Leseprobe Mord in schottischer Gesellschaft

Kapitel 1

Nairn, Schottland

Am Samstagmorgen legte Paislee Shaw Cashmere Crush, ihr Pullover- und Wollgeschäft, in die runzligen, aber fähigen Hände ihres Großvaters Angus.

„Und vergiss nicht, Snacks mitzubringen – die Speisekammer ist leer, Mädchen.“ Grandpa tätschelte seinen flachen Bauch, während er zusah, wie sie einen weiteren Schal in die Kiste für die Spendenaktion der Tafel von Nairn packte.

Mit Speisekammer meinte er ihre Dose mit Crackern, Chips und Süßigkeiten im Laden, von der er gern wie eine silberbärtige Maus etwas stibitzte.

„Wenn du Hunger hast, häng das Schild an die Tür und besorg dir zur Abwechslung etwas Gesundes zum Essen – hinten hat gerade ein indisches Restaurant neu geöffnet.“ Sie hatte auch im Müll zu Hause einen Zuwachs von leeren Kekspackungen bemerkt. „Ein Gemüsecurry würde dir guttun.“

Sie legte ihre Spende, ein hellblaues Mädchenpulloverset aus Kaschmir, auf die anderen Strickwaren für den Tisch im Kunst- und Kulturzentrum.

Grandpa versprach nichts, was frisches Grünzeug anging, und beäugte die Kiste. „Man macht keinen Profit, wenn man seine Ware einfach verschenkt“, riet er und sog Luft durch seine Zähne ein. Obwohl er fünfundsiebzig war, war er noch klar im Kopf. Er trug sein silbergraues Haar nach hinten gekämmt und seinen Bart gestutzt. Eine Brille rutschte seine lange Nase herab.

„Das hier soll Geld einbringen, um unsere Nachbarschaft zu ernähren. Ein gemeinnütziger Zweck.“ Paislee wappnete sich für eine weitere Diskussion, was Grandpas Meinung dazu anging, etwas umsonst zu bekommen.

„Unsere eigenen Mäuler zu stopfen ist sehr gemeinnützig.“ Er klopfte zur Bekräftigung wieder auf seinen Bauch.

„Hast du nie hungern müssen?“ Er hatte zwei Wochen im Wald verbracht, und sie hatte gedacht, dass er ein kleines bisschen mehr Verständnis dafür haben würde, wie tröstlich eine gefüllte Speisekammer sein konnte.

„Nein.“ Grandpa hob die Hände. „Weil ich weiß, wie man angelt. Vielleicht sollten sie statt Suppe Angelruten verteilen.“

„Ach, ich will nicht streiten. Ich spende den Pullover und trage meinen Teil für unsere Gemeinschaft bei. Es wird sich schon nicht auf deinen Gehaltsscheck auswirken.“ Das war nicht das erste Mal, dass sie an ihrem Großvater die kratzbürstige Mischung aus schottischem Stolz und fortgeschrittenem Alter bemerkte.

„Lass mich dir die Tür aufhalten.“ Er öffnete sie weit und verbeugte sich halb.

Sie ging aus der Hintertür, wo ihr Juke in der Gasse geparkt war. „Danke.“

Paislee nahm einen tiefen Atemzug der warmen Morgenluft. Mitte Mai war es zauberhaft in Nairn, mit heiterem, aquamarinblauem Himmel. Die Sonne ging erst nach neun Uhr unter und war einer der Gründe, warum Touristen den Sommer über in Scharen in ihre Küstenstadt strömten.

„Um wieviel Uhr kommst du wieder?“ Grandpa stand auf der Schwelle der Hintertür an der Treppe und hatte seine Arme locker vor seiner Taille verschränkt.

Sie schlurfte die vier Betonstufen herab, machte die Klappe mit einer Hand auf, stellte ihre Sachen hinein und ging dann zur Fahrertür. Paislee sah achselzuckend zu ihm hoch. „Halb sieben spätestens.“ Das hochbeworbene Event ging an beiden Tagen des Wochenendes von zehn bis fünf Uhr, aber als Verkäufer musste man auf- und wieder abbauen. „Ich bring dir etwas Schokoladiges mit.“

Er gab ihr einen Daumen hoch und duckte sich in den Laden.

Sie fuhr auf die Straße in Richtung des Silverstein Immobilienbüros, um ihre beste Freundin Lydia Barron abzuholen. Sie würden sich einen Verkaufsstand mit Blaise O’Connor teilen, die kürzlich mit ihrem Mann Shep, einem Golfprofi, und ihrer Tochter Suzannah nach Nairn gezogen war.

Blaise passte hervorragend in Paislees Strick-und-Schlückchen am Donnerstagabend, wo sich ihre Kundinnen zum Stricken und Klatschen trafen. Sie war noch Anfängerin, aber strickte zur Entspannung.

Ihr Handy klingelte und Paislee nahm über Bluetooth ab. „Hallo!“

„Hier ist Blaise.“ Panik durchzog ihre Stimme. „Bitte sag mir, dass du auf dem Weg bist.“

„Bin ich. Ich dachte, wir sollten um zehn da sein?“ Es war erst halb zehn. Paislee war ausnahmsweise nicht einmal annähernd zu spät.

„Das stimmt – du hast alles richtig gemacht. Ich bin ein komplettes Desaster.“ Blaises Seufzer rauschte in der Leitung. „Was habe ich mir dabei gedacht, bei einem Backwettbewerb mitzumachen? Ich hätte den Buchanans einfach ein paar tausend Pfund geben sollen und gut ist.“

„Was ist los?“

„Kirsten will Blut sehen. Mein Blut.“ Blaise senkte die Stimme. „Sie hat versucht, unseren Tisch in der Ecke bei der Toilette zu verstecken, ist das zu glauben? Ich habe mit dem Leiter der Veranstaltung, Anders Campbell, gesprochen, und es soll sofort geklärt werden, oder ich werde ihn eigenhändig verschieben.“

Sie hatten sich bei den Strick-und-Schlückchen schiefgelacht, als Blaise über die „lunchenden Ladies“ der Golfclique gewitzelt hatte. Die Alphalöwin der Ehefrauen war Kirsten Buchanan. Sie leitete alles von der Golf Charity bis hin zum Elternrat der Highland Academy, wo Blaises Tochter zur Schule ging.

Bei den Horrorgeschichten über lächerliche Wettbewerbe, wessen Kind die besten Noten hatte, welche Mutter die besten Kekse backte, oder wessen Ehemann am meisten verdiente, war Paislee sehr froh, dass es an der Fordythe Primary nicht so war, oder wenn doch, dass sie zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt war, um irgendetwas von solchen Cliquen mitzukriegen.

„Zähl bis drei“, riet ihr Paislee. „Atme tief ein. Wir sind bald da. Sollen wir irgendwas mitbringen? Scotch für deinen Tee?“

„Das würde nicht gut ausgehen, aber es ist definitiv verlockend. Ich bin ja nicht Christina Baird.“

„Wer?“

„Ich erklär’s dir später. Hier kommt Anders – beeil dich, bevor ich hier die Beherrschung verliere!“ Blaise legte ohne Verabschiedung auf.

Paislee parkte vor der Silverstein Real Estate Agency und Lydia kam mit hoch erhobenem kirschrotem Haupt heraus. Ihre beste Freundin änderte etwa alle sechs Wochen nach Lust und Laune ihren Look. Die extrem kurzgeschnittene Seite wurde langsam zu einer Welle mit einem kleinen Pony über einem ihrer grauen Augen. Lydias makelloses Makeup war etwas, das Paislee bewunderte, aber niemals selbst auch nur versuchen würde.

Paislee hüpfte heraus um Lydia zu helfen, die Pappbecher, ihre große Aktentasche und einen kleinen glänzenden Koffer in einem Arm balancierte. Sie rettete den Kaffee, der nach Mokka roch, und wies nickend auf den Koffer. „Morgen – was ist das?“

„Der neueste Gaming-Laptop. Dell Alienware Area-51m.“

„Was ist mit der Reise für zwei nach Paris, die du spenden wolltest?“

„Blaise steht sehr unter Druck, etwas Tolles zur Auktion beizusteuern, also … habe ich Silverstein dazu gebracht, noch eine Spende draufzulegen. Er hat fast viertausend Pfund für das Schmuckstück hier bezahlt.“ Lydia schnallte den Koffer auf der Rückbank an, als wäre er ein Mensch.

Für einen Laptop? Paislee könnte sich dafür eine komplett neue Küchenausstattung besorgen. „Druck von wem?“

„Kirsten Buchanan. Wie du weißt, ist Blaises Mann, Shep, der neueste Golfprofi in Nairn, also haben die anderen Damen Erwartungen, was ihren Beitrag angeht. Kirsten wollte nur das Beste, oder gar nichts.“

„Das ist lächerlich. Jedes kleine bisschen wird der Tafel helfen.“

„Es liegt an dem sozialen Umfeld, in dem sie sich befindet, Liebes. Blaise hat einen berühmten Golfstar geheiratet, der von Gerard Buchanan unterstützt wurde, und sie kann Shep nicht enttäuschen.“

„Wie hast du Silverstein dazu gekriegt, den Einsatz zu erhöhen?“ Paislee kletterte hinters Steuer und stellte ihren Kaffee in den Becherhalter an der Konsole. Unter dem Deckel stieg der wohlige Geruch nach Schokolade empor.

Lydia schnallte sich auf dem Beifahrersitz an. „Ich habe ihn daran erinnert, dass Blaise eine potenzielle Klientin ist, die sich noch nicht für ein neues Zuhause entschieden hat. Der Köder ist noch am Haken, grob gesagt.“

Paislee lachte. „Trotzdem, sehr gut gemacht.“

„Natalya hat mir geholfen.“

Natalya Silverstein war zwanzig Jahre jünger als ihr Ehemann, der über siebzig war, und hatte Gefallen an Lydia gefunden. Jeder in der Firma wusste, dass Natalya eines Tages die Agentur übernehmen würde.

„Sie ist eine gute Verbündete.“ Paislee fuhr vom Büro zum Kulturzentrum.

„Ja. Und wo ist mein Wunderkind heute?“ Lydia nippte an ihrem Getränk. „Auf der Arbeit bei Grandpa?“

Bennett Maclean, der Vater von Brodys bestem Freund, führte ein Comicgeschäft mit Spielautomaten, und hatte angeboten, den Tag über auf Brody aufzupassen. „Trifft sich mit Edwyn … Ich habe Bennett Geld für mindestens vier Pizzen gegeben. Ganz schön teuer.“

„Super, dass du dir keine Sorgen um ihn machen musst. Und Grandpa?“

„Er versteht nicht, warum ich die Waren einfach weggebe. Seine Idee war, Angelruten statt Essenspakete zu verschenken.“

Lydia lachte leise. „Was für ein Typ. Man weiß genau, dass er seinen Fang mit jedem teilen würde, der fragt.“

„Du hast ja so Recht. Er ist ein verbiesterter alter Aufschneider.“ Sie schaute Lydia an. „Blaise hat angerufen. Kirsten hat versucht, unseren Tisch nach hinten zu stellen, und sie ist nicht begeistert.“

„Blaise muss weg von dieser versnobten Schule und diesen zickigen Frauen. Ich habe mich umgehört, und Highland hat zwar vorbildliche Noten, aber einen hochnäsigen Ruf – nach dem Motto, zeig deine Kontoauszüge bei der Anmeldung oder vergiss es.“ Lydia pfiff. „Zwanzigtausend im Jahr für reguläre Schüler, dreißig fürs Internat. Wer kann sich das leisten?“

Paislee schauderte bei den Kosten. „Ich nicht. Drumduan wird im August ein Kinderspiel für sie sein.“ Drumduan war eine Privatschule mit einer weniger strengen Unterrichtsstruktur als die Highland Academy.

„Das sage ich Blaise auch immer wieder – sie muss einfach nur dranbleiben.“

Lydia und Blaise hatten sich angefreundet, als Lydia den O’Connors dabei geholfen hatte, genau das richtige Haus (oder eher die richtige Villa) in Nairn zu finden.

„Ich habe Angst davor, die Damen persönlich kennenzulernen – sie können doch nicht so schlimm sein, oder? Vielleicht hättest du an beiden Tagen fahren sollen“, sagte Paislee mit Gedanken an Lydias hübschen roten Mercedes. „Ich will Blaise nicht mit meinem Juke lächerlich machen.“

„Mit deinem SUV ist alles in Ordnung.“ Lydia stellte ihren Kaffee nach einem weiteren Schluck in den Halter. „Einfach nein, aus Prinzip.“

Das Navi wies sie an, links abzubiegen, und sie wandten sich vom Meer ab auf die Hügel ein paar Meilen landeinwärts zu. Fünf Minuten später kamen sie an einem alten viktorianischen Heilbad an, das nach einer Renovierung auf den Stand des einundzwanzigsten Jahrhunderts gebracht worden war; jetzt bot es öffentliche Räumlichkeiten, die man mieten konnte.

Der Parkplatz war so neu, dass die gelborangen Linien, die die Lücken voneinander abtrennten, noch nicht einmal die Chance gehabt hatten, zu verbleichen. Die Auswahl an geparkten SUVs machte deutlich, wer die Zielgruppe für die Spendenaktion war: Range Rovers, Mercedes, Lamborghinis und ein Bentley.

„Das ist ja das pure Sportwagen-Paradies“, bemerkte Lydia. „Corbin wäre jetzt völlig begeistert.“

Lydias Freund Corbin hieß eigentlich Laird Corbin Smythe. Paislee hatte ihn einmal getroffen – er sah gut aus, keine Frage, und er schien aufrichtig zu sein. Er war nur mittelmäßig reich, was Lydia aus irgendeinem Grund wichtig war. Sie wollte nicht mit jemandem „befreundet“ sein, der vor Reichtum ganz abgehoben war.

„Aber nur Freunde“, hatte Lydia mit einem Funkeln in den Augen behauptet.

„Kommt er heute vorbei?“

„Vielleicht. Da ist Blaises Auto“, bemerkte Lydia und wechselte das Thema.

Paislee parkte zwischen dem glänzenden schwarz-silbernen Range Rover ihrer Freundin und einem bronzefarbenen Fahrzeug mit riesigen glänzenden Felgen. Sie fühlte sich äußerst fehl am Platz, als sie ihre Kisten aus dem Kofferraum holte. Ihr gespendetes Kaschmirset gehörte hier allerdings hin, und es ging hier schließlich um die Tafel, Herrgott noch mal.

Sie reckte ihr Kinn, während sie und Lydia zum Eingang liefen. Die alten Türen des Heilbads bestanden jetzt aus Doppelverglasung und Messing mit Messingknäufen. Blumentöpfe voller leuchtend roter Begonien verliehen beiden Seiten der Veranda etwas Farbe.

Ein freundlicher Mann in Chauffeuruniform und mit einer Kappe öffnete ihnen die Tür.

„Danke schön“, sagte Lydia.

Paislee nickte und fragte sich, zu welchem Designer-SUV er gehörte – sie würde Geld, vielleicht sogar eine ganze Pfundnote, darauf verwetten, dass es der Bentley war.

„Wow.“ Lydias Augen weiteten sich anerkennend, als sie das Foyer betraten. „Ich war nicht mehr hier, seitdem sie das Gebäude auseinandergenommen haben – das neue Design ist wirklich eine ausgezeichnete Wahl. Ich frage mich, wer der Architekt war?“

Paislee mochte das große, offene Foyer, die weißen Fliesen, und das Tageslicht, das durch die vielen Fenster fiel, aber es käme ihr nie in den Sinn, sich zu fragen, wer es entworfen hatte.

„Willkommen im Kunst- und Kulturzentrum.“ Sie wurden von einer eleganten Frau mit weißblonden Haaren in einem taubengrauen Kleid begrüßt. „Sie müssen wegen der Veranstaltung der Tafel Nairn hier sein. Den Gang entlang nach links und in den Konferenzsaal zur Rechten. Sie werden den Tumult, während alles aufgebaut wird, sicherlich hören können. Wenn Sie für die Zukunft irgendwelche Fragen zur Raumvermietung haben, ich bin Sonya Marshal, die Vorsitzende.“

„Das ist fantastisch!“, rief Lydia, als sie den Raum erreicht hatten und hineinspähten. „Ich muss Natalya mal herbringen, vielleicht können wir ja das nächste Mal hier feiern.“

Paislee folgte Lydia durch die offene Tür. Die Fliesen in dem sporthallengroßen Konferenzraum waren mit dünnem beigen Teppich bedeckt. Zimmerpalmen in Korbblumentöpfen streiften die hohe Decke. Hohe Fenster an der hinteren Wand boten einen Ausblick auf einen smaragdgrünen Rasen, und eine dicke Buche spendete einer Terrasse Schatten, die man durch die Hintertür erreichen konnte; sie stand offen, während Leute größere Verkaufsgegenstände wie Fernseher und Gemälde hereinbrachten. Die Tische strotzten vor Überfluss, jede Seidenstoffprobe purer Luxus.

Ein Podium war links an der Wand errichtet worden. Regale stellten Auktionsgegenstände zur Schau. Auf der rechten Seite lagen die Toiletten, um die Blaise sich gesorgt hatte, aber in Wahrheit gab es gar keinen „schlechten“ Tisch. Jeder war gut sichtbar, und die Durchgänge würden breit genug für Besucher und Kunden sein, wenn der Verkauf startete. Paislee sah auf ihrem Handy nach der Uhrzeit. Fünfzehn Minuten, bis es anfing.

„Ich war noch nie bei einem Verkauf wie diesem.“ Sie war von schicken Gegenständen umgeben, die nicht ihrem Budget entsprachen.

„Es ist umwerfend.“ Lydia musterte die Tische und sah in einer ärmellosen dunkelgrauen Seidenbluse und einer eng anliegenden grau-schwarz karierten Hose mit kirschrotem Gürtel und schwarzen Stiefeln mühelos glamourös aus. Es bestand kein Zweifel, dass sie hier hereinpasste.

Paislee war nicht mehr so überzeugt von ihrem lavendelfarbenen kurzärmligen Pullover mit Wasserfallausschnitt, wie sie es gewesen war, als sie ihn angezogen hatte, obwohl er perfekt für Frühlingswetter geeignet war. Ihr Gürtel und ihre Schuhe waren beide aus Antikleder von James Young für sie angefertigt, der ein Ledergeschäft neben Cashmere Crush führte. Ihre große Ledertasche war aus demselben Material und der gleichen Farbe. Sie hatte lavendelfarbenen Kaschmir mit Lederakzenten zu einem Armband gedreht und mit einem losen Flechtzopf das Beste aus ihren zu dünnen, kastanienbraunen Haaren gemacht.

„Ihr seid da!“ Blaise lächelte, aber ihre rotbraunen Brauen zogen sich zu einem Stirnrunzeln zusammen, als sie in einer Erdbeer-Jasmin-Wolke von Marc Jacobs Daisy zu ihnen stieß.

Paislee mochte Parfum eigentlich, aber trug es nie – wer hatte schon Zeit dafür?

„Dir auch einen schönen guten Tag.“ Lydia gab entspannt je einen Kuss auf beide von Blaises pinken Wangen. „Wo steht unser Tisch?“

„Hi Lydia, Hi Paislee – dank Anders jetzt in der Mitte statt hinten – Kirsten ist so fies. Dachte sie wirklich, ich würde nicht protestieren? Jedes Mal, wenn jemand auf Toilette geht, würde die Tür gegen unsere Stühle schlagen.“

Blaises rotbrauner Bob war so glatt, dass er wie Seide auf ihre Schultern herabfloss, ihr Make-up war professionell aufgelegt und ihre Kleidung entsprach genau dem neuesten Trend, laut der Zeitschriften, die Lydia in Cashmere Crush liegen ließ.

Sie gingen an Dutzenden von Tischen vorbei, bis sie einen in der Mitte der hintersten Reihe erreichten. Auf jeder Seite saßen bereits andere Leute, und Paislee lächelte zur Begrüßung. Jede neue Person könnte ein potenzieller Kunde sein.

„Das sieht wirklich hübsch aus“, sagte Paislee zu Blaise, die den Tisch mit glitzerndem, silbernem Stoff bedeckt hatte. Teller mit dünnen Mandelkeksen, ein Rezept, das Blaise seit dem letzten Kuchenverkauf der Highland Academy im Februar geübt hatte, waren auf einer Etagere aufgereiht, mit Frischhaltefolie überzogen und mit einer Bastschleife zugebunden. „Und die Kekse, lecker.“

„Ich habe diesen blöden Wettbewerb noch nie gewonnen“, murmelte Blaise mit zusammengebissenen Zähnen, nachdem sie sich vorsichtig umgesehen hatte. „Ich möchte nur einmal als Sieger hervorgehen und Kirsten zeigen, dass sie nicht die beste Bäckerin ist. Gott, das klingt kindisch und oberflächlich, aber ich kann es nicht ändern.“ Eine Ader pulsierte an Blaises Schläfe.

„Du bist nichts davon“, versicherte Lydia ihr. „Sobald Suzannah auf Drumduan zur Schule geht, wird es nicht mehr so wichtig sein, was sie denken.“

„Ich hoffe es, aber ihre Männer spielen alle Golf. Ich kann ihnen nicht völlig aus dem Weg gehen, indem ich nur die Schule wechsle.“ Blaise seufzte. „Shep sagt, ich solle sie ignorieren, aber er begreift nicht, dass die Ehefrauen einen großen Einfluss darauf haben, wofür ihre Männer ihr Geld ausgeben. Und wenn ich nicht mitspiele, sieht es schlecht für ihn aus, und für Suzannah, und wir sind gerade erst umgezogen und –“

„Ah.“ Paislee stellte ihre Kiste mit den Sachen ab und umarmte Blaise kurz. „Es wird alles gut.“

„Dir ist klar, dass Schottland einen der berühmtesten Golfplätze der Welt hat? Wir können nicht umziehen und neu anfangen.“ Blaise rieb ihre bloßen Arme. „Könnt ihr euch mich in Florida vorstellen? Shep hat dort einmal ein Angebot von Sawgrass bekommen, wo sie Alligatoren auf dem Grün haben.“ Ihre Augen wurden kugelrund. „Ungelogen!“

„Beruhige dich.“ Lydia legte den Arm um Blaises Schultern. „Also, wo sollen wir unsere Sachen hinstellen?“

Ein großer Mann mit braunblonden Haaren schritt auf sie zu, und sein geknöpftes Polohemd bauschte sich über seiner Hose.

„Hier kommt der Verantwortliche“, sagte Blaise.

„Hallo, Ladies!“ Der Mann gab erst Lydia, dann Paislee die Hand, und hielt seinen warmen Griff länger als nötig. „Ich bin Anders Campbell, der Vorsitzende für die Spendenaktion des Vereins.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen.“ Paislee befreite ihre Hand, wobei sie bemerkte, dass seine gepflegte Hand weicher als ihre war, und auf seinen Nägeln glänzte Klarlack. Dazu hätte Grandpa ohne Zweifel was zu sagen, dachte sie.

„Haben Sie irgendetwas für die Versteigerung, das ich für Sie ausstellen kann?“ Sein freundlicher Blick blieb auf Lydia und dem glänzenden schwarzen Laptopkoffer ruhen.

„Ja!“ Lydia hielt ihn hoch und grinste. „Dieses hübsche Stück hier ist von der Silverstein Real Estate Agency.“

„Oh, der sollte für einen ordentlichen Preis über den Tisch wandern.“ Anders betrachtete beifällig das Bild an der Seite.

„Er ist sehr leistungsfähig, mit hochmoderner Grafik und einem großen Bildschirm“, erklärte Lydia.

„Spielen Sie gerne?“, fragte Anders interessiert.

„Nein.“ Lydia zwinkerte. „Ich shoppe.“

„Freut mich, dass Sie hier sind.“ Lachend wandte sich Anders an Paislee. „Und was bringen Sie für die Auktion mit?“

„Ein maßgeschneidertes Kaschmirpulloverset“, sagte sie. Sie entfernte das Papier, in das sie es eingepackt hatte, um es ihm zu zeigen, und war stolz auf ihr Werk – inklusive ihrer Troddel, ihrem Markenzeichen, am Ende des dazu passenden Schals.

„Ich habe einen Kleiderbügel aus Samt mitgebracht“, warf Blaise ein, „um die Handwerkskunst zur Geltung zu bringen. Paislee Shaw ist die Designerin.“

Anders bewunderte den weichen Pullover, während er ihn auf den samtenen Kleiderbügel hängte, legte ihn über den Laptopkoffer, und hob dann die Sachen hoch. „Wunderbar! Die sollten ein ganz schönes Sümmchen für die Tafel einbringen.“

„Um wieviel Uhr findet die Versteigerung statt?“, fragte Lydia.

„Wir werden die Gebote morgen live übertragen, um den größtmöglichen Gewinn zu erzielen.“ Er lächelte sie über den Stapel hinweg an. „Wir werden die Ware sogar online verfügbar machen für die, die es nicht persönlich schaffen. Gerard Buchanan veranstaltet eine ähnliche Spendenaktion an der Schule, auf die sein Sohn geht, also ist er verantwortlich für das ganze Unterfangen – aber wenn Sie Fragen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Danke nochmal, Ladies.“

Anders schlurfte davon Richtung Bühne und den Regalen.

„Also, der ist ja eine Schnitte“, bemerkte Lydia.

„Und Single – aber du hast was Besseres verdient“, informierte Blaise Lydia. „Er hat bis jetzt mit jeder Frau hier im Raum geflirtet.“

Paislee stieß ihrer besten Freundin den Ellbogen in die Seite. „Klingt genau nach Lydia.“

„Zwei Charmeure in einer Beziehung bedeutet immer Ärger.“ Lydia verschränkte die Arme und suchte den Raum ab. „Wo sind denn deine giftigen Damen?“

„Pssst!“ Blaise stellte sich zu Lydia, um den Vordereingang zu beobachten. „Kirsten und Mari müssen nach draußen gegangen sein.“

Während sie Wache hielten, holte Paislee die anderen Strickwaren aus ihrem Karton und legte sie aus, wobei sie sicherging, dass alle mit Preisschildern versehen waren.

„Wenn ich auch nur ein Fünkchen deines Talents hätte.“ Blaise drehte sich um und strich eine Troddel an einem Schal glatt. „Deshalb backe ich Kekse, statt mich selbst am Stricken zu versuchen.“

„Du lernst noch!“ Paislee hasste es, dass Blaise an sich zweifelte. Sie war der Überzeugung, je mehr man übte, desto besser wurden die Maschen. „Du hast ein gutes Auge für Farben.“

„Diese Schakale würden alles außer Perfektion in der Luft zerreißen. Nicht starren, aber hier kommen Kirsten und Gerard. Das Highland Academy Power-Paar.“

Paislee drehte sich ach so beiläufig zum Vordereingang des Konferenzsaals und kniff die Augen zusammen, um die schwarzen Haare und den gepflegten Schnäuzer des Mannes zu erkennen. Er grinste und lachte, während er sich mit allen unterhielt.

„Er wirkt nett“, sagte sie.

„Er ist der gute Cop in der Buchanan-Ehe, aber kein Prinz. Gerard hat Kirsten auf dem Höhepunkt ihrer Modelkarriere geheiratet, um sie vom Markt zu nehmen, und Junge, hasst sie ihn dafür.“

Kirsten hatte langes, tiefschwarzes Haar und eine schlanke Figur. „Kinder?“

„Eins. Ihr Sohn, Maxim, ist in Suzannahs Klasse.“ Blaise rollte eine Schulter. „Als wir das erste Mal den Umzug und den Schulwechsel angesprochen haben, hat Suz gebettelt, dass sie das Schuljahr mit ihren Freunden beenden darf. Ich musste mich zusammenreißen, aber ich zähle schon die Tage.“

„Bis was, Blaise?“

Blaise wirbelte schuldbewusst mit der Hand vor ihrem Mund herum. „Oh! Christina – Gott, hast du mich erschreckt. Christina Baird, darf ich dir meine Freundinnen vorstellen, Paislee Shaw und Lydia Barron.“

„Freut mich.“ Christina schenkte ihnen ein hübsches Lächeln und wandte sich dann an Blaise. „Wir haben dich wirklich bei unseren Mittagessen nach den Meetings vermisst. Ich weiß, dass du durch den Umzug und alles viel zu tun hast, aber du kannst nicht einfach komplett verschwinden. Du bist eine von uns.“

Die blonde Frau hätte einem Bootsmagazin entstiegen sein können, in weiß und marineblau. Paislee schätzte sie auf Mitte dreißig, wie Blaise. Kein Kind mit achtzehn für die Ladies vom Mädcheninternat. „Hi.“

„Mein Sohn Robby ist mit Maxim und Suzannah in einer Klasse. In der zweiten.“ Christina legte leicht die Finger auf Blaises Handgelenk. „Wo ist Shep?“

„Auf dem Golfplatz, wo sonst?“ Blaise lachte leise. „Kommt John heute?“

„Nein – er ist auch auf dem Golfplatz. Die übliche Verabredung mit dem Grün.“ Christina wedelte sorglos mit der Hand. „Wenigstens verdient dein Mann Geld – meiner gibt es nur aus.“

Blaise zuckte bei der Stichelei zusammen, aber sammelte sich mit einem breiten Lächeln. „Wo ist dein Tisch?“

„Kirsten, Mari und ich teilen uns einen dort vorne.“

Paislee bemerkte, dass der Tisch am günstigsten von allen platziert war, in der Mitte, mit einem Durchgang auf jeder Seite.

Christina betrachtete Blaises Kekse. „Ich bin froh, dass du meinem Rat gefolgt bist und ein anderes Rezept probiert hast.“ Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Shortbread gegen Shortbread mit Kirsten war ein Fehler – ihr Privatkoch spezialisiert sich auf Desserts, wie du ja weißt.“ Sie seufzte erneut. „Ich habe den Gedanken daran aufgegeben, jemals über den dritten Platz zu kommen.“ Damit wackelte sie zur Verabschiedung mit den Fingern und schlenderte davon.

„Wenigstens schaffst du es in die Top Drei!“, murmelte Blaise Christina hinterher.

„Warum ist es wichtig, dass Kirsten einen Privatkoch hat?“ Paislee sah zu, wie die Blonde mit einem klitzekleinen Torkeln in ihrem Gang davonschritt. „Sollte sie nicht diejenige sein, die backt?“

„Sie schwört, dass sie es selbst tut, aber …“ Blaise blinzelte langsam. „Mir tut Christina bei diesen Mittagessen ohne mich leid, wenn sie die spitzen Bemerkungen von Kirsten und Mari abbekommt. Sie ist nett, aber ohne Rückgrat. Trinkt Wodka wie Wasser.“

„Das ist so traurig.“ Paislee tätschelte Blaises Rücken. „Naja, jetzt hast du ja uns.“

Kirsten schlenderte mit einer zu dünnen Dame an ihrer Seite auf sie zu, die nicht einmal so breit wie ein Schatten war.

„Du erinnerst dich an Kirsten“, murmelte Blaise. „Mari Gilmore ist ihre allerbeste Freundin. Sie könnte ein Dutzend Steak-und-Nierenpasteten vertragen.“

Paislee lächelte schwach und wappnete sich für die Begrüßung.

„Hallo! Ihr müsst die Freunde sein, die uns unsere Blaise geklaut haben.“ Kirsten umarmte Blaise, und bot erst Lydia, dann Paislee einen sehr schlaffen Händedruck an.

Mari quetschte Blaise in eine Umarmung. „Wir haben dich in der Schule vermisst, aber ich bin so froh, dass wir immer noch beim Golfkomitee auf dich zählen können – so leicht wirst du uns nicht los.“ Ihr gekünsteltes Lachen deutete darauf hin, dass Blaise das unmöglich wollen könnte.

Kirsten strich mit einem langen, manikürten Fingernagel über einen gelben Schal aus Merinowolle. „Hübsch.“ Kirsten betrachtete Paislee und Lydia genauso eingehend wie den Schal. „Lasst euch von Blaises süßem Gesicht hier nicht täuschen. Sie hat ihre Geheimnisse.“

Was bedeutete das? Paislee zwang ihre Gesichtszüge in einen neutralen Ausdruck. Blaise, deren rosa Wangen sich nun rot färbten, tat ihr leid.

„Haben wir das nicht alle?“, meinte Lydia gedehnt. „Die sind die Würze des Lebens.“

Paislee bewunderte Lydias Fähigkeit, sich bei Auseinandersetzungen in haiverseuchten Gewässern nicht zu verhaspeln.

Kirsten flüsterte laut, während sie davonging: „Mein Hausmädchen könnte einen besseren Schal stricken.“

Mari hob die Augenbrauen und trottete Kirsten hinterher. „Und diese Kekse? Bitte. Keine Konkurrenz, wie immer.“

Paislee wollte ihnen schon nachgehen und alles vergessen, was Gran ihr über Höflichkeit beigebracht hatte, aber Lydia zog sie zurück und sagte zu Blaise: „Ich sehe, was du mit toxisch meinst.“

Kapitel 2

Um Punkt zehn Uhr nahm Gerard seinen Platz auf dem Podium ein und eröffnete die Onlinegebote, während Anders die reichen Käufer willkommen hieß, die im Gang warteten. Er schritt durch die Reihen, begierig darauf, jemandem zu helfen. Paislee war von der Beteiligung an der Spendenaktion der Tafel erstaunt, und Stolz auf ihre Heimatstadt wallte in ihr auf.

„Hi“, sagte eine große Frau mit braunen Haaren, als sie an ihrem Tisch stehenblieb. „Ich bin Lara Fisk, Mrs. Buchanans Assistentin. Blaise, kann ich deine Kekse für den Wettbewerb einsammeln?“

„Sicher – um wieviel Uhr findet er statt?“ Blaise übergab ihr über ein Dutzend eingepackte Mandelkekse aus einer gesonderten Tüte, da sie bereits einige Teller mit Keksen verkauft hatte. „Ich bin ein nervliches Wrack.“

„Die Juroren werden jeden Beitrag probieren – es gab über dreißig Stück – und dann die finalen Drei aussuchen.“ Lara redete wie ein polierter Roboter. „Es wird um sechs unter dem Baum hinten eine Verkostung geben, mit Keksen und einem Schlückchen für all die Menschen, die uns freundlicherweise heute hier ihre Zeit schenken.“

Lydia horchte bei der Vorstellung von einem Drink auf. „Wie nett.“

„Die Buchanans sind sehr aufmerksam.“ Lara verzog keine Miene, während sie weiterging.

„Ich frage mich, wer die Juroren sein werden?“ Blaise tippte mit dem Zeigefinger auf den Tisch. „Beim Kuchenbasar in der Schule waren es die Lehrkräfte und der Schulleiter.“

Paislee stellte sich Hamish McCall an der Fordythe Primary in solch einer Position vor und wusste instinktiv, dass er fair sein würde. Ein Schwung Leute kam an, die sich für ihre Strickwaren interessierten, und es war keine Zeit mehr, sich zu unterhalten.

Um drei Uhr waren alle Pullover auf ihrem Tisch verkauft worden, und Lydia bot an, zu Cashmere Crush zu fahren und mehr zu holen.

„Nein, alles in Ordnung.“ Paislee dachte freudig überrascht an ihren Bestand. „Ich brauche Vorrat für morgen. Blaise, du solltest heute Abend wieder backen. Du hast fast keine Kekse mehr.“

Blaise griff unter dem Tisch nach einer Wasserflasche und nahm einen raschen Schluck. „Ich würde sagen, diese Veranstaltung war ein Erfolg. Die Buchanans sind bestimmt zufrieden.“

„Die Leute wollen das renovierte Kunst- und Kulturzentrum sehen – alle reden darüber, wie schön das Gebäude und das Gelände sind“, sagte Lydia.

Anders, der zufällig vorbeiging, blieb mit einem Grinsen stehen und rieb sich die Hände. „Entschuldigung, dass ich mich einmische, aber das ist wunderbar zu hören. Es ist nie einfach, ein historisches Wahrzeichen zu renovieren.“

„Oder billig“, sagte Kirsten von der anderen Seite. Die Frau lächelte Paislee an, als ob sie sie nicht erst vor Stunden beleidigt hätte. Unfassbar. Gerard listete Gebote für die Versteigerung auf dem Bildschirm auf, und Mari unterhielt sich mit Christina an ihrem Tisch. Wo war Lara? Sie war immer auf der Hut, wenn diese Damen in der Nähe waren.

„Kirsten und Gerard sind Premiummitglieder des Vereins.“ Anders ließ seine Finger an Kirstens Ellbogen ruhen.

„Wir lieben die Künste.“ Kirsten legte die Hand aufs Herz.

„Ich wusste nicht, dass man Mitgliedschaften kaufen kann.“ Blaise lehnte sich nach vorne und stützte ihre Ellbogen auf den Tisch.

„Oh, doch“, sagte Anders sofort. „Unser Kulturzentrum ist für die Gemeinschaft gemacht. Ins Theater passen einhundert Leute. Wir haben ein Dutzend Privatbüros. Der See hinter uns ist eine fantastische Hochzeitslocation. Aber“, er zuckte die Schultern, „es ist Privatbesitz. Wir nehmen Fördergelder gerne entgegen.“

Paislee fragte sich, ob das etwas mit Anders’ koketter Natur zu tun hatte – er wusste nie, wann er nicht jemanden um eine Spende anschnorren musste.

Kirsten hakte sich bei ihm unter. „Die Events hier sind erstklassig, und wir wollen, dass unser Service dem entspricht. Ich habe erst letzte Woche dem Grafen von Cawdor zu einer gelungenen Leistung gratuliert. Nairn wächst und zieht die richtige Art von Reichtum an.“

„Die richtige Art?“ Paislee richtete sich auf ihrem Stuhl auf und schlug die Knöchel übereinander. Was meinte die Frau damit?

„Wir möchten diejenigen willkommen heißen, die auf der Suche nach einem Ort sind, an dem sie abschalten und dem Stress der Welt entkommen können.“ Kirsten hob mit verträumtem Blick eine Schulter. „Genau, wie es sich die Viktorianer vor einhundert Jahren oder mehr vorgestellt haben. Ich würde gerne sehen, wie die alten Hütten abgerissen und neue idyllische Heime gebaut werden.“

„Darüber wurde in Silversteins Büro viel geredet“, sagte Lydia. „Paislee, dein Haus würde auch darunter fallen.“

„Mein Haus ist keine Hütte!“ Es war alt, ja, aber es gehörte ihr, dank Gran.

Kirstens Mund verzog sich vor Abneigung. „Nun.“ Sie konzentrierte sich auf Lydia. „Du arbeitest für Natalya?“

„Ja.“ Lydia sprach mit kühler Höflichkeit.

„Grüß sie von mir.“ Kirsten warf ihr tiefschwarzes Haar nach hinten. „Natalya war einmal mit meiner Mutter befreundet. Anders, du solltest sie vielleicht auf ein Sponsoring des Vereins ansprechen. Sie hat sehr gut geheiratet.“

Lydias kirschrote Stacheln bebten. „Natalya ist aus eigener Kraft eine erfolgreiche Maklerin geworden.“

Paislees Blick wanderte zufällig abwärts, gerade als sich Kirstens und Anders’ Finger streiften. Keiner von ihnen zuckte zurück. Die verstohlene Geste erinnerte Paislee daran, wie sie und Lydia sich in der Schule Briefchen zugesteckt hatten. War das ein rechteckiger Zettel?

„Und wenn ihr sehr viel älterer Mann stirbt, ist sie fein raus. Wie gesagt“, säuselte Kirsten, „Natalya hat gut geheiratet.“

Lydia sprühten Funken aus den Augen, sie sagte aber nichts mehr. Kirsten führte die Hand zu ihrer Kehle und lächelte gekünstelt. Anders seufzte. Der Narr war verliebt, würde Paislee schätzen. Und was hielt Gerard Buchanan, Kirstens Mann, davon? Das Paar schritt davon in den hinteren Teil des Konferenzsaals.

Blaise stieß den Atem aus. „Diese Frau macht mich wahnsinnig. Ihr Ego ist so groß, dass sie es nicht einmal merkt, wenn sie sich lächerlich macht. Entschuldigung an euch beide für ihr Verhalten.“

Paislee schnaubte abfällig. „Du musst dich nicht für eine ehemalige Freundin entschuldigen, Blaise. Ist Kirsten immer so bissig?“

„Ja.“ Blaise ordnete ihre verbliebenen Teller mit Keksen. „Wenn sie auf deiner Seite ist, super. Und wenn nicht, nun. Ich brauche sie nicht als Feindin. Es könnte Shep schaden, oder Suz.“

„Karma“, sagte Lydia. „Alles rächt sich irgendwann.“

Den Rest des Nachmittags sorgte Lydia dafür, dass sie mit leckeren Snacks und süßen, selbstgemachten Leckereien von den anderen Verkäufern versorgt waren. Um viertel vor sechs waren Paislees Pullover und Schals und Blaises Kekse ausverkauft.

Christina schneite an einer Wasserflasche nippend vorbei, und Paislee dachte an Blaises Bemerkung über den Wodka. Mari und Lara waren bei ihr.

„Hi ihr“, sagte Christina. „Wie läuft es hier ganz hinten? Ich dachte, dass wir Tischnachbarn werden würden, damit wir plaudern können, Blaise.“

Mari rollte ungeduldig mit den Augen. Lara, die neben Mari stand, blickte von Christina zu Blaise.

„Wir sind ausverkauft“, antwortete Blaise mit einem zufriedenen Lächeln. „Wir werden für morgen wieder aufstocken müssen. Und du?“

„Ach, meine selbstgemachten Makronen sind schon lange weg. Ich habe gerade mit meinem Mann das Abendessen besprochen.“

„Ich wusste nicht, dass du die ganze Zeit mit ihm geschrieben hast. Und wie geht es Doktor Baird?“, fragte Mari.

Christina errötete. „Hör auf.“ Sie nippte an ihrer Flasche und erklärte dann: „John ist Psychiater, und Mari denkt, es ist lustig, ihn Doktor zu nennen. Ich nicht. John auch nicht. Er hat studiert!“

„Ist es wohl, nur ein kleines bisschen“, stichelte Mari. „Wenn man drüber nachdenkt.“

Lara verdeckte ihr Lächeln mit den Fingern. Paislee bekam das Gefühl, das Lara den vierten Platz in der Clique bekommen hatte, den Blaise mit ihrem Umzug geräumt hatte. „Lass uns später über alles reden“, sagte Christina. Die drei gingen langsam weiter. Blaise sagte nichts.

Um zehn vor sechs sprach Gerard in ein kabelloses Mikrofon. Die Besucher waren schon mit dem Versprechen gegangen, ihren Freunden von der Aktion zu erzählen und morgen wiederzukommen. Es würde noch mehr Verkaufswaren geben, um die Tafel zu unterstützen. „Vielen Dank an die Verkäufer, dass Sie heute gekommen sind!“

Paislee drehte sich in Richtung seiner dröhnenden Stimme. Gerard nahm den gepolsterten Ledersessel ein, als wäre er ein Thron und er König Buchanan, der sich an sein Volk wandte.

„Das ist das erste Mal, dass wir die Spendenaktion der Tafel Nairn unterstützen, aber ich möchte die Öffnung des neuen Kunst- und Kulturzentrums mit dem Vorschlag beginnen, dass wir ein jährliches Event daraus machen.“

Die ungefähr sechzig versammelten Leute klatschten, und Paislee tat es ihnen nach. Was für ein Segen das für ihr Geschäft sein würde, zusätzlich zur jährlichen Parade.

Anders’ Lippen wurden schmal, als ob Gerard Buchanan den Bogen überspannt hätte. Anders schaute zu Kirsten, die ebenfalls beifällig klatschte – von dort würde er keine Unterstützung bekommen. Christina, Mari, Lara und Kirsten standen zusammen vor der Bühne.

„Der Backwettbewerb war sehr beliebt – wir hatten siebenunddreißig Beiträge.“ Gerard erhob sich aus seinem Sessel wie der perfekte Entertainer, Erfolg und Selbstbewusstsein in jeder Geste. „Wir haben das Feld auf drei eingegrenzt und werden die finale Verkostung draußen mit einem kleinen Schluck aus meinem eigenen Whiskyvorrat stattfinden lassen. Als Dank für Ihre Großzügigkeit heute haben Kirsten und ich außerdem Shortbread für alle zur Verfügung gestellt.“

Weiterer Applaus erscholl.

Gerard räusperte sich dramatisch. „Unsere drei Finalistinnen sind: Mari Gilmore mit ihren Orangenhaferkeksen, Kirsten Buchanan mit ihrem Shortbread, und … Blaise O’Connor, mit ihren Mandelkeksen.“

Blaise quietschte auf ihrem Platz am Tisch auf. Paislee sah, wie ein sehr dunkler Ausdruck über Christinas Gesicht huschte, während Kirsten und Mari einen verschwörerischen Blick tauschten.

„Ich habe es geschafft – ich war noch nie in den Top Drei. Oh, das könnte endlich das Jahr sein. Wenn ich die Highland Academy mit einem Erfolg verlassen könnte, würde das alles umso süßer machen.“ Blaise, die beide Hände auf ihre Brust gelegt hatte, sank zurück auf ihren Stuhl.

Paislee wollte etwas dazu sagen, was sie gesehen hatte – es war eine Falle, aber zu welchem Zweck? Kirstens Eitelkeit? Versuchten sie, Blaise zurück in ihre Clique zu ziehen?

„Bitte gehen Sie alle zu den Tischen nach draußen, wo sich die Jury versammeln wird.“ Gerard applaudierte erneut und hüpfte vom Podium.

„Ich schätze, ihr Mann ist der oberste Juror?“, kommentierte Lydia trocken.

„Gerard? Das würde mich nicht überraschen“, sagte Blaise. „Aber nein, das wäre wirklich zu offensichtlich. Es soll unparteiisch sein.“

Nach dem, was sie gesehen hatte, bezweifelte Paislee das.

Sie folgten der Menge aus der Hintertür nach draußen, wo acht Tische für acht Personen aufgestellt worden waren. Es gab einen langen Tisch mit drei Stühlen für die Juroren. Zwei große Flaschen Scotch. Plastikgläser. Eingepackte und gestapelte Kekse.

Als eine der drei Finalistinnen durfte Blaise am vordersten Tisch mit Paislee und Lydia hinter ihr sitzen. „Ich muss Shep schreiben!“

Blaise schickte ihrem Mann rasch eine Nachricht. Er rief sie gleich darauf an. „Entschuldigt mich kurz“, sagte sie und entfernte sich, um mit ihm zu sprechen; ihre Stimme klang aufgedreht, während sie in den nun leeren Konferenzsaal ging.

Gerard war kein Juror, aber Anders war es, ebenso Sonya, die Vorsitzende. Paislee kannte den dritten Juror nicht.

Mari und Kirsten unterhielten sich am Tisch, und Maris Stimme wurde laut. Kirsten stand auf und sah sich in der Menge um, die Hand in die Hüfte gestemmt. „Wo ist Blaise?“, fragte Kirsten gereizt. „Ich dachte, das hier wäre ihr wichtig.“

„Hier!“ Blaise trat stolz zu den anderen zwei Damen.

Christina sah ihnen mit bleichem Gesicht an einem Tisch gegenüber zu, ihre Wasserflasche vor sich.

Fergus Jones, ein Mann mit einer Kochmütze, die sein kupferrotes Haar nicht ganz bedeckte, und schwarz-weiß-karierten Hosen, wurde gebeten, das Gebäck zur Jury zu bringen, sobald sie die Augenbinden umgebunden hatten.

Zuerst kamen Blaises Mandelkekse, dann Maris Haferkekse. Zuletzt war Kirsten an der Reihe, und sie beäugte die Teller verwirrt. „Lass mich mal sehen, Fergus.“

Er hob das Tablett, damit sie es untersuchen konnte.

Kirsten starrte auf den Teller, hob ein Gebäckstück hoch und schnupperte daran. „Das sind nicht meine, du Trottel.“

„Sind sie doch“, sagte der Koch und versteifte sich beschämt. „Ich habe Ihnen dabei geholfen, sie auf die Teller zu legen.“

Kirsten leckte an dem Überzug. „Brauner Zucker.“ Sie schürzte die Lippen, als sie nickte, wie um zu sagen, dass der Geschmack stimmte. Sie biss vom Shortbread ab und schluckte. „Nun gut. Warum hast du meine Teller vertauscht? Undankbarer Idiot. Ich wollte den mit drei verschiedenen Sorten. Präsentation ist alles! Es ist mir egal, ob die Jury die Augen verbunden hat!“

„Jetzt werden sie wissen, welche davon deine sind“, jammerte Christina. „Wir müssen sie wieder vertauschen.“

„Ma’am.“ Der Koch bebte vor Empörung. „Ich habe nicht –“

Kirstens Gesicht wurde rot und sie hob die Hand an ihre Halsgrube. Ihre Augen weiteten sich, während sie ein wimmerndes Geräusch ausstieß.

Gerard wandte sich alarmiert zu seiner Frau um.

Paislee stand besorgt auf. „Was ist los? Erstickt sie?“

Alle starrten nur perplex Kirsten an, die auf den Tisch krachte, wo ihr Mann mit offenem Mund stand. „Babe?“ Gerard bekam ihre Schulter zu fassen und rief Fergus zu: „Hol ihren EpiPen!“

Kapitel 3

Paislee hörte, wie Gerard nach etwas rief, was nach einem Stift klang, bevor er so fest gegen den Arm des Kochs schlug, dass der Mann das Tablett mit den Keksen fallen ließ. „Was ist da drin, Fergus?“ Gerard zog Kirsten an sich, tätschelte ihren Rücken und strich über ihr langes ebenholzschwarzes Haar. „Gott steh dir bei, wenn da Erdnüsse drin sind.“

Kirsten starrte Fergus finster an und gurgelte etwas Unverständliches.

„Das war das Tablett, auf dem Mrs. Buchanans Name stand.“ Die beschämte Wut des Kochs verwandelte sich schlagartig in Furcht. „Das Shortbread war ihres – keine Erdnüsse! Ich habe ihr geholfen, die Teller vorzubereiten, bevor wir das Haus verlassen haben.“

„Kirsten, Schatz?“ Gerard griff nach Kirsten, als sie hinfiel, als ob man ihr in die Kniekehlen getreten hätte, und im Fallen gegen den Stuhl knallte, aber seine Finger verfehlten sie. „Findet ihren EpiPen, sofort!“

Die Juroren entfernten alle ihre Augenbinden und standen sofort auf.

„Hey!“, rief Christina. „Das macht den Wettbewerb zunichte.“

„Wo ist ihre Handtasche?“, schrie Mari. Die dünne Frau verließ ihren Posten neben Christina und der Jury, und suchte mit verschränkten Händen den Tisch neben Gerard ab. „Sie hat immer einen bei sich.“

„EpiPen?“, fragte Paislee Lydia, die nur mit den Schultern zuckte.

Anders sprang um den Tisch zu Kirsten, die mit ausgestreckten Beinen vorgebeugt auf dem Boden erstickt würgte, wobei ihr Kleid an ihrem Knie ihren Oberschenkel hochrutschte. Einer ihrer Pumps mit roter Sohle hatte sich von ihrem schlanken Fuß gelöst.

Gerard und Anders prallten zusammen, als jeder von ihnen versuchte, sie aufzurichten, und Gerard streichelte ihre Schulter, während Anders ihren Kopf nach hinten bog, um ihre Luftröhre freizumachen.

„Sie braucht ihr Medikament, Fergus!“, rief Gerard wie ein aufgebrachter König. Der Koch stand wie angewurzelt da, und die Kekse lagen verstreut vor seinen schwarzen Schuhen. „Such Hendrie – ich weiß, dass im Auto ein Epi liegt.“

Der Koch rannte zum Parkplatz, wo die SUVs parkten, und stieß gegen Tische und Gäste, während er „Hendrie!“ rief.

Der Mann mit der Chauffeursmütze, der ihnen die Tür aufgehalten hatte, tauchte aus dem Schatten auf, in dem er sich gefläzt hatte. „Ich bin hier, Fergus. Was ist los?“

„Mrs. Buchanan. Anaphylaktischer Schock. Wo ist ihr Injektor?“

Paislee konnte sie nicht mehr hören, aber dann öffnete sich die Tür des Bentleys mit so viel Schwung, dass sie gegen den SUV daneben schlug.

Rufe wurden laut, als die zwei Männer stritten.

Hendrie und Fergus waren in weniger als einer Minute zurück. „Weg“, keuchte Hendrie. „Er ist nicht im Handschuhfach, Sir.“

Mari hob das Tischtuch an und überprüfte die Sitzflächen. „Wo ist ihre Handtasche?“

Christina schien zu begreifen, dass die Lage ernst war, und kam vom Jurytisch zu ihnen. „Das ist schrecklich – ihr habt Recht – sie hat immer einen in ihrer Handtasche bei sich.“

„Dann muss Kirstens Tasche an unserem Tisch sein“, sagte Mari unter Schock. Die dünne Frau rannte durch die Tür nach drinnen.

Blaise stellte sich mit zitternden Lippen zu Paislee und Lydia.

„Was ist los?“, fragte Paislee.

„Erdnussallergie – Kirsten ist sehr empfindlich darauf.“ Blaise scharrte nervös mit den Füßen. „Wir alle wissen, dass wir keine Erdnüsse verwenden sollen – sie würde sie definitiv nicht in ihrem eigenen Rezept benutzen. Im EpiPen ist Epinephrin, das wird die allergische Reaktion stoppen.“

Paislee sah zu Kirsten hinüber, während die Frau mit beängstigenden Geräuschen die Luft einsog. „Das ist ja schrecklich.“ Sie hob die Stimme und sprach Gerard an. „Wie können wir helfen?“

„Wir haben einen EpiPen für Notfälle im Büro.“ Sonya wirkte sehr kontrolliert. „Ich hole ihn.“ Sie eilte sofort ins Gebäude.

„Soll ich den Notarzt rufen, Sir?“ Hendrie hielt sein Handy in der Hand.

„Ja“, weinte Gerard mit seiner Hand auf den unteren Rücken seiner Frau gelegt, ihr Kopf gegen seine Schulter gelehnt. „Beeil dich.“

Mari kehrte mit einer rechteckigen roten Handtasche zurück, deren Metallverschluss offen war, und Tränen rannen ihr über die Wangen. „Gerard, er ist nicht hier.“

„Unmöglich.“ Er schaute von seiner Frau hoch zu Mari.

„Es stimmt.“ Sie hielt die Tasche hoch, während weitere Tränen flossen. Die längliche Handtasche war schmal und hatte gerade genug Platz für ein paar Stricknadeln.

„Schau überall nach – verdammte Scheiße, sie muss atmen!“ Gerards Stimme brach und er schluchzte. „Hau ab, Anders, du bedrängst sie.“

Mari kippte die Tasche über dem Tisch aus. Minzbonbons, Kreditkarten. Kein Medikament.

Paislee schob sich um die Stühle und den Tisch herum zu Gerard, der schützend über Kirsten kauerte. „Ich weiß, wie man reanimiert. Lassen Sie mich helfen.“

Kirsten kratzte an ihrer Kehle, ihre aufgerissenen Augen traten hervor, während sie keuchte und versuchte, Luft zu holen, aber es war, als ob etwas feststeckte. Paislee stellte sich eine Fischgräte oder ein Stück Scone vor. Große rote Flecken breiteten sich über ihrem Schlüsselbein aus. Ausschlag bedeckte ihre Haut. Ihre Lider flatterten und ihr Gesicht nahm eine rötlich-violette Farbe an, ihre Nasenflügel blähten sich, bevor sich schließlich ihre Augen verdrehten und ihr Mund schlaff wurde.

Paislee streckte sie hastig auf dem Rasen aus, nahm sich zwei Sekunden Zeit, um sich ein Bild zu machen, ihre eigenen verflixten Nerven zu beruhigen und über die Behandlung nachzudenken – das war etwas ganz anderes als eine Plastikpuppe ohne Arme und Beine, an der sie im Erste-Hilfe-Kurs geübt hatte. Es war besser, wenn sie an die Puppe dachte, als an die arme Kirsten. „Lagern Sie ihre Beine hoch.“

Gerard kniete sich neben die langen Beine seiner Frau und legte ihre Füße in seinen Schoß.

Kein Ausatmen. Kein Einatmen. Sie hatte gelernt, nach dreißig Pumpstößen zwei Mal Atem zu spenden.

Die Luft gelangte nicht durch Kirstens Luftröhre, also neigte sie den Kopf der Frau nach hinten und versuchte es erneut. Es steckte nichts fest, sondern der Körper der Frau schwoll an und verursachte die Blockade.

Paislee stellte sich vor, wie ihr Atem einen Weg in Kirstens Kehle, in ihre Lungen, fand.

Einmal ausatmen, zweimal ausatmen. Da.

Kirstens Lippen bebten … Paislee legte ihre verschränkten Finger auf ihre Brust und drückte dreißig Mal zu. Nach dreißig Stößen beatmete sie sie erneut zwei Mal.

Sie wiederholte den Vorgang, wobei sie sich auf die Bewegungen konzentrierte und an nichts anderes denken konnte als an das Zudrücken, oder Zuhören, oder Atmen – währenddessen betete sie zu Gran und bat sie um himmlische Unterstützung, während Kirsten bewusstlos blieb.

Sonya kam mit dem EpiPen aus dem Büro zu ihnen, ihr Gesicht war gerötet, da sie zur Buche zurückgerannt war. „Wo, Gerard?“

„Ihr Oberschenkel. Gib ihn mir.“ Gerard machte die Kappe ab, hob das Kleid seiner Frau noch etwas weiter an und stach zu.

Paislees Arme zitterten. „Soll ich aufhören?“

„Machen Sie weiter“, sagte er mit zittriger Stimme.

Paislee versuchte Kirsten durch pure Willenskraft dazu zu bringen, aufzuwachen und wieder lebendig zu werden, aber es war das Medikament, das Kirsten beben ließ, und ihre Lider hoben sich flatternd, als sie mit einem Röcheln schlagartig die Luft einsog. Sie stieß Paislee mit der linken Hand beiseite.

Paislee fiel nach hinten, überrascht von der animalischen Stärke, die hinter der Bewegung lag, und blieb dann auf den Knien neben Kirsten sitzen. War das ein Atemzug? Ja! Nicht sterben, Kirsten, nicht sterben. Du hast einen Sohn. Eine Familie.

Sie hörte, wie die heulenden Sirenen über den grünen Rasen hinter der Buche fuhren, weil die SUVs den Zugang hinter dem Kulturzentrum versperrt hatten. Die Sanitäter parkten so nah bei ihnen, dass sie einen Tisch umfuhren. In Sekundenschnelle war Kirsten auf der Krankentrage angeschnallt und in den Krankenwagen geschoben worden.

Gerard blieb zurück, sein Gesicht voller Sorge um seine Frau. „Wo ist Hendrie? Ich muss zum Krankenhaus!“

Fergus zuckte die Schultern.

„Betrachte deine und Kirstens Einigung als erledigt.“ Gerard ging steifbeinig zum Parkplatz. „Lass dich ja nicht mehr blicken.“

Fergus riss seine Mütze vom Kopf und fuhr sich durch sein kupferrotes Haar. „Aber Sir …“

Lydia und Blaise umringten Paislee, die wie Espenlaub zitterte, und brachten sie zurück zum Tisch, wo sie auf einen Klappstuhl sank. Sie legte die Hand über den Mund. Kirsten musste es einfach schaffen.

Der Krankenwagen fuhr davon, aber ein Polizist sowie ein weiteres Auto blieben zurück. Paislee erkannte die Polizisten nicht.

„Wie geht’s dir, Liebes?“, fragte Lydia und reichte Paislee eine Flasche Wasser.

„Ich …“ Ihr Körper bebte „Was für eine schreckliche Sache.“

„Ich werde nicht so tun, als hätte ich Kirsten gemocht, aber ich wünsche ihr nichts Böses. Sie muss sich wieder aufrappeln, für Maxim und Gerard.“ Blaises bernsteinfarbene Augen füllten sich mit Tränen.

„Die moderne Medizin kann Wunder wirken“, sagte Lydia nüchtern. „Ich bin sicher, alles wird gut. Gut gemacht, Paislee. Du hast schnell reagiert.“

Paislee senkte kurz den Kopf und schickte noch mehr Gebete hinterher. Als sie wieder aufsah, entging ihr nicht, wie Anders Campbell und Gerard Buchanan einander anfunkelten, und Mari weinte an Laras Schulter.

Wo war Fergus Jones, der Koch? Und Hendrie? Paislee stellte einen Stuhl über die Kekse auf dem Rasen, damit niemand aus Versehen drauftrat – sie könnten Beweismaterial sein, das wichtig war, um das Geschehene aufzuklären, wie sie von Detective Inspector Zeffer gelernt hatte.

Christina, die in den Konferenzsaal gegangen war, schrie von der Hintertür aus zum Baum herüber, wo sie alle versammelt waren, mit den Polizisten sprachen und sich gegenseitig trösteten.

„Blaise O’Connor! Wie konntest du?“ Sie lehnte schwer gegen den Türrahmen.

Betrunken? Aufgelöst?

Paislee eilte zu Christina und fragte sich, ob es ihr gutging, nachdem sie gesehen hatte, wie ihre gute Freundin zusammengebrochen war. Blaise und Lydia folgten ihr auf dem Fuße.

Christina führte sie und die anderen, die ihren Schrei gehört hatten, in den Konferenzsaal. Die Blonde stand an Blaises silbern dekoriertem Tisch, und wedelte mit anklagendem Gesichtsausdruck mit einem zylindrischen gelben Objekt mit einer orangenen Kappe, das Paislee an einen Filzstift erinnerte. „Ich habe das auf Blaises Stuhl gefunden. Ich wusste, dass du Kirsten gehasst hast, aber dass du ihr Medikament versteckst?“

„Das würde ich nicht tun!“ Blaise warf die Arme in die Luft.

„Ich glaube doch. Du wolltest den Backwettbewerb echt so sehr gewinnen?“ Christinas eisige Miene verdüsterte sich. „Das hätte ich nicht von dir gedacht!“

Paislee und Lydia taten sich neben Blaise zusammen. „Sie war die ganze Zeit bei uns“, sagte Paislee.

Aber das war sie nicht. Für ein paar Minuten hatte sich Blaise außer Sichtweite geschlichen, um mit Shep zu reden. Könnte sie das Medikament dann gestohlen haben? Aber warum?

„Officer!“, rief Christina in einem Singsang. „Ich habe den EpiPen genau hier gefunden.“

Ein Polizist in einem weißen Hemd, schwarzen Hosen und einer gelben Weste sagte: „Fassen Sie nichts an!“

Christina ließ den Injektor sofort wie eine heiße Kartoffel auf Blaises Tisch fallen.

„Wo haben Sie den gefunden?“, fragte der Polizist.

„Auf Blaises Stuhl – sie hat ihn mitgenommen“, verkündete Christina.

Blaise wurde scharlachrot. „Das habe ich nicht.“

„Ma’am“, rügte der Polizist Christina, „Sie können die Leute nicht einfach so beschuldigen.“

„Er könnte aus Kirstens Handtasche gefallen sein, und jemand hat ihn einfach dort hingelegt“, schlug Paislee vor.

„Das bezweifle ich stark.“ Christina zeigte auf Blaises Stuhl, der halb unter den Tisch geschoben war. „Er war fast versteckt, aber ich habe die Kappe gesehen.“

„Was hast du überhaupt hier drüben gemacht?“, fragte Blaise misstrauisch.

„Nach dem EpiPen gesucht, logisch.“ Christina richtete sich auf und blinzelte mit rotgeränderten blauen Augen.

„Und du hast ihn ganz zufällig auf Blaises Stuhl gefunden?“ Lydia gab ein delikates Schnauben von sich. „Das glaube ich nicht. Hast du ihn da absichtlich hingetan?“

Lara, die mit Mari rechts von ihnen stand, keuchte auf. Der Polizist hörte interessiert zu.

„Habe ich nicht.“ Christina reckte hochmütig das Kinn, sah den Polizisten an und tappte ungeduldig mit dem Fuß. „Nun?“

Das Handy des Polizisten klingelte und unterbrach die angespannte Szene. „Fassen Sie nichts anderes an“, warnte er sie und trat beiseite, um einen Anruf entgegenzunehmen. „Hier ist Dean. Ja?“

Paislee wurde flau im Magen, als sich sein Rücken versteifte.

Der Polizist drehte sich mit grimmigem Gesichtsausdruck wieder um. „Sie müssen beide zum Revier kommen. Wir brauchen Ihre Fingerabdrücke.“ Er holte Handschuhe aus seiner Tasche und eine Plastiktüte, in die er den Autoinjektor tat.

Beklemmung stieg in Paislee auf, während sie fieberhaft überlegte, was die Veränderung im Verhalten des Polizisten bewirkt haben könnte. Kirsten war am Leben gewesen … was, wenn …?

„Was ist los?“, fragte Lydia.

„Ist sie …?“ Mari verstummte.

„Mrs. Buchanan ist tot.“ Constable Dean biss die Zähne zusammen. „Wenn das ein Streich zwischen Ihnen war, der aus dem Ruder gelaufen ist – ich habe Sie streiten hören – wird das ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen.“

„Ich habe diesen Injektor nicht angefasst“, sagte Blaise. „Ich gebe Ihnen gerne meine Fingerabdrücke.“

Christina starrte entsetzt auf ihre Hände und den eingetüteten Injektor. „Du weißt, dass ich ihn angefasst habe – du hast mich gesehen. Das ist nicht fair!“

„Fair?“, rief Blaise. „Du hast mich gerade beschuldigt, das Medikament meiner Freundin gestohlen zu haben – warst du neidisch, weil ich es in den Backwettbewerb geschafft habe, und du nicht?“

Christina wurde bleich. „Kirsten war nicht deine Freundin – du hast sie gehasst, und sie konnte dich nicht ausstehen.“

„Christina!“, sagte Lara.

„Wirklich?“ Der Polizist holte seinen Notizblock aus einer seiner vielen Taschen. „Ich brauche von Ihnen allen Angaben zu Ihrem Namen, Ihre Telefonnummern und wie Sie zum Opfer gestanden haben.“ Er winkte eine Polizistin herbei. „Butler, helfen Sie mir, die Aussagen aufzunehmen. Fangen Sie draußen an. Wir werden eine Weile hier sein.“

Gerard gab einen erstickten Schrei am gegenüberliegenden Tisch von sich, als der großgewachsene Polizist ihm die schreckliche Nachricht überbrachte. „Wo ist mein Chauffeur? Hendrie!“ Sein Blick landete auf Mari und Lara. „Kann mich jemand fahren? Ich habe keine Schlüssel.“ Er taumelte rückwärts. „Gott, ich komme zu spät zu ihr. Meine Kirsten.“

Mari schluchzte. „Ich bin ja bei dir mitgefahren, Ger.“

Lara atmete zittrig ein und klopfte auf ihre Handtasche. „Ich fahre.“

Blaise lehnte sich gegen Paislee und die legte den Arm um sie. „Tot“, flüsterte Blaise ungläubig.

Paislee drehte sich der Magen um. Tot.

„Was ist los?“, fragte Anders, der mit besorgtem Gesichtsausdruck zu ihnen stieß.

„Hau bloß ab, du Idiot“, knurrte Gerard. „Kirsten hat mir von deinen unerwünschten Avancen erzählt. Ich werde dafür sorgen, dass du deinen Job loswirst.“

Sonyas ruhige Fassade geriet ins Wanken. „Was? Anders, ist das wahr?“

„Nein, ist es nicht – ich habe sie geliebt.“ Anders’ Stimme zitterte und seine Hand wanderte heimlich in seine Hosentasche.

„Lieben? Halt die Klappe, oder ich schlag dir deine verdammten Zähne aus.“ Gerard hob die Faust. Paislee zuckte beim Jähzorn des Mannes zusammen.

„Sie hat mich auch geliebt“, sagte Anders unter Tränen.

Mari schüttelte mit großen Augen den Kopf. „Hat sie nicht.“

„Du wusstest es?“ fragte Gerard Kirstens beste Freundin fordernd, als ob sie ihn verraten hätte.

„Ich …“, sagte Mari und biss sich dann auf die Lippen.

„Es reicht“, verkündete Constable Dean mit einer Handbewegung. „Rory, sorg dafür, dass ein Kollege Mr. Buchanan zu seiner Frau fährt.“

Christina machte einen Schritt rückwärts und stieß mit der Hüfte gegen den Tisch. „Ich will nach Hause.“

„Sie müssen hierbleiben und ein paar Fragen beantworten“, informierte Constable Dean sie mit erzwungener Geduld.

„Ich will meinen Mann!“, rief sie.

„Deinen Mann?“, fragte Mari. „Wegen ein paar Fragen? Wirklich, Christina, sei nicht so arrogant, nur weil du mit einem Doktor verheiratet bist.“

„Hör auf, das zu sagen!“ Christina legte die Hand ans Kinn.

Hendrie kam zu ihnen, die Schlüssel für den Bentley in der erhobenen Hand. „Mr. Buchanan? Das Auto steht bereit – es war zugestellt, Sir, Entschuldigung für die Verspätung.“

„Wurde auch Zeit, Hendrie.“ Gerard schwankte, als ob ihn plötzlich etwas überwältigte.

Der große, junge Polizist richtete ihn mit einem festen Griff an der Schulter wieder auf. „Sie haben also eine Mitfahrgelegenheit?“

Gerard nickte knapp. „Gott, wir müssen Fergus finden, damit er erklärt, was passiert ist. Wo ist er? Hat ihn irgendjemand gesehen, seit …“ Völlig zerrüttet wandte er sich an Lara, die ihn unbeholfen mit einem Arm umarmte.

Der Constable klopfte auf seinen Notizblock. „Wir werden ihn finden. Ich werde einen Kollegen zum Krankenhaus schicken.“

„Danke.“ Gerards Körper war nach vorne gebeugt, als er zu Hendrie ging. Der Chauffeur bot ihm weder körperlichen Kontakt noch sein Beileid an, als er seinen Chef mit einer Geste vom Kulturzentrum wegführte.

„Die Frau hatte eine Erdnussallergie?“, fasste der Constable zusammen. „Und der Privatkoch ist verschwunden? Das ist seltsam. Wir müssen ihn finden.“

Christina nickte rasch, offensichtlich erleichtert, dass jemand anderes nun im Fokus stand. „Er heißt Fergus Jones“, sagte Christina. „Er hat die Kekse zum Tisch gebracht, damit sie bei unserem Backwettbewerb beurteilt werden. Kirsten gewinnt immer – ihre Detailtreue macht sie zu so einer fantastischen Bäckerin.“ Ihre Stimme war hoch und blechern. „Sie hat bemerkt, dass etwas mit ihnen nicht stimmt.“

„Also hat sie einen Bissen genommen?“ Die Stimme des Polizisten klang zweifelnd.

„Sie konnte … temperamentvoll sein“, sagte Anders, der die Knöchel an die Unterlippe gelegt hatte.

„Sie wusste, was sie wollte“, stellte Mari zu ihrer Verteidigung klar – dann sackte sie zusammen. „Armer Maxim.“

Im Gegensatz dazu richtete sich Lara auf, als ob ihr ein Stock im Rücken steckte. „Man kann über Kirsten Buchanan sagen, was man will – wir wissen alle, dass sie eine richtige Zicke war – aber sie hat ihren Sohn über alles geliebt, und sie wollte nur das Beste für ihn. Ich gebe ihm neben der Schule Nachhilfe.“

Paislees Magen verkrampfte sich erneut. Sie hatte Kirsten retten wollen, aber es nicht geschafft. Sie hatte ihren Atem, ihre Stärke gespendet. Es hatte nicht gereicht.

Ihr wurde schwummerig.

„Hey, Liebes, ich hab’ dich.“ Lydia hakte sich bei Paislee unter. „Können wir gehen, Sir? Es war ein harter Nachmittag.“

Der Constable sah von seinem Notizblock auf. „Woher kennen Sie die Verstorbene?“

„Wir haben uns heute erst kennengelernt.“ Paislee schluckte schwer. „Wir kannten Kirsten nicht persönlich.“ Ihre Kehle brannte und ihre Sicht verschwamm vor lauter Adrenalin.

„Hatte ich Sie nicht bei ihr gesehen?“ Er wies mit dem Daumen auf die Buche.

„Ich … ich habe versucht … sie wiederzubeleben.“

Paislee sah Mitgefühl aufblitzen, als er sagte: „Sie haben sie am Leben gehalten, bis der Krankenwagen kam.“ Er betrachtete sie und Lydia. „Lassen Sie Ihre Namen und Kontaktdaten hier, dann dürfen Sie gehen.“

Sein Blick wanderte zu Blaise.

„Ich bin Blaise O’Connor“, sagte sie schnell.

„Sie sagten, Sie haben den Injektor nicht berührt?“

„Nein, Sir.“

„Ich brauche Ihre Fingerabdrücke, um das zu bestätigen, was einen kleinen Ausflug zur Station bedeutet.“ Sein Ton verriet ihnen, dass er bezweifelte, dass sie Blaises Abdrücke finden würden, aber dass er es pflichtgetreu überprüfen musste.

Christina schnaubte beleidigt.

Paislee griff nach ihrer Handtasche und kramte nach einer Visitenkarte für den Constable, eine von ihr und eine von Lydia. Lydia schlang ihre Tasche über die Schulter. Mari und Christina standen auf entgegengesetzten Seiten des Raums, mit Lara in der Mitte, in der Nähe von Sonya und Anders.

„Ich wette, Sie werden den Koch nicht finden.“ Mari schniefte, aber diesmal aus Wut und nicht aus Trauer für Maxim.

„Warum das?“, fragte der Constable.

„Kirsten hat mir letzten Abend beim Essen gesagt, dass sie ihn heute Morgen feuern wollte.“ Mari tupfte sich mit einer knochigen Hand die Augen.

Paislee schluckte trotz des Kloßes in ihrem Hals und sah sich im Konferenzsaal um, als ob sich der rothaarige Mann hier irgendwo versteckte. Da sie seinen Schock mitangesehen hatte, wünschte sie sich, er würde sich erklären. Er hatte nicht erwartet, dass Kirsten zusammenbrechen, oder sterben würde.

Dass der Koch nach seiner Entlassung verschwunden war, ließ die Anwesenden an etwas Schlimmeres als ein Versehen oder einen üblen Scherz denken. Paislee sah zu, wie jeder auf seine eigene Art in die Defensive ging.

Lydia fuhr sich durch die Haare an ihrem Hinterkopf. „Könnte er Erdnüsse ins Shortbread getan haben, als Rache?“

„Wir wissen nicht, ob Erdnüsse darin sind“, warf Constable Dean ein … die kühle Stimme des Gesetzes.

Blaise zitterte so sehr, dass sie ihr Handy auf den dünnen Teppichboden fallen ließ. Paislee bückte sich, um es aufzuheben und reichte es ihr, wobei sie ihre Hand drückte.

„Aber … sie hat Fergus geliebt“, sagte Christina und machte einen Schritt rückwärts. „Er war auf Desserts spezialisiert.“

„Sie hat ihn gefeuert.“ Mari hob ihre dünne Hand. „Er hat mit ihnen zusammen im Haus in seiner eigenen Suite gewohnt. Sie hat ihn überdurchschnittlich hoch bezahlt. Was, wenn er es ihr so heimgezahlt hat, dass sie ihm das alles genommen hat?“

Paislee taumelte und presste die Hand auf ihren Bauch. Hatte sie eine ermordete Frau wiederbelebt?