Leseprobe Mord im Grünen

Kapitel 1

Paislee Shaw biss die Zähne zusammen, als der Schulbus über einen Riss in der asphaltierten Straße holperte, und wünschte sich ein kleines bisschen mehr Polsterung herbei, um ihren Hintern vor dem harten Plastiksitz zu schützen.

Mrs. Martin, Brodys Lehrerin, die die sechste Klasse unterrichtete, spähte vorwurfsvoll über ihre Schildpatt-Brille zu dem nichtsahnenden Busfahrer hinüber. „Fast da, Liebes“, murmelte die ältere Dame Paislee zu, und drehte sich dann zu den sechzig Schülern um, die für den Schulausflug der Fordythe Primary an Bord waren.
Paislee betrachtete den grauen Himmel aus ihrem Fenster und betete, dass es nicht regnen würde. Der nasskalte Frühlingstag bot lediglich alle möglichen Grautöne, ohne auch nur eine Spur von Blau. Egal, sie hatte Regenzeug für sich und Brody mit. Wenn die Leute Unternehmungen wegen des schottischen Wetters absagen würden, kämen sie nie aus dem Haus.

„Haben Sie den Artikel in der Zeitung vom letzten Wochenende gelesen?“, fragte Paislee Mrs. Martin, sobald sich die Lehrerin wieder umgedreht hatte. „Es gab eine ganze Seite über die lebensgroße Hirschskulptur in der Mitte des Labyrinths.“

„Ja. Ich habe ihn für das Klassenalbum ausgeschnitten. Ich freue mich schon unheimlich auf den Wildblumengarten“, sagte Mrs. Martin. „Ich habe zu Hause ein Beet mit Goldlauch, und das inspiriert mich immer. Ziehen Sie Blumen auf?“

„Meine Gran hatte einen Garten mit Topfpflanzen, den ich der Natur überlassen habe“ – Paislee zuckte die Schultern, um zu zeigen, dass sie es akzeptierte, nicht alles zu schaffen – „und er ist immer noch besser als mein schwarzer Daumen.“

Mrs. Martin schmunzelte und tätschelte Paislees Hand. Die Frau hatte goldblond gefärbte Haare und eine kantige Figur in ihrem braun- und cremefarbenen Blazer und der kastanienbraunen Hose. „Meine Enkelin wird dieses Jahr acht und wird mir gerne helfen.“

„Sie werden hier sicherlich auf ein paar Ideen kommen“, sagte Paislee. Der Fahrer bremste, als sie einen Kreisverkehr umrundeten, und stampfte dann aufs Gaspedal, wodurch sie einen Ruck nach vorne machten. Sie griff nach der Lehne vor ihr.

Ihr Blick wanderte zu Schulleiter McCall in der Reihe gegenüber, Hamish, wenn sie nicht in der Schule waren. Seine dunkelbraunen Haare waren kurz und ordentlich gestylt, sein Gesicht war glattrasiert, und sein offenstehendes dunkelblaues Jackett gab den Blick auf Khakihosen frei.

Sie tauschten ein rasches Lächeln aus. Er war im Laufe des letzten Monats zu einem Freund geworden, und die Beziehung, die Freundschaft, war sehr neu.

Bennett Maclean, Edwyns Vater, streckte sich auf der Bank hinter ihm aus. Bennett, Single, gehörte ein Comicgeschäft mit Spielautomaten, was Edwyn sehr beliebt machte. Vater und Sohn hatten beide zottelige blonde Haare und jadegrüne Augen.

„Ist das Ihr erster Besuch auf dem Anwesen?“, fragte Mrs. Martin.

„Der dritte als Aufsichtsperson,“, sagte Paislee. „Ich hoffe, dass sie eines Tages das Herrenhaus für Besichtigungen öffnen, und nicht nur die Gärten, aber ich kann es verstehen. Können Sie sich vorstellen, immer alles ordentlich halten zu müssen? Ich habe schon genug Mühe damit, Brody und Wallace hinterherzuräumen.“

„Wallace? Ist das Ihr Großvater?“

„Unser Schottischer Terrier – er benimmt sich besser.“ Und Wallace hatte nicht immer zu allem eine Meinung, so wie Grandpa.

Der Lärm im Bus von sechzig aufgeregten Kindern schwoll an, als sie von Nairns Geschäftsviertel zu Häusern mit größeren Grundstücken und mehr Bäumen kamen. Mrs. Martin rutschte herum, sodass sie mit dem Knie auf dem Sitz nach hinten schaute.

Die Kinder verstummten durch einen bloßen Blick.

Paislees Vorfreude auf den Besuch des Leery Estates hatte an diesem Morgen zwei Gründe. Ja, sie wollte durch die Barockgärten streifen und die Hirschskulptur bewundern, aber sie hoffte auch, dass sie Shawn Marcus eine Nachricht zukommen lassen konnte, dem Vermieter ihres Wollgeschäfts und Sohn von Lady Leery.

Er hatte vorigen Monat die Mietverträge von ihrem und fünf anderen Geschäften gekündigt, ihnen dreißig Tage für die Räumung gegeben, und dann die Frechheit besessen, zu verschwinden; er hatte alle Anrufe, E-Mails, und Versuche, ihn zu finden, ignoriert. Was gab es für einen besseren Weg, Mr. Marcus ausfindig zu machen, als durch seine eigene Mutter?

Ihr Shop, Cashmere Crush, war Paislees einzige Einnahmequelle, um die Mäuler der Shawfamilie zu stopfen. Sie hatte fünf Tage, um an sein Mitgefühl zu appellieren und ihn vom Verkauf abzuhalten. Paislee war versucht, Lady Shannon Leery persönlich zu bitten, wenn Shawn weiterhin Spielchen spielte.

„Da sind wir“, sagte Mrs. Martin. Sie bogen an einem hölzernen Schild, auf dem Leery Estate stand, von der Hauptstraße ab und rumpelten über eine schmalere Straße, die nur knapp breit genug für den Bus war.
Die Reifen gerieten auf der unbefestigten Straße ins Schleudern, bis das lange Fahrzeug auf den Streifen von braungrünem Gras zu Paislees Rechten, und einen Abhang von etwa anderthalb Metern hinunter zu einem felsigen Fluss rutschte. Sie schluckte ihren Schrecken hinunter, als der Fahrer den Bus wieder geraderichtete.

Die Kinder johlten, als säßen sie in einer Achterbahn.

Sie blickte zurück zu ihrem Sohn, um ihn zu ermahnen, sich zu benehmen. Brody war mit seinem kastanienbraunen Haar leicht im hinteren Teil des Busses auszumachen – aber er und Edwyn schienen sich zu streiten. Brodys Wangen waren gerötet und er neigte seinen Kopf zu Edwyns.

„Dieser Zaun sieht aus, als würde er beim nächsten Windstoß umfallen“, bemerkte Hamish.
Zu ihrer Linken lag ein smaragdgrüner, weitflächiger Rasen, der von verblichenen Holzlatten zwischen leicht schräg stehenden Pfosten eingezäunt wurde. Mit minimaler Anstrengung konnten sowohl Pferde als auch Rehe darüber springen, oder sie umwerfen.

Im Gegensatz dazu meinten die beiden drei Meter hohen Steinsäulen auf jeder Seite des schmalen Wegs es ernst, obwohl das schmiedeeiserne Tor offenstand. „Haben um das Grundstück einmal Steinmauern gestanden?“

„Gute Frage“, sagte Mrs. Martin. „Wir können den Guide fragen.“

Sie fuhren langsam die unbefestigte Straße entlang, und der Bach auf der rechten Seite wurde jetzt von einer dicken dunkelgrünen Eibenhecke verdeckt, die das Land vom Wasser trennte und einmal rundherum führte, bis sie schließlich außer Sicht war. Der Parkplatz war leer, aber es war noch früh, nicht einmal neun Uhr, und das Anwesen war heute erst für saisonale Besichtigungen der Gärten offen.

Paislee drückte die Stirn gegen die Scheibe. Das Schieferdach passte zum dunkelgrauen Himmel – das solide Heim war ein Tribut an die schottische Langlebigkeit. Eine breite steinerne Veranda mit Geländer lag in der Mitte des dreistöckigen Herrenhauses und hatte eine Treppe an jeder Seite. Der alte beige Sandstein besaß einen grünlichen Stich durch das Moos, das zwischen den Steinen in den Fugen steckte. Eine Nymphenstatue spie Wasser in einen Teich, der direkt unter der Veranda lag.

Paislee wusste von vorherigen Besichtigungen, dass das Gebäude im neunzehnten Jahrhundert aus Stein errichtet worden war, der in dem nahegelegenen Fluss abgebaut wurde. Der Fels hatte sich im Alter hellgrau gefärbt. In den alten Zeiten hatten sie keine Garagen gebraucht, aber ein überdachter Carport auf der rechten Seite schützte vier schicke Autos. Zwei Mercedes, einen Audi und einen Ferrari.

Paislee suchte nach Anzeichen von Geschäftigkeit in dem Anwesen, aber die Spitzengardinen im zweiten Stock zuckten nicht einmal.

Der Fahrer fuhr rückwärts in eine Parklücke, sodass sie auf die in Form gestutzten grünen Büsche und den Pferdestall schauten. Ein Bogen lavendelfarbener Bougainvilleen markierte den Anfang der Tour.

Das Klatschen und Pfeifen der Kinder gewann an Lautstärke, jetzt, wo der Bus angehalten hatte. Paislee wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Brody zu – er und Edwyn strahlten wieder übers ganze Gesicht.

Schulleiter McCall stand auf, drehte sich zu den Kindern und sah jedem einzelnen in die Augen. „Wir sind die Regeln für den Tag schon durchgegangen. Ich erwarte gutes Benehmen. Achtet auf eure Manieren, hört auf die Begleitpersonen, und bleibt zusammen.“

Ein kleines Mädchen mit Zahnspange fragte: „Können wir unsere Rucksäcke mitnehmen?“

„Nein, Keira. Rucksäcke und Mittagessen bleiben im Bus.“ Der Ton des Schulleiters war geduldig, obwohl es das zehnte Mal war, dass er das Thema ansprach. „Ja, Brad?“

„Können wir direkt zum Labyrinth gehen?“

„Wir werden dem Tourguide folgen.“ Der Schulleiter machte eine Pause, um die Information sacken zu lassen

„Danach machen wir ein Quiz mit Preisen darüber, was wir für Blumen gesehen haben.“

Der Busfahrer öffnete mit einem Zischen die Tür, und Paislee ging hinter Mrs. Martin hinaus, wobei sie ihre dicke Strickjacke gegen die Kühle in der Luft enger um die Taille zog. Der Duft nach Rosen wehte von den Gärten herüber

„Ms. Shaw, bitte stellen Sie sich an die Bank“, wies Mrs. Martin sie an. „Ich schicke Ihre Truppe Mädchen zu Ihnen, wenn sie aussteigen.“

„Alles klar.“ Paislee ging zehn Schritte zu dem Nymphenbrunnen und dem Teich, in dem orange und weiße Kois schwammen.

Ein Mann schritt von den Gärten unter dem Bougainvilleenbogen auf sie zu, ein Handy in der Hand, und rief: „Fordythe Primary?“

Zehn Mädchen versammelten sich vor ihr. Paislee hatte sie heute Morgen an der Schule kennengelernt und erinnerte sich an Holly, wegen ihres fröhlichen Lächelns mit einer breiten Zahnlücke, und Britta, ein blondes Engelchen mit rosa Wangen. Kylie, braunhaarig mit einem dauerhaften Schniefen, kicherte mit Moira, einer sommersprossigen Rothaarigen. Alle Kinder trugen die Schuluniform, die aus marineblauen Hosen und einem weißen Poloshirt bestand.

Es war kühl genug, dass sie Jacken anhatten. Brody und Edwyn warteten neben Bennett.

„Ja“, antwortete Hamish dem Mann. „Wir sind für die Führung hier. Ich bin Schulleiter McCall.“

„Willkommen! Ich werde heute Ihr Guide sein. Graham Reid.“ Er blieb in der Mitte des Parkplatzes stehen, zwischen dem Bus und dem Teich. Sie scharten sich alle um ihn. Der Guide war groß, Mitte dreißig, und trug ein in die Jeans gestecktes weißes Piratenhemd. Seine langen, welligen Haare hatten die Farbe dunklen Honigs, und eine schwarze Strickmütze saß lose auf seinem Hinterkopf. Er drehte sich auf dem Stiefelabsatz um, um sie alle mit strahlenden blauen Augen und Dreitagebart anzulächeln.

„Ich kann’s kaum erwarten, das Labyrinth zu sehen!“, sagte einer der Jungen. „Werden wir uns verlaufen?“

„Es ist ein kreisförmiges Labyrinth, ungefähr so hoch“ – Graham klopfte sich auf die breite Brust, wobei das Silber seines Daumenrings glänzte – „mit einem Hirsch, der größer ist als ich, als Leuchtfeuer in der Mitte. Ich bin der Bildhauer.“ Grahams Mütze kippte. Paislee wollte ihn warnen, dass er sie verlieren würde, aber begriff dann, dass es zu seinem Stil gehörte.

Hamish knöpfte sein Jackett zu und straffte die Schultern, als ob das lockere Auftreten des Künstlers so ansteckend sein könnte wie eine Erkältung.

Mrs. Martin seufzte hingerissen. „Das heißt Mr. Reid selbst hat den Hirsch aus Metall gemacht. Was für ein Glück wir haben, den Künstler zu treffen.“

„Ich mache die Führungen dieses Jahr zum ersten Mal.“ Graham verbeugte sich dramatisch, und seine Mütze streifte über den Schotter, bevor er sich wieder aufrichtete. „Lady Leery dachte, es wäre eine gute Gelegenheit, um über meine Arbeit zu sprechen.“

Mrs. Martin lächelte beruhigend. „Wir werden sicherlich eine Menge Fragen haben.“
Graham stopfte sein Handy in die hintere Hosentasche, und nahm stattdessen ein Bündel von Flyern heraus. „Will jemand einen? Es gibt eine Karte von den Gärten, und die neuen Öffnungszeiten. Wir hoffen, bis zum nächsten Jahr noch mehr zu expandieren.“

Der Großteil der Kinder scharrte unsicher mit den Füßen. Paislee nahm einen, ebenso Mrs. Martin.

„Soll ich sie nehmen?“, schlug Hamish vor. „Wir können sie später verteilen.“

Graham gab ihm den Stapel, und Hamish steckte ihn in die Innentasche seines Jacketts.

„Vielleicht brauchen Sie sie fürs Labyrinth. Danke.“ Der Guide breitete die Arme seitlich aus, und sein weißes Hemd bauschte sich wie ein Kissenbezug auf der Wäscheleine. „Wer war schonmal hier?“

Ungefähr vierzig Arme schossen in die Luft, gefolgt von einem Chor von Kinderstimmen, die alle gleichzeitig sprachen.

Mrs. Martin klatschte zweimal, und die Kinder verstummten.

„Wir haben ein paar Verbesserungen vorgenommen. Ich werde auf dem Weg auf sie hinweisen.“ Graham hob die Hand und führte sie über den Parkplatz unter den Bougainvilleenbogen. Die hell-lilafarbenen Blüten waren hauchdünn, aber üppig. „Fangen wir mit dem ersten Garten links vom Weg an.“

Paislee sammelte ihre Mädchen in ihren blauen Jacken ein und folgte Bennetts Gruppe, damit sie ein Auge auf Brody haben konnte. Er und Edwyn gingen Seite an Seite und hatten in der Aufregung über einen Tag außerhalb des Klassenzimmers vergessen, worüber auch immer sie gestritten hatten. Sie betrachtete misstrauisch den dunkler werdenden grauen Himmel, als es drohte zu nieseln.

Graham öffnete ein Holztor zu einem rechteckigen Rasen, der von Trauerweiden mit langen, seilartigen Zweigen umringt war. Gelbe und weiße Narzissen bildeten eine Grenze vor einer ein Meter hohen Hecke, und eine Vielzahl an Tulpen und anderen Blumen, die sie nicht kannte, lockten sie näher heran. „Geht ruhig und schaut euch um!“

„Das ist zauberhaft“, sagte Paislee. Der Aufbau der Anlagen mit unterschiedlichen Anteilen von Blumen und Grünpflanzen war an sich schon eine Kunst. Die Kinder flitzten über den Rasen und schwangen die Zweige der Weidenbäume umher.

„Können Sie mir sagen, was neu ist?“ Grahams Augen blitzten.

In den zwei Jahren seit Paislees letztem Besuch waren mit Schnörkeln verzierte Metallbänke hinzugekommen, die die Gäste zum Hinsetzen einluden, während sie die Vogeltränken betrachteten. „Sie haben die Bänke gebaut?“

„Ja“, sagte Graham, und seine bärtigen Wangen waren rosa vor aufrichtiger Freude.

Holly quiekte an der Weide und kicherte dann. Paislee entschuldigte sich von den Erwachsenen, um nachzuschauen, was auch immer das Mädchen entdeckt hatte – einen Schmetterling. Sie verbrachten eine halbe Stunde in dem Garten und hätten noch länger bleiben können, aber Graham war begierig darauf, weiterzugehen.

Fast jedes Mal, wenn Pailsee zu ihm hinsah, war er an seinem Handy. Sie fragte sich, da er ja für Lady Leery arbeitete, ob er Shawn kennen könnte.

Auf dem Weg nach draußen sagte Mrs. Martin: „Ich weiß noch, wie Lady Leery früher selber die Touren geleitet hat.“
Grahams Ausdruck wurde wehmütig. „Sie ist dafür zu beschäftigt, aber vielleicht kann ich sie dazu überreden, nach der Führung kurz dazuzustoßen. Niemand erzählt die Geschichte des Anwesens besser als sie – sie hat alles ganz genau in ihrem hübschen Köpfchen.“

Paislee folgte ihm und seiner herabhängenden Mütze hinaus zu dem Pfad. „Das wäre wirklich toll.“ Sie musste Shawn finden.

Der Feigling mit seinem durch sein Bräunungsspray seltsamen orangenen Hautton hatte die Bescheide übergeben und sich dann davongeschlichen. Nicht einmal ihre beste Freundin Lydia, die eine brillante Immobilienmaklerin war und geradezu ein Talent dafür hatte, Klatsch und Tratsch zu enthüllen, war in der Lage gewesen, die Wahrheit herauszufinden.

„Ich werd’s versuchen.“ Graham klatschte in die Hände, und die Silberringe klirrten. „Sie ist ihre eigene Herrin“, sagte er mit fröhlicher Stimme, obwohl Paislee eine gewisse Anspannung heraushörte. Warum würde ein Bildhauer Gartenführungen für Lady Leery leiten? Sie hatte vor Lady Leerys Unterstützung noch nie von Graham Reid gehört.

Vielleicht litt er unter dem Armer-verhungernder-Künstler-Syndrom und brauchte das Geld. Es war nichts Falsches daran, sich seinen Weg selbst verdienen zu müssen, aber er war ein Charmeur – er zwinkerte sogar Mrs. Martin zu.

Holly heftete sich an Grahams Seite und war offensichtlich verknallt. „Kann ich deine Hand nehmen, Graham?“

Paislee umschloss mit einem Lächeln die Hand des kleinen Mädchens. „Nimm meine stattdessen.“

Graham eilte ihnen auf dem Feldweg voraus. „Der zweite Garten ist hier links.“ Er öffnete ein verschnörkeltes Metalltor.

„Warum haben die alle Tore?“, fragte Britta, deren blondes Haar zu einem Kranz geflochten war.

„Um die Hasen draußen zu halten.“ Er geleitete sie hinein. Holly folgte Britta auf den Fersen und sah kichernd mit ihrer Zahnlücke zu Graham hoch.

„Ich mag Hasen“, sagte Kylie, Arm in Arm mit Moira. „Du nicht auch, Moira?“

„Ich auch“, versicherte Graham ihnen. „Aber sie fressen die Blätter im Garten. Dann wäre er nicht ganz so schön, was?“

Paislee sog ehrfürchtig die Luft ein, als sie die leuchtenden Farben in sich aufnahm. Dieser Garten wurde von zweieinhalb Meter hohen Buchsbaumhecken eingerahmt. Blaues Springkraut, rote Hortensien, weiße und gelbe Narzissen – Frühlingsblumen explodierten in Tonübertöpfen und Holzkisten. Er war dreimal so groß wie ihr schmaler Garten.

„Wir haben eine Ameisenkolonie, eine Wurmzucht und einen Glaskasten mit einer Spinne, die ein Netz webt.“ Graham zog sein Handy aus seiner hinteren Hosentasche, als es mit einem ping eine Nachricht ankündigte. „Schaut mal, ob ihr sie finden könnt.“ Die Kinder stoben auseinander.

Hamish und eine Vierergruppe von mutigen Jungen klopften gegen den Kasten mit der Spinne. Die Mädchen blieben größtenteils zurück und sahen mit großen Augen zu. Mrs. Martin winkte. „Wir haben hier die Würmer gefunden – wer will sie sehen?“

Zu ihrer Überraschung knieten sich Britta, Kylie und Moira alle in den Dreck.

Graham war damit beschäftigt, eine Nachricht zu tippen. Wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, um nach Shawn zu fragen

„Mum!“, rief Brody. „Komm und schau dir die Ameisen an.“

Paislee war kein Fan von Krabbeltieren, aber als alleinerziehende Mutter wusste sie, dass sie ihre Ängste nicht zeigen durfte.

Graham hob bei Brodys Ruf den Kopf und schritt rasch auf die Wurmfarm zu. „Wer von euch hat schonmal Ameisen in Schokolade gegessen?“

Er gewann die Zuneigung der Kinder, indem er anbot, ihnen ein fantastisch schmeckendes Rezept zu schicken, wie er schwor. Graham legte seine beringte Hand aufs Herz.

Holly zupfte am Saum seines Shirts und Britta zog sie mit einem Kopfschütteln zurück.

Schokoladenameisen? Igitt.

Nach etwa einer weiteren halben Stunde pfiff Graham, damit die Kinder zu ihm ans Tor kamen. „Nächster Halt – das Labyrinth.“

Einer der Jungen hob die Hand „Gibt es eine Toilette?“

„Ja.“ Graham sah zu Mrs. Martin und dem Schulleiter.

„Eine Pause vor dem Labyrinth ist eine gute Idee“, sagte Hamish. „Soweit ich mich erinnere, hatten Sie Dixiklos?“
Graham wartete, dass sie alle den Garten verließen. „Sehen Sie das blaue Dach? War mal ein Geräteschuppen, aber ist jetzt eine Toilette.“

Paislee hielt einen Moment inne, um sich zu orientieren. Wenn sie vom Garten aus auf die dichte Hecke schaute, wären links die Toiletten und das Labyrinth, und rechts das Herrenhaus.

„Das ist eine Verbesserung“, sagte Mrs. Martin anerkennend.

„Ja, nicht wahr?“ Graham geleitete sie alle den Pfad entlang. Hamish war bereits an der Sanitäranlage und dirigierte die Jungen und Mädchen zu der jeweiligen Seite. „Lady Leery hat vor, zu expandieren.“

„Was für eine Freude!“, sagte Mrs. Martin. „Janet, hör auf, das Gras zu essen.“

Paislees Gruppe von Mädchen hatten Butterblumen gepflückt, um zu schauen, ob ein gelber Schimmer unter dem Kinn des anderen Mädchens zu sehen sein könnte. „Lasst uns alle bei den Toiletten Halt machen.“

„Ich muss nicht“, verkündete Holly. Ihre braunen Haare hatten sich aus dem geflochtenen Zopf gelöst.

„Ich aber“, sagte Britta.

„Wie wär’s, wenn es einfach jeder versucht?“, sagte Paislee.

Graham war vorausgegangen und wartete jetzt bei Hamish und Bennett. Hamish verteilte die Karten an die Kinder, die eine haben wollten – Brody und Edwyn hielten beide die Hand hoch.

Paislee trat zu Hamish und Graham. „Stellt euch hintereinander an, Mädchen.“

Holly und Britta tuschelten untereinander. „Kommandiert uns rum“, hörte sie Holly sagen, die mit ihrem Kinn auf Paislee wies.

Sie nahm es nicht persönlich. „Brody, was gefällt dir bis jetzt am besten?“

„Die Ameisen! Kann ich wirklich welche zu Hause machen?“

Bennett lachte. „Wenn ja, Paislee, kann ich Edwyn rüberschicken? Ich will keine Ameisen in meiner Küche.“

Grahams blaue Augen schimmerten. „Möchten Sie das Rezept mit Nüssen?“, neckte er Paislee charmant. „Das überdeckt das Knuspern.“

Sie presste die Hand auf den Magen. „Danke.“

Moira und Kylie kamen aus den Toiletten, und Britta und Holly gingen hinein. Die Mädchen scharten sich um Mrs. Martin, während sie über Schmetterlinge redete.

Schneller als Paislee blinzeln konnte, kam Holly aus den Toiletten und stellte sich zu Mrs. Martin.

Sie schüttelte den Kopf. Holly konnte unmöglich so schnell gewesen sein. Naja.

„… aber können Sie sich nicht ein Herbstfest hier vorstellen? Oder eine Weihnachtsveranstaltung?“, sagte Graham gerade. „Shannon hat einen Berg an Ideen, um das Leery-Estate ins einundzwanzigste Jahrhundert zu bringen.“

„Ich hoffe, das Herrenhaus verliert seinen Charme nicht“, sagte Paislee. „Wenn ich ans alte Nairn als eine Grafschaft denke, denke ich hier dran.“ Buchen und Waldkiefern waren hinter dem Labyrinth gepflanzt worden, und sie konnte die hohen Bäume von ihrem Standort aus sehen. „Der Wald ist so grün.“

„Und voller Wild.“ Graham machte ein finsteres Gesicht. „Shannon denkt darüber nach, die Bäume abzuholzen. Wir müssen eine Balance zwischen dem Alten und dem Neuen finden. So, wer ist bereit für das Labyrinth?“

Da Graham beiläufig Shannons Namen verwendete, statt Lady Leery, fragte sie sich, ob sie befreundet waren. Sie räusperte sich, um nach Shawn zu fragen, als Brody vorbeirannte, gefolgt von Edwyn.

Graham ging nach vorne, um mit Hamish zu reden, und sie verpasste ihre Chance.

Der Weg bog um die Kurve, und die zwei Meter hohe Hecke von Büschen zu ihrer Rechten wirkte wie eine Mauer, die Sichtschutz vor dem Fluss auf der anderen Seite bot. In einer nach vorne offenen Gartenhütte standen eine Schubkarre und andere Gartengeräte.

Hinter dem Schuppen waren die Büsche auf der rechten Seite zurückgestutzt worden, um den Blick auf das Wasser freizugeben. Es gab einen Pavillon mit zehn Holztischen, wo sie ihr eingepacktes Lunchpaket essen würden, nachdem sie das Labyrinth abgeschlossen hatten. Die Buchen überschatteten einen Pfad in den Wald.

Graham faltete mit einem ansteckenden Grinsen seine Hände, als er vor der brusthohen Hecke des kreisförmigen Labyrinths stehenblieb. „Holt alle eure Karten raus. Es gibt überall kleinere Skulpturen wie den Hirsch und die Nymphe. Ihr kriegt einen Punkt, wenn ihr alle zehn findet, bevor ihr die Mitte erreicht.“ Seine Mütze baumelte an seinem Haar herunter wie ein loser Faden.

„Tut euch zu zweit zusammen“, wies Mrs. Martin an. „Wir werden mit zwanzig Kindern ins Labyrinth gehen. Mr. Maclean, kümmern Sie sich um die erste Gruppe?“ Sie hob ihr Handgelenk, um ihre goldene Uhr zu zeigen. „Wir schauen mal, wer am schnellsten ist.“

Paislee zählte ihre zehn Mädchen durch, von Holly zu Britta. Brody und Edwyn studierten ihre auseinandergefalteten Karten wie Naturforscher, während sie sich hinter Bennett in eine Reihe stellten.

„Gibt es einen Preis?“, fragte Brody.

Graham kratzte sich das bärtige Kinn. „Ja. Zweimal freier Eintritt zurück in die Gärten. Ihr könnt eure Familie mitnehmen.“ Ein Piepsen ertönte aus seiner hinteren Hosentasche, und er nahm den Anruf mit rosa gefärbten Wangen an. „Entschuldigt mich einen Moment.“

Holly hielt sich plötzlich den Bauch und tänzelte auf der Stelle. Paislee erkannte den Töpfchentanz. Sie hatte sich schon gedacht, dass das Mädchen zu schnell gewesen war.

Mrs. Martin schob ihren Flyer in die Tasche ihres Blazers. „Ms. Shaw, warum bringen Sie Holly nicht zu den Toiletten? Ich kann auf Ihre Gruppe aufpassen. Mädchen, kommt her.“

„Ich muss aber nicht“, quengelte Holly.

„Es dauert nicht lange“, versicherte Paislee ihr.

„Ich will das Wettrennen nicht verpassen.“

Es war ihre eigene Schuld, dass sie den Spaß verpassen könnte, aber Paislee sprach es nicht aus. „Wir holen die anderen schon ein.“ Sie trieb die widerwillige Holly den Weg zurück, von dem sie gekommen waren.

Holly rannte vor, aber Paislee konnte sie noch sehen, daher sagte sie nichts. Ein paar Minuten später stürmte das Mädchen in die Toilette und schlug die Tür zu. Paislee wartete draußen und nahm ihr Handy aus der Tasche ihrer Strickjacke. Keine Anrufe – das war gut, da Grandpa Cashmere Crush bemannte.

Dass Shannon Leery nach der Führung mit ihnen reden könnte, wie Graham verkündet hatte, könnte eine einmalige Gelegenheit für Paislee sein, um nach Shawn zu fragen. Vögel zwitscherten in ihren Verstecken in den Bäumen und Büschen, und das leise Rauschen des Flusses hinter dem hohen Dickicht war so beruhigend wie ein Springbrunnen.

Was für ein friedlicher Tag.

Ein Schmetterling huschte von einer Narzisse zur anderen. Paislees Schultern entspannten sich zum ersten Mal am gesamten Morgen.

Wie groß war bitte die Blase dieses Mädchens, um Himmels willen?

Ein gedämpfter Knall ertönte zu Paislees Rechten, und die zwitschernden Vögel stoben mit verärgertem Krächzen in den Himmel.

Zwei Meter den Weg runter raschelte etwas in den dichten Büschen. Ein Zweig brach. Die hohe Hecke bog sich nach außen, als ob sie ein schweres Gewicht stemmte.

Gänsehaut überzog ihre Haut. Ihr Puls raste. Sie trat instinktiv vor die Toilettentür und suchte den Pfad ab. Sogar die Schmetterlinge waren weg. Es wurde gespenstig still.

„Ms. Shaw?“

„Ich bin hier, Holly.“ Furcht kitzelte ihr im Genick.

Die verflochtenen Hecken gaben dem Gewicht nach, und ein Mann mit dunkelbraunem Haar stürzte rückwärts auf die Erde, die Augen geschlossen, das blasse Gesicht zu einer Grimasse verzogen. Er trug ein dunkelblaues Oxfordhemd, Jeans und Halbschuhe. Sein Profil kam ihr bekannt vor – oh nein!

Shawn Marcus?

Kapitel 2

Paislee sog geschockt die Luft ein und machte panisch einen Schritt auf den Mann zu. Aus knapp zwei Metern Entfernung konnte sie sehen, dass er Shawns künstliche Bräune nicht hatte. Seine Haut war bleich und wurde immer bleicher.

„Ms. Shaw? Was war das?“

„Äh, ich bin mir nicht sicher.“ Sie konnte die Toilette nicht verlassen und Holly in eine unsichere Situation geraten lassen. „Lass dir Zeit, Liebes.“

Die Spülung ging. Nicht das, worauf sie gehofft hatte.

Sie kniff die Augen zusammen, um sich besser auf den Mann zu konzentrieren – er lag auf dem Rücken, den Arm auf dem Feldweg ausgestreckt, die Haut an den Händen zerschrammt. Gebrochene Äste von der Hecke bogen sich nach unten. Erleichterung durchströmte sie, dass der Mann nicht Shawn war – aber wer war er? War er verletzt

Paislee konnte keine Wunde sehen, oder dass sich seine Brust hob. Sie suchte verzweifelt nach jemanden, der erklären konnte, was vor sich ging. Sie hob ihr Handy. Zwei Minuten waren verstrichen. Sollte sie den Notarzt rufen? Was, wenn er einen Schlaganfall hatte? Sie hatte im Rahmen ihres Trainings um eine Begleitperson für Fordythe zu werden erste Hilfe gelernt.

„Bleib hier, Holly.“ Paislee trat zu dem auf dem Rücken liegenden Mann. Wenn das überhaupt möglich war, wurde er immer noch blasser.

Holly sprach an der Türschwelle der Toilette. „Was war das?“ Das Mädchen drehte den Knauf, ohne auf Paislees Anweisung zu hören, drinnen zu bleiben. „Ein Feuerwerk?“

„Vielleicht.“ Paislee trat zurück und packte den Türgriff, um Holly an Ort und Stelle zu halten. Auf keinen Fall konnte sie das Mädchen rauslassen! Paislee hörte ein erneutes Rascheln der Hecke – jemand war auf der anderen Seite. Mit der Hand auf dem Knauf spähte sie ins Gebüsch, um zu sehen, wer es war. Ein Mann, würde sie schätzen. Jemand um die eins achtzig. Waren das braune Haare? „Hey! Was ist hier los?“ Die schemenhafte Gestalt floh.

Hamish kam aus der Richtung des Labyrinths angerannt, gefolgt von einem Mann, der eine schwarze Leinenschürze, Gummistiefel, und einen Hut mit breiter Krempe trug, der sein Gesicht verdeckte. Sie nahm an, dass er der Gärtner war, der von dem Schuppen kam, an dem sie vorbeigegangen waren. Graham kam außer Atem aus einer anderen Richtung an, ohne seine Strickmütze.

Der Schulleiter betrachtete die bewegungslose Gestalt und bugsierte die neugierigen Kinder, die ihm gefolgt waren, zurück zum runden Irrgarten, wodurch er Paislee mit Holly, dem Gärtner, Graham, und dem Mann zurückließ.

„Ms. Shaw!“ Holly rüttelte am Türgriff, aber Paislee ließ nicht los. Der bleiche Körper war schlaff wie eine nasse Socke und die Augen standen halb offen. Ging es dem Mann gut?

Der Gärtner riss einen seiner dicken Handschuhe von der Hand und presste erst einen Finger ans Handgelenk des regungslosen Manns, und dann auf die Halsschlagader.

„Ist er …?“ Graham stand zwischen Paislee und dem Mann. Seine Stimme verlor sich.

„Hm, ich weiß es nicht.“ Der Gärtner lehnte sich auf den Hacken zurück, und der Hut verrutschte und ließ eine nachdenkliche Miene erkennen. War das ein Pistolengriff in seiner Schürzentasche?

Paislee würgte ihre Beklommenheit hinunter. Warum sollte ein Gärtner eine Pistole haben? Sie musste sich irren

„Ich dachte, es wäre Shawn.“ Graham trat näher auf den Mann zu und sank auf die Knie, seinen Blick konzentriert auf das blasse Gesicht gerichtet. „Aber nein, es ist Charles.“

„Schön wär’s“, murmelte der Gärtner auf der anderen Seite des Manns Graham zu.

Paislee keuchte auf und lenkte damit die Aufmerksamkeit der beiden Männer auf sich. Der Griff unter ihrer Hand drehte sich und ruckelte, als Holly sagte: „Lassen Sie mich raus, Ms. Shaw.“

„Nur eine Sekunde, Holly.“

Holly rüttelte an der Tür. „Sie machen mir Angst.“

„Es tut mir leid, Liebes.“ Sie hielt den Knauf fest und forderte den Guide mit einer Geste dazu auf, etwas zu unternehmen. „Sollten Sie nicht einen Krankenwagen rufen? Wo ist Ihr Handy?“ Sie wusste, dass er eins hatte; er war die ganze Zeit damit beschäftigt gewesen.

Der Gärtner verzog das Gesicht. „Ja – Graham, tu das. Aber ich glaube, es ist zu spät.“

Graham zog sein Handy aus der Hosentasche seiner Jeans. „Warum? Ich sehe nichts.“

Der Gärtner rollte den Körper auf die Seite, um Graham den Rücken zu zeigen.

Was hat er gesehen? Paislee drehte sich der Magen um.

Graham machte ein finsteres Gesicht und wählte den Notruf, und erklärte bloß, dass jemand beim Leery Estate verletzt war, bevor er den Anruf beendete. Die ganze Zeit über lenkte Paislee Holly ab, indem sie über ihre Lieblingseissorte redeten.

Paislee gingen die Eissorten aus und sie fühlte sich selbst immer panischer – wer war der Mann, tot oder lebendig? Hamish tauchte am anderen Ende des Pfads auf. „Graham, gibt es einen anderen Weg zum Parkplatz? Ich würde die Kinder gerne zum Bus bringen.“

Graham erhob sich langsam. „Ja. Bei den Ställen – ich zeig’s Ihnen.“

Der Schulleiter sah Paislee in die Augen und nickte einmal. „Kannst du Holly zum Bus bringen?“ Die Botschaft war: Beschütz die Schülerin.

Sie nickte zurück. Ihre Haut war unterkühlt. Hamish und Graham eilten zum Irrgarten und ließen sie mit Holly zurück. Ihre Route zum Parkplatz würde unter dem Bougainvilleenbogen her führen müssen, ohne dass Holly dabei den Mann auf dem Weg hinter ihnen sah.

Holly hatte ein Wettrennen gewollt. „Holly, ich glaube, ich habe den Türgriff wieder lose gekriegt. Kannst du schnell rennen?“

„Ja.“ Holly klang argwöhnisch.

„Ich wette mit dir um einen extra Nachtisch, dass ich die erste am Bus sein werde.“

„Was ist mit dem Labyrinth?“ Ihre Stimme hob sich zu einem Jammern. „Ich wollte es sehen!“

„Naja“, wich Paislee aus, „es gab einen Unfall, also gehen alle Kinder zum Bus. Schauen wir mal, ob wir sie überholen können.“

Paislee öffnete die Tür, wobei sie zwischen dem kleinen Mädchen und dem Mann stehen blieb. „Kannst du das schaffen?“

Holly grinste und zeigte dabei ihre niedliche Zahnlücke. „Ja. Ich bin schnell.“

Paislee stellte das Mädchen in Richtung des Parkplatzes auf. „Auf die Plätze, fertig, los!“

Holly nahm die Herausforderung an und raste davon, und schaute nicht einmal über die Schulter, genau wie Paislee gehofft hatte. Nach drei Schritten blieb Paislee stehen und fuhr herum. Der Gärtner klopfte die Kleidung des Manns ab.

„Kann ich Ihnen helfen? Soll ich Lady Leery holen?“

Er blinzelte, als ob ihre Anwesenheit ihn erschreckt hatte. Er stand auf, und sie bemerkte, wie groß er war. Seine Augen verdunkelten sich warnend über kantigen Wangenknochen. „Ich werde mich um Lady Leery kümmern. Jetzt gehen Sie.“

Paislee schauderte, als sie sich eilig von dem unheilvollen Gärtner entfernte. Was hatte er damit gemeint, dass er sich um Lady Leery kümmern würde? Gruselig! Er schien für einen Gärtner sehr viel zu sagen zu haben, jetzt wo sie drüber nachdachte. Graham hatte ihn fast ehrerbietig behandelt.

Sirenen ertönten, als sie unter dem lavendelfarbenen Bougainvilleenbogen zum Parkplatz und dem Bus ging, wo ein Polizeiauto einem Krankenwagen vorausfuhr. Graham winkte dem Krankenwagen, der vor dem Eingang parkte. Der Pfad war zu schmal für das Fahrzeug, um ihn zu befahren.

Die Rettungssanitäter sprangen heraus.

„Sie müssen dort entlang“, sagte Graham. „Nicht weit.“

Paislee huschte zwischen dem Fahrzeug und dem Haus neben dem Teich hindurch. Sie zitterte bei den Worten des Gärtners: „Ich glaube, es ist zu spät.“ Sie suchte den Parkplatz nach dem gelben Bus und Brodys kastanienbraunem Haar in dem Chaos um die offene Bustür ab. Der Fahrer war draußen und sprach mit Hamish. Mrs. Martin winkte die Kinder an Bord, und Holly neben ihr gestikulierte wild.

Wo war ihr Sohn? War er immer noch im Irrgarten? Oder hatte er sich verirrt?

Sie stieß einen sorgenvollen Seufzer aus, als Brody und Edwyn von der anderen Seite des Busses ins Blickfeld kamen, wo sie darauf gewartet hatten, dass sie an der Reihe waren. Bennett hatte jeweils eine große Handfläche auf der Schulter der beiden Jungen liegen. Sie waren die Letzten in der Reihe.

Brody riss sich los, als er sie sah, und rief: „Mum! Was ist passiert?“

Sie ging schnell über den Parkplatz und legte den Arm um die dünnen Schultern ihres Sohnes. Er umarmte sie, obwohl andere Kinder in der Nähe waren. „Ich weiß es noch nicht, Schatz.“

Holly weinte an Mrs. Martins Seite. Paislee hoffte, dass es nur an der Aufregung lag. Sie suchte in den Busfenstern nach den Schülerinnen aus ihrer Gruppe, die schon an Bord waren – da! Brittas blonder geflochtener Kranz, Kylie mit einem Taschentuch vor ihrer Nase, und die rothaarige Moira, zusammen mit den anderen.

„Wir haben einen Schuss gehört!“, sagte Edwyn. „Peng, peng.“ Er pustete seinen Zeigefinger an, als ob er eine rauchende Pistole wäre.

Die einzige Pistole, die sie gesehen hatte, hatte dem Gärtner gehört. Sie betrachtete nachdenklich den Pfad und bemerkte, dass die Türen des Krankenwagens offenstanden.

„Wir haben gerade mit dem Labyrinth angefangen, als wir gesehen haben, wie die Vögel aufflogen.“ Bennets Mund war grimmig verzogen, als er seinen jadegrünen Blick auf die Kinder senkte. „Wir wissen nicht, was passiert ist, Edwyn. Am besten fahren wir zurück zur Schule.“ Er drückte leicht ihren Oberarm. „Wir reden später?“

„Ja.“ Sie drehte sich zu dem Geräusch von Metall, das gegen den Schotter klirrte, während die Rettungssanitäter hinten aus dem Krankenwagen eine Trage holten und sie unter dem Bougainvilleenbogen her den Weg entlang schoben, wie Graham sie angewiesen hatte. Ein zweiter Polizeiwagen kam an, mit Blaulicht aber ohne Sirene.

Hamish und Mrs. Martin sprachen beide mit Holly an der Bustür. Hamish tätschelte die Schulter des Mädchens.

Ein Polizist schlenderte auf sie zu, wobei seine glänzenden schwarzen Stiefel auf den feinen Steinchen knirschten.

Seine Hose und sein Hemd waren schwarz, seine Jacke und Polizeiweste leuchtend gelb, und darin steckten ein Schlagstock und Spray. Die Polizeibeamten trugen keine Pistolen. „Entschuldigung – mir wurde gesagt, es gäbe hier eine Zeugin? Eine Frau?“ Er zeigte auf den gelben Bus. „Sie können noch nicht weg.“

Brody blieb an ihrer Seite.

„Das wäre dann ich“, sagte Paislee. „Paislee Shaw.“
Der Polizist zog seine schwarzweiße Mütze vor Brody. „Ich bin Constable Vega.“

Brody murmelte: „Hi.“

„Kann ich ein paar Fragen stellen?“ Der Constable wies mit dem Kopf von den Kindern weg.

Sie wusste seine Rücksichtnahme zu schätzen. „Warum steigst du nicht schon in den Bus, Brody? Es dauert nicht lange.“ Paislee schob einen widerstrebenden Brody auf Bennett zu, der die Jungen hinter Mrs. Martin und Holly an Bord verfrachtete. Eine weibliche Polizistin – das erkannte sie am Dutt – klopfte an die Haustür des Anwesens. Die arme Familie.

Hamish sah, dass Paislee bei dem Constable war, richtete sich gerade auf und überquerte den Parkplatz mit der Hand auf dem Knopf seines Jacketts. Sie lächelte, als er sich neben sie stellte.

„Ich bin Schulleiter McCall“, sagte er zu dem Polizisten.

„Constable Vega. Ich wollte diese Zeugin hier fragen, was sie gesehen hat.“ Sein Tonfall deutete an, dass der Schulleiter störte.

Paislee legte die Hand auf Hamishs Ellbogen, um ihn an Ort und Stelle zu halten. „Der Schulleiter ist direkt danach hinzugestoßen.“ Sie erzählte von dem dumpfen Knall, wie die Vögel aufgeflogen waren. Holly, der Mann, der durch die Hecke gekracht war, wie sie gedacht hatte, dass sie jemanden gesehen hätte, aber er weggerannt war. „Der Mann heißt Charles. Graham kennt ihn. Der Gärtner ebenfalls.“

„Graham?“, fragte Constable Vega.

Paislee drehte sich dorthin, wo sie den Bildhauer zum letzten Mal gesehen hatte, beim Krankenwagen. Die korrekte Körperhaltung des Gärtners ließ ihn, ohne seinen Hut und seine Schürze, neben Graham, der die Schultern hängen ließ, majestätisch aussehen. „Da ist er. Er war heute Morgen unser Tourguide.“

„Ich habe seine Aussage schon. Er war derjenige, der den Notruf getätigt hat. Nun gut, also, wo ist das Mädchen, Holly…“

„Fisher. Aber sie ist erst zehn“, sagte Hamish.

„Ich brauche ihre Aussage“, sagte der Constable.

Hamish richtete sich auf. „Dann gehe ich mit Ihnen. Brauchen Sie nicht die Erlaubnis ihrer Eltern?“

„Nein.“ Der Constable machte ein finsteres Gesicht und notierte sich etwas in seinem Notizblock. „Sie ist eine Zeugin. Von welcher Schule kommen Sie?“

„Fordythe Primary.“ Hamish griff in sein Portmonee und gab dem Polizisten eine Visitenkarte.

Vega steckte die Karte ein. „Sonst hat niemand etwas gesehen?“

Paislee und Hamish schüttelten beide die Köpfe. „Holly auch nicht“, sagte Paislee. „Sie war auf der Toilette.“

Genau in diesem Moment brachten die Rettungssanitäter die Trage unter dem blumigen Bogen her zurück zum Krankenwagen, gefolgt von einem der ersten Polizisten, einem kleinen, rundlicheren Constable. Der andere, mittelgroß und durchschnittlich gebaut, ging zum Kofferraum seines Fahrzeugs, um einen Tatortkoffer zu holen, zusammen mit gelbem Band, um den Weg bei den Bougainvilleen abzusperren.

Der Gärtner, mit scharfen Wangenknochen und grimmigem Mund, fragte den Sanitäter: „Ist er am Leben?“

Der Mann, der das Fußende der Liege hielt, schüttelte leicht den Kopf, während der andere antwortete: „Das können wir nicht sagen.“

„Bleiben Sie hier.“ Constable Vega ging entschlossenen Schrittes zu den anderen.

Paislee war todtraurig, die Bestätigung zu bekommen, dass der Mann tot war. Tot, und sie war vielleicht die letzte Person gewesen, die ihn gesehen hatte. Sie murmelte ein rasches Gebet für den Fremden.

Sie hörte Stimmen auf der Veranda und sah, wie die Polizistin mit einer jungen, blonden Frau in einem kurzärmligen Kleid sprach; die Dame nickte, während sie zuhörte, und umklammerte ihre Arme, als ob ihr kalt wäre. Die Polizistin sagte noch etwas, und die junge Frau stürmte nach drinnen und schloss die Tür hinter sich. Die Polizistin ging die Treppe hinunter und stellte sich zu den drei Polizisten.

„Holly denkt, dass sie ein Feuerwerk gehört hat.“ Hamish betrachtete ihr Gesicht, und ein Schimmer ihrer Freundschaft war in seinem besorgten Blick sichtbar. „Was ist passiert?“

Paislee zog ihre Strickjacke enger um sich, als der Wind auffrischte. „Nur das, was ich dem Polizisten erzählt habe – ich habe Holly gesagt, dass der Türgriff klemmt, weshalb sie nicht rauskonnte.“

Der Schulleiter knöpfte sein Jackett auf, und dann wieder zu, ein seltenes Zeichen, dass er sich vielleicht unwohl fühlte. „Ich werde ihre Eltern anrufen müssen.“

Sie beneidete ihn nicht darum. Die Eingangstür des Herrenhauses schlug zu. War es die junge Frau, die zurückkam, um mit der Polizistin zu sprechen?

Ihr Herz pochte, als Shawn Marcus persönlich zur Kante der Veranda schlurfte, und den Krankenwagen und die Polizeiwagen beobachtete. Sogar vom Parkplatz aus konnte sie sehen, dass es ihm nicht gutging. Sein dunkelbraunes Resthaar war ungekämmt, und sein schwarzes Poloshirt war zum Teil in seine beigefarbene Hose gesteckt.

„Verdammt!“

„Was ist los?“, fragte Hamish.

„Hast du den Mann da gesehen? Er ist mein Vermieter.“

Hamish kannte ihre persönliche Situation. Seine gepflegte Braue hob sich. „Shawn Marcus? Paislee, du kannst jetzt nicht mit ihm reden. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt.“

„Das ist mir bewusst, danke.“ Ein Regentropfen landete auf ihrer Nase. „Können wir gehen?“

„Constable Vega wollte mit Holly sprechen.“ Hamish steckte die Hände in die Jackentaschen, während er den wolkenverhangenen Himmel beäugte. „Aber ich hoffe, dass er auf ihre Eltern warten wird.“

Ein Hupen ertönte und ein dunkelblauer SUV fuhr vor den geparkten Bus und blockierte den zweiten Streifenwagen.

Constable Vega wippte auf seinen Absätzen zurück. „Der DI ist hier.“

Paislees Schultern sackten herab. Sie und Detective Inspector Zeffer hatten eine sehr unbehagliche Beziehung, seit sie letzten Monat bei einer Mordermittlung geholfen hatte.

Der Detective stieg aus seinem SUV, ohne Kopfbedeckung auf seinem rostroten Haar, und sein maßgeschneiderter blauer Anzug spannte sich makellos über seinen breiten Schultern. Er betrachtete den Parkplatz, den Krankenwagen und das steinerne Haus und richtete seinen kühlen Blick dann auf Paislee.

Man konnte die Kinder in dem Bus hinter ihr hören – keine Schreie, nur erhobene, aufgeregte Stimmen.

„Können wir jetzt gehen?“, fragte Hamish den Constable. „Die Kinder sind durch den Vorfall ganz überdreht. Es wird besser sein, sie zurück zur Routine in der Schule zu bringen.“

„Ich habe Ihre Kontaktdaten, Headmaster McCall“, sagte der Constable. „Wir werden später mit Holly Fisher reden müssen, aber ja, Sie können gehen.“

„Danke.“ Hamishs Absatz grub sich in den Kies, als er sich zum Bus wandte, und Paislee machte sich daran, ihm zu folgen.

„Nicht Sie, Ms. Shaw“, rief der Detective von seinem SUV aus. Er schlug die Tür zu. Seine langen Beine trugen ihn in acht Schritten über den Parkplatz. „Bleiben Sie bitte hier.“

„Mein Auto ist nicht hier.“ Grandpa hatte es bei Cashmere Crush stehen.

Der Detective zuckte die Schultern. „Ich bitte einen Streifenwagen, Sie abzusetzen, sobald wir fertig sind.“

Paislee wurde wütend bei seiner Willkür, aber widersprach nicht.

Hamish griff halb nach ihr und ließ dann unsicher die Hand sinken, wie Brody es getan hatte, als er mit Bennett in den Bus gestiegen war. „Du kommst zurecht?“

„Ja“, sagte sie. „Sorgst du dafür, dass Brody und die anderen das auch tun?“

„Natürlich.“ Hamishs selbstsicheres Auftreten war zurück, bevor er sie verließ und die Stufen vom Bus hochstieg.

Der Busfahrer schloss die Tür und ließ den Motor aufheulen.

Paislee versuchte, sich nicht verlassen zu fühlen, während sie sich dem Detective Inspector und Constable Vega zuwandte. „Ich habe dem Constable schon erzählt, was passiert ist.“

„Zeigen Sie mir, wo Sie waren, wenn es Ihnen nichts ausmacht?“ Zeffer, dessen gestyltes Haar immun gegenüber Bewegungen oder einem gelegentlichen Regentropfen war, wies auf das gelbe Absperrband beim Eingang.

„Okay.“ Die drei überquerten den Parkplatz und hielten auf das Haus zu. Paislee passte auf den rückwärts fahrenden Krankenwagen auf, der dann die schmale Straße entlang vom Anwesen weg fuhr.

DI Zeffer übernahm die Führung, Paislee ging in der Mitte und der Constable hinter ihr. Sie rieb sich die Arme bei der Vorstellung, an den Ort des Verbrechens zurückzukehren, während sie unter dem Blumenbogen hergingen. „Ich dachte erst, es wäre Shawn Marcus. Sie sehen sich so ähnlich – wer ist er?“

„Charles Thomson“, erklärte Constable Vega ihr. „Lady Leerys Neffe.“

„Das erklärt den ähnlichen Körperbau und das Profil.“ Shawn Marcus’ Cousin. Paislee schluckte nervös, als sie ein paar Minuten später die Toiletten erreichten. Kleine orangene Hütchen markierten die Stelle, wo Charles hingefallen war, und gelbes Band sperrte die beschädigte Hecke ab.

Ein Windstoß ließ ihre Haare hochflattern, und sie vergrub die Hände in ihren Jackentaschen. Sie hoffte, dass es nicht in Strömen regnen würde, bevor die Polizisten die nötigen Informationen bekommen hatten, um den Verantwortlichen zu schnappen.

„Hat Charles hier gewohnt?“, fragte der Detective den Polizisten, während er den Weg absuchte. Er kniete sich hin, um ein paar Schleifspuren in der Erde zu untersuchen.

Constable Vega sah in seine Notizen. „Ich glaube, er war zu Besuch hier.“

„Wir müssen es wissen. Polizeiarbeit ist kein Rätselraten.“

Der Constable lief rot an. „Ich werde es rausfinden.“

Der DI richtete sich auf und wandte sich Paislee zu, der der andere Mann leidtat – sie hatte es sich selbst schon mit dem Detective verscherzt. „Wo waren Sie, als es passiert ist?“

Sie zählte leise sieben Schritte ab, während sie von dem Detective Inspector zu der Toilettentür ging. „Hier.“

Seine Lippen wurden schmal. „Was haben Sie vor dem Schuss gehört?“

„Vögel – es war ein friedlicher Morgen. Das Rauschen des Flusses.“ Der Mann wurde erschossen. Ihr Magen verkrampfte sich. „Ich wusste nicht, dass es ein Schuss war.“

Zeffer machte ein finsteres Gesicht. „Dann?“

„Ist Hamish aufgetaucht, und dann der Gärtner.“ Sie zeigte auf die schmutzige Erde, an der er so interessiert gewesen war. „Der Gärtner hat da gekniet, nachdem er vom Schuppen hergerannt war“, erklärte Paislee. „Graham war da, auf der anderen Seite.“

„Und warum waren Sie hier?“, fragte Detective Inspector Zeffer.

Paislee sprach mit ruhiger Stimme, obwohl sie im Inneren völlig aufgelöst war. „Aufsicht für den Schulausflug. Ich habe Holly, eines der Mädchen in meiner Gruppe, zur Toilette begleitet.“ Sie hielt den Knauf fest. „Holly war drinnen, als ich den Aufruhr gehört habe und dann die Leiche habe fallen sehen.“

„Fallen?“ Seine Braue hob sich, als er ihre Wortwahl anzweifelte.

„Nicht direkt ‚fallen‘“, sagte sie, und gab ihr Bestes, zu beschreiben, was passiert war. „Dahinter war mehr Kraft als nur ein Stolpern nach hinten.“

„Sah es aus, als wäre er geschubst worden?“ Er stieß mit den Händen gegen die Luft, um es zu demonstrieren.
Paislee dachte an den Schatten, den sie durch das Gebüsch gesehen hatte. „Ich bin mir nicht sicher. Ich dachte, ich hätte jemanden gesehen, aber er ist weggerannt, als ich ihm nachgerufen habe.“

Seine Nasenflügel blähten sich, als ob er den Geruch seiner Beute gewittert hätte. „Können Sie die Person beschreiben?“

„Ich bin mir nicht sicher, dass ich jemanden gesehen habe, aber die Hecke hat ungefähr bis hier hin geraschelt.“ Sie verließ ihren Posten an der Toilettentür und hielt ihre Hand auf ungefähr ein Meter achtzig neben die zwei Meter hohe Hecke. Ihre Zweige waren ineinander verschlungen, aber die jungen Blätter füllten sie noch nicht komplett aus.

Der DI seufzte voller Verzweiflung. „Was ist hier hinter?“ Er spähte durch die Hecke, aber schreckte zurück, als sich ein Dorn in den Ärmel seines blauen Anzugs bohrte. Nicht die freundliche Art von Gestrüpp. „Vega, lassen Sie es auskundschaften.“

Der Constable betrachtete das Gebüsch und die Krempe seiner Mütze verfing sich in einem Ast. „Jawohl.“

„Da ist ein Fluss, aber ich weiß nicht, wie man hinter diese Hecke kommt.“ Paislee zog ihre Strickjacke um ihren alarmierten Körper. „Er führt bis ganz unten zum runden Labyrinth und einem Picknickpavillon.“
Zeffer starrte sie an. Wartend. Fordernd.

Sie erinnerte sich an Charles’ marineblaues Hemd, als er auf dem Weg gelegen hatte. „Ich habe keine Wunden gesehen, aber der Gärtner hat Graham Charles’ Rücken gezeigt.“ Sollte sie erwähnen, dass sie Shawn nicht leiden konnten? Wahrscheinlich nicht – es würde sich wie Klatsch anhören, und sie wusste, dass der DI das hasste.
Zeffer massierte seinen kantigen Kiefer. „Constable, wer ist der Gärtner?“

Constable Vega las seine Notizen. „Malcolm Gunn. Chefbutler – er kümmert sich sowohl ums Haus als auch um die Gärten.“

„Ich will, dass Sie dieses Gelände durchsuchen, bis eine Waffe gefunden wurde.“ Der Detective Inspector tigerte auf dem Weg auf und ab wie ein eingesperrtes Tier, mit aufgeladenem rostrotem Haar und lodernden grünen Augen.
„Sie sind dabei“, sagte der Constable und schluckte.

Und was war mit der möglichen Pistole? Wenn sie den Mund hielt und sich herausstellte, dass sie wichtig war, würde der DI fuchsteufelswild sein. Sie räusperte sich. „Detective, ich glaube der Butler hatte eine Waffe in seiner Schürzentasche.“

Zeffer fuhr auf dem Absatz herum. „Was? Warum haben Sie nicht gleich etwas gesagt – Vega, schnappen Sie den Butler!“

Der Constable schlug mit der Hand gegen seine Mütze und rannte los.