitzschnell durchs Bild. Dann war es sofort wieder verschwunden.

»Was zum Teufel war das denn?«, rief Tom. »Hast du das gesehen?«

»Keine Ahnung.« Fabian starrte erschrocken auf den Monitor. »Zieh hoch!«

Tom manövrierte die Drohne unter die Decke. Von dort oben hatten sie einen besseren Überblick, aber außer Abfall und Schrott war nichts zu sehen.

»Wie viel Zeit haben wir noch?«

Fabian sah auf den Timer. »Fünf Minuten ungefähr.«

»Erkennst du irgendwas?«

»Da.« Fabian zeigte aufgeregt auf den Bildschirm.

Nur undeutlich konnten sie eine dunkle Gestalt ausmachen, die in einer Ecke kauerte.

»Vielleicht ein Obdachloser«, meinte Tom.

»Nee, zu klein für ’nen Mann. Eher ein Kind.« Fabian sah Tom an.

»Oder vielleicht ein Tier?«

»Ja«, rief Fabian aufgeregt. »Ein Bär.«

»Ein Bär?« Tom schüttelte den Kopf. »Echt jetzt?«

»Ich mein ja nur.« Fabian zog einen Schmollmund.

»Bären können nicht fliegen, Alter.«

»Vielleicht ein Drache!« Fabians Miene hellte sich auf. »Die können definitiv fliegen.«

Tom verkniff sich einen Kommentar.

Fabian war ein fantastischer Kameramann, der beste auf seinem Gebiet, fand Tom. Er hatte ein sehr gutes Auge für Details, beherrschte die Technik aus dem Effeff, kannte jedes Modell auf dem Markt und war mit allen Features vertraut, legalen und auch nicht so legalen. Was es auch war, Fabian wusste einfach alles. Aber darüber hinaus war er nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte und manchmal trieb er Tom mit seinen naiven Vorstellungen in den Wahnsinn.

»Vielleicht ist es ein Alien.«

»Ach, red doch keinen Scheiß.« Tom verlor langsam die Geduld. »Sag mir lieber, wie viel Zeit uns noch bleibt.«

»Nee, wieso?«, diesmal wollte Fabian sich nicht so abspeisen lassen. »Hab ich im Fernsehen gesehen, genau die gleiche Situation. Da sind diese Jungs, so wie wir jetzt, die stolpern in ’ner alten Lagerhalle über ein paar Alien-Typen. Die waren da drin, weil die ihr Raumschiff da geparkt hatten.«

»Werden Raumschiffe geparkt?« Tom bereute die Frage im gleichen Moment.

»Ja, logo. Flugzeuge werden ja auch geparkt, im Hangar. Und Raumschiffe sind ja nichts anderes als riesige Flugzeuge.« Und ohne Luft zu holen, sagte er: »Ich schalt jetzt den Scheinwerfer an.«

Tom griff ihm hektisch in die Fernsteuerung. »Lass das! Damit erregen wir nur unnötig Aufmerksamkeit.«

»Was soll denn schon passieren?«

»Darf ich dich daran erinnern, dass wir keine Genehmigung für den Scheiß hier haben?«

»Es ist Sonntagmorgen Viertel nach sechs, Alter. Hier ist jetzt niemand.« Fabian machte eine Pause. »Außer dem … Dings da drin. Komm schon«, bettelte er. »Mann oder Maus? Wir haben eh nur noch ein paar Minuten.«

Tom zuckte resignierend mit den Schultern. »Warum nicht?«

Fabian grinste breit, drückte einen Knopf und im Inneren der Halle blitzte ein Licht auf. Jetzt konnten sie auch von außen ihre Drohne sehen.

Dann war plötzlich der Teufel los. Ein schriller Schrei zerriss die frühmorgendliche Stille. Das Ding in der Halle war wieder in Bewegung. Tom zuckte zusammen und die Drohne geriet ins Trudeln.

»Wir werden angegriffen!«, schrie Fabian. »Raus da, Tom, los.«

Der ließ sich das nicht zweimal sagen. Mit einem gekonnten Manöver lenkte er sein teures Spielzeug ins Freie. Adrenalin pumpte durch seine Adern. Er befand sich im Krieg. Das war viel besser als jeder Ego-Shooter. Die Augen fest auf den Monitor gerichtet, jagte er über das Gelände, flog eine Schleife um die Baugrube und drückte dann den Coming-Home-Button. Dank GPS würde die Drohne jetzt von allein zu ihm zurückkehren.

Er stieß einen erleichterten Pfiff aus.

»Wie geil war das denn? Gib mir fünf!« Tom hob den Arm und erwartete den Handschlag seines Freundes. Aber der starrte nur auf den Monitor. Tom ließ den Arm wieder sinken.

»Alter, bin ich der Meister, oder was?«

Keine Antwort.

»Hey, was ist los, Mann?«

Fabian war leichenblass und starrte noch immer auf den Monitor.

»Hallo«, Tom schippte mit den Fingern vor dem Gesicht seines Freundes. »Erde an Fabian.«

»Leiche«, war alles, was Fabian sagen konnte.

»Wie, Leiche?« Tom sah seinen Freund irritiert an. »Was soll das denn jetzt schon wieder?«

Mittlerweile war der Kopter wieder bei ihnen eingetroffen. Fabian schüttelte stumm den Kopf, nahm die Speicherkarte aus der Kamera und steckte sie in den Laptop. Dann spulte er den Film vor bis zu dem Punkt, wo die Drohne aus der Halle rausflog und auf die Baustelle zujagte. Er drückte auf Pause. Sie hatten jetzt ein Standbild aus circa drei Metern Höhe.

»Da.« Fabian zeigte auf eine Stelle am Rand der Baugrube, dort wo die Eisenstangen für die Wandanschlüsse senkrecht aus dem Boden ragten.

Erst verstand Tom nicht – dann sah er es auch.

Einen aufgespießten Körper, der rücklings über den Stangen hing.

Den Mann, der beim Anblick der Drohne hinter einem Baucontainer in Deckung gegangen war, sahen sie nicht.

Kapitel 2

Montag, 24. Juli 2017

Der Flur, in dem sie steht, ist lang und düster. Eine flackernde Lampe spendet fahles Licht. Es ist kalt und die Dunkelheit macht ihr Angst. Rechts und links sind Holztüren. Alle geschlossen.

Etwas hat sie geweckt. Ein Rumpeln. Jetzt ist alles ganz still, nichts regt sich, kein Laut. Sie ist allein.

Dann dringen von irgendwoher dumpf Stimmen an ihr Ohr. Sie geht dem Geräusch nach. Vor einer Tür bleibt sie stehen, dahinter weint jemand leise. Vorsichtig drückt sie die Klinke, die Tür öffnet sich und grellweißes Licht blendet sie. Instinktiv schützt sie ihre Augen. Zwei Personen nehmen langsam Gestalt an. Sie starren sie mit weit aufgerissenen Augen und offenen Mündern stumm an. Bevor sie etwas sagen kann, wird die Tür von innen zugeschlagen.

Szenenwechsel.

Sie befindet sich jetzt in einem Raum vollgestopft mit Holzkisten. Sie weiß nicht, wie sie hierhergekommen ist. Ein leuchtend blauer Schmetterling flattert aufgeregt um sie herum. Sie streckt ihre Hand aus, und er lässt sich darauf nieder. Neugierig betrachtet sie das Insekt. Er bewegt langsam die Flügel und die kleinen Beinchen kitzeln auf ihrem Handrücken. Dann beginnt es. Ein Wispern, zuerst ganz leise, als würde ihr der Falter etwas zuflüstern, dann langsam anschwellend, bis es ohrenbetäubend den ganzen Raum erfüllt: Du musst dich erinnern, du musst dich erinnern, du musst dich erinnern …

Sie gerät in Panik und beginnt zu schreien.

***

Anna saß aufrecht im Bett und keuchte. Ihr Puls raste, sie war schweißgebadet. Sie brauchte einen Moment, um das Gefühl der Panik und des Entsetzens abzuschütteln und erleichtert festzustellen, dass sie nur geträumt hatte. Schon wieder. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr: halb fünf am Morgen. Es war der 24. Juli 2017, ihr vierunddreißigster Geburtstag.

»So ein Mist«, fluchte sie leise.

Sie war jetzt hellwach, dabei hätte sie noch fast eine Stunde schlafen können, bevor ein anstrengender Tag begann.

Sie wartete, bis ihr Herzschlag sich wieder beruhigt hatte, dann stand sie auf und ging ins Bad.

Sie war allein zu Hause, Karl, ihr Mann, hatte Nachtschicht. Als Chefarzt kam das zwar selten vor, aber die Stationen in der Uniklinik und speziell die Neurochirurgie waren hoffnungslos unterbesetzt. Sie war daran gewöhnt. So war das Leben mit einem Arzt. Keine Feiertage, keine spontanen Kurztrips. In seiner »Freizeit« schrieb Karl Arztbriefe, erstellte Gutachten oder bereitete sich auf Vorträge vor. Von seiner Forschung ganz zu schweigen. In manchen Wochen kommunizierten sie nur über SMS.

Hätte sie gewusst, was ihr an diesem Tag noch alles bevorstand, sie wäre sicher im Bett geblieben. Stattdessen kontrollierte sie eine Stunde später, ungefähr das zehnte Mal, Abfahrtszeit und Reservierung ihres Zuges. Um neun hatte sie einen Termin in Frankfurt, zu dem sie pünktlich sein musste. Alles war gründlich geplant und nichts dem Zufall überlassen. Ihr Zug würde um Viertel vor acht am Hauptbahnhof eintreffen und von dort war es nicht mehr weit zu den Büroräumen ihres Mandanten. Selbst zu Fuß würde sie auf jeden Fall rechtzeitig ankommen.

Anna hatte kein großes Vertrauen in die Deutsche Bahn. Zu viele Nachrichten von Verspätungsmeldungen und Zugausfällen. Normalerweise fuhr sie mit dem Auto, aber ausgerechnet an diesem Wochenende hatte jemand in der Parkgarage das hintere rechte Rücklicht ihres SUVs zerstört und trotz aller Sicherheitsvorkehrungen war der Verursacher unerkannt entkommen.

Karl und Anna Wolff bewohnten seit einem Jahr eines der Penthäuser im Kranhaus Nord im Kölner Rheinauhafen.

Die Kranhäuser waren Kölns neueste architektonische Attraktion. Ihren Namen hatten die drei Kolosse erhalten, weil ein zweiteiliger Ausleger, getragen nur von einem gläsernen Treppenturm, für die optisch so spektakuläre Gebäudeform eines Krans sorgte.

Eigentlich war so ein Luxusappartement nicht Annas Stil, doch ihr Vater, Heinrich Verhoeven, ein einflussreicher und erfolgreicher Bauunternehmer, hatte ihr die Eigentumswohnung zum siebten Hochzeitstag geschenkt. In der unpersönlichen Betonwüste des Hafenquartiers fühlte sie sich aber nicht wohl. Sie träumte von einem Garten, Bäumen, grünem Gras. So war sie aufgewachsen. Karl hingegen gefiel die Wohnung. Er fand sie mehr als standesgemäß und gab überall damit an. Ein Umzug kam für ihn nicht infrage. Zumindest im Moment nicht. Er hatte andere Pläne, in die er seine Frau erst vor Kurzem eingeweiht hatte. Prof. Dr. Karl Wolff hatte sich auf den Chefarztposten einer luxuriösen Privatklinik in München beworben, ohne sie zu fragen.

»Du musst dann nicht mehr arbeiten«, hatte er geschwärmt und ihr Bilder von dem Anwesen gezeigt, in dem der Klinikleiter wohnen würde. »Ein großer Garten und genug Platz für ein paar Kinder. Das wolltest du doch immer.«

Das Gespräch endete mit Streit. Seit zwei Monaten hatten sie das Thema nicht mehr angesprochen.

Anna seufzte. Sie konnte es nicht ändern. Ihren Mann nicht und das Problem mit ihrem Auto auch nicht. Der Termin in Frankfurt war wichtig, und da Anna grundsätzlich nicht mit fremden Autos fuhr, blieb nur der Zug. Sie hatte einen lückenlosen Zeitplan ausgearbeitet, der ausgedruckt in ihrer Handtasche steckte und der Concierge-Dienst würde sich darum kümmern, dass ihr Wagen in die Werkstatt kam. Jetzt konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen.

Um kurz vor sechs stand sie vor dem großen Spiegel im Schlafzimmer und warf einen letzten prüfenden Blick auf ihr Äußeres. Was sie sah, gefiel ihr.

Ihr langes dunkelbraunes Haar hatte sie zu einem tief sitzenden Dutt gebändigt. Das wirkte seriöser als Hochsteckfrisuren oder ein Pferdeschwanz. Ihr Lidschatten war auf ihre blauen Augen abgestimmt, die Augenbrauen ordentlich gezupft und ihren Lippen hatte Anna ein dezentes Rosa gegönnt. Nichts war unpassender, als mit einem aufdringlichen Make-up bei geschäftlichen Terminen zu erscheinen. Sie strich das Jackett ihres schwarzen Designer-Hosenanzuges glatt und drehte sich einmal um die eigene Achse. Alles saß perfekt.

Das Haustelefon summte und der Concierge-Dienst meldete, dass das Taxi soeben eingetroffen war. Anna bedankte sich und griff Mantel, Akten- und Handtasche. Es war jetzt fünf Minuten nach sechs.