Leseprobe Gefährliches Spiel um das Herz der Lady

Prolog

London, 1817

Lucas Mayfield, der achte Earl of Heightfield, war vieles – es kam immer darauf an, wen man fragte. Aber von allen Eigenschaften, die ihm von anderen Adligen und Nichtadligen zugeschrieben wurden, war keine zutreffender als die, mit der er sich selbst beschrieb.

Gelangweilt.

Es war nicht gerade ein angenehmer Zustand, eher ein gefährlicher – denn aus Langeweile wurden Ideen geboren, und die, die gerade in seinem Kopf herumspukten, waren äußerst gewagt, erfinderisch und unanständig. Ideen verlangten auch nach Risiko, etwas, womit er nicht leichtfertig umging. Vielmehr strebte er nach Kontrolle – sehnte sich zutiefst nach ihr, in jedem Bereich seines Lebens. Kontrolle beschützte ihn vor Schmerz und davor, von anderen manipuliert zu werden – weil er derjenige war, der die Fäden in der Hand hielt. Hatte er die Kontrolle, konnte ihn das Leben nicht mit Verrat, Tod oder noch Schlimmerem überraschen.

Denn es gab immer Schlimmeres als den Tod.

Das Leben, unter anderem.

Seine Idee und das Risiko, das sie mit sich brachte, gefährdeten jedoch dieses grundlegende Bedürfnis nach Kontrolle, und so erlaubte er sich nur mit sorgfältiger Überlegung, über eine so waghalsige und reizvolle Zerstreuung überhaupt nachzudenken.

Er würde auch Hilfe brauchen, aber das sollte kein größeres Problem sein. Heathcliff und Ramsey waren genauso gelangweilt wie er. Gemeinsam verfügten sie über alle nötigen Beziehungen und Mittel, um diesem Gebilde seiner Fantasie Leben einzuhauchen.

Er trommelte mit den Fingern gegen sein Brandyglas. Das goldene Licht des Kamins warf einen einladenden Schein in sein Arbeitszimmer. Dunkelheit war so berechenbar, so behütend. Viel einfacher zu kontrollieren als Licht.

Er nippte an seinem feinen französischen Brandy und genoss das Brennen in der Kehle. Es war himmlisch. Die Perfektion, die zu Verlockung führte … zu …

Er setzte sich aufrecht hin, und der Ledersessel quietschte von der plötzlichen Bewegung. Verlockend.

Er wälzte das Wort im Kopf herum und seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, selbst als er den Kopf angesichts der Dreistigkeit einer solchen Idee schüttelte.

Es war die perfekte Ironie.

Seine Idee hatte einen Namen – einen verdammt aufschlussreichen.

Anders als alle anderen Spielhöllen in London würde seine mit Anonymität punkten. Keine Namen. Keine Gesichter. Masken und eine Exklusivität, mit der keine andere Hölle aufwarten konnte. Ein Ort ohne Verpflichtungen, wo Privatsphäre Sicherheit bedeutete – und Vergnügen.

Verlockung. Kurz und knapp, direkt auf den Punkt gebracht. Ein Ort, an dem man vom rechten Weg abkommen konnte und ihn nicht vermissen würde.

Er hob sein Brandyglas, um sich selbst zuzuprosten, und nahm einen tiefen Schluck. Diese Idee würde so viele seiner eigenen Probleme lösen, ebenso wie die seiner Freunde. Und wenn ihn solche Dinge plagten, dann zweifellos unzählige andere ebenso.

Unfähig, der Verlockung eines solch brillanten Plans zu widerstehen, stand er auf, durchquerte sein Arbeitszimmer in mehreren großen Schritten und ging zur Tür. Die Nacht war noch jung, sicher verweilten seine Freunde noch bei White’s. So ritt er in freudiger Erwartung in die Nacht hinaus, das Ärgernis seiner Langeweile längst verflogen.

An ihre Stelle war etwas viel Gefährlicheres getreten. Entschlossenheit.

Kapitel eins

Lady Liliah Durary trieb ihre Stute Penny zu einem scharfen Galopp an, mit dem sie durch den Hyde Park flog. Eine anständige Lady sollte auf die Paare Rücksicht nehmen, die durch den Park spazierten. Eine anständige Lady sollte nicht mit solch halsbrecherischer Geschwindigkeit reiten. Eine anständige Lady sollte in allen Dingen auf ihren Vater hören.

Liliah war keine anständige Lady.

Und eher würde die Hölle zufrieren, als dass sie es auch nur versuchen würde.

Tränen brannten in ihren Augen und vernebelten ihr die Sicht, als sie Penny drängte, schneller zu laufen, ohne darauf zu achten, dass sie in einem elenden Damensattel saß – oder darauf, dass ihre Geschwindigkeit in ihrer wackeligen Lage tatsächlich gefährlich war. Sie wollte ihren Problemen entfliehen – oder eher ihrem Problem. Denn abgesehen von dieser einen verhängnisvollen Angelegenheit war ihr Leben eigentlich sehr schön.

Die älteste Tochter eines Dukes zu sein, hatte seine Vorteile.

Natürlich hatte es auch klare Nachteile.

Wie den, dass ihr Vater von ihr verlangte, ihren besten Freund zu heiraten. Der zufällig in ihre andere beste Freundin verliebt war.

Es war ein elendes Durcheinander – und sie war mittendrin. Wenn ihr Vater doch nur zur Vernunft kommen würde! Doch ebenso gut könnte sie hoffen, dass ihrer Stute Flügel wuchsen und sie davonflog. Es war zwecklos. Sie bremste Penny zu einem gemäßigten Schritt ab und seufzte tief. Der Wind spielte mit einigen Strähnen ihres widerspenstigen blonden Haars, die sich wegen ihrer hohen Geschwindigkeit aus ihrer Frisur gelöst hatten. Eine besonders störende Locke pustete sie sich aus der Stirn und strich sie hinter ihr Ohr. Sie sah sich um und stöhnte, als ihr einfiel, dass sie kein Dienstmädchen mitgenommen hatte. Schon wieder.

Glücklicherweise war das Personal in Whitefield House ihre ständige Missachtung der Anstandsregeln bereits gewohnt. Vielleicht würde Sarah, ihre Dienstmagd, ihr Fehlen bemerken und sich rarmachen, um den Eindruck zu erwecken, sie sei bei ihrer Herrin. Liliah biss sich auf die Lippe und trieb ihre Stute zurück in Richtung ihres Zuhauses – auch wenn das der letzte Ort war, an dem sie sein wollte –, einfach Sarah zuliebe. Es würde nicht gut für ihre Magd ausgehen, sollte ihr Vater herausfinden, dass sein Personal seiner ungehorsamen Tochter so viel mehr Freiheit gewährte als er selbst. Und sollte er es herausfinden, würde diese Freiheit abrupt ein schlechtes Ende finden.

Da sie sich dem Personal – und vor allem ihrem Dienstmädchen Sarah – verbunden fühlte, erhöhte Liliah ihre Geschwindigkeit. Außerdem löste man Probleme nicht, indem man vor ihnen davonlief. Während sie sich im gleichmäßigen Rhythmus von Pennys Trab wiegte, dachte sie noch einmal über ihre Situation nach.

Es ergab einfach keinen Sinn.

Aber wann ergaben die Entscheidungen ihres Vaters schon Sinn? Nie.

Ihre beste Freundin Rebecca stammte aus einer angesehenen und wohlhabenden Familie. Die Familie ihres anderen besten Freundes, Meyer, hatte keinen Grund, eine solche Verbindung abzulehnen. Aber Meyers Vater weigerte sich genauso wie Liliahs, zur Vernunft zu kommen. Nur dass Meyers Vater, der Earl of Greywick, damit gedroht hatte, seinen Sohn zu enterben und seinen Titel einem Cousin zu verleihen, als Meyer gegen die Vereinbarung protestiert hatte.

Es war zum Weinen, egal wie man es betrachtete.

Liebesheiraten waren selten unter Adligen und hier ergab sich eine goldene Gelegenheit für beide Familien – und wurde verschwendet.

Es stimmte, Liliah war selbst eine sehr gute Partie. Ihr war bewusst, dass sie als älteste Tochter eines Dukes eine wichtige Erbin mit Stammbaum war, doch war ihre Herkunft wirklich bedeutender als die von Rebecca? Sie bezweifelte es.

Ihr Vater schien das anders zu sehen.

Genau wie Lord Greywick.

Als sie die Kopfsteinpflasterstraße zu ihrem Zuhause überquerte, atmete sie die Frühlingsluft tief ein. Sie konnte spüren, wie ihre Freiheit wie trockener Sand durch ihre Finger rann. Als Whitefield House in Sichtweite kam, zog Liliah an den Zügeln und brachte Penny zum Stehen. Das Pferd wieherte leise, zweifellos begierig darauf, bei der Rückkehr gründlich abgebürstet und mit süßem Hafer gefüttert zu werden, aber Liliah verweilte und betrachtete das Steingebäude. Whitefield war eines der größeren Häuser in Mayfair und verlangte mit seinen großen steinernen Säulen und weitläufigen, einladenden Balkonen, von denen aus man die Einfahrt überblickte, nach Aufmerksamkeit. Es passte gut zu ihrem Vater, als würde es sein übersteigertes Gefühl seiner eigenen Wichtigkeit noch unterstreichen. Widerwillig trieb sie Penny wieder an und ritt durch den Seiteneingang zum Stall hinter dem Haus.

Bei ihrer Ankunft kam ihr ein Stallbursche entgegengelaufen, um sie zu begrüßen und ihr beim Absteigen zu helfen. Penny stieß den Jungen mit dem Kopf an und er lachte leise und streichelte ihre Samtnase.

„Ich kümmere mich um Penny, Mylady, keine Sorge.“

Mit einer schnellen Verbeugung führte der Bursche das allzu verwöhnte Pferd in den Stall und murmelte ihm dabei leise Worte zu.

Sie sah sich sorgfältig um, und als sie sicher war, dass sie allein war, eilte sie zum Dienstboteneingang an der Seite des Herrenhauses. Die schwere Holztür öffnete sich lautlos, und Liliah schlüpfte hinein und lehnte sich gegen die Tür, sobald sie geschlossen war. Ihre Augen gewöhnten sich an das Dämmerlicht und sie stieg die Treppe in den zweiten Stock hinauf, bog nach links in einen kleinen Saal ab und wandte sich der Tür zu, die zur Galerie führte, von der es nur ein kurzer Weg zu ihren Gemächern war. Die Kälte des metallenen Türknaufs drang durch ihren Handschuh, als sie ihn drehte und kurz darauf in den sonnendurchfluteten Raum spähte. Sie atmete flach und horchte genau auf Schritte oder Stimmen. Gerade als sie heraustreten wollte, eilte Sarah, ihr Dienstmädchen, die Halle mit gerunzelter Stirn entlang und öffnete die Tür, die zu Liliahs Gemächern führte.

Liliah wartete noch einen Moment, bevor sie aus dem Dienstbotenzimmer trat und zu ihrem Zimmer hastete. Dort verlangsamte sie ihre Schritte, als hätte sie es gar nicht eilig, für den Fall, dass jemand ihre Anwesenheit bemerkte.

Schnell öffnete sie die Tür zu ihrem Zimmer und schloss sie leise hinter sich. Sarahs erleichterter Seufzer begrüßte sie.

„Mylady! Ihr habt keinen Augenblick zu verlieren! Euer Vater ist auf der Suche nach Euch. Als er mich sah, trug er mir auf, Euch zu suchen, doch ich fürchte, er wird ungeduldig. Er war in der Bibliothek.“

„Schnell, hilf mir beim Ausziehen. Ich brauche ein Nachmittagskleid.“

Liliah zog ihre Handschuhe, die Spuren von ihren ledernen Zügeln trugen, aus und tauschte sie gegen frische, während Sarah schnell die Knöpfe ihres Reitgewands öffnete.

Nach nur wenigen Minuten war Liliah angemessen gekleidet und jeder Beweis ihres unbegleiteten Ausflugs sicher versteckt. Und mit einem kurzen Grinsen an Sarah, die einen erleichterten Seufzer ausstieß, verließ Liliah ihr Zimmer und schritt den Flur herunter, als hätte sie keine Sorgen auf der Welt.

Doch in Wirklichkeit lasteten die Sorgen schwer auf ihr.

Denn ihr Vater sprach selten mit ihr, außer um Gehorsam zu verlangen – und sie wusste genau, was er jetzt im Sinn hatte.

Verflixt.

Sie faltete die Hände in dem Versuch, das leichte Zittern zu unterdrücken, als sie die Treppe hinunter zur Bibliothek ging. Wie sie es hasste, sich so schwach und machtlos in ihrem eigenen Leben zu fühlen! Mit einem ermutigenden Atemzug machte sie die letzten Schritte zum Eingang der Bibliothek, wo das sanfte Klirren von Porzellantassen durch die Luft schwebte.

„Euer Gnaden.“ Liliah knickste vor ihrem Vater und betrachtete die Furchen in seinem Gesicht, als sich seine grau melierten Augenbrauen wie Gewitterwolken über seinen grauen Augen zusammenzogen.

„Endlich“, sagte er knapp, setzte seine Tasse ab und deutete auf einen Sessel. „Ich war kurz davor, einen Suchtrupp loszuschicken.“

„Vergebt mir, ich war ganz versunken –“

„In deinem Buch, ich weiß. Dein kleines Dienstmädchen hat das auch schon gesagt. Und ich möchte dich daran erinnern, dass du nicht so viel Zeit damit verbringen sollst, deinen Verstand zu schärfen. Feile an deinen anderen Qualitäten. Deinem Pianoforte-Spiel könnte etwas Übung sehr guttun.“ Er seufzte, als wäre er das Gespräch mit seiner Tochter jetzt schon leid.

Liliah schwieg. Sie wollte noch keinen Willenskampf anfangen; den musste sie sich für einen wichtigeren Anlass aufheben.

Den einzigen, der im Moment zählte.

„Jetzt, wo du hier bist, muss ich dir mitteilen, dass Lord Greywick und ich uns auf ein Datum geeinigt –“

„Aber Euer Gnaden …“

Seine Brauen zogen sich noch enger über seinen Augen zusammen und er starrte sie mit frostiger, wütender Miene an. „Unterbrich mich nicht.“

Liliah schluckte und nickte mit zusammengebissenen Zähnen. „Wie ich bereits sagte …“ Er hielt inne und hob eine Augenbraue, eine stille Herausforderung, ihn noch einmal zu stören. „Lord Greywick und ich sind es leid, zu warten. Wir waren sehr geduldig und dein Fortschritt mit Greywicks Erben ist bestenfalls träge. Deshalb wird Meyer dich heute Abend beim Ball der Langfords zu zwei Walzern auffordern. Das sollte die perfekte Einstimmung auf die Verlesung des Ehevertrags in zwei Wochen sein. Dann werdet ihr in zwei Monaten in St. George’s heiraten. Das ist mehr als großzügig und ich –“

„Es ist alles andere als großzügig, und das wisst Ihr genau!“

Liliah konnte sich nicht länger zurückhalten. Sie stand auf und bezog hinter dem Stuhl Stellung. Ihre Finger krallten sich in den Damaststoff, während sie sich auf den Kampf vorbereitete.

Von dem sie schon wusste, dass er verloren war.

„Wie kannst du es wagen?“ Die Stimme ihres Vaters dröhnte.

„Vater, Meyer hat kein Interesse an mir! Wie lange wollt Ihr Euch noch vormachen, dass da mehr als Freundschaft wäre?“

„Es ist mir vollkommen egal, ob er sich etwas aus dir macht!“, brüllte ihr Vater und stand ebenfalls auf.

„Ich weigere mich.“ Liliah sprach leise, wie Seide über Stahl, und biss die Zähne zusammen.

Ihr Vater machte einen bedrohlichen Schritt nach vorn. „Es geht nicht anders. Und denk daran: Wenn diese Verlobung nicht stattfindet, wird dein Freund seinen Titel verlieren. Glaubst du wirklich, dass Lord und Lady Grace es ihrer Tochter erlauben werden, einen Mann ohne Vermögen zu heiraten? Ohne Titel?“ Er schüttelte den Kopf, sein Blick berechnend. „Das werden sie nicht. Also hör auf mit deinem Widerstand. Es gibt keine andere Option.“ Er atmete tief ein und erwiderte ihren Blick. „Ich schlage vor, dass du dich auf heute Abend vorbereitest. Du wirst sicher der Mittelpunkt des Geschehens sein und du solltest entsprechend aussehen. Du bist entlassen.“ Mit einem kleinen Winken wandte er sich von ihr ab und wieder seinem Tee zu.

Tränen brannten in Liliahs Augen, doch sie hielt sie zurück, bis sie sich auf dem Absatz umgedreht hatte. Sie verließ den Raum, gerade als die ersten warmen Tränenströme über ihre Wangen liefen.

Sicherlich musste es doch einen anderen Weg geben!

Vielleicht gab es den, doch die Zeit lief ihnen davon.

Ihnen allen.

 

Auf dem Langford-Ball herrschte ein reges Treiben der feinen Gesellschaft Londons. Die Musik des Orchesters schwebte durch die Luft und übertönte das Stimmengewirr weitgehend. Die Tänzer wirbelten umher, ein Kaleidoskop von pastellenen Farben, eingerahmt von den schwarzen Anzügen der Herren. Der Banketttisch war mit Straußen- und Pfauenfedern und silbern bemalten Eiern geschmückt. Doch die Pracht des Ballsaals berührte Liliah nicht, und nicht einmal die Aussicht auf Siruptorte konnte sie aufheitern. Sie schlängelte sich durch die Menschenmenge und angelte sich ein Glas Champagner vom Tablett eines vorbeigehenden Lakaien. Als sie einen Schluck nahm und das kühle Prickeln des Getränks genoss, fiel ihr Blick auf die Person, nach der sie gesucht hatte.

Lady Rebecca tanzte die Quadrille mit geübter Anmut. Sie warf ihrem Partner ein Lächeln zu und Liliah konnte geradezu zusehen, wie der arme Junge dahinschmolz. Sie unterdrückte ein Kichern und als der Tanz endete, bahnte sie sich den Weg zu ihrer Freundin. Als Rebecca sie näher kommen sah, hob sie die Hand zu einem Winken und ihre Augen strahlten ebenso wie ihr Lächeln.

„Liliah! Ich habe schon nach dir gesucht. Bist du eben erst angekommen?“ Rebecca drückte Liliahs Hand.

„Ich habe versucht, Zeit zu schinden“, gab Liliah zu.

Rebeccas Lächeln verblasste und das Leuchten verschwand aus ihren grünen Augen. „Hat es geholfen?“

„Nein.“ Liliah wandte den Blick ab, nicht sicher, ob sie es ertragen könnte, den Schmerz in Rebeccas Gesicht zu sehen.

„Wir wussten, wie schlecht die Chancen dafür standen. Jetzt müssen wir eben einfach jede verbleibende Gelegenheit ergreifen.“ Rebecca klang viel gefasster, als Liliah erwartet hatte. Als sie sich ihrer Freundin wieder zuwandte, sah sie tiefen Schmerz, aber auch große Stärke in ihrem Blick.

„Es gibt immer Hoffnung“, bekräftigte Liliah und drückte ihre Hand.

„Immer. Und da das nun gesagt ist, muss ich die gegenwärtige Situation nutzen.“ Rebeccas Gesicht erstrahlte, wie es das nur bei schwer Verliebten tat, und sie knickste, als sich jemand näherte.

Es war der Baron of Scoffield, aber Liliah kannte ihn schon immer einfach als Meyer. Seit Liliah, Rebecca und Meyer sich während eines Feuerwerks in Vauxhall Gardens kennengelernt und davongeschlichen hatten, war eine tiefe und langjährige Freundschaft zwischen ihnen entstanden. Im Laufe der Zeit hatte diese Freundschaft sich zu etwas Tieferem zwischen Meyer und Rebecca entwickelt, und Liliah hatte mit Freude zugesehen, wie ihre Liebe aufblühte.

Meyer betrachtete Rebecca mit glühendem Blick und schenkte ihr ein verschwörerisches Lächeln. Als Liliah sich wieder Rebecca zuwandte, sah sie, wie sich eine zarte Röte auf ihrem olivfarbenen Gesicht ausbreitete. Liliah bekam das Gefühl, dass sie einen sehr privaten Moment störte, und errötete ebenfalls.

„Ich lasse euch zwei dann mal …“ Sie ließ den Satz in der Luft hängen, und als sie ging, hörte sie, wie Meyer Rebecca um einen Tanz bat.

Liliah trank ihren restlichen Champagner und sah ihren Freunden bei ihrem Tanz zu. Sie hatten nur Augen füreinander; selbst wenn sie für ein paar Schritte die Partner wechseln mussten, fanden ihre Blicke zueinander.

Jeder, der nur hinsah, konnte ihnen ihre Liebe am Gesicht ablesen.

Es war ebenso wunderschön wie zwecklos.

Der Tanz endete und die ersten Takte eines Walzers schwebten durch den Saal. Doch die Schönheit der Musik war vergiftet und Liliahs Herz wurde schwer, als Meyer mit grimmiger Miene auf sie zukam.

Er sagte nichts, sondern streckte nur die Hand aus. Sie legte ihre Hand in seine und folgte ihm widerwillig auf die Tanzfläche.

„Wenn ich mir dein Gesicht so anschaue, hattest du bei deinem Vater wohl ebenso viel Erfolg wie ich bei meinem“, sagte Meyer nüchtern. Seine braunen Augen waren traurig, als sein Blick durch den Raum wanderte, wohl auf der Suche nach Rebecca.

„Das ist leider richtig“, erwiderte Liliah.

Meyer atmete tief ein und sah ihr in die Augen. „Wir werden eine Lösung finden.“

„Meyer –“, begann Liliah.

„Das werden wir. Wir müssen nur warten, bis sich eine Gelegenheit ergibt.“ Er nickte, seine Augen voll von Selbstbewusstsein.

„Und was, wenn nicht?“ Liliah fand es furchtbar, ihre tiefsten Ängste auszusprechen und Meyers tapfere Maske bröckeln zu sehen.

„Liliah, ich … ich darf darüber nicht einmal nachdenken. Ich bin ruiniert, egal was ich tue. Dein Vater hat dich sicherlich an meinen Titel erinnert.“

„Und daran, dass Lord und Lady Grace dich ohne Titel nicht akzeptieren würden.“

„Genau. Ich muss die Hoffnung bewahren. Aber ich … Liliah, falls wir gezwungen werden, wird das nichts zwischen uns verändern.“ Er sah sie direkt an und seine Augen sprachen die Worte, die er nicht über die Lippen brachte.

„Ich danke dir“, erwiderte Liliah. Sie war erleichtert. Sosehr sie die Aussicht auf eine platonische Ehe auch hasste, so war doch die Vorstellung des Verrats, den sie alle fühlen würden, sollte er ihr Bett teilen, noch weitaus schlimmer. Der Gedanke, dass sie nie die körperliche Liebe kennenlernen sollte, tat weh, doch was hatten sie schon für eine Wahl? Sollten sie diesen Schritt gehen, würde Meyer während des Aktes an Rebecca denken, und Liliah würde das genau wissen. Es wäre nicht nur ein Verrat an ihrer Freundin, sondern auch an sich selbst, denn wie könnte sie davon nicht verbittert werden? Es wäre für sie alle besser, zu warten, bis sie eine Lösung finden konnten – sie würde einfach zur Seite treten. Vielleicht könnte sie selbst einen Liebhaber haben?

Sie hasste es, wie kompliziert ihr Leben geworden war.

Liliah atmete tief ein, während ihre Füße wie von selbst den Walzer weitertanzten. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als ihr ein amüsanter – wenn auch nicht sehr hilfreicher – Gedanke kam.

„Ah, dieses Lächeln kenne ich. Was hattest du für einen unanständigen Gedanken?“ Meyer hob die Augenbrauen und grinste.

Liliah sah ihn gespielt böse an. „Ich habe nie unanständige Gedanken.“

„Deine Gedanken sind durch und durch unanständig, genau wie du.“ Meyer lachte. „Was dich zu einer hervorragenden Freundin macht. Nun, sprich.“

Liliah verdrehte die Augen. „Wie charmant. Nun gut, ich dachte einfach nur, wie schön es wäre, wenn unsere Hochzeit ein Maskenball sein könnte. Rebecca und ich würden im letzten Moment die Plätze tauschen und ihr wärt verheiratet, bevor irgendjemand etwas daran ändern kann.“ Sie zuckte mit den Schultern über ihre albernen Gedanken.

Meyer lachte. „Also doch unanständig! Nur schade, dass es nicht funktionieren wird.“ Er runzelte die Stirn und sah zur Seite, als hätte er einen Gedanken.

„Was heckt nun dein böser Verstand aus?“

„Nichts von Bedeutung.“ Er sah wieder zu ihr. „Deine Erwähnung eines Maskenballs hat mich nur an ein Gespräch erinnert, das ich vorhin mit einem Freund geführt habe.“

Liliah grinste. „Plant jemand einen Maskenball?“, fragte sie und versuchte nur halbherzig, ihre Aufregung zu verbergen.

„Ja, aber du wirst nicht eingeladen sein, dem Himmel sei Dank.“ Er schüttelte den Kopf, zwar lächelnd, aber die Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben.

„Warum das?“

„Es ist kein Maskenball für die feine Gesellschaft, meine Liebe. Und ich hätte es überhaupt nicht erwähnen sollen.“

„Ist es ein Geheimnis? Oh, Meyer, du musst es mir einfach verraten.“

„Gott, nein! Es ist nichts für dein zartes –“

Liliah schnaubte und warf ihm einen verärgerten Blick zu, bevor sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete.

„Ach, verdammt. Ich kenne dieses Grinsen. Liliah …“ Sein Tonfall klang warnend.

„Wenn du es mir nicht verrätst, kann ich einfach jemand anderen fragen.“

„Du wirst nichts dergleichen tun!“

„Du kannst mich nicht davon abhalten.“

„Du bist einfach schrecklich!“, zischte Meyer. Seine Augen verengten sich, als der Walzer endete.

„Also wirst du es mir verraten?“, fragte Liliah und biss sich vor Aufregung auf die Lippe.

Meyer führte sie schweigend zu einer ruhigen Ecke des Ballsaals. Neben einem verlassenen Erker blieben sie stehen.

„Das heißt Ja!“, beantwortete Liliah ihre eigene Frage und drückte seinen Unterarm.

„Ich erzähle es dir nur, damit ich kontrollieren kann, was du hörst. Gott weiß, was du aus einem nichts ahnenden Burschen herauspressen würdest. Ich bin wenigstens gegen deinen Charme immun und werde mich nicht von deinem Betteln beeinflussen lassen.“

Liliah hätte ihn fast daran erinnert, dass er genau das gerade tat – doch sie hielt sich zurück.

„Es gibt einen … Ort“, flüsterte Meyer, und Liliah rückte näher an ihn heran, um seine Worte über die Musik im Saal hinweg zu hören. „Er ist geheimnisumwoben, exklusiv und kein Ort für eine adlige Lady, wenn du verstehst, was ich meine.“

Liliah nickte, aufmerksam lauschend.

„Nur wenige werden als Mitglieder aufgenommen und es ist etwas sehr Besonderes, überhaupt eingeladen zu werden. Einer meiner Bekannten war neulich äußerst betrunken und hat viel zu frei über diesen allzu geheimen Klub geplaudert – und er hat einen Maskenball erwähnt. Das ist alles.“

Liliah dachte über seine Worte nach. Sie hatte mehrere Fragen. „Wie heißt er?“

Meyer zögerte und verengte die Augen. „Verlockung“, sagte er widerwillig.

„Und dort gibt es einen Maskenball?“, fragte Liliah. Ein Plan entstand in ihrem Kopf.

„Ja. Und mehr musst du nicht wissen.“ Meyer blickte über seine Schulter auf die wogende Menge.

„Geh zu ihr. Wir müssen noch einen Walzer tanzen, und der wird mir genug Zeit geben, dir all die Fragen zu stellen, die du nicht beantworten willst.“ Sie zwinkerte ihm zu und schob ihn sanft in Richtung der Tanzfläche.

„Wenn du es so sagst …“ Er verdrehte die Augen und verschwand in der Menge.

Liliah ließ Meyers Worte noch einmal Revue passieren und dachte darüber nach, was das Gesagte für sie bedeuten könnte. Ein Maskenball – der nichts für feine Damen war.

Es klang nach der perfekten Gelegenheit für eine Lady, die sich einmal absolut unschicklich verhalten wollte. Sie musste nur den Ort herausfinden, sich davonstehlen, und dann, vielleicht … könnte sie etwas vom Leben kosten, bevor es weggeheiratet wurde. War das etwa zu viel verlangt? Sicherlich nicht. Und da sie den Namen kannte, würde sie den Ort schon finden.

Zum ersten Mal, seit diese ganze scheußliche Angelegenheit begonnen hatte, verspürte sie den Funken einer Hoffnung.

Einer ganz und gar skandalösen Hoffnung.

Kapitel zwei

„Lucas!“

Heathcliffs laute Stimme dröhnte in Lucas’ Kopf. Es war eine lange Nacht gewesen. Mehrere Klubmitglieder hatten aus den Räumlichkeiten entfernt werden müssen, was den ansonsten reibungslosen Ablauf erheblich gestört hatte. Der heutige Abend würde hoffentlich weniger ereignisreich verlaufen. Maskenbälle bargen zwar immer ihre eigenen Risiken – aber auch Chancen.

„Ich bin hier drinnen, verdammt. Was zur Hölle willst du? Und kannst du aufhören, so zu brüllen?“ Man konnte Lucas’ Stimme den Mangel an Schlaf und den vielen Brandy in der Nacht zuvor nur zu gut anhören.

„Da bist du ja. Du siehst fürchterlich aus. Steh auf, wir haben einen anstrengenden Tag vor uns. Gestern war lustig, nicht? Es geht doch nichts über eine gute Rauferei.“ Heathcliff Marston, der Viscount Kilpatrick, war ein großer Mann, sein schottischer Akzent so stark wie seine Arme und sein Lächeln so breit wie seine Schultern. Er war ein wahrer Berg von einem Mann, einer von Lucas’ zwei besten Freunden und eine richtige Nervensäge.

Lucas erhob sich langsam. Er hatte es gestern nicht mehr in sein Zimmer geschafft, sondern war noch an dem breiten Mahagonischreibtisch in seinem Arbeitszimmer vom Schlaf übermannt worden. Sein Rücken protestierte, als er aufstand, und er stöhnte. „Ich bin verdammt noch mal zu jung, um mich so alt zu fühlen.“

„Du vielleicht.“ Heathcliff zuckte mit den Schultern.

Lucas war keiner, der darauf bestand, mit seinem Titel angesprochen zu werden, und so war er die saloppe Art seines Freundes schon gewöhnt. Meistens fand er sie erfrischend – doch heute war sie ihm lästig.

„Wolltest du etwas Bestimmtes? Außer, mich zu Tode zu reizen?“

Heathcliff kicherte. „Eine verlockende Idee. Aber ich bin ziemlich sicher, dass der Teufel gar nicht sterben kann, also müssen wir es bei der anderen Option belassen – ja, ich brauche etwas.“

„Und was?“, fragte Lucas, während er versuchte, die Steifheit in seinem Nacken zu lockern.

„Es scheint so, als hätten wir eine undichte Stelle.“

„Eine undichte Stelle?“ Lucas blinzelte verwirrt. „Verdammter Regen. Im Dach?“

„Nein. Eine undichte Stelle im Informationsfluss. Heiliger Himmel, bist du heute Morgen langsam.“

Lucas fluchte leise. „Sag mir, dass du das Ramsey nicht erzählt hast.“

„Sehe ich aus wie ein Idiot?“

„J–“

„Ich beantworte das am besten selbst. Nein. Ich bin ein Genie, und ich habe meinen Mund gehalten.“

„Ausnahmsweise mal.“

„Ramsey wäre wütender als der Teufel hierüber. Du weißt, wie er alles hasst, was auch nur im Geringsten nach Skandal riechen könnte.“

„Was natürlich überhaupt nicht im Widerspruch zu seiner Mitarbeit in diesem Klub steht.“

„Ich habe nie behauptet, dass der Mann vernünftig ist.“

„Hört, hört.“ Lucas klopfte auf den Schreibtisch. „Aber er ist brillant mit Zahlen– also lass uns diese bestimmte Information für uns behalten. Was weißt du darüber?“

Heathcliff ging zu dem Stuhl gegenüber von Lucas’ Schreibtisch. Er ließ sich nieder und zuckte mit den Schultern. „Es scheint, dass gestern mehrere junge Männer um Einlass gebeten haben. Sie hatten alle keine Papiere oder Einladungen und auch ihre Familien standen nicht auf der Einladungsliste.“

„Verdammt.“

„Sehr richtig.“

„Und das direkt vor dem Maskenball.“

„Das stellt ein gewisses Sicherheitsrisiko dar.“ Heathcliff lehnte sich nach vorn. „Ich schlage vor, dass wir die Wachen am Eingang verdoppeln und alle Eintrittskarten überprüfen. Niemand kommt ohne seine goldene Eintrittskarte herein.“

Lucas massierte seinen Nasenrücken. „Einige der Herrschaften werden das ganz und gar nicht zu schätzen wissen. Sie erwarten, dass ihre Mitgliedschaft es ihnen erlaubt –“

„Es ist der Maskenball.“ Heathcliff zuckte mit den Schultern. „Wir werden einfach erklären, dass solch eine … Veranstaltung zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erfordert. Und so hat niemand eine Ahnung, worum es wirklich geht.“

„Ja. Ja, das könnte funktionieren. Das muss es. Wir haben keine andere Möglichkeit.“

„Siehst du? Problem gelöst. Gern geschehen. Und jetzt zieh dich an. Wir haben viel zu tun und du stinkst und siehst furchtbar aus.“ Heathcliff stand auf und verließ den Raum mit lauten Schritten.

Lucas sah ihm beim Gehen zu, dankbar, dass sie zumindest die drängendste Angelegenheit gelöst hatten. Doch das viel größere Problem lastete weiterhin auf ihm.

Wer gab Informationen nach außen weiter – und wie konnte er das Leck unter Kontrolle bekommen?

Das Läuten der Uhr erinnerte ihn daran, was für eine unchristliche Uhrzeit es war, und mit einem Stöhnen dehnte er noch einmal seinen Rücken und verließ dann sein Arbeitszimmer. Er stieg die Treppen hinauf und ging zu seinem Schlafzimmer. „Duff?“, rief er, als er die großen Doppeltüren aufstieß. Wenige Momente später erschien sein Kammerdiener, der Lucas mit einem wissenden Augenbrauenzucken von Kopf bis Fuß begutachtete.

„Ist es mal wieder das Arbeitszimmer geworden, Mylord?“

„Das ist es. Wenn Sie mir schnell helfen würden, mich anzuziehen? Ich brauche dringend etwas heißen Tee.“ Lucas begann, sein weißes Hemd aufzuknöpfen.

„Natürlich“, sagte Duff. Seine Hände bewegten sich deutlich geschickter als die von Lucas.

„Haben Sie meine Garderobe für heute Abend vorbereitet?“, fragte Lucas, während er in ein frisches Hemd schlüpfte.

„Mitsamt Ihrer Maske, Mylord.“

„Großartig.“ Lucas unterdrückte ein Gähnen. Großer Gott, er hätte letzte Nacht in seinem Bett schlafen sollen! Bei den zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen würde er heute Abend besonders wachsam sein müssen.

Als Lucas seine Kleidung aufgefrischt hatte, bedankte er sich mit einem kurzen Nicken bei Duff und ging in den Speisesaal.

Graves, sein langjähriger Butler, nickte ihm zu. „Alles ist wie gewünscht.“

Lucas nickte kurz und stieß einen Seufzer tiefster Zufriedenheit aus. Vertrautheit, Kontrolle, Erwartung. Das waren schöne Worte, die ihn tief in der Seele berührten. Genau wie jeden Morgen ging er zu seinem Gedeck und nahm Platz. Sein Glas war mit Wasser gefüllt, seine Tasse mit Tee – zwei Stücke Zucker, keine Milch – und auf dem Unterteller lag ein silberner Löffel. Er rührte den Tee um und sah zu, wie der heiße Dampf um seine Fingerspitzen wirbelte. Pochierte Eier und drei Scheiben Speck lagen fein säuberlich auf einem einzelnen gebutterten Stück Toast, genau wie jeden Morgen. Er legte seine Serviette auf seinen Schoß und begann sein Frühstück zu essen, wobei seine Gedanken bereits um all die Dinge schwirrten, die heute erledigt werden mussten.

Nicht einmal zehn Minuten später war er auf dem Weg zurück in sein Arbeitszimmer. Er war mit einer Kutsche von der Residenz der Barrots, wo sich ihr Klub, Verlockung, befand, nach Hause gefahren. Die Barrots waren langjährige Freunde, die sich wenig um die öffentliche Meinung scherten und eine gute Feier äußerst zu schätzen wussten. Sie waren die Diskretion in Person und wohl das, was für Lucas einer Familie am nächsten kam. Es war fantastisch, dass sie den Klub von ihrer Residenz aus führen konnten und keine Halle mieten mussten. Das machte es viel einfacher, die Sicherheitsmaßnahmen und Mitglieder zu kontrollieren und ihre eigene Privatsphäre zu bewahren, als wenn sie versucht hätten, eine Spielhölle an anderer Stelle aufzubauen.

Als er die Tür zu seinem Arbeitszimmer öffnete, stellte er fest, dass der Raum während seines Frühstücks aufgeräumt worden war, das Feuer wieder angefacht und die benutzten Brandygläser durch frische ausgetauscht worden waren.

Verdammt, er liebte Effizienz.

Er studierte die Liste der Dinge, die vor dem Ball erledigt werden mussten, und nahm sich vor, genauso effizient zu sein wie seine Angestellten.

Mit nur halb so viel Schlaf.

Doch wie sagte man so schön: Keinen Frieden gibt es für die Gottlosen.

Und der heutige Abend würde äußerst gottlos werden.