Leseprobe Mord mit kalten Füßen

Kapitel 1

Die Sonne ging über dem Kilbane Castle auf und fiel durch das Buntglasfenster des obersten Türmchens, sodass der Boden darunter unwirklich schimmerte. Eine leichte Brise fuhr durch das Gras und rüttelte an den Zelten, die für die Hochzeit aufgestellt worden waren, dass diese erzitterten. Auf den umliegenden Hügeln verzog sich schon der Nebel, und die wolligen Bewohner, die die Hügel zierten, grasten und blökten an der frischen Herbstluft. In einem der obersten Zimmer des Schlosses lag Kevin Gallagher im Bett und kämpfte mit den Nachwehen des vorherigen Abends. Die Feierlichkeiten vor der Hochzeit waren in vollem Gange und am Vorabend hatte der Alkohol ihm die Zunge gelöst. Als er schon torkelnd ins Schloss zurückgekehrt war, hatte er eventuell einige Leute der Cahill-Donnelly-Hochzeitsgesellschaft verärgert. Er blinzelte und starrte zur Decke hinauf, während er versuchte, sich das Desaster ins Gedächtnis zu rufen.

Er hatte Paul Donnelly, dem Bräutigam, gesagt, dass nur ein Vollidiot eine hübsche Frau heiraten würde. Und Alice Cahill war nicht nur hübsch, sie war absolut hinreißend. Obendrein war sie ein richtiges Model. Sie war mehr als nur eine Nummer zu groß für Paul Donnelly und wenn sein Trauzeuge ihm das nicht sagen konnte, wer würde es dann tun?

„Bei einer hübschen Frau musst du ständig aufpassen“, hatte Kevin auf dem Heimweg von den Pubs gelallt. Sie stolperten die Kopfsteinpflasterstraßen von Kilbane entlang, als die Vögel anfingen zu zwitschern und der Rhythmus vom Typen, der im O‘Rourkes die Spoons gespielt hatte, ihm noch im Kopf herumspukte. „Eine hässliche Frau ist die richtige Wahl. Man braucht nie Angst haben, sie zu verlieren. Und dieser Schwiegervater! Wer bei klarem Verstand würde mit Colm Cahill verwandt sein wollen? Wenn ich du wäre, würde ich mich aus dem Staub machen und mir so ein Jammerleben ersparen, Kumpel.“

„Halt den Rand“, hatte Paul gesagt. „Du bist völlig fertig.“

„Würde Alice dich noch heiraten, wenn sie von all deinen Geheimnissen wüsste?“ Kevin hatte Paul so fest auf den Rücken geschlagen, dass dieser strauchelte.

Nachdem er sich gefangen hatte, war Pauls Blick wutentbrannt gewesen. „Von was für Geheimnissen redest du?“

„Na, ich könnte Alice die eine oder andere Geschichte über ihren Zukünftigen erzählen, meinst du nicht?“, hatte Kevin gescherzt. Paul und er waren Sandkastenfreunde.

„Ich kann nicht glauben, dass ich dich zu meinem Trauzeugen gemacht habe.“ Paul hatte die Worte mit wutverzerrtem Gesicht die Straße hinuntergebrüllt. Er hatte ihn nur aufziehen wollen. War Paul wirklich wegen seiner Geheimnisse besorgt? Dabei konnten Pauls Geheimnisse wirklich niemanden schockieren. Wenn man einen Mann nicht etwas aufziehen konnte, bevor ihm die Fesseln der Ehe angelegt wurden, wann denn dann?

Kevin hatte sich auch mit Colm Cahill verkracht. Der Brautvater hatte bei einer Zigarre hinter dem Schloss gestanden und der süßliche Rauchschleier hatte Kevin direkt zu ihm geführt. Colm stand in einem Labyrinth aus Sträuchern und hielt in einer Hand die Zigarre, in der anderen ein Glas Jameson. Die Eiswürfel klirrten und die Grillen zirpten. Der runde Mond stand tief und am Himmel funkelten die Sterne wie Diamanten. Das erinnerte Kevin an den Klunker an Alice’ Hand. Mit dem Ding sollte sie besser vorsichtig sein.

Colm Cahill hatte mit einem Start-up, der Technologiefirma Swipe-It, sein Glück gemacht. Mit der App konnte man mit einem einfachen Wischen für etwas bezahlen. Damit hatte er einen Haufen Geld verdient. Ist das zu glauben? Geld damit verdienen, dass Leute für etwas bezahlen? Was für eine verrückte Welt. Kevin hatte versucht, mit dem reichen Sack übers Geschäft zu reden, denn er hatte selbst eine gute Idee für eine neue App namens Alibi. Wenn die Alte mal fort war und der Mann sich anderweitig vergnügen wollte, kann er ihr ein gefälschtes Selfie schicken, wie er die Wäsche macht. Natürlich würde sie dann erwarten, dass die Wäsche gemacht war, wenn sie nach Hause kam, aber jede neue Idee musste erst ausgefeilt werden.

Erst als er fast bei ihm stand, bemerkte er, dass der reiche Sack telefonierte. „Mach es einfach. Schick die Bestätigung ans Schloss.“

„Wie schön, wenn man die Leute zu solch einer Uhrzeit morgens schon durch die Gegend kommandieren kann. Die Arbeit schläft nie, richtig?“, hatte Kevin ihm zugerufen.

Der alte Tyrann war herumgewirbelt. „Was stimmt denn mit dir nicht, dass du dich so an einen heranschleichst?“

„Ich geh nur ein paar Schritte spazieren. Genau wie Sie.“

„Hast wohl meine Unterhaltung belauscht, was?“

„Ihre Unterhaltung hat sich eher mir aufgedrängt.“

Colms Gesicht war wutverzogen. Er hatte ihm mit der Faust gedroht. „Pack deine Taschen und fahr nach Hause.“

Kevin hatte den Kopf geschüttelt und zum Mond hinaufgesehen. Der Vollmond machte die verrücktesten Dinge mit den Leuten. Besonders mit dieser Gesellschaft. „Ich habe noch eine weitere Geschäftsidee für Sie“, setzte Kevin an.

„Für wen hältst du dich?“ Colm trat auf Kevin zu und baute sich vor ihm auf.

Wusste er wirklich nicht, wer er war? Der alte Mann hatte wirklich ’ne Macke. Je schneller die Hochzeit über die Bühne war, desto besser, dachte er allmählich. „Ich bin der Trauzeuge.“

„Nicht mehr. Du wirst nicht mehr gebraucht.“ Colm warf einen Blick über die Schulter und Kevin fuhr herum, wo er Paul stehen sah, der mithörte. Colm deutete auf Paul. „Hast du das gehört? War das klar und deutlich genug?“ Colm stürmte davon. Paul starrte seinem zukünftigen Schwiegervater mit offenem Mund nach. Als er sich vom Schreck erholt hatte, drehte er sich zu Kevin um.

„Was hast du getan?“

Kevin riss die Arme hoch. „Ich bin unschuldig. Hatte nicht einmal die Chance, ihm meine Idee zu unterbreiten.“

„Du machst es nur noch schlimmer“, sagte Paul. „Halt dich um Himmels willen da raus.“ Dann wirbelte er herum und stürmte davon. Kevin wusste nicht, wie er das verstehen sollte, aber er fühlte sich schlecht.

Apropos schlechte Entscheidung, eventuell hatte er die Mutter der Braut angebaggert. Susan Cahill war die Stufen zu den Gästezimmern heruntergekommen, als er gerade hochwankte. Er musste sie erschreckt haben, denn sie schrie auf, als sie ihn sah. Sie hatte wie eine Frau gewirkt, die sich hinausschlich. Kevin hatte ihr in den Hintern gezwickt und ihr eventuell sogar einen Kuss auf die alternden Lippen gedrückt. Ach, wobei eine Frau in Susan Cahills Alter ihm für die Aufmerksamkeit eigentlich ja danken sollte. Und er wusste, von wem Alice Cahill ihr gutes Aussehen hatte. Susan war reif, aber man konnte die Überreste ihrer vergangenen Schönheit noch sehen. Die Cahill-Frauen waren groß, verdammt groß.

Es gab noch mindestens eine weitere Person, mit der er sich am Vorabend angelegt hatte – aber mit wem? Ach, verflucht, er konnte sich nicht erinnern. Alice, der wunderschönen Alice? Er hatte sie doch nicht verärgert? Nein, sie war ja nicht einmal dabei gewesen. Sie hatte auf ihren Schönheitsschlaf bestanden, was vollkommen albern war.

Brian? Der quengelige kleine Hochzeitsplaner? Möglich. Jeder, der mit kleinen bunten Einstecktüchern im Jackett herumlief, verdiente es, ein wenig aufgezogen zu werden. Oh, Moment. Der Hochzeitsfotograf. Der feine Herr Künstler, der bald in Dublin ausstellen würde. So ein Idiot. Der Kerl hing jedem mit seiner Kamera im Gesicht und schoss pausenlos Fotos. Ein Wunder, dass seinetwegen noch niemand blind geworden war. Kevin hatte ihm das Ding glatt aus der Hand geschlagen. Die Linse war auf dem Kopfsteinpflaster zerschmettert. Der Kerl hätte bessere Reflexe haben sollen. Wenn Kevin sich richtig erinnerte, war Brian dezent durchgedreht. Hatte wie ein Mädchen geweint und gesagt, Kevin schulde ihm fünftausend Euro. So ein Wichser!

Wer noch? Er hatte jemanden vergessen.

Kevin ließ den schmerzenden Kopf aufs Kissen sinken und starrte zur Decke hinauf, die mit detailreichem Stuck verziert war. Das war wahre Handwerkskunst. Nicht wie man sie in den ollen Wohnsiedlungen hatte, die heutzutage gebaut wurden.

Kevin ließ die Kristallkronleuchter, die rosafarbene Tapete und die Bogenfenster aus Kalkstein auf sich wirken. Sein Kopf schmerzte und er war klitschnass.

Die Pints. Die Kurzen. Ein paar Pillen. Verdammt. Sein Kopf fing wild an zu hämmern. Wo genau waren sie? Kilbane, richtig? Diese ummauerte Stadt. Zum Glück lag das Schloss außerhalb der Mauern. Kevin mochte die Vorstellung nicht, so eingeschlossen zu sein.

Panik wallte in ihm auf. War die Hochzeit heute? Sie durfte nicht heute stattfinden. Er würde sich auf dem Weg zum Altar übergeben. Nein, Gott sei Dank. Die Hochzeit war am Samstag und nicht heute, denn es war ja erst Donnerstag. Hatte er ein Glück, dass Hochzeiten in Irland meist dreitägige Geschichten waren.

Apropos Geschichten, hatte er am Abend nicht eine Geschichte gehört, dass jemand eine Affäre hätte? Das war ein richtiger Knüller gewesen. Wer war das noch gleich? Seine Erinnerungen waren ganz verschwommen.

Neben ihm bewegte sich etwas und er hätte sich fast zu Tode erschreckt. Vorsichtig drehte er den Kopf und oh Schreck. Neben ihm lag blondes Haar auf dem Kissen, das ihn an ein Schlangennest erinnerte. Er teilte ein Bett mit Medusa. Ihr Gesicht und Körper waren unter den Decken versteckt. Da war ein Mädchen in seinem Bett. Oder war er in ihrem? Vielleicht sahen die Zimmer alle gleich aus.

„Wenn ich etwas mit einer anfange, dann mit dem Trauerspiel von Trauzeugin“, erinnerte sich Kevin plötzlich gesagt zu haben. Sie hatte den ganzen Abend lang mit den Wimpern geklimpert und die runden Hüften geschwungen. Nun schnarchte sie in ihrem Dornröschenschlaf. Wie hieß sie noch gleich? Richtig, Brenna. Zu schade, dass sie nicht annähernd so hübsch war wie die bezaubernde Alice. Aber wer war das schon?

Was für ein Klischee. Die Trauzeugin hat was mit dem Trauzeugen. Sein Blick fiel auf den Nachttisch. Sein Portemonnaie, Schlüssel und ein zusammengefaltetes Stück Papier. Er griff danach. Der Text war mit der Maschine geschrieben.

Mehr, wenn die Tat vollbracht ist. Treffen bei Sonnenaufgang. Oben auf dem Hügel.

Tat? Welche Tat? Mehr, wenn die Tat vollbracht ist? Er sah noch einmal zum Nachttisch, wo er die Antwort auf die Frage erblickte, die ihn erfreute. Ein fetter Stapel Euros war mit einem roten Faden zusammengebunden. Er schnappte ihn sich und ließ die Scheine durch die Hand gleiten. Das waren ja mindestens tausend Euro. Er las den Text noch mal. Der Hügel. Der hinter dem Schloss?

Kevin fuhr sich mit der Hand durchs Haar und nahm sich die Packung Zigaretten vom Nachttisch. Er wollte sich schon eine anzünden, dann entschied er sich um. Lieber nicht das Mädel wecken. Das Letzte, das er jetzt gebrauchen konnte, war, dass Brenna ihm reinredete. Die Sonne ging gleich auf. Der Text klang etwas verzweifelt. Verzweifelten Leuten ihr Geld abzuknöpfen, war etwas, das Kevin Gallagher wohl beherrschte.

Er richtete sich auf, kämpfte gegen den hämmernden Kopfschmerz an und griff nach dem blauen Trainingsanzug, der über einer Stuhllehne hing. Die gesamte Hochzeitsgesellschaft hatte einen dieser albernen Trainingsanzüge bekommen. Alice hatte auf ein Gruppenbild vor dem Schloss noch vor dem Frühstück bestanden. Er musste sich beeilen, um zum Hügel zu gelangen, wenn er rechtzeitig für das Foto zurück sein wollte. Das einzige, das schlimmer war, als eine hübsche Frau zu heiraten, war eine gegen sich aufzubringen. Insbesondere eine, die kurz vor ihrer Hochzeit stand. Er zog sich an, legte seine geliebte Uhr und die Goldkette an, dann steckte er das Geld und den Zettel ein und schlich sich aus dem Zimmer.

Er fing an, ein Lied zu pfeifen, während er sich fragte, wer auf dem Hügel auf ihn wartete. Er wurde das Gefühl nicht los, dass er gleich einen mordsmäßigen Handel abschließen würde.

Kapitel 2

Siobhán O’Sullivan hielt den Servierteller mit irischem Schwarzbrot fest und trat dem Wachmann des Schlosses mit dem eiskalten Blick entschlossen entgegen. Er mochte ein bulliger Kerl sein, aber er war noch ein richtiges Baby, höchstens achtzehn Jahre als, hätte sie schätzen müssen.

„Ich sag’s dir doch, ich bin Macdara Flannerys Gast. Garda Flannery.“ Normalerweise reichten ihr rotbraunes Haar und ihr strahlendes Lächeln, um junge Männer zu entwaffnen, aber dieser hier schien immun.

„Und ich sag’s dir noch mal. Du steht nicht auf der Liste.“ Er starrte sein Klemmbrett an, als stünden darauf Irlands ungeklärte Rätsel. Was seine Rolle als Wachmann anbelangte, war er etwa so einschüchternd wie ihr neuer Jack-Russel-Welpe Trigger.

„Es gab einen Notfall.“ Siobhán hielt die Servierplatte mit dem Brot hoch. „Scheinbar ist der Koch Franzose – was für die Touristen schön und gut ist, aber wie du weißt sind Braut und Bräutigam Iren.“

„Das weiß ich“, sagte er. „Ich bin selbst aus Limerick.“ In seiner Stimme schwang Stolz mit. Warum ließ er Siobhán dann nicht durch? Kaum vorzustellen, in wenigen Sekunden würde sie Alice Cahill kennenlernen. Unter der Servierplatte hielt sie eine aktuelle Modezeitschrift mit der wunderschönen Alice auf dem Cover versteckt. Siobhán hatte ihren Schwestern versprechen müssen, dass sie versuchen würde, Alice um ein Autogramm zu bitten. Gráinne und Ann, die selbst zu Schönheiten heranwuchsen, waren von dem Star völlig fasziniert.

Der Wachmann warf einen Blick auf ihre pinke Vespa, die sie einige Meter entfernt geparkt hatte. Neben ihrer geliebten Cappuccinomaschine im Bistro lag ihr der Motorroller besonders am Herzen. Sie fuhr so viel damit, dass er sich langsam wie ein weiteres Körperteil anfühlte. Er war die eine Sache, die sie nur für sich hatte. Wenn sie damit fuhr, das Brummen des Motors und den Wind im Gesicht spürte, konnte sie dem Alltag kurz entfliehen. Eine kurze Pause von ihren Aufgaben und der Verantwortung, bei der sie sich vorstellen konnte, dass nichts zwischen dem Leben und ihr stand, außer leere Straßen und die irische Landschaft. Die Lippen des Wachmanns zuckten. Scheinbar hatte er noch nie einen Gast mit einem pinken Roller anreisen gesehen.

„Du hast ihn doch im Blick, oder?“, fragte sie den Wachmann. „Er ist mir sehr wichtig.“ Der junge Mann sah sie an, als hätte sie ihn gerade darum gebeten, ihre Lingerie zu waschen. Gerade als sie sich fragte, ob sie ihn küssen oder ihm einen Tritt verpassen müssen würde, erklang eine bezaubernde Stimme.

„Siobhán O’Sullivan?“ Alice Cahill schwebte in einem einfachen blauen Trainingsanzug auf sie zu, doch trotz der lockeren Kleidung war sie genauso glamourös wie auf dem Titelblatt. Sie hatte langes, tiefschwarzes Haar, das ihr in perfekten Wellen über die Schultern fiel und himmelblaue Augen mit dichten Wimpern. Mit mehr als einen Meter achtzig war sie ein paar Zentimeter größer als Siobhán. „Sie gehört zu mir, Val“, sagte Alice und berührte leicht seinen Arm.

Vals Gesicht wurde klatschrot und er trat einen Schritt vom Tor zurück. „Aber natürlich.“ Er winkte Siobhán herein, so als sei er verwirrt, dass sie noch draußen stand.

„Danke, mein Lieber.“ Alice zwinkerte ihm zu. Val richtete sich auf und hätte Siobhán ein Taschentuch zur Hand gehabt, hätte sie ihm den Sabber von seinem Doppelkinn gewischt. Gutes Aussehen verlieh einem eindeutig eine gewisse Macht und im Gegensatz zu Siobhán schien Alice sich damit wohlzufühlen. Siobhán würde von dem Model einiges lernen können.

Alice hakte sich bei Siobhán ein und führte sie den gewundenen Weg zum Schloss hinauf. „Dein Haar ist großartig. Als hätte die Sonne es in Brand gesteckt. Du kannst das sicherlich nicht mehr hören.“

Sie konnte es tatsächlich nicht mehr hören, aber aus Alice Cahills Mund machte es ihr nichts aus. „Es ist eine Ehre, Sie kennenzulernen“, stammelte Siobhán. In der Ferne standen weiße Zelte auf dem weitläufigen Gelände.

„Jeder, der mit Garda Macdara Flannery befreundet ist, ist auch mein Freund. Paul vergöttert ihn. Die zwei sind wie Pech und Schwefel. Man würde niemals glauben, dass sie einander seit der Uni nicht mehr gesehen haben.“

Als sie Macdara Flannery erwähnte, gingen Siobhán die Gedanken durch und sie schweiften bis zu den Ballyhoura Mountains ab. Sie fragte sich, wo er war, zwang sich dann jedoch, die Gedanken abzuschütteln. Er hatte sie nicht zu der Hochzeit eingeladen und ihr mit keinem Wort erklärt, warum nicht.

Wenn man es positiv sah – und das versuchte Siobhán immer – war sie dank ihm nun hier. Ein geschickter Kniff, Alice vorzuschlagen, sie solle Siobháns Brot probieren. Es gab schlimmere Dinge, als den Morgen mit wunderschönen Models in einem Schloss zu verbringen. Ganz abgesehen davon, wie schön es war, in der Nähe einer anderen großen Frau zu sein. Mit ihren ein Meter fünfundsiebzig überragte Siobhán meistens jeden. Sie liebte es, neben Alice zu stehen.

Das Schloss und Gelände umrahmten der irische Himmel, die Ballyhoura Mountains und ein bewaldeter Hang. Es duftete nach Lavendel und Heidekraut und als würde noch Regen herunterkommen.

Auf dem Schlossgelände überboten sich Vermögen und Schönheit. Zwischen großen sattgrünen Rasenflächen lagen gepflegte Gärten, die durch glänzende schwarze Steinen abgetrennt waren. Die Gärten waren in klare Bereiche unterteilt: in jeder Regenbogenfarbe blühende Blumen, gepflegte Hecken und zu Skulpturen geschnittene Büsche. Entlang der Steinmauer, die das Gelände einschloss, wuchs wildes Heidekraut. In der Mitte des Gartens waren mehrere Springbrunnen mit Wasser speienden Engeln strategisch platziert. Es gab sogar einen kleinen Schlossgraben mit einer Steinbrücke, die über das Wasser führte.

Das Schloss selbst, ein Bau aus dem fünfzehnten Jahrhundert, war imposant. Es gab zwei Türmchen und ein überwältigendes Buntglasfenster. Die massive Eingangstür war von Löwen aus Stein gesäumt. Siobhán brannte darauf, sich umzusehen, aber Alice lief direkt auf die Zelte zu, wo drei Frauen in den gleichen blauen Trainingsanzügen zusammenstanden. Die älteren beiden hielten sich an ihren Teetassen fest, als ob es Rettungsringe wären, während die jüngere blonde Frau ihre Fingernägel betrachtete. Als sie sich näherten, trennte die Blondine sich von den anderen und sprintete praktisch auf Alice zu.

Ihre Augen waren blutunterlaufen und ihre Haut fleckig. Ihr Haar sah aus, als könnte es Strom leiten. Genau wie Alice und Siobhán schien sie Anfang zwanzig zu sein und vermutlich auch hübsch, wenn sie etwas mehr Schlaf bekam. Sie hob die Arme, als wolle sie ein Flugzeug einweisen. „Gott sei Dank ist das Schwarzbrot da.“ Alice kniff die Lippen zusammen, dann schüttelte sie tadelnd den Kopf. Die blonde Frau lachte nur und warf Siobhán einen Blick zu. „Alice hat den Verstand verloren.“ Ihre Stimme war heiser, als hätte sie die ganze Nacht lang geschrien. „Wir haben hier einen französischen Koch, der frische, buttrige Croissants macht und sie will lieber Schwarzbrot!“

Alice blinzelte genervt. „Macdara hat gesagt, dass Siobhán das beste Schwarzbrot macht, das er je gegessen hat.“ Sie lächelte. „Das beste im County Cork.“

Das beste in ganz Irland, dachte Siobhán stolz.

„Ich hoffe, das ist es auch“, antwortete die Blondine spitz. „Man könnte glauben, Saint Peter hat es höchstpersönlich gesegnet.“

Alice stieß Siobhán mit dem Ellenbogen an. „Das ist Brenna. Meine Trauzeugin und wie du an ihrem Aufzug sehen kannst, nimmt sie ihre Aufgaben etwas zu ernst. Euer Dorf hat ein richtiges Nachtleben zu bieten.“

Brenna verschränkte die Arme, was ihre üppige Oberweite betonte. Alle anderen hatten ihre Trainingsanzüge bis über das Dekolleté zu. „Es war ein wundervoller Junggesellinnenabschied.“

Siobhán drehte sich zu Alice um. „Du hattest einen Junggesellinnenabschied?“

Alice seufzte.

„Das sollte man meinen, oder?“, grätschte Brenna dazwischen. „Alice wollte keinen Junggesellinnenabschied. Wozu feiert man eine verdammte Hochzeit, wenn man keinen Junggesellinnenabschied macht? Ich musste das Diadem und die Federboa anderweitig einsetzen, wenn du verstehst.“ Auf Brennas fleckigem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus und sie klimperte mit den Wimpern.

Alice verzog den Mund. „Wir verstehen leider immer, was du meinst.“

Siobhán war noch nie auf einem Junggesellinnenabschied gewesen, aber sie hatte viele Mädels gesehen, die mit Diademen und Federboas herumtorkelten und den letzten freien Tag der Braut mit unzähligen Pints und penisförmigen Süßigkeiten feierten. Ein Teil von Siobhán fand diese Gruppen unreif und albern, aber andererseits wollte sie so etwas unbedingt erleben. Sie bewunderte Alice dafür, dass sie dem Druck standgehalten hatte.

Alice lächelte angespannt. „Ich weigere mich, bei meiner Hochzeit Kopfschmerzen und fleckige Haut zu haben.“

Brenna stöhnte. „Du wärst bis dahin wieder hergerichtet gewesen. Sie zählte an den Fingern ab. „Die Hochzeit ist am Samstag und es ist erst Donnerstag. Gestern Abend war Mittwoch.“

„Vielen Dank für die Nachhilfe, wie die Wochentage heißen. Du hattest eine Menge Spaß ohne mich, oder?“, keifte Alice.

Brenna zuckte mit den Schultern und sah dann zum Horizont. Der blaue Himmel war von unheilvollen lila Streifen durchzogen. Das Wetter war im Umschwung. Ein leichter Wind kam auf. „Du hast mich gezwungen, stattdessen mit den Jungs loszuziehen. Wir hatten ordentlich Spaß.“

„Ich habe gehört, du hast wild geflirtet.“ Ärger schwang in Alice’ Stimme mit.

Brenna zuckte mit den Schultern. „Das ist deine Schuld. Ich war Kevin Gallagher schutzlos ausgeliefert!“

Alice stöhnte und alle Frauen tauschten Blicke aus. Alice schien Siobháns neugierigen Gesichtsausdruck bemerkt haben, denn sie drehte sich zu ihr um und erzählte ihr die gesamte Geschichte. „Kevin ist sternhagelvoll gewesen und hat allen den Abend ruiniert.“

„Kevin?“, fragte Siobhán unweigerlich.

„Der Trauzeuge“, antwortete Alice.

„Nicht mehr“, sagte eine große Frau, die aus der Gruppe trat und sich zu ihnen gesellte. „Dein Vater hat ihm gesagt, er soll seine Sachen packen und verschwinden. Hatte ich erwähnt, dass er mich auf der Treppe begrapscht hat?“

Die Frage wurde einstimmig bejaht.

Das musste also die Mutter der Braut sein. Sie war fast so groß wie Alice und schien Anfang fünfzig zu sein. Ihr Haar war zu einem strengen Dutt zurückgenommen und es war offensichtlich, dass sie einen guten Schönheitschirurgen hatte, der mit ihrem Gesicht das Gleiche anstellte, wie der Dutt.

Alice schüttelte den Kopf. „Entschuldige, dass wir dich mit unserem Drama überrumpeln.“

„Ohne Drama wäre es keine irische Hochzeit“, sagte Siobhán lachend.

„Und ohne Traditionen wird es auch keine irische Hochzeit“, meldete sich eine ältere Dame zu Wort, die bei den Zelten stand.

„Wo sind meine Manieren geblieben?“, sagte Alice. „Dies ist meine Mutter Susan und das ist Pauls Mutter Mrs. Faye Donnelly.“ Faye Donnelly, die Frau, die die Bemerkung über Traditionen gemacht hatte, drehte sich um, als ihr Name fiel. Sie war etwa im gleichen Altern wie Susan, aber lange nicht so groß. Graumeliertes Haar umspielte ihr sanftes Gesicht.

„Pauls Mutter glaubt, dass ich etwas zu modern bin“, erklärte Alice.

Faye hob die Hand. „Ich habe bereits meinen Frieden damit geschlossen, dass es keinen Dudelsack oder Harfe bei der Hochzeit geben wird, aber dein Bräutigam sollte einen Kilt tragen.“

„Paul wird im Anzug gut aussehen“, sagte Alice. „Und er wird sich keine Sorgen darum machen müssen, aus welcher Richtung der Wind weht.“ Sie zwinkerte und hob den Kopf zum Himmel, als der Wind ihr ins Haar fuhr.

„Wenn ihr doch nur bis nächsten Monat warten würdet“, jammerte Faye.

„Warum das?“ Siobhán konnte sich die Frage nicht verkneifen.

„Heirate im August, mach dich auf Unheil gefasst“, sagte Faye auf. „Im September du Reichtum und Freude hast.“

„Nutzloser Aberglaube“, gab Alice zurück. „Außerdem bin ich schon reich und meinem Leben täten ein paar Veränderungen gut. Mir ist es also nur recht.“

„Geht zumindest sicher, dass die Sonne am Morgen der Hochzeit scheint“, sagte Faye. „Und versucht, drei Elstern oder einen Kuckuck zu sichten.“

„Ich habe bereits einen Kuckuck gesichtet“, sagte Alice mit einem amüsierten Blick.

„An deinem Hochzeitstag“, betonte Faye.

Alice’ Augen funkelten. „Du wirst doch dort sein, nicht?“

„Ich verteile Glöckchen bei der Hochzeit und du kannst mich nicht davon abhalten“, gab Faye zurück.

Alice drehte sich zu Siobhán. „Wusstest du, dass mit einem Glöckchen klingeln helfen soll, böse Geister fernzuhalten?“

Siobhán lachte. „Oh, ich liebe solch alten Aberglauben. Ich nehme an, dass du deine Hände nicht mit denen deines Bräutigams zusammenbinden lassen willst?“ Das Zusammenbinden der Hände war eine alte irische Tradition, bei der die Braut und der Bräutigam bei der Zeremonie die Hände wortwörtlich zusammengebunden bekamen. Daher stammt der englischsprachige Ausdruck „tying the knot“. Siobhán liebte Traditionen und Geschichte, auch wenn sie nicht abergläubisch war. „Wenn du wirklich traditionell wärst, würdest du ein blaues Hochzeitskleid tragen und einen Strauß Wildblumen halten“, fügte sie hinzu.

„Die Braut trug blau“, sagte Alice und schüttelte den Kopf. „Mein hübsches weißes Kleid ist mir lieber. Aber Wildblumen finde ich toll.“ Sie sah grinsend zu Faye. „Würden Wildblumen mir Glück bringen?“

„Das wäre ein Anfang. Du bräuchtest noch ein magisches Spitzentaschentuch, die Haare geflochten und vor allem darfst du dir unter keinen Umständen die Hände im gleichen Waschbecken wie Paul waschen. Das wäre ein Desaster!“

Alice seufzte. „Das wäre allerdings ein Desaster.“ Sie berührte Faye am Arm. „Ich bin so froh, dass du wieder anfängst zu arbeiten.“

„Die Arbeit hält einen jung oder bereitet einem jung ein frühes Ende“, sang Siobhán. Alle Köpfe drehten sich zu ihr um und alle sahen sie fragend an. „Tut mir leid. Das hat mein Dad früher immer gesagt.“

„Großartig“, sagte Alice verwirrt aussehend und klatschte in die Hände.

Siobhán drehte sich zu Faye. „Was machen Sie denn beruflich?“, fragte sie höflich.

Faye griff in ihre Handtasche und zog eine Visitenkarte heraus, die sie Siobhán reichte.

Faye Donnelly, ESQ.

Anwältin für Familienrecht

„Nur für den Fall, dass Sie mal Bedarf haben.“

Siobhán hatte keinen Bedarf, aber sie steckte die Visitenkarte in ihre Handtasche und bedankte sich höflich.

Susan Cahills Blick huschte zum Schwarzbrot, dann starrte sie Siobháns Stirn an, als würde es sie umbringen, ihr in die Augen zu sehen. „Warum verbringen wir so viel Zeit damit, mit dem Personal zu quatschen?“

Alice’ helles Lachen erklang. „Sie gehört nicht zum Personal. Siobhán O’Sullivan ist eine gute Freundin von Garda Flannery und somit ist sie auch meine gute Freundin.“

Gute Freundin? Hatte er das gesagt? War es das, was sie waren? Normalerweise mochte Siobhán die Dinge geordnet. Unkompliziert. Ihre Beziehung mit Macdara war weder das eine noch das andere. Gute Freundin.

Susan musterte Siobhán mit eisigem Blick. Ihre Augenbrauen sahen aus, als hätte sie sich mit einem schwarzen Fineliner einen dauerhaft überraschten Ausdruck ins Gesicht gezeichnet. Lächeln und winken, hätte ihre Mam gesagt. Lächeln und winken.

Alice deutete auf ihre Outfits. „Du fragst dich vermutlich, warum wir alle so gekleidet sind.“

Siobhán nickte. „Die Frage ist mir durch den Kopf gegangen.“ Und sie hatte sich vorher noch Sorgen gemacht, dass ihre Hose und die schwarze Bluse nicht schick genug sein könnten. Doch in einem Kleid oder Rock Motorroller zu fahren, war unpraktisch.

„Ein Geschenk von den Schlossbesitzern. Ich dachte, damit können wir ein tolles Gruppenfoto schießen.“

„Ach, wunderbar“, nickte Siobhán zustimmend. „Das wird sicher toll.“

„Aber es wird nichts.“ Alice ballte die Hände zu Fäusten. „Die Männer haben sich in Luft aufgelöst. Ronan muss gleich angebunden werden.“ Sie deutete zur Seite, wo ein schlaksiger Mann mit einer großen Kamera immer wieder über die kleine Brücke lief. Über ihm hing der Rauch seiner Zigarette wie eine winzige Unwetterwolke. „Kevin hat gestern Abend Ronans Lieblingskamera zerstört und nicht einmal ein Haufen Geld hat ihn beruhigt.“

Siobhán überlegte, dass sie wohl kein Problem damit hätte, sich zu beruhigen, wenn man ihr dafür einen Haufen Geld bot.

„Ich verstehe nicht, warum du auf Schwarzbrot bestehst“, sagte Susan Cahill. „Der Koch ist Franzose.“ Brenna schlenderte herüber und nahm Siobhán die Platte ab. Das Modemagazin fiel zu Boden und Alice starrte auf ihr Gesicht hinab.

Susan Cahill drohte Siobhán mit dem Finger. „Keine Autogramme. Das hier ist eine Privatfeier. Du solltest dich schämen.“

„Mutter!“, rief Alice. „Du hast da etwas falsch verstanden. Sie ist mein Gast.“

Siobhán nahm rasch das Magazin und klemmte es unter den Arm. „Tut mir leid. Meine Schwestern haben mich gebeten, es von dir signieren zu lassen. Ich wollte dir nicht zu nahe treten.“

„Gar kein Problem!“ Alice nahm das Magazin und sah das Foto an. „Sie haben mich retuschiert und ich habe fast zwei Stunden gebraucht, um mich in das Kleid zu quetschen.“ Das eng anliegende silberfarbene Kleid sah tatsächlich so aus, als wäre es aufgemalt. „Es wäre mir eine Ehre, es zu signieren.“ Sie sah sich um. „Hat jemand einen Kuli?“

Verlegen zog Siobhán einen Kugelschreiber aus der Tasche. Alice signierte die Zeitschrift schwungvoll und malte sogar noch einen Smiley auf die Seite.

„Vielen Dank.“ Siobhán steckte die Zeitschrift in ihre Handtasche und folgte Alice zu einem Tisch unter dem Zelt. Als sie gerade das Schwarzbrot probieren wollten, kam ein junger Mann in einem grauen Nadelstreifenanzug und dicker schwarzer Brille auf sie zu und hielt sein iPad wie einen Schutzschild vor sich hoch. Aus der Jacketttasche guckte ein knallpinkes Einstecktuch. Sehr schick. Siobhán bewunderte es, wenn Männer nicht davor zurückschreckten, pink zu tragen. Sie hatte das Bedürfnis, ihn mit ihrem Motorroller bekannt zu machen.

„Ronan schäumt schon vor Wut“, sagte er. „Vielleicht sollten wir erst ein Foto von euch hübschen Damen machen.“

Brenna schüttelte den Kopf. „Ich habe dir gesagt, dass du niemanden engagieren solltest, der sich für einen Künstler hält.“

„Er ist ein Künstler“, gab Alice zurück. „Deshalb ist er so temperamentvoll.“

„Aha“, sagte Siobhán. Sie war auch temperamentvoll. Vielleicht war sie insgeheim eine Künstlerin.

„Darf ich fragen, wer das ist?“ Der schick gekleidete Mann hatte dunkle Augen, die einen durchbohrten, und sein kastanienbraunes Haar war akkurat zurückgegelt. Er erinnerte an einen jungen Adler, der einen ins Visier genommen hatte.

„Jetzt geht das schon wieder los“, sagte Alice. „Das ist Siobhán O’Sullivan, die Inhaberin von Naomi’s Bistro.“ Siobhán spürte einen vertrauten Schmerz, denn für sie war es immer das Bistro ihrer Eltern gewesen. Seit ihrem Tod bei einem Autounfall vor etwas mehr als einem Jahr, gehörte das Bistro nun ihr und ihren Geschwistern. Der Mann studierte sie so eindringlich, als sei sie eine Prüfung, die er bestehen musste.

„Und das ist Brian, unser Hochzeits-Feldwebel“, stellte sie ihn in gespieltem Flüsterton vor. „Er zwingt uns dazu, dass wir uns ans Protokoll halten.“

Brians dunkle Augen ruhten weiterhin auf Siobhán, selbst als er auf sein iPad eintippte. „Sie steht nicht auf der Gästeliste.“

„Dann sollte ich besser etwas dagegen tun“, sagte Alice. „Siobhán O’Sullivan, würdest du gern Gast bei meiner Hochzeit sein?“

„Nein!“, rief Brian.

„Es wäre mir eine Ehre“, antwortete Siobhán. Hatte sie etwas Passendes anzuziehen? Würde Macdara sich darüber ärgern?

Brian presste die Lippen aufeinander. „Die Verzögerung mit den Fotos kostet uns mindestens eine halbe Stunde. Wir werden das Dominikanerkloster von der Liste streichen. Wer eine Klosterruine gesehen hat, braucht keine weiteren anzusehen.“

„Die Abteikirche dürft ihr nicht verpassen“, warf Siobhán ein. „Sie ist die schönste, die ihr je sehen werdet.“ Neben den mittelalterlichen Mauern und dem King John’s Castle, war die Ruine des Dominikanerklosters Siobháns Meinung nach einer der tollsten Orte in Kilbane.

„Dann ist es entschieden“, sagte Alice. „Behalt es auf der Liste.“

„Dein Vater war sehr deutlich“, entgegnete Brian. „Wir sollen im Zeitplan bleiben.“ In seiner Stimme schwang ein Hauch Panik mit.

„Ist es seine Hochzeit oder meine?“ Ein kindliches Jammern klang in Alice’ Stimme an. „Außerdem ist mein Vater, genau wie der Rest der Kerle, nicht einmal aufgetaucht.“

Brian sah sich um. „Ich habe ihn vorhin gesehen.“ Er blickte sich rasch um und senkte die Stimme. „Er hat sich fürchterlich mit dem Gastwirt gestritten.“