Leseprobe Herzklopfen in Hidden Falls

Kapitel Eins

Desdemona Hudson stand im Foyer des alten Art déco Theaters in Hidden Falls, Pennsylvania, und hob ihren Blick zu der durch Wasser beschädigten, gewölbten Decke. Das Licht brach sich in geometrischen Mustern in bunten Farben – rot, gold, grün – an dem kunstvoll ausgearbeiteten Kristallkronleuchter, der in der Mitte eines großen Gipsreliefs hing.

„Ich bin sicher, die Dachdecker waren versichert. Ich weiß noch, dass ich eine Bescheinigung zusammen mit dem Vertrag gesehen habe.“ Des konnte den Blick nicht von dem Desaster abwenden. „Verdammt. Wir kriegen endlich unser neues Dach, und der erste starke Wind nimmt was davon mit.“

Joe Domanski, der Handwerker, der eingestellt worden war, um die Sanierung des Sugarhouse zu leiten, hatte die Hände in die Hüften gestemmt, einen resignierten Ausdruck in seinem sonnengebräunten Gesicht.

„Das ist nicht ihre Schuld, Des, und das war nicht nur ein ‚starker Wind.’ Das war ein massiver Sturm mit orkanartigen Böen, ein Jahrhundertsturm. Das würde man eine Naturgewalt nennen, und ich kenne keine Versicherung, die sowas nicht ausschließt.“

„Hast du die Dachdecker angerufen?“

„Ja, bevor ich dich angerufen habe. Sie sollten innerhalb einer Stunde hier sein, um sich den Schaden anzusehen und ein paar vorläufige Reparaturen zu machen, falls noch mehr Regen kommt, bevor sie die Schindeln austauschen können.“

Des nickte langsam. Es gab nichts, was sie zu Joe sagen könnte, was er nicht selbst schon dachte.

Wie viel würde das alles kosten? Wie lange würde es die Sanierung aufschieben?

Sie war sich ziemlich sicher, dass das Dach selbst repariert werden konnte, und vielleicht konnte Joe die Dachdecker dazu überreden, die fehlenden Schindeln kostenfrei zu ersetzen, als ein Zeichen guten Willens. Das wahre Problem würde sein, die verschlungenen gemalten Verzierungen an der beschädigten Decke wiederherzustellen.

Ein Splitter vom Putz segelte nach unten, blieb in ihren kastanienbraunen Locken hängen, und baumelte über ihrer Stirn. Sie verscheuchte ihn und runzelte die Stirn, als sie die Flocken von Farbe auf dem Boden sah.

„Mist“, murmelte sie. Sie nahm ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Luft im Theater war drückend heiß.

„Ich werde tun, was ich kann“, sagte Joe zu ihr.

„Nur …“ Des seufzte. „Bring mir den Kostenvoranschlag und sag mir Bescheid, wie lange die Reparatur dauern wird.“

Sie pfiff, und ein weißer Blitz schoss zwischen den Stühlen hervor und rannte den Gang hoch. „Zeit zu gehen, Buttons“, sagte sie zu dem Mischlingsstreuner, den sie gerettet und aufgenommen hatte, und zog eine pinke Leine aus ihrer Jackentasche. Des bückte sich und hakte sie am Halsband der kleinen Hündin ein.

„Bleibst du nicht, bis die Dachdecker hier sind?“

Des schüttelte den Kopf. „Cara sollte bald auf dem Weg hierhin sein. Sie wäre gekommen, wenn sie vom Joggen zurückgewesen wäre, als du angerufen hast. Sorg einfach dafür, dass die Dachdecker alles ersetzen, was abgeflogen ist, und lass Cara übernehmen. Die tatsächlichen Reparaturen des Gebäudes sind ihre Sache. Ich bin hier, weil das Geld mein Problem ist. Es repariert zu kriegen ist Caras. Dafür zu bezahlen, ist meins.“

„Des, ich …“, begann Joe, aber sie wischte den Kommentar weg, den er gerade abgeben wollte.

Es gab wirklich nichts mehr zu sagen.

Es war nicht Joes Schuld, dass am Wochenende ein frühsommerlicher Sturm durch die Pocono Mountains gefegt war und mehrere Schindeln auf den Parkplatz der Bücherei nebenan gepustet hatte. Obwohl Des nicht Joe persönlich die Schuld gab, das letzte, was sie brauchte, war noch ein Problem, was ihr bereits knappes Budget belastete. Sie ging durch das Foyer und aus der Eingangstür in die untypische Hitze. Buttons beeilte sich, mit ihr Schritt zu halten. Es war knapp zehn Uhr morgens und schon jetzt war es durch die steigenden Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit unangenehm, sich zu bewegen.

In Cross Creek, Montana, würde es immer noch Frühling sein. Die Bäume hinter ihrem Holzhaus würden Knospen treiben und die Blumenzwiebeln, die sie letzten September gepflanzt hatte, würden blühen. Hier gingen die Pfingstrosen dem Ende ihrer Saison zu und regionale Erdbeeren türmten sich in grünen Kartonkästen auf den Marktständen am Rand der Landstraßen. In den Bergen in Montana ging der Winter nur widerwillig. Hier in den Bergen in Pennsylvania klopfte der Sommer bereits an die Tür.

Sie ging langsamer, als sie an bereits grünen Bäumen entlangging, ließ Buttons herumtrödeln, schnüffeln und alles mit der Pfote anstupsen, was auch immer ihr ins Auge fiel. Cara fuhr vorbei und hielt lange genug an, um sich einen kurzen Überblick zu verschaffen, bevor sie zum Theater weiterfuhr.

Des nahm ihr Handy aus ihrer Hosentasche, um nach Nachrichten zu schauen. Normalerweise hörte sie zu der Zeit in der Woche von ihrer Freundin Fran, die das Tierheim leitete, das Des in Cross Creek finanzierte. Immer noch keine Nachrichten. Des tippte schnell: Alles okay bei euch?, und packte dann ihr Handy weg. Obwohl sie viele Meilen von Cross Creek entfernt war, erkundigte sie sich nach dem Tierheim, was ihr so am Herzen lag. Sie wollte wissen, was es Neues zu neuen Hunden gab, Tieren, die adoptiert worden waren, und irgendwelchen Mitarbeitern, die in ihrer Abwesenheit eingestellt worden waren. Die gesprächige Fran war immer für Informationen zu haben.

Es war hart, von zuhause und ihrer Arbeit weg zu sein, besonders, nachdem sie dieses Heim gegründet, finanziert, und dort persönlich gearbeitet hatte, um die bedürftigsten der misshandelten Tiere zu rehabilitieren. Jeder Hund, mit dem sie gearbeitet hatte, hatte einen kleinen Teil von Des mitgenommen, wenn sie ihn zu seinem endgültigen Zuhause brachte. Es war mehrere Jahre her, seit sie sich entschieden hatte, dass Tierpflege ihre Berufung war, und sie hatte viel von sich selbst investiert, um das zu verwirklichen.

Und doch war sie hier, mehrere tausend Meilen weit weg, tief inmitten der Sanierung eines neunzig Jahre alten Theaters in einer Stadt, von der sie noch nie gehört hatte, während jemand anderes ihr Tierheim leitete und mit ihren Hunden arbeitete.

Was stimmte nicht mit diesem Bild?

Andererseits hatte sie in Cross Creek keinen der Hunde behalten, die sie geliebt hatte, denn sie hatte alle geliebt. Hier in Hidden Falls hatte sie Buttons behalten können, die schnell einen Weg in die Herzen von jedem in der Hudson Familie gefunden hatte.

Trotzdem, es verging kein Tag, an dem Des sich nicht fragte, was wirklich ihr Zuhause war.

Mensch, danke, Dad.

Dad war der verstorbene Franklin – Fritz – Hudson, Hollywood Agent und Vater von Des und ihrer Schwester Allie, über ihre Mutter Honora – Nora – Hudson, die Schauspielerin, die vor vier Jahren gestorben war. Es war ihnen bis vor kurzem unbekannt gewesen, dass er auch der Vater von Cara war, deren Mutter Susa vielleicht Fritz’ rechtmäßige Frau gewesen war, vielleicht aber auch nicht. Die Dinge waren ein bisschen verschwommen, was seine Ehen anging. Hatte er sich von Nora geschieden, bevor er Susa geheiratet hatte? Die Papiere waren lückenhaft, und Fritz’ bester Freund und Anwalt, Pete Wheeler, konnte kein Licht auf die Situation werfen, wenn es darum ging, das Rechtliche zu sortieren. Nachdem Fritz gestorben war, war es Pete zugefallen, Des, Allie und Cara einander vorzustellen, und die Neuigkeiten über die zwei Familien ihres Vaters zu überbringen.

Als der Schock sich langsam gelegt hatte, hatte Pete die andere Bombe platzen lassen: Um Fritz’ Nachlass zu erben, mussten die drei Frauen zusammen im Elternhaus ihres Vaters in Hidden Falls, Pennsylvania, leben, bis sie die Restaurierung des zugenagelten, heruntergekommenen Theaters ihrer Familie abgeschlossen hatten. Wenn irgendeine der drei sich weigerte oder abreiste, bevor die Restaurierung komplett war, würde das gesamte Vermögen an eine Wohltätigkeitsorganisation von Petes Wahl gehen. Da Fritz’ Töchter ihre eigenen Gründe hatten, warum sie das Geld brauchten, hatten sie den absurden Bedingungen zugestimmt.

Aber es hatte sich rausgestellt, dass Fritz andere Geheimnisse gehabt hatte.

Da war die Kleinigkeit von Fritz’ Schwester, Bonnie – in Hidden Falls als Barney bekannt – die im Elternhaus der Hudsons gelebt hatte. Während Fritz seinen Töchtern nie von ihr erzählt hatte, wusste Barney alles über sie und die Bedingungen des Testaments ihres verstorbenen Bruders, und wartete mit offenen Armen auf sie, als sie ankamen. Es war unmöglich gewesen, Barney nicht zu lieben, und sie hatten sie alle sofort ins Herz geschlossen. Barney war nicht nur schlau, sie war weise, liebevoll, und hatte ein Herz aus Gold. Sie hatte ihre Nichten fröhlich in die Familiengeschichte eingeführt, die ihr Vater ihnen verschwiegen hatte. Des’ Leben war so viel reicher, seitdem Barney ein Teil davon war.

Und je mehr Des Cara kennenlernte, desto wichtiger wurde ihr diese Halbschwester, die am Boden geblieben und lustig war, und mit gesundem Menschenverstand, einem logischen Kopf und Herz im Überfluss gesegnet war. Sie und Des sahen sich sogar ein bisschen ähnlich, beide hatten das gleiche lockige kastanienbraune Haar und herzförmige Gesicht. Zusammen hatten sie die Familienporträts in Barneys Diele angesehen, und versucht rauszufinden, welchem Vorfahr sie am ähnlichsten sahen.

Man kam gut mit Cara klar, sicherlich besser als mit Allie, die die Älteste und die Größte der drei war. Sie war dünn, und ihr blondes Haar war lang und glatt. Sie hatte Wangenknochen, um die sie ein Model beneiden würde, und Gesichtszüge, die dafür sorgten, dass sie meistens die schönste Frau im Raum war. Allie hatte einen angeborenen Sinn für Stil, der Des zugegebenermaßen fehlte. Und obwohl Des als Kind der Star ihrer eigenen Fernsehserie, Des Does It All, gewesen war, hatte sie sich neben Allie immer unsichtbar gefühlt.

Es war Jahre her, dass Des und Allie unter einem Dach gewohnt hatten, und Des war sich immer noch nicht sicher, ob das gutgehen würde. Es schmerzte Des, dass sie mit der großen Schwester, die sie als Kind verehrt hatte, mehr als die Hälfte ihres Lebens kaum etwas zu tun gehabt hatte. Des wusste, dass Allie mit der Distanz zwischen ihnen dafür sorgte, dass Des nie ihren Groll darüber vergaß, dass Des vor langer Zeit für eine Rolle ausgesucht wurde, die Allie unbedingt hatte haben wollen. Ironischerweise hatte Des nur vorgesprochen, weil ihre Mutter sie dazu gezwungen hatte – sie hatte nie schauspielern, nie im Rampenlicht stehen wollen. Das Verrückte daran war, dass Des ein Naturtalent war. Auf der anderen Seite der verrückten Medaille hatte Allie überhaupt kein Talent, und dafür hatte sie Des die Schuld gegeben und es ihr nie verziehen.

Mit dem Tod ihrer Mutter war selbst der einst gelegentliche Kontakt zwischen den Schwestern auf der Strecke geblieben. Des hatte mehrere Male versucht, Allie wieder in ihr Leben zu bringen, aber nichts hatte funktioniert. Sie hoffte, dass sie und Allie ihre Probleme klären konnten, während sie zusammen in Hidden Falls lebten, und wieder richtige Schwestern werden konnten, so wie sie es gewesen waren, bevor Neid und Groll wichtiger geworden waren als die Verbindung zwischen Schwestern. Zumindest war das Des’ Plan.

Als Des den Rand des weiten Vorgartens des geräumigen viktorianischen Hauses erreichte, das die gesamte Seite des ersten Blocks von der Hudson Street einnahm, ließ sie Buttons von der Leine. Die kleine Hündin liebte es, zur Veranda zu flitzen und zu bellen, während sie vor der Haustür hin und her tanzte, bis sie jemand reinließ. Heute waren Des’ Schritte langsamer als sonst, und sie konnte Barneys Blicke auf sich spüren, als sie auf die Veranda zuging.

„So schlimm?“ Barney hielt die Tür auf, während Des eintrat.

Barney hatte verkündet, dass sie mit Mitte siebzig zu alt für Shorts war, daher zog sie an heißen Tagen ein Strickkleid aus Baumwolle an, dass ihr bis zu den Knien reichte, und kaum mehr als ein langes T-Shirt war. Mit ihren grob geschnittenen, blonden Haaren und ihrer schlanken, jugendlichen Figur konnte sie es in jedem Alter tragen.

„Cara ist jetzt drüben und wartet auf die Dachdecker. Bis wir ihren Bericht kriegen, wissen wir nicht, wie groß der Schaden ist. Ich habe keine Ahnung, was die Reparaturen kosten werden. Aber oh, Barney, etwas von den hübschen Malereien ist ruiniert, und an der wunderschönen pfauenblauen Decke fehlen ein paar Flecken.“

Des folgte Barney ins Wohnzimmer, wo die ältere Frau anscheinend gerade gelesen hatte. Ein Buch lag offen umgedreht auf dem Sofa, und eine Tasse Tee kühlte auf dem Beistelltisch ab.

„Wo ist Allie?“, fragte Des.

„Sie ist vorhin nach unten gekommen, hat Frühstück gemacht, und hat es mit nach oben genommen, wie jeden Tag zu dieser Zeit, seit Nikki weg ist. Ich habe schon Mitleid mit ihr. Wenn Nikki meine Tochter wäre, würde ich sie bei mir haben wollen, nicht auf der anderen Seite des Landes bei ihrem Vater. Aber das ist die Regelung, auf die sich Allie und ihr Ex geeinigt haben. Natürlich hatte deine Schwester zu dem Zeitpunkt keine Ahnung, dass sie hier landen würde. Man kann es ihr schwer verübeln, unglücklich zu sein.“

„Unglücklich und unfreundlich sind zwei verschiedene Dinge.“ Des lehnte sich gegen den Türpfosten. „In ihren besten Momenten ist Allie nur einen Tick besser als Elphaba.“

„Wer?“

„Die böse Hexe des Westens. Aus Wicked? Das Theaterstück? Die böse Hexe aus Der Zauberer von Oz?“ Des grinste. „Die, die gesagt hat: ‚I’ll get you my pretty …’“

„‚And your little dog, too.’“ Allie ergänzte das Zitat aus der Diele. „Was ist drüben beim Theater los?“

„Nichts, dass eine Schar fliegender Affen nicht wieder hinkriegen könnte.“ Des erzählte Allie schnell von dem Wasserschaden am Theater. „Sobald Cara zurück ist, müssen wir überlegen, was wir als Nächstes tun.“

„Wenn sie mit Joe beim Theater ist, wird sie es vielleicht bis zum Abendessen schaffen. Vielleicht.“ Allie lehnte sich an den Türpfosten ihrer Schwester gegenüber.

„Du bist nur eifersüchtig, weil Joe auf Cara steht und nicht auf dich.“ Des fragte sich, ob da nicht vielleicht etwas dran war. Cara war kaum in Hidden Falls angekommen, als sie Joe schon ins Auge gefallen war, und alle drei Hudsonschwestern waren sich einig, dass der große, muskulöse, blonde Handwerker nicht nur gut aussah, sondern auch ein aufrichtig netter Kerl war. Des hatte sich selbst gefragt, wie es wohl wäre, wenn ein Typ wie Joe verrückt nach ihr wäre.

„Oh, bitte. Als ob ich an Joe interessiert wäre.“ Allie verdrehte die Augen. „Er ist sowas von nicht mein Typ.“

Des musste lachen. „Joe Domanski ist der Typ jeder Frau. Jeder Frau mit einem Puls und aktiver Libido. Der Mann ist heiß nach allen Standards.“

Allie gab vor, nichts gehört zu haben, als sie zur Treppe ging. „Sag mir Bescheid, wenn Cara zurück ist.“

Des sah zu, wie ihre Schwester die Treppe in den ersten Stock erklomm, drehte sich dann zu Barney um und sagte: „Ich hole mir was zu trinken, dann gehe ich ins Büro. Ich sollte unsere Leute von der Versicherung wegen des Schlamassels am Theater anrufen. Du kannst gerne zu uns kommen, wenn wir endlich alle beisammen haben.“ „Ich bin da, sobald ich das Kapitel zu Ende gelesen habe.“ Sie hielt ihr Buch hoch. „Ich brenne darauf zu erfahren, ob Maude ihren Entführern fliehen kann. Buttons kann hier bei mir bleiben. Sie hat wirklich keinen Sinn für Geschäftliches.“

Der Hund schaute zu Barney hoch und wedelte erwartungsvoll mit dem Schwanz.

„Oh, na gut.“ Barney klopfte neben sich auf das Sofa. „Na los.“

Der Hund hüpfte auf das Sofa, rollte sich auf den Rücken, und warf Barney ihren „Kraul mir den Bauch“-Blick zu.

Des seufzte. „Ich frage mich, ob irgendeine von uns einen Sinn fürs Geschäftliche hat. Das ist nicht so einfach, wie wir gedacht haben.“

„Mit ‚das’ meinst du, das Sugarhouse zu restaurieren?“

Des nickte.

„Wenn es einfach wäre, hätte mein Bruder die Renovierung fertiggestellt, bevor er starb.“ Barney las weiter, während sie abwesend mit einer Hand dem Hund den Bauch streichelte.

Des war gerade in die Küche gegangen, als Cara zur Hintertür hereinkam und ihre Autoschlüssel an den entsprechenden Haken hängte.

„Also, wie ist es gelaufen? Waren die Dachdecker da?“

Cara nickte. „Sie sind hoch aufs Dach und haben mehrere Schindeln gefunden, die ersetzt werden müssen. Sie haben außerdem das Sperrholz unten drunter überprüft. Es ist nass, aber das kann auch ganz einfach ersetzt werden, was die Dachdecker kostenfrei machen werden. Aber der Schaden an der Decke sieht ziemlich schlimm aus. Joe wird ein Gerüst im Foyer aufbauen lassen. Die Dachdecker meinten, sie würden sich darum kümmern. Sie werden so viel Material mitbringen, wie sie haben, aber sie meinten, sie hätten bei Weitem nicht genug, um bis an die Decke zu kommen. Sie haben aber zugestimmt, dass sie betteln, ausleihen, klauen, oder mieten werden, was noch nötig ist, um nach ganz oben zu kommen, damit wir die Decke untersuchen können. Bis das getan wurde, wissen wir nichts Weiteres.“

„Ich schätze, es wird Zeit, unsere Versicherungsvertreterin anzurufen. Es freut mich zu hören, dass sich die Dachdecker dafür gemeldet haben, die Schindeln und die Holzverkleidung zu ersetzen – was sie definitiv tun sollten – aber ich weiß nicht, wer für den Schaden an der Decke bezahlen wird, die Versicherung der Dachdecker oder unsere, aber wir müssen einen Bericht schicken.“

Cara zog ihr Haargummi aus ihrem langen, kastanienbraunen Haar, was ein paar Töne heller und nur ein bisschen weniger lockig als Des’ war. „Lass mich was zu trinken holen, dann schauen wir, was von der Versicherung abgedeckt wird.“

„Bring Allie mit, ja? Ich glaube, wir müssen Kriegsrat halten.“

Des durchquerte die breite Diele und ging in das Büro, das schon einigen Generationen der Hudsons gedient hatte. Sie fand den Gedanken an all die Menschen etwas einschüchternd, die vor ihr an dem großen Eichenschreibtisch gesessen hatten. Sogar der Stuhl war imposant – ein schwarzer Lederstuhl mit hoher Lehne, der zuerst von Reynolds E. Hudson benutzt wurde, Des’ Urgroßvater, dann von dem zweiten Reynolds Hudson, ihrem Großvater, und schließlich von Barney, als sie als Direktorin die Bank übernommen hatte, die seit Jahren von den Hudsons geleitet wurde. Sie waren alle legendär für sie, sogar Barney.

Besonders Barney, die mehr als zwanzig Jahre lang die Direktorin gewesen war, nachdem Fritz das Familienunternehmen mit Nora verlassen hatte und zur West Coast gegangen war, um seiner Geliebten dabei zu helfen, ein Star zu werden.

Sie hatten erwartet, dass Fritz in die Fußstapfen der früheren Generation treten würde, aber als das nicht geschah, war Barney zum Verwaltungsrat gegangen und hatte jeden daran erinnert, dass Fritz nicht das einzige Kind von Reynolds war, und dass sie die Bank besser leiten konnte, da sie schlauer und konzentrierter war, als Fritz es je gewesen war. Als der uralte, ausschließlich männliche Rat nachgegeben hatte, hatten sie festgestellt, dass Barney alles war, was sie behauptet hatte. Barney wurde immer noch in Hidden Falls verehrt für die vielen Dinge, mit denen sie der Stadt durch harte Zeiten geholfen hatte. Unter ihrem wachsamen Blick waren Unternehmen entstanden, neue Häuser gebaut worden, und einige ältere Häuser hatten den Besitzer gewechselt. Sie war stolz auf die Tatsache, dass es bei keinem Darlehen, das sie bewilligt hatte, je zu einem Zahlungsverzug gekommen war.

Es war schwer für jemanden wie Des, die niemals einen Kurs über Buchführung belegt hatte, sich würdig zu fühlen, in solche Fußstapfen zu treten. Und doch saß sie hier, in dem großen schwarzen Stuhl hinter dem sagenumwobenen Schreibtisch, mit Akten vor sich, bereit, die finanzielle Lage des Theaters mit ihren Schwestern zu besprechen. Als es Zeit gewesen war, die Verantwortungsbereiche für die Sanierung des Theaters aufzuteilen, war Des aufgrund der Tatsache, dass sie das Geld gut investiert hatte, das sie als Kinderstar verdient hatte, die finanzielle Kontrolle gegeben worden.

„Kein toller Lebenslauf“, murmelte sie, als sie die Akte vor sich öffnete, auf der „RECHNUNGEN“ stand, und suchte nach dem Kostenvoranschlag der Dachdecker, Sennett and Masters. Sie las ihren Bericht noch einmal durch, dann den Vertrag, und suchte nach Formulierungen, die die Verantwortung für das Leck auf sie werfen würden. Aber Joe hatte recht. Die Klausel über „Naturgewalten“ stand dort im Kleingedruckten schwarz auf weiß.

Während sie auf ihre Schwestern wartete, klappte Des ihren Laptop auf und öffnete das Bankkonto des Theaters. Für einen Moment starrte sie auf den schwindenden Kontostand, nahm dann einen Stift und klopfte damit unruhig auf die Schreibtischplatte. Sie hatte so sehr versucht, vorsichtig zu planen, aber jedes System hatte ersetzt und ein paar neue hinzugefügt werden müssen. Das Gebäude hatte jetzt eine Klimaanlage und WLAN, zwei Dinge, die unbekannt waren, als das Theater gebaut wurde, und die Umrüstung war teuer. Die meisten der teuren Systemerneuerungen waren abgeschlossen, aber sie durften keinen Cent verschwenden.

Und es standen noch happige Ausgaben bevor. Der Teppichboden musste erneuert, und die Stühle und das Vordach mussten repariert werden. Die Fassade musste gestrichen und der Ticketschalter musste wieder aufgebaut werden. Sowohl die Beleuchtung und die Leinwand als auch die Vorhänge an der Bühne mussten alle erneuert werden, und auch die Bühne musste neu poliert werden.

Und jetzt mussten sie die Decke reparieren, und die minutiös detaillierte Bemalung würde wiederhergestellt werden müssen.

Des stieß einen langen Seufzer aus. Früher oder später würde ihnen das Geld ausgehen. Sie betete, dass es nicht früher passieren würde.

Sie legte ihre Arme auf den Schreibtisch und sah sich in dem hübschen Raum um, mit seinem steinernen Kamin, hohen Fenstern und der dunklen Vertäfelung, und fragte sich, mit welchen finanziellen Krisen sich die anderen Hudsons in diesem Stuhl beschäftigt hatten. Der erste Reynolds, der, der das Theater gebaut hatte, hatte der Stadt durch die Große Depression geholfen. Ihr Großvater, den sie als Reynolds Zwei bezeichnete, hatte es geschafft, Hidden Falls durch den zweiten Weltkrieg zu führen, und Barney hatte die Stadt durch mehrere Wirtschaftsabschwünge navigiert. Des sah die beiden Reynolds vor sich, wie sie urteilend nebeneinander am Kamin standen, die Arme vor der Brust verschränkt, mit dem Fuß klopften, und abwarteten, ob sie der Herausforderung gewachsen und würdig war, sich eine Hudson zu nennen.

„Okay, die Bande ist da“, verkündete Allie, als sie und Cara ins Zimmer kamen. „Was ist das Problem?“

„Setzt euch.“ Des wies auf zwei der vier dunkelgrünen Lederstühle, die den Schreibtisch umgaben, und brachte sie auf den neuesten Stand, was den Schaden und die Frage anging, wessen Versicherung die Reparaturen bezahlen würde.

„Ich bin sicher, wir haben eine Versicherungspolice, die Windschaden abdeckt. Ich habe sie überflogen, als wir sie bekommen haben.“ Cara ging zum Schrank und zog die entsprechende Akte heraus. „Es stand unter abgedeckte Risiken.“ Sie überflog Seite um Seite. „Hier steht’s.“ Sie hielt inne, um den Abschnitt zu lesen. „Im Grunde steht hier, dass, wenn Wasserschaden durch Wind verursacht wurde, die resultierenden Schäden abgedeckt werden.“

„Ich rufe unsere Versicherungsvertreterin jetzt sofort an.“ Des griff nach der Akte und suchte nach der Nummer.

„Die Dachdecker sind schuld“, sagte Allie. „Ihre Versicherung sollte es zahlen.“

„Die Versicherungen können sich darum kloppen. Es ist mir ziemlich egal, wer es bezahlt, Hauptsache, jemand tut es.“ Des wählte die Nummer auf ihrem Handy. „Das größere Problem wird sein, jemanden zu finden, der tatsächlich die Deckenverzierung wieder hinbekommt.“

„Cara, die Decke ist Teil des Gebäudes, und da du für die Renovierung zuständig bist, ist das deine Aufgabe“, sagte Allie zu ihr.

„Ich bin für Reparaturen an dem eigentlichen Putz verantwortlich. Alle hübsch gemalten Details sind deine Sache, da du für die Dekoration zuständig bist. Und so wie ich das sehe, sind viele dieser kleinen hübschen Details hinüber.“

Allies Handy vibrierte, als eine neue Nachricht ankam, und sie öffnete sie sofort. Nachdem sie die Nachricht gelesen hatte, sah sie hoch zu Cara und sagte: „Tschuldigung. Nikki erzählt mir gerade ihre Pläne für den Sommer.“

„Kommt sie nicht her?“ Des legte ihre Hand über das Telefon, während sie in der Warteschleife war.

„Ich kriege gerade erst ihr Programm. Sie verbringt zwei Wochen mit Clints Eltern in Chicago, was okay ist. Sie werden sie fürchterlich verwöhnen und ihr einen Haufen Sommerkleidung kaufen, also ist das in Ordnung für mich. Jetzt warte ich darauf, was ihr Vater noch so für sie geplant hat. Ich möchte, dass sie den Rest des Sommers hier verbringt, mit mir.“ Sie sah von ihrem Handy hoch. „Uns, meine ich. Ich möchte, dass sie den Sommer mit uns verbringt.“

„Du weißt, dass wir sie alle hier haben möchten“, versicherte Cara ihr.

„So lange, wie wir sie haben können“, ergänzte Des. Sie wusste, wie sehr ihre Schwester ihre Tochter liebte und vermisste, die vierzehn und die absolute Liebe ihres Lebens war. Allie mochte viele Dinge sein – frech und sarkastisch waren ganz weit vorne – aber niemand konnte leugnen, dass sie eine großartige Mutter war. Nikki war der lebende Beweis, dass es tief im Innern etwas Gutes in Allie geben musste.

„Oh, keine Sorge. Ich werde für so viel Zeit wie möglich kämpfen“, versicherte Allie ihnen. „Clint hat sie das ganze Jahr über. Es steht mir zu, sie den Sommer über zu haben.“

„Definitiv. Sie sollte bei uns sein“, sagte Des.

„Ich weiß, dass ihr sie liebhabt. Ich bin dankbar dafür. Wirklich, das bin ich. Und ich weiß, dass sie euch auch alle liebhat und vermisst.“ Allies Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln, und ihr Ausdruck wurde merklich weicher. „Vielleicht nicht so sehr, wie sie mich liebhat und vermisst, aber trotzdem …“

Des lachte und warf ihrer Schwester ein Stück Papier an den Kopf. „Du bist so eine Ziege, Allie.“

„Stimmt. Aber ihr liebt mich trotzdem. Und auf meine eigene süße Art liebe ich euch auch alle.“ Ihr Blick wanderte zu Des. „Glaube ich.“

„Was ist hier los?“ Barney stand im Türrahmen.

„Du kommst gerade richtig.“ Allie drehte sich auf ihrem Stuhl um, um ihre Tante anzusehen. „Wir wollten uns gerade an den Händen fassen und ein paar Strophen von ‚Kumbaya’ singen.“

„Oh, gut. Ein Lied aus meiner Generation. Soll ich anfangen?“ Barney nahm sich einen Stuhl und zog ihn neben Caras.

Des lächelte und sagte: „Ich glaube, der Moment ist vorüber.“

„Also, was habe ich verpasst?“

„Nicht sehr viel … ja, hallo?“ Des’ Aufmerksamkeit kehrte zu ihrem Anruf zurück. „Ich habe auf Heather Martin gewartet?“

„Ich glaube, wir sollten uns alle den Schaden ansehen.“ Allie senkte die Stimme, um nicht gehört zu werden.

Cara nickte. „Finde ich auch, und wenn auch nur, damit wir alle wissen, womit wir es zu tun haben. Jede von uns könnte aufgefordert werden, mit den Leuten von der Versicherung oder möglichen Künstlern zu sprechen.“ Sie hielt inne. „Aber wo wir Künstler finden, die qualifiziert sind, an historischen Gebäuden zu arbeiten – von den detailreichen Malereien ganz zu schweigen – da habe ich keine Ahnung.“

„Althea College“, meldete Barney sich.

„Was?“ Allie und Cara drehten sich beide zu ihr.

„Althea College. Sie haben eine wundervolle Fakultät der bildenden Künste. Einmal haben sie einen Master für Kunsterhaltung angeboten. Vielleicht tun sie das immer noch, oder zumindest könnte jemand in der Fakultät jemanden kennen, der mit euch arbeiten könnte.“

„Das ist perfekt, Barney.“ Des legte auf. „Heather, unsere Vertreterin, hat gesagt, dass sie uns jederzeit treffen könnte. Wir müssen nur anrufen.“

„Ich rufe das College an.“ Allie erhob sich.

„Und ich setze mich mit Joe in Verbindung, um einen Stuckateur zu finden.“ Cara klappte die Police zusammen und tat sie wieder in den Aktenschrank zurück.

„Die Decke ist nicht unser einziges Problem.“ Des bedeutete ihren Schwestern, sich wieder zu setzen. „Ich bin die Zahlen durchgegangen. Der übrige Betrag, den wir haben, könnte unsere verbleibenden großen Ausgaben abdecken, wenn wir bis ans absolute Limit gehen. Bei dem, was darüber hinausgeht, wird es schwierig. Wir müssen rausfinden, wie wir das Geld zusammenkriegen, um alles am Laufen zu halten, während die Renovierung fertiggestellt wird. Strom, Wasser, Heizung, Klimaanlage – diese Rechnungen müssen bezahlt werden, während die Arbeiten noch laufen. Die Handwerker können nicht im Dunkeln arbeiten, und nach dem, was Barney uns erzählt hat, wird es hier richtig heiß und feucht im Sommer. Ich kann das Geld für die monatlichen Ausgaben nicht finden.“

„Dad hat uns eine Million Dollar hinterlassen“, erinnerte Allie sie.

„Er hat es unterschätzt.“ Des klopfte wieder mit dem Stift auf die Platte. „Es reicht nicht.“

Im Raum wurde es still.

„Hey, wir haben ein Theater. Lass uns eine Show abziehen.“ Allie wandte sich Barney zu. „Ist das nicht, was Mickey Rooney immer in diesen alten Filmen gesagt hat, die du immer guckst?“

„Babes in Arms, glaube ich, war die einzige Show, wo dieses Zitat – oder etwas ähnliches – wirklich ausgesprochen wurde.“ Barney, ein Fan von Filmen aus den 1930er-Jahren bis zu den Fünfzigern, sprach aus Erfahrung.

„Tu es nicht ab, Allie“, sagte Des. „Es könnte dazu kommen.“

„Ich habe Spaß gemacht.“ Allie verdrehte die Augen.

„Ich aber nicht. Das Theater wird für sich selbst bezahlen müssen. Wir haben nicht das Geld, um es zu leiten.“

„Entschuldigung, aber nirgendwo in Dads Testament stand, dass wir es leiten müssen, Des“, erinnerte Allie sie. „Da stand nur, dass wir es sanieren müssen.“

„Es könnte sein, dass wir die Sanierung nicht fertigstellen können, wenn wir keinen Weg finden, durch das Gebäude an Geld zu kommen, darum geht es“, erklärte Des. „Das versuche ich euch ja zu erklären. Es müssen monatliche Ausgaben bezahlt werden – Strom, um die Beleuchtung anzulassen und die Klimaanlage laufen zu lassen, wenn wir nicht wollen, dass die Handwerker alle an einem Hitzschlag sterben, während sie diesen Sommer im Dunkeln arbeiten.“

„Wenn ich noch einen anderen Vorschlag machen dürfte.“ Barney meldete sich zu Wort. „Ich bin im Stiftungsrat vom Althea. Das College wurde von Reynolds Hudson gegründet, der, wie ihr ja wisst, der Gemeinde viel gegeben hat während der Depression. Nächstes Wochenende ist Gründungstag. Warum gehen wir nicht alle zur Cocktailparty? Wer weiß, wenn es sich erst mal in der Fakultät rumspricht, meldet sich vielleicht jemand mit ein paar Ideen?“

„Ich bin dabei“, sagte Des ohne zu zögern.

„Ich auch“, sagte Cara.

„Allie? Bist du dabei?“ Des wartete auf eine Antwort von ihrer Schwester.

„Ja, ich bin dabei.“

„Wunderbar.“ Barney stand auf. „Cara, sag mir Bescheid, wenn du mit Joe gesprochen hast, und ich werde die Karten bestellen.“

„Und, Allie, schau mal, ob du ein paar Namen von den Leuten von der Kunstfakultät finden kannst, bei denen wir uns nächste Woche hoffentlich bei der Gala einschleimen können.“ Des sah zu, wie ihre Schwester aufstand.

„Aye aye, Captain.“ Allie salutierte, als sie an Barney vorbei und durch die Tür ging.

Zwei Tage später, angelockt von der Nachmittagssonne, die auf den Hinterhof und Barneys Blumenbeet schien, ging Des nach draußen, ein Notizbuch in der Hand und Buttons an ihrer Seite. Der Garten war wunderschön, mit ein paar späten Tulpen und Pfingstrosen – rot, weiß, pink, burgunderfarben, und sogar gelb – vermischt mit Hortensien, die gerade erst Blätter bekamen, und Rosen, die noch nicht erblüht waren. Des zog einen der Adirondack-Stühle von der Terrasse ins Sonnenlicht, um die Liste mit den Sachen durchzugehen, die Geld fürs Theater einbringen könnten. Aber die Kombination der warmen Sonne mit dem Duft der Pfingstrosen machte sie schläfrig, also schloss sie die Augen und ließ ihren Kopf gegen die Lehne sinken. Sie wäre eingeschlafen, wenn Cara auf dem Weg nach draußen nicht ausversehen die Hintertür zugeknallt hätte.

„Tschuldigung.“ Cara zog einen weiteren Stuhl von der Terrasse, um sich zu Des in die Sonne zu gesellen. Sie trug eine Sonnenbrille, fast die gleichen Khakishorts, die Des trug, und ein weißes T-Shirt. „Hast du geschlafen?“

„Ich sollte eigentlich nicht, aber ich war kurz davor.“ Des setzte sich auf und schüttelte leicht den Kopf. „Was hast du vor?“

„Ich suche nur nach etwas Sonnenschein.“ Cara rückte den Stuhl so, dass sie Des gegenübersaß, und legte dann ihr Buch auf die Armlehne, während sie Buttons streichelte. „Es ist so friedlich hier, und ruhig, obwohl wir kaum mehr als einen Block von der Innenstadt entfernt sind.“

„Mein Haus in Cross Creek war genau am Stadtrand. Es ist da auch ziemlich abgeschieden und ruhig. Nachdem ich so lange in L.A. gelebt hatte, schien Cross Creek wie die Wildnis.“ Des dachte an ihre Holzhütte auf anderthalb Hektar Land. Sie hatte es aus einer Laune heraus gekauft, nachdem sie Freunde besucht hatte, die dorthin gezogen waren, und sie hatte es nie bereut.

„Vermisst du es?“

„Manchmal. Auf der einen Seite, ja – mein eigenes Haus. Ich kann den ganzen Tag nur in einem Handtuch rumlaufen und niemand sagt mir, dass ich mir was anziehen soll.“

„Ich höre da ein ‚aber’ mitschwingen“, sagte Cara.

„Aber auf der anderen Seite mag ich es, Leute um mich zu haben. Ich mag es, mit jemandem Fernsehen zu gucken. Es ist schön, jemanden zu haben, mit dem man reden kann.“ Des musste blinzeln, als sie Cara ansah, deren Haare sich auf die gleiche Art wie Des’ über ihren Ohren lockten. „Was ist mit dir? Vermisst du dein Zuhause?“

„Irgendwie, aber weißt du, ich hatte nie wirklich ein Zuhause, das nur mir gehörte, so wie dir deins. Drew und ich haben in einem Apartment gewohnt, als wir auf ein Haus gespart haben. Ich bin dort ausgezogen und zu meiner Mutter gezogen, als ich das mit Drew und Amber rausgefunden habe. Nichts zeigt dir mehr, dass es Zeit ist, deiner Wege zu gehen, als dein Mann, der die Scheidung einreicht, damit er eine deiner besten Freundinnen heiraten kann. Ehemals besten Freundinnen.“ Cara streckte die Beine aus. „Es war eine Erleichterung, aus der Wohnung raus zu sein, aber gleichzeitig hat es mich ein bisschen traurig gemacht, ohne meine Mom in dem Haus zu leben. Es war klein, aber hundert Prozent Susa. Sie hat viele der Möbel neu lackiert, und viele der Flickenteppiche gefertigt, also hat sie ihre Handschrift eindeutig überall hinterlassen. In der Hinsicht hat mir das Haus nicht wirklich gehört. Aber vermisse ich es? Ja, manchmal.“

„Es überrascht mich, dass Dad nicht versucht hat, sie dazu zu bringen, in ein größeres Haus zu ziehen, damit er es mit einem Haufen teuren Zeugs einrichten kann.“

Cara lachte. „Oh, er wollte sie mehrere Male dazu bringen, ihm zu erlauben, etwas Großes und Prachtvolles am Strand zu bauen, aber Susa wollte nicht von dem kleinen Fleckchen weichen. Sie hatte es selbst gekauft und jeden Zentimeter selbst gestrichen, bevor sie ihn kennengelernt hat. Sie hatte kein Interesse an Dingen, die sie nicht mit erschaffen hatte. Sie hat es geliebt, alte Möbel zu finden und sie wieder hübsch zu machen. Es hat ihr Freude gemacht, also hat Dad nach einer Weile mit dem Versuch aufgehört, sie zu jemandem zu machen, der sie nicht war. Geld hat ihr sehr wenig bedeutet. Es war einfach nicht wichtig.“

„Ich weiß, wir haben schon mal darüber geredet, aber ich finde es immer noch komisch, dass er sich zwei Frauen ausgesucht hat, die so gegensätzlich waren. Deine Mom war so bodenständig und unabhängig, und meine so anspruchsvoll, weltlich und verwöhnt. Es wirkt fast so, als ob er zwei Seiten gehabt hätte.“ Buttons tauchte wieder auf und hüpfte auf Des’ Schoß.

„Ich glaube, viele Leute haben zwei Seiten“, sagte Cara. „Wir haben beide dieselbe Frage fast gleich beantwortet. Vermissen wir unser Zuhause, unsere Einsamkeit? Und wir haben beide Ja und Nein geantwortet. Das ist sowas, wie zwei Seiten haben, oder?“

„Gewissermaßen, ja.“ Des’ Handy vibrierte. Sie entschuldigte sich bei Cara für die Unterbrechung, ging ran und unterhielt sich ein paar Minuten mit Fran über die Geschehnisse in Cross Creeks Tierheim.

„Entschuldige“, sagte Des zu Cara, nachdem sie aufgelegt hatte. „Das war die Leiterin des Tierheims in Montana, die mich auf den neuesten Stand gebracht hat.“

„Ich dachte, du wärst die Leiterin.“

„Nee. Ich möchte nicht für die alltäglichen Tätigkeiten verantwortlich sein. Natürlich möchte ich wissen, was los ist, aber ich bin froh, wenn sich jemand anderes darum kümmert. Ich möchte einfach nur mit den Hunden arbeiten. Das ist der Teil, der mir Spaß macht. Fran ist eine gute Verwaltungsleiterin, also überlasse ich alles ihr.“

„Ich kann’s dir nicht verübeln. Es kann eine Plage sein, etwas zu leiten. Ich habe so ein Glück, dass ich jemanden habe, der sich um mein Yogastudio in Devlin’s Light kümmert, während ich hier bin.“ Cara öffnete ihre Wasserflasche und nahm einen Schluck. „Also, was gibt es Neues in der Wildnis?“

Des lachte gutmütig. „Drei neue Hunde sind in der letzten Woche reingekommen. Sie arbeitet mit dem Besitzer des neuen Baumarkts zusammen an einem Meet and Greet mit den Hunden, um ein neues Zuhause für sie zu finden. Und sonst … Oh, mein Buchclub hat sein Treffen von Dienstagabend auf Donnerstag verlegt. Und Kent – ich war mit ihm auf ein paar Dates – ist jetzt mit der neuen Bibliotheksassistentin zusammen.“

„Vielleicht gibt es einen Buchclub in Hidden Falls. Oder vielleicht könnten wir einen gründen.“

„Ja, ich vermisse meinen Buchclub schon.“

„Aber Kent nicht?“

Des verzog das Gesicht. „Die Bibliotheksassistentin kann ihn gerne haben.“

„Also, wofür ist der Notizblock?“ Cara zeigte auf den Block, der zu Boden gerutscht war.

„Ich habe eine Liste mit Möglichkeiten angefangen, wie wir Geld fürs Theater kriegen können. Nichts, dass einen Haufen Geld einbringen wird. Es wird mehr wie ein kleines Rinnsal von Geld sein, aber wenn wir wenigstens eine Rechnung pro Monat bezahlen können, wie zum Beispiel die Stromrechnung, dann wäre das schon hilfreich.“

„Was steht auf der Liste?“, sagte Cara.

„Nun, für den Anfang habe ich an diese alten Filmposter gedacht, die wir im Büro gefunden haben. Ich versuche, rauszukriegen, wie wir das meiste Geld aus ihnen rausholen können. Ich habe ein bisschen recherchiert, und es gibt einen Markt sowohl für Kopien als auch für Originale. Die wichtigen Filme wie Vom Winde verweht und Die Nacht vor der Hochzeit – die Klassiker, und Oscargewinner, weißt du – können ein schönes Sümmchen einbringen. Ich weiß nur nicht genau, ob wir besser Kopien bei eBay verkaufen, oder einem Händler die Originale anbieten sollten.“

„Wenn das Original weg ist, ist es weg. Aber wenn wir weiter Kopien machen können …“ Cara überlegte laut. „Andererseits könnten wir Kopien von den Originalen machen, bevor wir sie an einen Händler verkaufen. Dann kriegen wir den Höchstpreis fürs Original und haben immer noch Kopien, um sie direkt zu verkaufen.“

Des nickte. „Obwohl es schon was hat, diese Originalposter zu haben.“ Sie seufzte. „Vielleicht wäre es eine gute Idee, die Lage zu testen, indem wir ein oder zwei Originale zu einer Auktion bringen, die sich auf Fanartikel für Filme spezialisiert, und schauen, wie viel Geld man dafür kriegen kann.“

„Ich weiß noch, dass wir über Kinoabende gesprochen haben, und vielleicht einen der alten Filme zu zeigen, die wir im Schrank gefunden haben. Wir müssen nicht die ganze Sanierung abgeschlossen haben, um das zu machen. Natürlich würden wir dann einen Projektor brauchen“, stellte Cara fest. „Ich bezweifle, dass der alte noch funktioniert.“

„Ich werde mir den Projektor mal ansehen, wenn wir heute Nachmittag drüben sind.“

„Eine Leinwand wäre auch gut. Unsere ist auf einer Seite eingerissen.“

„Vielleicht können wir sie kleben?“ Sie verzog das Gesicht. „Wahrscheinlich müssen wir sie ersetzen.“

„Und was steht noch auf der Liste?“

„Wir haben schon mal darüber gesprochen, ein Buch mit Fotos von den Anfängen des Theaters zu machen, und Barney meinte, sie wolle daran arbeiten. Erinnerst du dich an die Bilder, die sie uns gezeigt hat, wo unsere Urgroßeltern aufgedonnert im Foyer stehen, in einer Hand einen Martini und mit der anderen jemandem die Hand schütteln?“ Des streckte den Arm aus und tat so, als würde sie ein Glas halten. „Barney hat eine Liste von Leuten, die ein paar alte Fotos haben könnten. Sie hat sie angerufen, um zu schauen, wer was hat und was wir ausleihen können.“

Cara lächelte. „Ich liebe die Geschichte, die diese Fotos über die Leute erzählen, die damals in Hidden Falls gelebt haben. Die, die ihre Jobs während der Depression verloren haben, aber sich immer noch hübsch gemacht haben, um einen Film oder ein Theaterstück zu sehen, oder zu einem Konzert zu gehen, alles kostenlos an einem Sonntagabend.“ Caras Stimme wurde weich. „Er muss echt ein toller Typ gewesen sein, der erste Reynolds. Was er alles für diese Stadt getan hat. Und kannst du dir heute irgendwen vorstellen, der seine Angestellten so behandelt wie er damals?“

„Es ist schwer vorstellbar. Aber seine Kohleminen haben ihm ein Vermögen eingebracht, er musste sich nicht vor einem Verwaltungsrat verantworten, und es gab keine Aktionäre. Er hat die Entscheidungen getroffen, und egal ob gut oder schlecht, er hat dazu gestanden, sagt Barney.“

„Sie meinte, sein Sohn – ihr Dad – war genauso.“

„Da wundert man sich über unseren Vater, oder? Mir scheint, dass Barney all die Kraft und Überzeugung in ihrer Generation bekommen hat.“

„Dad hatte seine Stärken und Überzeugungen. Sie waren nur einfach nicht konventionell. Er war genug vom Talent deiner Mutter überzeugt, dass er seine Familie verlassen hat und ans andere Ende des Landes gezogen ist, um sie bei ihrem Traum zu unterstützen. Er hat sie genug geliebt, um das zu tun. Und sie wurde wirklich ein Filmstar.“

„Für eine Weile. Bis sie sich aus einer Rolle nach der nächsten rausgesoffen hat.“

„Das war ihre Schuld, Des, nicht seine.“

„Vielleicht hat er sie dazu gebracht. Vielleicht wusste sie von–“ Des stockte, und stieß dann einen langen Seufzer aus. „Ich wollte damit nicht sagen, dass seine Beziehung mit deiner Mutter sie zum Trinken gebracht hat. Ich glaube wirklich nicht, dass sie davon wusste, und um ehrlich zu sein, bezweifle ich, dass es sie gekümmert hätte. Und außerdem, das Trinken fing an, lange bevor Dad Susa getroffen hat.“

„Es macht keinen Sinn, zu spekulieren. Wir werden nie wissen, was ihn dazu gebracht hat, sich von deiner Mom zu entfernen.“

„Und es ist wirklich nicht wichtig, schätze ich. Er ist fort und sie sind beide fort – Nora und Susa – also sind sie alle zusammen im Jenseits.“ Des grinste. „Ich frage mich, wie das bei den dreien läuft.“

„Ja, es war wahrscheinlich nicht das glücklichste Wiedersehen“, sinnierte Cara. „Andererseits, vielleicht folgen uns die Kränkungen und das Leid ja nicht von der einen Seite des Schleiers zur nächsten.“

„Du glaubst, dass es einen Schleier gibt, der die eine Welt von der nächsten trennt?“

Cara zuckte die Schultern. „Ich weiß es wirklich nicht. Als meine Mutter im Sterben lag, hat sie etwas davon gesagt, dass alles, was als Nächstes kommt, ein großes Geheimnis sei, und sie endlich herausfinden würde, was es ist. Sie hat den Tod überhaupt nicht gefürchtet.“

„Es wäre schön, so einen Glauben zu haben.“ Buttons rollte sich auf Des’ Schoß zusammen und schlief ein.

Cara sah Des an. „Vielleicht war es das, ein Glaube. Susa war offen für alle Lebenserfahrungen. Sie hat immer gesagt, dass man jede neue Tür öffnen und durchgehen müsse, um zu sehen, was auf der anderen Seite ist. Ich glaube, sie sah den Tod einfach als eine weitere Tür an, die sie öffnen musste.“

„Sie muss eine sehr spirituelle Person gewesen sein.“

„Das war sie. Nicht in einem traditionellen, religiösen Sinne, aber auf ihre Art war sie definitiv spirituell.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, wie es wäre, so jemanden als Mutter zu haben. Meine war materialistisch und total von dieser Welt, und war nur auf sich fixiert.“

„Also sind wir wieder an der Sache mit den Gegensätzen angekommen. Ich schätze, das sagt viel über unseren Dad aus. Er muss doch den Kontrast gesehen haben. Ich glaube, er war zu beidem hingezogen, dem Spirituellen und dem Weltlichen.“

Caras Auto fuhr die Auffahrt hoch, mit Allie hinterm Steuer. Sie parkte vor der Remise und stieg mit einer Einkaufstasche unterm Arm aus.

„Wo warst du?“, fragte Des sie.

„Oh, ich habe nur etwas erledigt. Danke nochmal, Cara, dass ich dein Auto nehmen durfte.“

„Gerne. Jederzeit.“ Cara stupste einen Stuhl mit dem Fuß an. „Setz dich zu uns.“

„Ich möchte nur kurz nach drinnen huschen.“ Allie machte sich auf den Weg zur Treppe. „Will irgendwer was von drinnen?“

„Nein, danke“, antworteten beide.

Fünf Minuten später war Allie zurück. Sie nahm sich einen Stuhl und zog ihn in den Garten, dann setzte sie sich hin und streckte die Beine aus.

Cara beugte sich zu der nächsten Pfingstrose und berührte die Blumenblätter mit den Fingerspitzen. „Wenn ich je wieder heirate, möchte ich eine Wagenladung von denen. Der Duft und die Farben sind himmlisch.“ Sie hielt inne, und verzog dann das Gesicht. „Oh, aber nicht die weißen.“

„Warum nicht die weißen? Weiße Pfingstrosen würden einen wunderschönen Brautstraß geben“, bemerkte Des.

„Warte, heiratet jemand?“ Allie lehnte sich vor.

„Niemand heiratet.“

„Also warum reden wir über Hochzeitsblumen?“ Allie wandte sich Cara zu. „Oh Gott, sag nicht, dass du und Joe schon über …“

„Nein, nein. Ich habe nur erwähnt, dass ich, wenn – wenn – ich jemals wieder heiraten sollte, Pfingstrosen in meinem Brautstrauß haben möchte. Nur nicht die weißen.“

„Was stimmt nicht mit weißen Pfingstrosen? Sie wären perfekt“, sagte Allie.

„Die Mutter von der neuen Frau meines Ex’ hat in der Bäckerei meiner besten Freundin gearbeitet. Jeden Morgen, wenn ich für einen Muffin auf dem Weg zum Studio dort vorbeigeschaut habe, hat die Mutter angefangen, über die Hochzeitspläne zu reden, als ob ich unbedingt davon hören wollte.“

„Wie unsensibel. Als ob sie es dir so richtig unter die Nase reiben wollte.“

„Ja, oder? Also, eines Tages hat sie darüber geredet, dass ihre Tochter weiße Pfingstrosen haben möchte, und dass der Florist ihr gesagt hat, dass sie keine bekommen kann, und die Mutter hat mich gefragt, ob ich wüsste, wo man welche finden könnte.“

„Warte, diese Frau hat dich gefragt, wo ihre Tochter Blumen für ihre Hochzeit mit deinem Ex kriegen könnte?“ Allie machte große Augen. „Ihre Tochter, die mit deinem Ex geschlafen hat, bevor er dein Ex war?“

Cara nickte.

„Das ist unglaublich gemein. Einfach richtig fies. Sogar ich würde nicht so etwas Unhöfliches machen.“

„Und wir wissen alle, wie hoch die Messlatte ist.“ Des kicherte.

„Normalerweise würde ich ja kontern, aber jetzt gerade habe ich keinen Hohn mehr in mir.“

„Allie, dein Hohn-Brunnen ist noch nie ausgetrocknet.“

„Nun, aber heute, Des. Ich habe alles für Clint aufgebraucht.“ Allie grinste. „Aber es war eine gute Investition von Hohn, glaubt mir. Er war damit einverstanden, dass Nikki direkt nach dem Besuch bei seinen Eltern von Chicago hierher fliegen und bis zu der Woche vor Schulbeginn bleiben darf.“

„Gut gemacht.“ Cara applaudierte.

Des nickte anerkennend. „In der Tat eine gute Investition von Hohn.“

„Ich war brillant, wenn ich das so sagen darf.“ Allie strahlte. „Ich habe ihm gesagt, dass ich zum Richter gehen und ihm zeigen würde, dass Clint die ursprüngliche Sorgerechtsregelung verletzt hat. Er hat entgegnet, dass ich dem zugestimmt hätte, aber ich habe ihm gesagt, dass ich darauf beharren würde, dass er mir keine Wahl gelassen hat, weil er derjenige war, der umgezogen ist und Nikki an einer neuen Schule ohne mein Wissen angemeldet hat.“

„Naja, solange wir sie den ganzen Sommer hier haben können, ist es mir egal, was deine Strategie war. Aber ich bin stolz auf dich, dass du die logische Herangehensweise genommen hast, anstatt auf Beleidigungen und Hysterie zurückzugreifen“, sagte Des zu ihr.

„Ganz neues Terrain für mich. Aber es hat funktioniert.“

„Das muss Clint überrascht haben.“

„Hat es auch, und das hat mir echt den Tag versüßt. Jetzt muss ich nur noch die Sorgen wegen der Tatsache überleben, dass seine betagten Eltern Nikki zum Flughafen bringen werden, und ob sie sie in den richtigen Flieger setzen oder nicht.“

„Ich bin sicher, sie wird klarkommen, Allie. Du musst dir nicht über jedes kleine bisschen Sorgen machen.“

„Bis es dein Kind ist, Des“, schoss Allie zurück.

„Nikki ist sehr klug und sehr einfallsreich“, erinnerte Cara sie. „Sie wird es schon in den richtigen Flug schaffen. Ich habe vollstes Vertrauen in sie.“

„Guter Punkt. Danke dafür.“ Allie legte ihre Ellbogen auf die Armlehnen des Stuhls. „Jedenfalls – das ist jetzt ziemlich willkürlich, aber ich habe mal nachgedacht: Denkt ihr nicht auch, dass die Einrichtung in der Küche mal ein bisschen erneuert werden sollte? Sie ist fast schon deprimierend.“

„Sie erscheint schon ein bisschen … matt.“ Cara nahm einen diplomatischeren Weg. „Vielleicht ein bisschen Farbe.“

Allie verdrehte die Augen. „Bitte. Weiße Wände mit gemaltem Efeu bis hoch zur Decke? Das ist so 90er-Jahre. Die Schränke sind gerade Shabby-Chic genug, um cool zu sein – sie haben sowas Authentisches, besonders die mit den Glastüren – aber dieser gelbe Linoleumboden hat seine besten Tage hinter sich.“

„Also was schlägst du vor? Dass wir hier alles erneuern, während wir am Theater arbeiten?“ Des nahm einen Schluck aus ihrer Wasserflasche. „Ich persönlich habe gerade genug am Hut. Außerdem ist das nicht unsere Küche. Es ist nicht unser Haus. Es ist Barneys. Wir sind hier, weil wir ihretwegen dableiben dürfen.“

„Naja, vielleicht sollten wir mit ihr darüber reden. Es wäre doch schön, wenn sie in etwas Neuem und Hübschem arbeiten kann, wo sie doch immer meistens kocht“, sagte Allie. „Es könnte ihr dabei helfen, mit ihrem Leben weiterzumachen.“

„Was meinst du, weiterzumachen?“, fragte Cara.

„Ist niemandem von euch aufgefallen, dass es aussieht, als ob wenig oder überhaupt nichts in diesem Haus in den letzten fünfunddreißig, vierzig Jahren gemacht wurde? Seit Barneys Verlobter gestorben und Dad gegangen ist?“

Des und Cara schwiegen für einen sehr langen Moment. Dann sagte Des: „Ja. Es ist so, als ob ihr Leben aufgehört hat, nachdem Gil gestorben ist. Das heißt, außer ihrem Job.“

„Nicht, dass sie je ihre verlorene Liebe oder ihren Bruder vergessen würde. Aber ernsthaft, wäre ein bisschen Veränderung nicht gut für sie?“

„Ich glaube, da wirst du sie fragen müssen, Al“, antwortete Des. „Aber ich finde auch, dass Veränderung gut sein könnte. Vielleicht, wenn wir sie dazu kriegen können, ihre Umgebung ein bisschen zu ändern, können wir ihr auch helfen, auf andere Arten loszulassen.“

„Naja, da ist sie.“ Cara nickte in Richtung der Auffahrt. „Was du heute kannst besorgen …“

Die drei Frauen sahen zu, wie das Auto ihrer Tante in der Garage verschwand. Barney tauchte wieder auf, schloss die Garagentür und ging zum Haus. Sie war fast an der Terrasse, als sie ihre Nichten bemerkte, die in der Sonne nahe ihres Blumenbeets saßen.

„Na, seht ihr nicht entspannt aus.“ Beim Klang ihrer Stimme sprang Buttons von Des’ Schoß und rannte zu Barney, die sich hinkniete, um den Hund gebührend zu begrüßen.

„Willst du zu uns kommen?“ Des stand auf. „Ich helfe dir, deinen Liegestuhl zu holen.“

Allie drehte sich auf ihrem Stuhl um. „Weil wir wissen, dass du nicht in einem hölzernen Adirondack-Stuhl sitzen kannst wie der Rest von uns.“

Barney lachte laut auf. „Warum sollte ich auf einem Holzstuhl sitzen, wenn ich diese wundervolle Liege mit ihrem bequemen Kissen habe?“

Zusammen trugen Barney und Des die Liege auf den Rasen. Barney richtete die Lehne, setzte sich dann hin und streifte ihre Schuhe ab. „Heute ist es wieder warm, Mädchen“, sagte sie, als sie ihre Jacke abschüttelte.

Buttons starrte sehnsüchtig auf die Liege, bis Barney auf das Kissen neben ihr klopfte, und der Hund hüpfte glücklich hinauf.

„Wie war das Mittagessen?“, fragte Cara.

„Es war toll, danke, und ich glaube, wir haben ein paar Dollar mehr für das Stipendium an der High School aufgetrieben.“ Barney sah von einer zur nächsten. „Was ist los?“

Des zuckte die Schultern. „Nichts, eigentlich. Wir genießen nur einen Frühsommertag und warten darauf, dass Joe Cara Bescheid sagt, wann das Gerüst aufgebaut ist.“

„Ich habe vor einer Weile eine Nachricht von ihm bekommen. Heute Nachmittag werden noch ein paar Teile aufgebaut. Er sagt mir Bescheid, wann der Rest steht. Sollte nicht mehr lange dauern.“

„Lass mich sofort wissen, wenn es soweit ist. Die Versicherungsvertreterin wollte vorbeikommen und es sich anschauen“, erinnerte Des sie. „Sie meinte, wir müssten ihr nur eine Viertelstunde vorher Bescheid sagen und sie könnte uns überall treffen.“

„Ich melde mich sofort bei dir“, versicherte Cara ihr.

„Also, worüber habt ihr geredet bevor ich dazugekommen bin?“

„Oh. Wir haben über eine Idee für dein Haus gesprochen“, sagte Des mit einem vorsichtigen Unterton.

„Was für eine Idee?“ Barney hielt inne. „Und es ist nicht mein Haus. Es ist unser Haus. Eines Tages wird es an euch drei übergehen. Euch steht alles zu, was euch zugestanden hätte, wenn euer Vater im hohen Alter gestorben wäre.“

„Er war achtundsechzig“, erinnerte Allie sie. „Er war alt.“

„Du sei still, Kind. Sechzig ist das neue Vierzig. Ich dachte, das wüsste jeder. Also was war das für eine Idee für das Haus, Des?“

„Eigentlich war es Allies …“

„Ich habe nur gedacht, dass es schön wäre, wenn wir mit dir zusammen die Küche ein bisschen auffrischen würden.“ Allie milderte den Vorschlag ab.

Zu ihrer Überraschung stimmte Barney zu. „Nun, es ist ein Weilchen her, seitdem hier etwas gemacht wurde. Ich glaube, ich habe die Wände streichen und das Efeu malen lassen …“ Sie stockte einen Moment, um nachzudenken, während sie ihr blondes Haar hinter die Ohren strich. „Mal sehen, es war das Jahr, in dem ich … oh, großer Gott, kann es wirklich so lange her sein? 1991? Wo zum Teufel ist die Zeit hin?“

„Ich könnte dir beim Streichen helfen, wenn es eine Farbe gibt, die dir gefällt“, bot Allie an. „Ich habe alle Zimmer in meinem Haus in L.A. gestrichen. Ich bin ziemlich gut darin.“

„Ich bin sicher, das bist du, und es würde mich sehr freuen, wenn du das Projekt übernimmst. Ich schätze, ich muss zum Baumarkt fahren und ein paar Farbkataloge als Inspiration holen.“

„Ich sehe Stunden von HGTV in deiner Zukunft, Barney“, frotzelte Des.

„Als ob ich nicht schon genug fernsehen würde“, entgegnete Barney.

„Ich glaube nicht, dass diese Gameshows am Morgen viel Zeit mit Dekotrends verbringen.“

„Oh, du.“ Barney gab Cara einen spielerischen Klaps. „Jetzt habt ihr mich zum Nachdenken gebracht. Was würdet ihr an meiner Stelle tun?“

„Ich würde die weiße Farbe auffrischen“, sagte Allie, ohne zu zögern, „und das Efeu abdecken. Vorausgesetzt, dass du die Schränke nicht austauschen willst – und dazu gibt es keinen Grund, sie sind in einem super Zustand – würde ich hellgraue Türen oben nehmen und ein dunkleres Grau unten. Vielleicht die Arbeitsplatten mit hellem Granit oder Quarz austauschen, das Grautöne und vielleicht noch etwas anderes hat.“

„Das ist dir gerade alles spontan eingefallen?“, fragte Des.

Allie nickte. „Grau ist momentan sehr beliebt, und beide Töne – der dunkle und der helle – würden zu dem Grau vom Kamin passen. Die Steine haben auch ein bisschen Gold und taupe an sich. Der Sims ist toll, und der Stein ist in gutem Zustand. Benutzt du den Kamin?“

„Wir haben ihn oft im Winter benutzt, als wir Kinder waren. Mrs. Allen, die Haushälterin, ist immer früh nach unten gegangen, um Feuer zu machen, bevor sie Frühstück gemacht hat, damit der Raum immer gemütlich und warm war, wenn wir runter in die Küche kamen. Egal, wie kalt es draußen sein mochte, wie stark der Wind geweht hat, oder wie hoch der Schnee lag, es war immer warm in der Küche.“ Die anscheinend schöne Erinnerung zauberte ein Lächeln auf Barneys Lippen.

„Wenn wir nächsten Winter noch da sind, könnten wir vielleicht den Kamin anmachen. Wie damals, als du jünger warst“, schlug Des vorsichtig vor.

„Gerne. Außer den Kamin im Wohnzimmer habe ich seit Ewigkeiten keinen der Kamine mehr angemacht. Ich weiß nicht, warum ich aufgehört habe.“ Barney hielt inne und schien zu überlegen. „Ich schätze, ich wollte mir nicht die Mühe für mich allein machen. Ich sollte wahrscheinlich einen Schornsteinfeger bestellen, um sicherzugehen, dass sie benutzt werden können.“

„Naja, wir sind jetzt alle hier, und wir würden uns riesig freuen, wenn die Feuer wieder flackern. Aber vielleicht erst, wenn sich das Wetter abkühlt.“ Des lächelte bei dem Gedanken, die erste Tasse Kaffee des Tages in einem heimeligen Raum an einem kalten Morgen einzunehmen. „Vielleicht könnten wir ein oder zwei Stühle vor den Kamin in der Küche stellen.“

„Vorausgesetzt, dass wir alle immer noch hier sind, wenn das kalte Wetter kommt“, warf Allie ein. „Sobald das Theater fertig ist, können wir abreisen. Ich weiß, dass ich auf jeden Fall mit dem ersten Flieger hier raus bin.“

Des bemerkte den niedergeschlagenen Ausdruck in Barneys Gesicht. „Ich weiß nicht“, sagte sie hastig. „Wer weiß, wie lange es dauert? Und außerdem, selbst wenn es fertig ist, wer sagt, dass wir nicht an Weihnachten wiederkommen wollen? Ich würde zurückkommen, wenn Barney das wollen würde.“

„Nichts würde mich glücklicher machen, als euch alle an Weihnachten hier bei mir zu haben, egal, in welchem Zustand das Theater ist. Und das Sahnehäubchen wäre noch, wenn Nikki auch hier wäre.“

Allie schien darüber nachzudenken. „Ich weiß nicht, ob Clint damit einverstanden wäre.“

„Ach, überzeug ihn einfach, dass es romantisch wäre, wenn er seine Freundin über die Feiertage nach London oder Paris ausführen würde“, schlug Cara vor. Ihr Handy pingte und sie griff in ihre Hosentasche, um es rauszuholen und die Nachricht zu lesen.

„Das könnte möglicherweise funktionieren.“ Allie nickte langsam, dann stockte sie. „Aber wir wollen nichts überstürzen – es ist noch nicht mal Juni.“

„Joe hat gerade geschrieben, dass die Dachdecker das Gerüst erweitert haben, und dass er und Ben hochklettern werden, um sich die Decke besser anzusehen.“

„Ben Haldeman ist da?“ Allies Augen verengten sich. „Warum?“

Cara zuckte die Schultern. „Ich schätze, er hat Joes Transporter draußen stehen sehen und angehalten, um zu schauen, was los war.“

„Warum ist er nicht unterwegs auf Streife und bewahrt Hidden Falls vor Verbrechern?“, murrte Allie. „Ist das nicht sein Job als Polizeichef?“

Kapitel Zwei

Heather Martin hielt ihr Versprechen. Fünfzehn Minuten nach Des’ Anruf wartete sie mit Joe im Foyer, als die Hudsons ankamen.

Barney stellte ihre Nichten vor, dann blieb Cara zurück, um mit Joe zu reden, während Heather, Barney, Allie und Des weiter ins Theater gingen, wo das Gerüst bis knapp drei Meter unter die Decke reichte.

Des kam direkt auf den Punkt und fragte: „Also, wird das abgedeckt, oder nicht?“

„Der Wasserschaden, der durch den Wind verursacht wurde, ja, aber ich würde gerne den Versicherungsschutz des Dachdeckers sehen, und ich hätte gern, dass einer unserer Gutachter sich das Ausmaß des Schadens ansieht“, antwortete Heather, den Blick immer noch auf die Decke gerichtet. „Es ist wirklich schade. Die Decke ist einfach prächtig.“

„Sie war es.“ Des schnitt eine Grimasse.

„Sie wird es schon wieder sein“, versicherte Heather ihr. „Deshalb habt ihr ja eine Versicherung. Um alles wieder hinzukriegen.“

„Ist das Ben da oben?“ Barney folgte Allies Blick. „Benjamin Haldeman“, rief sie, „weißt du, was du da oben tust?“

„Ja, Ma’am“, rief Ben zurück.

Des sah aus den Augenwinkeln zu Allie, die mit den Händen in die Hüften gestemmt zusah, wie der Mann langsam herabstieg.

Heather sah sich im Foyer um. „Ich bin so froh, dass ihr alle etwas an dem Theater macht. Es ist ein Schatz von Hidden Falls, und jeder, den ich kenne, freut sich riesig, dass wir das Theater bald wieder zurück haben. Natürlich haben die jungen Leute keine eigenen Erinnerungen daran, aber ich weiß noch, wie ich im Sommer hierhergekommen bin, um Theaterstücke zu sehen, als ich ein kleines Mädchen war.“

„Naja, vielleicht kannst du das ja eines Tages wieder“, sagte Des zu ihr.

Barney sah zu, wie Ben von einer der unteren Stangen nach unten sprang. „Arbeitest du jetzt nebenbei als Dachdecker, Chief?“

„War nur neugierig. Ich dachte, wenn das Gerüst schon steht, kann ich genauso gut hochklettern und einen Blick drauf werfen. Vielleicht habe ich nie wieder die Chance, diesen Kronleuchter aus der Nähe zu sehen. Ist aber echt heiß da oben.“ Ben wischte sich mit dem Zipfel seines T-Shirts den Schweiß vom Gesicht.

„Wärme steigt nach oben. Oder wusstest du das nicht?“ Allie starrte ihn an.

Er wandte sich ihr zu. „Nun, Miss Persönlichkeit. Es überrascht mich, dass du dein Zuhause verlassen hast und dich an so einem heißen Tag wie diesem nach draußen gewagt hast. Hast du nicht Angst, dass dein Make-up schmilzt?“

„Ich trage kein Make-up.“

„Solltest du aber. Du könntest etwas Farbe gebrauchen.“

„Und du solltest unterwegs sein und Verbrecher jagen.“

„Das werde ich in etwa“ – Ben sah auf seine Armbanduhr – „fünfundvierzig Minuten.“

„Du solltest jetzt gehen. Es wird mindestens genauso lange dauern, dich für die Streife auf den fiesen Straßen von Hidden Falls aufzuhübschen.“

„Ich muss meine Stadt beschützen“, sagte er, und nickte zustimmend, „vor Bösewichten und Rumgezicke aller Art.“

Ben hob zwei Finger an die Lippen und pfiff. Sekunden später kam ein schwarz-weißer Hund aus der Richtung der Treppe, die in den Keller führte, durch das Foyer gerannt, und machte zu Bens Füßen Sitz.

„Gutes Mädchen.“ Ben bückte sich, um die Hündin hinter den Ohren zu kraulen. Er nahm ein kleines Leckerli aus seiner Hosentasche und gab es der Hündin, die als Antwort mit dem Schwanz wedelte.

„Hast du dir schon einen Namen für sie überlegt, Ben?“, fragte Des.

„Sie hört auf Girl, also war das vielleicht ihr Name.“

„Girl? Das ist alles?“ Allie hob eine Augenbraue. „Du hast deine Hündin wirklich Girl genannt? Besser ging es nicht?“

„Was stimmt mit Girl nicht?“

„Dein Mangel an Vorstellungskraft ist verblüffend, aber nicht komplett unerwartet.“

„Ja, tja, wie hättest du sie denn genannt?“

„Origineller als Girl.“

„Lass dir was Besseres einfallen und ich werde darüber nachdenken.“ Ben wandte sich von Allie ab und richtete sich an die anderen. „Schön, euch zu sehen, Ladies.“ An Joe gewandt, der immer noch mit Cara an der Seite stand, rief er: „Bis demnächst. Danke, dass ich mir die Decke ansehen durfte. Ich würde gerne noch mal da hoch, sobald das Gerüst bis ganz nach oben reicht.“

„Jederzeit.“ Joe winkte.

Des tippte Allie auf den Arm. „Warum reizt du diesen Mann so?“

„Ich weiß nicht. Etwas an ihm holt einfach das Beste in mir hervor, schätze ich.“

„Du meinst, das Schlechteste.“

„Nein. Ich meine das Beste.“ Allie grinste. „Er bringt einfach meine gute, alte, sarkastische Ader in mir hervor, und ich kann anscheinend nicht den Mund halten.“

„Offensichtlich kann ich den Schaden an den bemalten Teilen der Decke nicht beurteilen“, sagte Heather, als sie und Barney zur Tür gingen. „Ich kann einen Gutachter herschicken, sobald jemand Zeit hat, es sich anzusehen. Aber ich fürchte, der Sturm hat unsere Schadensabteilung wirklich überhäuft. Wir werden noch für Wochen überlastet sein.“ Sie schaute nach oben. „Ich brauche allermindestens Fotos vom Schaden an der Decke.“

„Seth hat heute Morgen einen ganzen Haufen gemacht. Er konnte nicht so nah dran, wie er wollte, aber er hat ein Fernobjektiv benutzt, und ich weiß, dass er ein paar ziemlich detaillierte Aufnahmen gemacht hat“, sagte Joe. „Er ist nach Hause gefahren, um am Computer ein paar auszudrucken. Ich kann sie dir gerne ins Büro bringen.“

„Das wäre sehr hilfreich.“ Heather lächelte. „Ich kann sie zu unserer Zentrale schicken und schauen, ob irgendwer dort einen Künstler kennt, den wir kontaktieren könnten. Danke, Joe.“

„Und wir sagen dir Bescheid, wenn wir jemanden finden, der vielversprechend aussieht.“ Barney öffnete die Tür, die in den Vorraum führte.

„Also, die Arbeit ist wie geschaffen für dich“, meinte Des zu Allie.

Allie nickte, ihr Sarkasmus nun wieder verstaut. „Ich werde telefonieren, sobald wir zuhause sind.“

„Wir sehen uns dort. Ich möchte nach oben in den Vorführraum gehen und etwas nachschauen.“ Des wandte sich um und ging zu den Stufen, die in die erste Etage führten.

Als sie oben war, ging sie in den Vorführraum und öffnete die Schranktür. Es gab mehrere Regale mit metallenen Filmdosen. Sie öffnete eine davon, dann eine andere. Die meisten waren leer, aber ein paar enthielten Filmrollen. Sie blickte auf den alten Projektor. Wie sollte man feststellen, ob er noch funktionierte, ohne zu riskieren, dass man einen Film ruinierte?

Des hörte unten Stimmen, dann eine, die näherkam.

Seth MacLeod erschien im Türrahmen. Er war groß, hatte einen komplett glatt rasierten Kopf, und trug abgenutzte Jeans und ein verblichenes rotes T-Shirt, auf dem „Born to Ride“ über dem Harley-Davidson Logo prangte, das wenig dazu beitrug, seinen breiten Brustkorb zu verbergen. Dunkelbraune Augen, die von langen, dunklen Wimpern hervorgehoben wurden, zogen ihren Blick auf sein raues, gutaussehendes Gesicht. Tattoos bedeckten beide seiner durchtrainierten Arme, und in einer Hand hielt er einen braunen Umschlag. „Joe dachte, dass ich dich hier oben finde. Ich dachte, du möchtest vielleicht die Bilder von der Decke sehen, die ich heute Morgen gemacht habe.“

„Ja, möchte ich. Danke.“

Des ging in den Vorführraum zurück, der Mann dicht hinter ihr. Sie tat die Metallbehälter in den Schrank zurück, um auf dem Tisch Platz für die Fotos zu machen, und streckte dann ihre Hand aus.

Seth öffnete den Umschlag und gab ihr ein paar Drucke.

„Oh, Mist.“ Des machte ein bestürztes Gesicht. „Es ist sogar schlimmer als gedacht.“

„Es gibt sehr wenig, was nicht wieder in Ordnung gebracht werden kann. Das“ – Seth nahm eine Nahaufnahme von einer der heraldischen Lilien – „kann wieder in Ordnung gebracht werden.“

„Gott, ich hoffe, du hast recht.“

„Habe ich.“ Seth zeigte auf den Projektor. „Also, was hast du mit dem kleinen Ding vor? Willst du nachher eine kleine Aufführung veranstalten?“

„Ich wünschte, wir wären so weit. Und ich wünschte, ich wüsste, ob er noch funktioniert. Es gibt immer noch ein paar Filmrollen. Ich würde so gerne schauen, ob irgendeine davon noch was taugt. Ich weiß aber nicht, wie man den Projektor bedient, und ich hätte Angst, die Filme zu ruinieren, wenn sie nicht schon ruiniert sind.“

„Warum sollten die Filme ruiniert sein? Wurden sie nicht gut gelagert?“

Des nickte.

„Also, vielleicht sind sie noch heile.“

Seth trat hinter sie, dann griff er an ihr vorbei, um den Projektor zu sich zu drehen. Er war so nah, dass Des seinen Atem auf ihrer Wange spüren konnte, als er sich nach vorne lehnte. Für einen Moment erstarrte sie bei der Erinnerung an einen anderen kleinen Raum, eine andere Zeit, als sie zwischen Armen gefangen gewesen war, die stärker als ihre waren. Sie versuchte, sich von der alten Erinnerung loszureißen, und erinnerte sich daran, dass das hier Seth war – nicht er. Niemand, der ihr schaden wollte.

„Der könnte noch funktionieren“, sagte Seth gerade. „Macht’s dir was aus, wenn ich ihn mit nach Hause nehme und daran rumbastle?“

Die Worte blieben ihr im Hals stecken.

„Des?“ Seine Stimme war weich, besorgt.

Er ist keine Bedrohung. Er ist ein Freund. Er würde mir nie wehtun.

„Des?“, wiederholte er, und eine sanfte Hand berührte ihren Rücken. „Bist du okay?“

„Mir geht’s gut. Entschuldige. Ich habe nur … ja, mir geht’s gut.“ Sie räusperte sich. Seine Hand hatte sich zu ihrer Schulter bewegt, und sie entspannte sich in ihrer Wärme.

„Also, was hast du überlegt, was du mit den Filmen machen wirst?“

Sie drehte sich um und lehnte sich gegen den Tisch.

„Sie vielleicht gegen Bezahlung vorführen. Oder sie verkaufen. Alles, was ein bisschen Geld einbringt, um die Rechnungen bezahlen zu können.“

„Gute Idee. In der Zwischenzeit schaue ich mal, ob ich etwas damit machen kann.“ Er wies mit dem Kopf auf den Projektor, während sein Blick immer noch den ihren fixierte.

„In Ordnung.“ Sie versuchte, wegzuschauen, aber er hielt ihren Blick fest.

„Also.“ Seine Augen wanderten von ihrem Gesicht zu den Fotos, die er auf den Tisch gelegt hatte. „Ich werde die hier auf dem Weg nach Hause bei Heathers Büro vorbeibringen. Willst du eine Kopie? Ich kann sie gerne noch einmal ausdrucken.“

„Ja, das wäre toll, danke. Ich bin sicher, sie werden nützlich sein, falls wir …“ Des lächelte und korrigierte sich. „Wenn wir einen Künstler finden.“

„Das ist die richtige Einstellung.“ Seth sah aus, als ob er noch etwas sagen wollte, aber nach einem Augenblick sagte er nur: „Ich besorge dir die Fotos.“

„Super. Danke dir sehr.“ Der Zauber war gebrochen, also ging sie mit ihm zur Treppe. „Wir sehen uns dann.“

„Das tun wir“, sagte er, ohne sich umzudrehen.

Sie sah zu, wie er die Stufen hinunterging und das Foyer durchquerte, wo er stehenblieb, um etwas zu Joe und Cara zu sagen, bevor er ging. Des ging zurück in den Vorführraum, um das Licht auszumachen, und dachte daran, wie dankbar sie war, so einen entspannten Kumpel wie Seth zu haben, der immer aufmunternd und gut gelaunt war, der immer das Gute in jedem und in jeder Situation sah, und immer beruhigend wirkte.

Das musste der Grund sein, warum er dreimal zum Bürgermeister von Hidden Falls gewählt worden war.

Das ist, was echte Freunde tun. Sie muntern dich auf und helfen dir, wenn du sie brauchst.

Als Des vor ein paar Monaten die drei Hunde aus dem Theater gerettet hatte – Buttons, Ripley und Girl – wo sie Zuflucht gesucht hatten, musste sie schnell Pflegefamilien für sie finden, wenn sie schon nicht adoptiert wurden. Sie und Barney waren sich einig gewesen, Buttons zu behalten, die kleinste der drei, aber sie brauchte ein gutes Zuhause für die zwei schwarz-weißen Border Collies. Als sie vor den Stadtrat getreten war, um sich über die Bauordnungsbestimmungen zu erkundigen, was ein mögliches Tierheim anging, und erwähnt hatte, dass sie nach einem Zuhause für die Streuner suchte, hatte Seth ohne zu zögern angeboten, einen der Hunde aufzunehmen. Er hatte scheinbar sofort verstanden, wie wichtig es ihr war, dass die Hunde nicht zu einem nahegelegenem Heim gebracht wurden, wo sie ein unbestimmtes Schicksal erwarten würde.

Die Erinnerung, wie er Ben schon fast genötigt hatte, den anderen Hund aufzunehmen, zauberte Des ein Lächeln ins Gesicht.

In der Vergangenheit hatte Des’ Beziehung zu Männern größtenteils aus Dates bestanden, von denen sie wünschte, sie wäre nicht hingegangen. So konnte nicht leugnen, dass sie zum Großteil deshalb endeten, weil sie immer das Gefühl hatte, dass etwas fehlte. Obwohl sie es nie geschafft hatte, diesem Etwas einen Namen zu geben, wusste sie, dass es das nie für sie gegeben hatte, was auch immer es war. Aber sie hatte so eine Ahnung, dass es der Wahrheit ziemlich nahe kam, dass es etwas mit Vertrauen zu tun hatte.

Sie sagte sich, dass sie wissen würde, wenn sie es gefunden hatte, aber bis dahin würde sie sich nicht mit weniger zufrieden geben. Sie hatte zu viele mahnende Geschichten darüber gehört, was passierte, wenn man bei dem, was man wirklich wollte, Kompromisse machte. Himmel noch eins, man sehe sich nur mal ihre Schwestern an! Beide geschieden.

Worauf hatten sie verzichtet um der Liebe Willen?

Eine Frage für ein anderes Mal, dachte Des, als sie zu Joe und Cara an der Eingangstür stieß. Fürs Erste war es genug, zu wissen, dass solche Kompromisse nicht Teil ihrer Zukunft waren. Liebe war kompliziert und schwierig und anspruchsvoll, aber Freundschaft war einfach und geradeheraus und leicht, und sie dauerte an. Das war, was sie mit Seth hatte, und mehr wollte sie nicht.

„Mädchen, ihr habt euch wirklich einen tollen Tag dafür ausgesucht, an der Küche zu arbeiten.“ Barney stand im Türrahmen, ihr Gesicht von der Hitze gerötet. „Hier drin ist es heiß wie in einem Schmelzofen.“

Des nahm einen Stapel Teller aus einem offenen Schrank und stellte sie auf den Boden vor den Kamin. Der Tisch und die Arbeitsplatten waren bereits mit dem Inhalt der Schränke überfüllt.

„Wie ein Schmelzofen, das stimmt. Aber der Zuchtmeister“ – Des wies mit dem Kopf auf Allie – „hat verfügt, dass heute der Tag gekommen ist, also, hier sind wir.“

„Was du heute kannst besorgen…“ Allie stand in der Mitte des Raums, eine Kiste mit Pinseln und Zubehör im Arm. „Macht keinen Sinn, es aufzuschieben, besonders, da wir nicht wissen, wann die Arbeit im Theater beginnen kann. Also nutzen wir am besten die Zeit, solange wir sie noch haben.“ Sie stellte die Kiste auf die Fensterbank. „Barney, ich habe die Farbe, um die du mich gebeten hast. Ich liebe dieses weiche, warme Weiß für die Wände.“ Sie blickte sich im Raum um. „Das wird sagenhaft.“

„Ich kann’s kaum erwarten, es zu sehen. Wie lange, glaubst du, wird es dauern?“, fragte Barney.

„Vielleicht eine Woche, wenn wir diszipliniert arbeiten und nicht zu sehr abgelenkt werden“, erklärte Allie.

„Nun, ich bin bereit.“ Barney krempelte die Ärmel ihres hellblauen Shirts hoch. „Wo soll ich anfangen?“

„Wir fangen damit an, die Schränke und die Regale zu säubern. Als Nächstes nehmen wir die Türen raus, waschen die ab, und lassen sie trocknen. Danach waschen wir die Holzrahmen. Wer macht die oberen Schränke?“, fragte Allie.

„Ich.“ Barney hob die Hand.

„Ich nehme die unteren“, sagte Cara.

„Holzrahmen“, verkündete Des.

„Und ich mache die Wände. Wenn irgendwer tauschen will, sagt es jetzt.“ Allies Blick wanderte von einer zur anderen. Niemand meldete sich. „Okay, gut. Wir können loslegen.“ Sie wandte sich zu der Kiste mit dem Werkzeug, und hielt dann inne. „Oh, wenn ihr Hilfe braucht, die Schranktüren abzukriegen, sagt mir Bescheid. Und sobald sie abgewischt und getrocknet sind, benutzt die Spritzpistole statt eines Pinsels. Die Farbe wird schneller haften und glatter sein. Irgendwelche Fragen?“

Cara schüttelte den Kopf. „Nö.“

„Gut. Des, ich helfe dir, die Holzrahmen zu waschen und sie ebenfalls zu streichen. Das dauert am längsten, und ich kann dir helfen, sobald die Wände fertig sind.“

„Solltest du nicht erst die Rahmen streichen und dann die Wände?“, fragte Des.

„Jeder hat da seine eigene Theorie. Meine ist, dass man die Wände zuerst streicht, und dann den Rahmen abklebt, damit die Farbe auf das Klebeband kommt, wenn man ein bisschen schludert. Sobald man fertig ist, kommt das Klebeband ab.“ Allie fügte hastig hinzu: „Nicht, dass wir hier schludern wollen.“

„Verstanden.“ Cara nickte. „Warte, gibt es hier einen Schraubenzieher? Ich muss die Türen aus den Angeln nehmen.“

„Jep.“ Allie zeigte auf die Kiste mit Werkzeugen.

„Wow, du bist echt drin in diesem Projekt, was?“ Cara ging den Inhalt der Kiste durch und fand den Schraubenzieher, dann machte sie sich daran, mithilfe von Barney die oberen Schranktüren abzunehmen.

„Sobald ich die Holzrahmen saubergemacht habe, kann ich dir bei den Wänden helfen, Allie“, bot Des an.

Allie sah hoch zur Decke. „Ich frage mich, ob ich die nicht zuerst streichen sollte.“

Alle hielten in ihrer Arbeit inne, um hochzuschauen.

„Ich weiß nicht. Wird das nicht furchtbar schwierig?“, fragte Barney. „Und sie sieht wirklich nicht schlecht aus. Ich meine, sie ist nicht dreckig oder so etwas.“

„Ich weiß nicht. Ich finde, wir machen es sonst nicht richtig.“ Allie runzelte die Stirn.

„Wir brauchen auf jeden Falle eine Leiter dafür“, sagte Cara. „Wenn du nur bis zum oberen Ende der Wand streichen willst, kannst du das mit einem Roller machen, vielleicht auf einem Stuhl, um den oberen Teil nahe der Decke zu machen. Aber ich glaube, du brauchst eine Leiter.“

„Eine der Sachen, die ich nicht habe“, sagte Barney.

„Wir können eine von Joe leihen.“ Cara zog ihr Handy aus der Hosentasche und drückte die Kurzwahltaste. In nicht einmal einer halben Stunde hatte Joe eine Leiter für Allie vorbeigebracht und aufgestellt.

„Soll ich helfen?“, fragte er, nachdem er sich das Ausmaß ihrer Arbeit angesehen hatte.

„Ich glaube, wir kommen klar, aber danke.“ Allie wartete nicht auf eine Antwort von den anderen.

„Wenn ihr mich braucht, ihr wisst, wo ihr mich findet.“ Joe drückte leicht Caras Schulter, bevor er aus der Hintertür zu seinem Transporter ging.

„Gut, einen geschickten Kerl zur Hand zu haben“, bemerkte Barney.

„Gut, überhaupt einen Kerl zur Hand zu haben“, stimmte Des zu.

„Kommt auf den Kerl an.“ Allie machte ihr iPhone an und klickte auf ihre Lieblingsplaylist, die hauptsächlich fröhliche Songs beinhaltete, die Nikki mochte. „Musik zum Arbeiten, Ladies. Singt ruhig mit.“

Und sie sangen tatsächlich mit zu Taylor Swift, Lady Gaga, Pink, Katy Perry.

„Ich kenne keine von diesen Sängerinnen“, stellte Barney fest. „Außer das Swift Mädchen. Wusstet ihr, dass sie aus der Nähe von Reading kommt?“

Am späten Nachmittag waren die Schranktüren alle gesäubert und standen hochkant zum Trocknen vor dem Kamin und an einer Wand. Die Decke und eine Wand waren gestrichen, alle Rahmen und Leisten aus Holz waren gewaschen und getrocknet, und drei Türen waren gestrichen worden.

„Es müssen hier mindestens fünfunddreißig Grad drin sein.“ Allie band sich die Haare zu einem so hohen Pferdeschwanz wie möglich.

„Locker vierzig.“ Des lehnte sich gegen den Tresen.

Barney legte die Spritzpistole beiseite „Mädchen, lasst liegen, was ihr gerade macht; wir machen Schluss für heute. Ihr habt eine halbe Stunde, um euch fertig zu machen. Wir gehen essen.“

„Das klang wie der Schusspfiff für mich“, sagte Des. „Das muss man mir nicht zweimal sagen.“ Sie legte ihren Pinsel ab.

„Hey, du kannst den nicht da lassen“, wies Allie sie hin. „Mach den Pinsel sauber.“ Sie zeigte auf die Spüle. „Die Farbe geht mit Wasser raus.“

„Okay, sagen wir vierzig Minuten“; sagte Barney. „Damit ihr hier erst aufräumen könnt.“

„Ich bin fertig und gehe duschen“, verkündete Cara, und ging dann die Treppe hoch.

„Ich bin direkt hinter dir.“ Allie wusch ihren Pinsel ab, und legte ihn dann auf die Zeitung, mit der sie den Küchentisch abgedeckt hatte. Sie machte die Musik aus, und ging dann aus der Küche, während sie auf ihrem Handy nachschaute, ob sie Nachrichten bekommen hatte.

„Du kannst ruhig gehen, Barney. Ich mache hier den Rest“, sagte Des.

„Bist du sicher?“

„Jep. Dauert nur eine Minute.“

In der Küche, die erst voll Geplapper, Musik, und Gesang gewesen war, war es nun still. Des machte die übrigen Pinsel sauber und wusch die Spritzpistole ab, überprüfte, ob die Farbtöpfe richtig zu waren, und folgte dann den anderen nach oben für eine kurze Dusche.

Sie brauchten länger als die von Barney festgelegten vierzig Minuten, aber schon bald waren alle vier Hudson Frauen in der Diele versammelt, sauberer und weniger erhitzt, und schlicht und bequem gekleidet. Barney trug ein weiteres von ihren süßen T-Shirt-Kleidern – dieses war meerblau, was zu ihren Augen passte – und sowohl Des als auch Cara hatten Khakishorts und gestreifte T-Shirts angezogen, und hatten sich anstrengen müssen, ihre Locken unter Kontrolle zu halten. Allie trug ein schwarzes Tank Top und weiße Shorts, und ihr Haar sah perfekt aus. Des konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen, als sie aus der Haustür gingen.

„Al, du weißt, dass ich für dieses Haar töten würde, oder?“, sagte sie.

„Notiz an mich: Mit einem offenen Auge schlafen.“ Allie warf ihre langen Haare über eine Schulter, als Barney hinter ihnen die Tür abschloss und die Stufen zum Bürgersteig hinunterging. „Moment, fahren wir nicht?“ Allie blieb auf der obersten Stufe stehen.

„Wir gehen nur zwei Blocks, Allie.“ Barney ging weiter, ohne sich umzudrehen. „In der Zeit, bis ich Lucille angelassen und aus der Garage gefahren habe, könnten wir schon da sein.“

Allie seufzte und murmelte etwas von zu Tode schwitzen, und folgte dann den anderen.

„Außerdem“, fuhr Barney weiter, „spinnt Lucilles Klimaanlage in letzter Zeit. Ich wollte sie eigentlich zum Geschäft bringen, aber ich vergesse es immer wieder.“

„Wo gibt es hier denn einen Cadillac-Händler?“ Des ging hinter Barney und neben Cara.

Barney war sichtlich erschüttert. „Ich würde Lucille nie zu einem Händler bringen. Wirklich, diese jungen Leute, die heutzutage an Autos arbeiten, wissen nur noch, wie sie das tun sollen, was Computer ihnen sagen. Sie wüssten gar nicht, was sie mit einem feinen Vintage-Automobil wie Lucille machen sollten. Ich habe sie vor etwa zehn Jahren für einen Ölwechsel zu einem Autohändler gebracht, und sie haben das falsche Öl verwendet. Sie hat wie eine Asthmatikerin gekeucht. Das Öl musste wieder abgelassen werden. Seitdem hat sie nie wieder das Innere der Garage eines Autohändlers gesehen.“

„Und wo bringst du sie hin?“, fragte Des.

„Billy Jurczak, drüben an der Constituion Avenue. Dieser Mann versteht, was ein 1968 Cadillac DeVille braucht. Er kennt sich mit einem V-8 Motor aus.“ Barney schaute über ihre Schulter zu Des. „Niemand fasst Lucille an, außer Billy.“

Des und Cara warfen sich amüsierte Blicke zu. Das Cadillac Cabrio ihrer Tante – komplett mit roter Innenverkleidung aus Leder – war Barneys ganzer Stolz. Sie hatten die Geschichte schon mehrmals gehört, dass das Auto ein Geschenk von Barneys Vater an ihre Mutter gewesen war, wie ihre Mutter das Auto geliebt und mit einem Bleifuß gefahren war, bis ihre Demenz zu ausgeprägt wurde. Es war Barney zugefallen, die Schlüssel zu verstecken, und sie nur zu „finden“, um ihre Mutter zum Arzt zu bringen oder mit ihr eine Spazierfahrt durch die Landschaft zu machen, wenn sie Lust dazu hatte. Jeder in Hidden Falls kannte Lucille; sie war in der Stadt so etwas wie eine Berühmtheit geworden.

„Barney, was ich dich schon die ganze Zeit fragen will: Wer wohnt in dem Haus gegenüber unserer Auffahrt?“ Des drehte sich um, um hinter sie auf das Tudorhaus zu zeigen, das hinter einer hohen Reihe von immergrünen Bäumen stand. „Ich habe noch nie jemanden dort gesehen.“

Barney wandte sich um. „Oh, das ist das alte Haus der Brookes. Mrs. Brookes ist letztes Jahr verstorben, Mr. Brookes vor Jahren schon. Fünfzehn vielleicht? Jedenfalls ist es eine Weile her. Mrs. Brookes hat das Haus weitergeführt, so lange sie konnte, Gott hab sie selig. Sie war eine wundervolle Frau.“

„Wer lebt jetzt dort?“, fragte Des.

„Niemand. Ich glaube, die Kinder – Thomas, Emily und Stephen – haben das Grundstück zusammen geerbt, aber soweit ich weiß, wohnt Emily mit ihrer Familie in London, Stephen ist in Vietnam gestorben, und Thomas … er ist der Armee beigetreten, nachdem sein Bruder getötet wurde. Berufsoffizier, bestimmt jetzt in Rente. Ich habe ihn seit Jahren nicht gesehen.“

Sie ging weiter.

„Also das Haus steht da jetzt einfach?“ Des war die Letzte, die zu den anderen aufschloss.

„Bis jemand kommt, der es ausräumt oder verkauft, wird es das, schätze ich.“

„Du musst die Familie gut gekannt haben. Sie haben ja genau da gewohnt. Ihr wart Nachbarn.“ Aus irgendeinem Grund war Des noch nicht mit den Brookes fertig.

„Natürlich kannte ich sie gut. Thomas war in Gils Klasse, Emily in meiner, und Stephen und euer Vater waren Klassenkameraden. Er und Fritz und Pete waren jahrelang unzertrennlich. Ich habe über die Jahre regelmäßig bei Mrs. Brookes vorbeigeschaut. Sie und meine Mutter haben zusammen Karten gespielt.“

„Waren du und Emily gut befreundet?“

Barney antwortete nicht sofort. Schließlich sagte sie schlicht: „Für eine Weile.“

Sie hatten die Straßenecke von Main und Hudson erreicht, wo die Ampel noch grün war.

„Beeilt euch, und wir kommen noch über die Straße, bevor es rot wird“, sagte Barney. „Ich hoffe, wir kommen nicht zu spät, um einen guten Tisch im Goodbye zu bekommen.“

Das Goodbye Café, so genannt, da es berüchtigt dafür war, dass man seinen Partner dorthin mitnahm, um Schluss zu machen, war eins von nur zwei Restaurants in Hidden Falls – das andere war das Hudson Diner – und das einzige, das verstand, was „farm to table“ und „örtliche Herkunft“ bedeutete. Der echte Name des Restaurants war das Green Briar Café, aber nur Besucher in der Stadt nannten es so. Die Besitzerin, Judy Worrell, fand den Spitznamen amüsant, und sogar sie nannte es das Goodbye.

An diesem Abend stand Judy an der Tür und begrüßte die Gäste, die hereinkamen.

„Hallo, die Damen. Barney, du siehst gut aus.“ Judy lächelte, als sie eintraten. „Vier zum Abendessen?“

„Ja“, sagte Barney. „Wir sind auf der Suche nach einem leckeren Essen und einem komfortablen, klimatisierten Raum. Es ist nett und kühl hier drinnen, also sind wir schon halb am Ziel.“

„Alles hier ist lecker, wie du ja sehr wohl weißt.“ Judy gab Barney vier Speisekarten und winkte eine Kellnerin herbei. „Tisch für vier. Guten Appetit, Ladies. Barney, ich muss mit dir reden, bevor ihr geht.“

„Oh? Was ist los?“ Barney blieb stehen.

„Ein paar Komplikationen wegen des Unabhängigkeitstages. Wir reden, nachdem ihr gegessen habt.“

Barney nickte und folgte der Kellnerin zu ihrem Tisch.

„Was passiert am Unabhängigkeitstag?“, fragte Des, als sie sich hinsetzten.

„Das übliche Trara, das alle Kleinstädte veranstalten. Eine Parade, komplett mit Blaskapellen am Morgen, gefolgt von Spielen für Kinder im Park. Grillfeiern zuhause. Nachts ein Feuerwerk. Es ist jedes Jahr gleich. Wahrscheinlich ist es auch überall sonst das Gleiche.“ Barney begann, die Speisekarte zu lesen.

„Das ist genau wie der Unabhängigkeitstag in Devlin’s Light. Ich habe diese Tage immer geliebt.“ Cara rückte ihren Stuhl näher an den Tisch, um einen Kellner hinter sich vorbeizulassen.

„Das Gleiche in Cross Creek“, erzählte Des. „So traditionell und spaßig. Klassische USA.“ Des wandte sich Allie zu. „Ich kann mich nicht an viel Trara erinnern, als wir Kinder waren, aber wie sieht’s mit L.A. heutzutage aus? Paraden? Feuerwerk?“

Allie zuckte die Schultern. „Nehme ich an. Ich schätze, es gab Paraden. Ich habe vielleicht mal eine davon im Fernsehen gesehen.“

„Willst du uns damit sagen, dass du nie zu einer Parade am vierten Juli gegangen bist?“ Barney sah schockiert aus.

„Das habe ich gesagt, ja.“ Allie hielt den Blick auf ihre Speisekarte gerichtet.

„Du bist nie mit Nikki zu einer Parade gegangen?“

Allie zuckte die Achseln. „Was soll ich sagen? Clint hat sowas immer gehasst, also sind wir nie gegangen.“

„Also hat Nikki nie bei einer Parade mitgemacht, oder …“

„Außer, sie ist irgendwann mal mit einer Freundin hingegangen. Vielleicht ist sie das. Ich weiß es nicht mehr.“ Allie richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Karte. „Der Cobb Salad mit gegrilltem Hühnchen sieht gut aus.“

„Ich glaube, den nehme ich auch.“ Cara, die Vegetarierin, fügte hinzu: „Ohne das Hühnchen.“

„Nun, Nikki wird dieses Jahr das komplette Programm bekommen.“ Barney legte ihre Speisekarte nieder. „Vielleicht ist sogar Platz für sie in der Parade, man weiß ja nie.“

„Ich bin sicher, sie wird begeistert sein, das zu hören.“ Allie sah endlich hoch. „Jede bereit, zu bestellen?“

Wie abgemacht tauchte Judy an ihrem Tisch auf, sobald alle aufgegessen hatten.

„Also, wie hat’s euch geschmeckt?“ Sie blieb hinter Barney und schaute auf den Tisch.

„Super“, waren sich alle einig.

Judy holte einen Stuhl vom nächsten Tisch und setzte sich zwischen Barney und Des. „Also, hier ist die Lage für den Vierten. Du weißt, Dan Hunter fährt normalerweise seinen Model-T Ford an der Spitze der Parade?“

Barney nickte. „Das macht er seit Jahren. Sein Vater hat das Auto vor ihm gefahren. Ich kann mich nicht erinnern, wann dieses alte Auto mal nicht die Parade angeführt hat.“

„Nun, dieses Jahr wird es nicht so sein. Vielleicht nie wieder. Etwas stimmt mit dem Motor nicht – er braucht ein Ersatzteil oder sowas – und Dan hat keins gefunden. Also, wenn er dieses Teil nicht finden kann, und niemanden mit dem Know-How, um es auszutauschen, stehen wir ohne einen Oldtimer da, um die Parade zu beginnen.“ Judy sah Barney bedeutungsschwer an.

„Ihr wollt Lucille.“

Judy nickte. „Wollen wir. Der Ausschussvorsitzende hat gestern Abend ein Notfalltreffen einberufen. Ross Whalen–“

„Schrulliger, alter Kauz“, murmelte Barney.

„Ja, das ist er. Jedenfalls, er hat angeboten, zu fahren, wenn …“

Barneys Augen weiteten sich, und ihre Augenbrauen verschwanden fast in ihrem Haaransatz. „Ross Whalen fasst Lucille ganz sicher nicht an. Niemand fährt sie außer mir. Niemand.“ Sie hielt inne. „Vielleicht eine meiner Mädchen hier, irgendwann, aber Whalen? Nee.“

„Der Bürgermeister hat gesagt, dass du das sagen würdest. Er hat vorgeschlagen, dass du fährst.“ Judy lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, während die Kellnerin die Teller abräumte.

„Es ist sehr nett von Seth, dass er hinter mir steht.“ Barney lächelte.

„Also, was meinst du? Ich weiß, dass du gerne in der Ecke auf deinem Klappstuhl sitzt und der Parade zusiehst, während du deinen Eiskaffee trinkst, aber …“

„Oh, natürlich werde ich Lucille bei der Parade fahren. Und danach kannst du mir einen Eiskaffee ausgeben.“

„Danke dir. Dann werde ich dir den Kaffee besorgen und den anderen Bescheid sagen, dass du dabei bist.“ Judy stand auf.

Als Judy außer Hörweite war, fragte Allie: „Also, warum ist es so eine große Sache, wer das Auto bei der Parade fährt?“

„Es ist eine Ehre, die Parade anzuführen, eine, die immer den Hunters gehört hat, da sie das älteste Auto der Stadt besaßen“, erklärte Barney. „Ich schätze, damit ist Lucille das zweitälteste.“ Sie runzelte die Stirn. „Die Petersons haben einen 1940 Dodge, aber ich weiß nicht, ob er noch funktioniert. Und er ist kein Cabrio. Man muss ein Cabrio an der Spitze der Parade haben.“

„Warum?“, fragte Des.

„Damit man die Würdenträger auf dem Rücksitz sehen kann, natürlich.“ Barney stand auf. „Fertig, Mädchen?“

Barney bezahlte an der Kasse, während die Mädchen nacheinander hinaus auf den Bürgersteig traten. Auf dem Nachhauseweg spähten sie in Schaufenster, winkten vorbeifahrenden Autos, und diskutierten, was jemanden für den Status eines Würdenträgers in Hidden Falls qualifizierte.

Sie hatten den Bürgersteig vor dem Familiensitz erreicht, als ein großer, schwarz-weißer Hund über den Rasen flitzte, sich dann umdrehte und direkt auf sie zulief.

„Ripley!“ Des wappnete sich, als der Hund an ihr hochsprang. „Platz, Junge. Mach Platz.“ Sie sah auf, als Seth auf sie zu joggte. „So viel zu all den Stunden, die wir ihn die letzten Monate trainiert haben.“

„Platz, Ripley“, tadelte Seth seinen Hund. „Sorry, Des.“

„Ist schon in Ordnung. Er freut sich nur, mich zu sehen.“ Des schob den Hund von sich runter. „Mach Sitz, Kumpel. Sitz.“

Der Hund machte Sitz und sah sie erwartungsvoll an.

„Er denkt, dass du ihm Burger gibst“, sagte Allie. „So wie damals, als du ihn aus dem Theater gelockt hast.“

„Ah, der alte Burger-Köder. Funktioniert jedes Mal.“ Des erinnerte sich an den Tag, an dem sie drei Hunde aus dem Loch in der Außenwand des Theaters gelockt hatte.

„Seth, ich weiß es sehr zu schätzen, dass du dich gestern Abend bei dem Treffen für mich eingesetzt hast.“ Barney verschränkte die Arme vor der Brust. „Es ist lächerlich, zu meinen, dass ich je diesen idiotischen Whalen ans Steuer meines Autos lasse.“

„Wir wussten alle, dass das nie passieren würde“, sagte Seth. „Aber du machst es doch, oder? Du führst die Parade dieses Jahr an?“

„Natürlich. Es wird mir eine Ehre und ein Vergnügen sein.“ Barneys Augen verengten sich. „Aber ich darf aussuchen, wer auf dem Rücksitz sitzt.“

Seth lachte. „Ich habe ihnen gesagt, dass du auch das sagen würdest. Du mach einfach dein Ding, Ms. Hudson. Der Rest von uns wird sich dem anpassen.“

„Du bist ein guter Junge, Seth MacLeod.“ Barney tätschelte seinen Arm und ging zum Haus. „Und du arbeitest weiter daran, deinem Hund da ein paar Manieren beizubringen, hörst du?“

„Ja, Ma’am.“ Er nickte.

„Ich muss ein paar Leute anrufen.“ Cara folgte Barney auf dem Bürgersteig, der zur vorderen Veranda führte. „Bis bald.“

„Ich auch. Bis dann, Seth.“ Allie ging Cara hinterher.

Des wandte sich Seth zu. „Und wo gehst du hin? Bist du nicht ein ganzes Stück von deiner Wohnung entfernt?“

„Ich habe nur versucht, meinem Jungen hier ein bisschen Bewegung zu verschaffen.“

„Gut für alle Hunde, aber ja, Border Collies lieben es, zu rennen.“ Sie sah runter zu Ripley, der sich vor Seths Füßen hatte hinplumpsen lassen. „Möchtest du ein bisschen Wasser für ihn? Er sieht aus, als ob er außer Atem wäre.“

„Ich bin sicher, da würde er sich freuen. Danke.“

Sobald sich Des und Seth zum Haus aufmachten, raste der Hund den Weg hoch.

„Ich schätze, er weiß noch, dass Buttons hier wohnt.“

„Er zieht immer an der Leine, wenn wir hier langgehen“, gab Seth zu. „Ich weiß nicht genau, ob er nach Buttons sucht, oder nach dir.“

„Naja, ich war seine erste menschliche Freundin hier in Hidden Falls“, erinnerte Des ihn. „Ein kleiner Burger kann viel bewirken bei einem verhungerndem Hund.“

„Ich denke manchmal darüber nach, was ihnen vielleicht zugestoßen wäre, wenn du nicht dazugekommen wärst.“

„Irgendwann hätte jemand anderes bemerkt, dass sie durch die Wand ein und aus gingen. Und der Barkeeper im Frog hat sie gefüttert, wenn sie vorbeikamen.“

„Das stimmt, aber sie wären immer noch obdachlos gewesen. Du hast sie dazu gekriegt, rauszukommen, hast sie zum Tierarzt gebracht, und deine Freunde gepiesackt, bis sie eingewilligt haben, sie aufzunehmen.“

„Wenn ich mich recht erinnere, hast du dich sofort dafür gemeldet, Ripley aufzunehmen, und wenn irgendwer gepiesackt wurde, dann Ben, als du ihn überredet hast, das Weibchen zu nehmen.“

„Ist das zu glauben, dass er dem Hund immer noch keinen richtigen Namen gegeben hat?“

„Ja, ich glaube, wir müssen ihm Druck machen, dass er mal daran arbeitet.“ Des grinste. „Sogar Allie hat ihm wegen seines Mangels an Fantasie das Leben schwer gemacht.“

„Allie scheint Ben wegen allem das Leben schwer zu machen.“

„Es macht ihr Spaß. Manchmal denke ich, dass meine Schwester nicht glücklich ist, wenn sie gerade niemandem den Tag versauen kann.“

Ripley erreichte die Veranda, schnüffelte dann an der Tür, und wedelte mit dem Schwanz.

„Ich gehe rein, hole etwas Wasser für ihn, und schaue, ob Buttons rauskommen und spielen will. Setz dich.“ Des machte die Tür auf und verschwand nach drinnen.

Als sie wiederkam, den Wassernapf in der Hand und zwei Bierflaschen in der Hand, peste ein aufgeregter, kleiner, weißer Hund an ihr vorbei, um ihre hündischen und menschlichen Freunde zu begrüßen. Des stellte den Wassernapf auf die Veranda, aber Ripley rannte an ihm und Seth vorbei, der sich auf die Stufen gesetzt hatte, um Buttons über den Vorgarten zu jagen.

Des gab Seth ein Bier und blieb auf der Stufe stehen, um den Hunden für einen Moment beim Spielen zuzusehen.

„Danke.“ Er machte den Deckel ab und nahm einen Schluck.

„Die Kleinen haben anscheinend Spaß.“ Sie setzte sich neben Seth und sah zu, wie Buttons Ripley die Auffahrt hoch zur Remise verfolgte.

„Ja, sie sind gute Freunde. Wir werden nie erfahren, wo sie gewesen sind oder was sie zusammen durchgemacht haben. Sie sind sich sehr nah.“

Die zwei Hunde rannten ums Haus und über den Rasen.

„Und, hattest du Zeit, dir den Projektor näher anzuschauen?“, fragte sie.

„Hatte ich. Es ist ein Super Simplex XL. Ich bin ziemlich sicher, dass er aus den 1930ern oder den Vierzigern ist, aber er ist scheinbar irgendwann modifiziert wurden, wahrscheinlich in den Fünfzigern oder Sechzigern. Ich schätze, da wurde die Xenonlampe angebracht.“

Sie starrte ihn mit offenem Mund an. „Wie hast du das alles so schnell herausgefunden?“

Seth grinste. „Magellan Express, meine Lieblingssuchfunktion.“

„Glaubst du, der Projektor funktioniert noch?“

„Im Augenblick nicht. Da ist ein Teil von der Zuführung zur Blende abgebrochen, und ich weiß nicht, ob sie ausgetauscht werden kann.“

„Was ist eine Blende?“

„Versuch mal, dir das vorzustellen: Der Film ist auf zwei Rollen, eine im unteren Teil des Projektors, eine oben.“ Er hielt seine Hände auf sechs und zwölf Uhr. „Es wird von der unteren Rolle zur Linse geführt, wo das Bild projiziert wird, und der Film läuft dann von der Blende zur oberen Rolle.“

„Was, wenn man die Blende nicht reparieren kann?“

„Es gibt ein paar alte Projektoren bei eBay. Wir können sie austauschen, wenn nötig, aber es wäre viel cooler, wenn wir die originale Blende fürs Theater nutzen könnten.“

„Warum habe ich nicht an eBay gedacht?“, sagte sie.

„Ich auch erst nicht. Aber es stehen ein paar dieser Modelle zum Verkauf. Wenn du willst, höre ich mich um, und schau mal, was ich über den Preis, Zustand und sowas in Erfahrung bringen kann.“

„Ich möchte dir nichts aufdrängen.“ Ihre Schulter streifte seinen Oberarm, und sie fühlte ein plötzliches, kleines Kribbeln an der Stelle, wo er sie berührt hatte. Sie lehnte sich weg, um sich mit dem Rücken gegen einen der Verandapfosten zu setzen. Sie war im Laufe der Zeit so entspannt in seiner Gesellschaft geworden, dass dieses kleine bisschen Elektrizität sie unvorbereitet erwischte.

„Du bürdest mir nichts auf. Ich finde es irgendwie spannend, wie er funktioniert. Ich würde gerne mehr darüber lernen, wie er zusammengesetzt ist. Außerdem ist es interessant, zu sehen, wie sich Projektoren zusammen mit den Filmen weiterentwickelt haben.“

„Wenn es dir wirklich nichts ausmacht…“ Sie öffnete ihre Flasche, nahm einen Schluck, und fragte sich dabei, ob er dieses … was auch immer das gewesen war, auch gefühlt hatte. Sie würde dem auf keinen Fall einen Namen geben.

„Ganz sicher nicht. Außerdem gefällt es mir, bei dem Projekt mitzumachen. Das Theater war einmal das Herz der Stadt. Ich glaube, das kann es auch wieder werden.“ Er verstummte. „Als ich heute Nachmittag da war, hat das wieder Erinnerungen hochgeholt. Ich weiß noch, wie sie einmal das Theater für die Halloween-Parade geöffnet haben, als ich sechs oder sieben war. Es hatte seit Tagen in Strömen geregnet und es sah nicht so aus, als ob es sich bessern würde. Der Stadtrat wollte die Parade absagen, aber jemand – im Rückblick muss es Barney gewesen sein – hat vorgeschlagen, dass die Parade im Sugarhouse stattfindet. Wir haben uns alle verkleidet und sind durchs Foyer marschiert, den Gang runter, und auf die Bühne. Sie haben Preise für die besten Kostüme vergeben.“

„Hast du gewonnen?“

Seth lachte. „In meinem weißen Bettlaken? Wohl kaum. Aber wir hatten großen Spaß an dem Abend. Ben und Joe waren auch Geister, und wir drei sind auf der Bühne hin und her gerannt und haben ‚buh’ gerufen, bis uns jemand geschnappt und wieder runtergeschickt hat.“

„Ich hätte gedacht, dass so eine Aufführung wie eure einen Preis verdient hätte.“

Er schüttelte den Kopf. „Über Geschmack kann man nicht streiten. Ich glaube der erste Preis ist an Cinderella gegangen, und die Zweitplatzierten waren ein paar Piraten und ein Kind in einem Bärenkostüm, dessen Vater Direktor von der High School war.“ Die Erinnerung brachte ihn zum Lächeln.

„Ihr drei seid schon so lange befreundet?“

„Seit dem Kindergarten.“ Er lächelte. „Kleine Städte sind halt so, Des. Du wächst auf und kennst jeden. Wenn man lange genug bleibt, wird man ein Teil davon.“

„Ich glaube, ich kann mich nicht mal an die Namen der Kinder erinnern, mit denen ich im Kindergarten war.“

„Hast du die Schule nach dem Kindergarten gewechselt? Bist du zu einer anderen Grundschule gegangen?“

„Ich hatte keine Freunde an der Schule. Wir wurden zuhause unterrichtet nach der zweiten oder dritten Klasse. Ich kann mich nicht wirklich an die Zeit vorher erinnern.“

„Eure Mutter hat euch zuhause unterrichtet?“

Des brach in Gelächter aus. „Meine Mutter? Oh Gott, nein. Sie wäre eher gestorben. Nein, nein, wir hatten eine Lehrerin.“ Sie hielt inne. „Du weißt, dass ich bei einer Fernsehserie mitgespielt habe, als ich klein war, oder?“

„Die Leute haben mal etwas davon gesagt, dass Barneys Nichten ein bisschen geschauspielert haben. Ich glaube, meine Schwester hat deine Serie ein paar Jahre lang geguckt.“ Er fügte fast schon entschuldigend hinzu: „Ich war nie jemand, der stillsitzt und Fernsehen schaut. Ich war die meiste Zeit draußen.“

„Du brauchst dich nicht entschuldigen. Es war eine ziemliche Mädchenserie, obwohl ich wünschte, dass wir damit in eine andere Richtung gegangen wären.“ Sie verdrehte die Augen. „Nicht, dass mich je irgendwer gefragt hätte.“

„Es klingt, als ob es dir nicht allzu gefallen hat.“

„Ich habe es gehasst. Ich wollte es nie machen. Es war die Idee meiner Mutter.“ Des schüttelte langsam den Kopf. „Ich habe alles getan, was ich konnte, um da rauszukommen. Diese Serie hat mir meine Kindheit genommen und die Beziehung zu meiner Schwester zerstört.“

„Ihr scheint euch jetzt ganz gut zu verstehen.“

„Manchmal. Aber da ist immer so ein feindseliger Unterton. Allie hat mir nie verziehen, dass ich diese Rolle bekommen habe. Sie wollte sie, ich nicht, ich habe sie bekommen. Das ist die Kurzversion.“

„Vielleicht kann ich ja eines Tages die ganze Geschichte hören.“

„Vielleicht kannst du das.“ Sie suchte nach einem höflichen Weg, das Thema zu wechseln.

Seth musste das bemerkt haben, denn er fragte: „Vermisst du das Tierheim, das du in Montana geleitet hast?“

„Ja, aber eigentlich leitet es jemand anderes. Hauptsächlich habe ich mit den Problemhunden gearbeitet.“

„Was macht einen ‚Problemhund’ aus? Meinst du bissige Hunde?“

„Nein, nein. Hunde, die unzureichend sozialisiert sind, oder misshandelt wurden und ängstlich sind. Hunde mit Vertrauensproblemen. Hunde, die geradezu fies sind, sind was anderes. Es gibt Leute, die mit solchen Hunden arbeiten, aber man muss wirklich speziell ausgebildet sein, um so eine Arbeit zu machen. Ich habe die einfachen Sachen gemacht. Manche Hunde brauchen länger als andere, um Vertrauen zu fassen.“

„Ich schätze, Hunde sind nicht so viel anders als Menschen. Manche Leute brauchen auch länger, um jemandem zu vertrauen.“ Er nahm noch einen Schluck von seinem Bier. „Du hast so eine beruhigende Art, du bist so locker. Ich vermute, Hunde fühlen das genauso wie Menschen, und vertrauen dir einfach.“

„Danke, Seth.“

„Also, hast du darüber nachgedacht, hier ein Tierheim zu eröffnen? Wir haben manchmal Streuner in der Stadt, und es gab Fälle, wo Leute ungewollte Tiere oben in den Bergen ausgesetzt haben. Wenn sie abgeholt werden, werden sie zur SPCA oder zu dem Heim außerhalb von Clarks Summit gebracht. Keiner weiß, was von da an mit ihnen passiert.“

„Ich vermisse es schon. Wenn ich einen Ort hätte, wo Hunde leben könnten, wenn ich ein Netzwerk hier hätte …“ Sie zuckte die Schultern. „Ich gebe zu, ich habe an die Remise als eine Möglichkeit gedacht, aber das ist keine gute Idee.“

„Für mich klingt das nach einer guten Idee, wenn du das machen möchtest.“

„Zum einen ist sie zu nahe am Haus. Hunde können etwas laut werden, wenn sie etwas nachts aufschreckt. Ich bezweifle, dass Barney oder die Nachbarn es gutheißen würden, wenn ein Haufen Tiere frühmorgens rumjault.“ Sie nahm noch einen Schluck aus der Flasche, und stellte sie dann neben sich auf die Stufe. „Außerdem glaube ich, dass sie zu klein ist, um mehr als ein paar Tiere aufzunehmen, und meinem letzten Auftreten vor eurem Stadtrat nach zu urteilen, würde ich nach dem Baugesetz nie ein vollständiges Unternehmen bewilligt kriegen.“

„Du hast einen Freund im Rat, das weißt du, oder?“ Natürlich meinte Seth sich selbst.

„Ich weiß, und ich weiß es zu schätzen. Aber das ist nur eine Stimme. Und der wahrscheinlich wichtigste Grund: Ich glaube, Cara will ein Yogastudio eröffnen, und es scheint, dass sie ein Auge auf die Remise geworfen hat.“

„Und was Cara will, ist wichtiger, als das, was du willst, weil …?“

„Weil es am wahrscheinlichsten ist, dass sie bleibt, wenn die Arbeit am Theater beendet ist.“

Es verstrich ein langer Moment, bevor Seth fragte: „Und, wartet jemand auf dich in Montana?“

„Nur die Leute, die das Tierheim leiten, und mein Buchclub.“

„Ich wette, es gibt eine Menge Leute hier in Hidden Falls, die einem Buchclub beitreten würden, wenn du einen gründen würdest.“

„Cara und ich haben mal darüber geredet. Aber ich weiß nicht, ob ich mich auf irgendwas einlassen und dann abreisen will. Hunde oder Leute.“

Er schien darüber nachzudenken, während er das Etikett der Flasche abknibbelte.

„Wenn du zurück nach Montana gehst, nimmst du dann Buttons mit?“

„Ich könnte sie Barney nicht nehmen. Sie liebt diesen Hund, und der Hund ist vernarrt in sie. Wann auch immer ich gehen werde, Buttons wird hierbleiben.“

„Wann, glaubst du, wird das sein?“

Des zuckte die Schultern. „Ich habe noch keine Ahnung. Wir waren ziemlich gut dabei, die grundlegende Renovierung abzuschließen, aber das Chaos mit der Decke wird uns ein bisschen zurückwerfen.“

„Wenn ich irgendwie helfen kann, sag mir Bescheid. In der Zwischenzeit besorge ich dir die Ausdrucke.“

Seth stand auf und pfiff nach seinem Hund. Beide Tiere hielten in ihrem Spiel inne, und trotteten dann auf ihn zu. Buttons setzte sich keuchend zu Des’ Füßen.

„Wünsch Barney gute Nacht von mir. Danke für das Bier.“ Er hakte die Leine am Halsband seines Hundes ein. „Wir sehen uns, Des.“

„Nacht, Seth.“ Des stand auf und sah zu, wie er sich entfernte. „Seth“, rief sie ihm nach.

Beim Klang ihrer Stimme drehte er sich um.

„Ich bin froh, dass wir Freunde sind“, sagte sie ihm.

„Ich auch.“

Sie stützte sich auf das Geländer der Veranda, und folgte ihm mit ihrem Blick, bis er und Ripley um die Ecke verschwanden.

Einen Augenblick später öffnete sich die Tür hinter ihr.

„War Seth die ganze Zeit hier?“, fragte Cara.

„Ja. Rip sah durstig aus, also habe ich ihm etwas Wasser gegeben, und Seth und ich haben eine Weile geredet.“

Cara bückte sich und hob die leere Flasche auf, die Seth auf der Stufe stehengelassen hatte. „Schlauer Hund, dass er aus der Flasche trinkt.“

„Seth war auch durstig.“

„Ich könnte auch ein Bier gebrauchen. Bin gleich zurück.“ Cara wandte sich zur Tür. „Willst du noch eins?“

„Es gibt keine mehr. Tut mir leid. Ich habe die letzten zwei genommen. Ich werde morgen neues besorgen.“

„Du hast vielleicht nicht an der richtigen Stelle geguckt. Ich habe gestern Abend selbst ein Sixpack da reingestellt, als Joe hier war, und wir hatten beide jeweils eins. Wenn du und Seth je eins hattet, dann sollten noch zwei übrig sein.“ Cara ging ins Haus, aber war nach kurzer Zeit zurück. „Du hast recht, sie sind weg.“

Cara setzte sich neben Des auf die Stufe. „Seth ist ein supernetter Typ.“

„Ist er wirklich. Ich habe ihm gerade gesagt, dass ich froh bin, dass wir befreundet sind.“

„Das hast du wirklich zu ihm gesagt? ‚Ich bin froh, dass wir befreundet sind’?“

Des nickte. „Ja, warum sollte ich nicht?“

„Weil es ziemlich offensichtlich ist, dass er dich mag.“

„Ich mag ihn auch.“

„Bemerkst du wirklich nichts?“

Des starrte ihre Schwester ausdruckslos an.

„Des, ich glaube, er möchte mehr als nur befreundet mit dir sein.“

„Nein, er hat gesagt, dass er auch froh ist, dass wir Freunde sind.“

Jetzt war Cara an der Reihe, zu starren.

„Wirklich, wir sind nur Freunde und es gefällt uns so.“

„Du meinst, dir gefällt es so.“

Des seufzte, lehnte sich über das Geländer, und sah zu, wie ein kleiner Vogel in einem der Buchsbäume unter der Veranda verschwand. „Er ist nicht mein Typ.“

„Was heißt das?“

„Er ist dieser große, tätowierte Riese, der Motorrad fährt und Zigarren raucht, die so lang sind wie mein Arm. Wir sind komplette Gegensätze. Ich war noch nicht mal auf einem Motorrad und ich hasse Zigarrengeruch.“

„Also ist er nicht dein Typ, weil er für eine gewisse Gefahr steht?“

Des ignorierte sie. „Und das ist nur der Anfang. Er hat hier sein ganzes Leben über gelebt, er gehört hierhin und er weiß es. Er hat seit dem Kindergarten die gleichen Freunde gehabt.“

„Und das sind Minuspunkte, weil …?“

„Er ist an ein anderes Leben gewöhnt. Er ist seit Ewigkeiten Teil von Hidden Falls. Er ist so ein richtig sozialer Typ, und ich bin eine …“

„Du bist eine was?“

„Ich bin eine Einzelgängerin. Ich hatte keine Freunde an der Schule, weil Allie und ich immer einen Privatlehrer hatten. Ich habe den Großteil meines Lebens auf der Bühne verbracht, vorgegeben, jemand zu sein, der ich nicht bin, und wenn ich nicht gearbeitet habe, war ich in die Seiten eines Buchs vertieft.“ Des holte tief Luft. „Ich glaube nicht, dass sich Seth je hatte fragen müssen, wer er war. Ich glaube, er hat das immer gewusst.“

„Ich würde denken, dass das etwas Gutes ist, Des. Ein Typ, der weiß, wer er ist, wo er hingehört, der seine Freundschaften schätzt.“

„Ich habe nie richtig irgendwo hingehört. Ich weiß nicht, wie sich das überhaupt anfühlen würde.“ Des hatte keine Ahnung, woher die Worte und Gefühle kamen, oder wie sie den Mut gefunden hatte, sie auszusprechen, aber sie wusste, während sie sprach, dass jedes Wort wahr war.

„Aber nachdem deine Serie vorbei war, bist du aufs College gegangen, oder? Du musst doch da ein Heim gefunden haben.“

„Ich habe alleine gewohnt, weil ich nicht wusste, wie ich mich bei anderen Kindern meines Alters verhalten sollte. Ich habe mich überall wie eine Fremde gefühlt. Ich bin nach Montana gezogen, weil die einzige Freundin, die ich jemals hatte – eine meiner ‚Schwestern’ aus der Serie – da gelebt hat und ich dachte, zumindest würde ich da jemanden kennen. Aber sie hatte ihr eigenes Leben, ihren Mann und ihre Kinder.“ Ihre Stimme verlor sich für einen Moment. „Seth, er ist Mr. Beliebt. Die Leute in Hidden Falls mögen ihn so sehr, dass sie ihn, was, drei Mal zum Bürgermeister ernannt haben? Ich habe ihn bei der letzten Stadtratsversammlung beobachtet; der Raum war vollgestopft und die Leute haben rumgezetert und er hat sie einfach zur Ruhe und zurück auf den Plan gebracht. Ich hätte Panik bekommen und wäre aus dem Raum gerannt. Seth wäre überall zuhause, wo er landen würde, und ich wüsste nicht, dass ich irgendwo zuhause wäre.“

„Du scheinst aber zufrieden zu sein, hier mit uns.“

„Das ist was anderes. Ihr seid Familie.“

Cara lachte. „Das waren wir aber bis vor Kurzem nicht.“

„Bei Barney fühlt sich jeder zuhause. Und du … mit dir kommt man gut klar. Und ich wusste schon immer, wie Allie ist. Keine Überraschung.“ Sie stieß einen Seufzer aus. „Und Seth – er ist der netteste Typ, den ich je getroffen habe, aber er ist hier tief verwurzelt. Er gehört hierhin, und ich werde nicht bleiben.“ Sie schüttelte erneut den Kopf. „Außerdem ist er einfach nicht mein Typ.“

„Also, wenn ein Typ, der dich genug mag, um spontan einen Hund aufzunehmen, nicht dein Typ ist, wer dann?“

„Oh, naja, jemand, der … vielleicht ein bisschen kultivierter ist. Ich weiß nicht, intellektueller, vielleicht. Ich mochte schon immer diesen konventionellen Look. Weniger … Tinte. Nicht, dass das was Schlechtes ist. Es ist nur einfach nicht mein Ding. Das heißt nicht, dass er kein netter Typ ist, oder dass er nicht richtig für jemand anderen ist.“

„Verstehe.“ Cara hielt mit der Hand auf dem Türknauf inne. „Man kann nicht immer eine Person nach ihrem Aussehen beurteilen, das weiß du, oder?“

„Ich urteile nicht.“

„Wirklich? Denn es klingt für mich, als ob du das tust.“

„Tu ich nicht. Seth ist super, aber wir sind zu verschieden.“

„Wenn du nicht urteilst, dann suchst du nach Ausreden. In beiden Fällen verpasst du was.“

Bevor Des protestieren konnte, war Cara nach drinnen geschlüpft und hatte die Tür hinter sich geschlossen.