Leseprobe Die geheimnisvolle Lady des Viscounts

1

Bender House, Bryanston Square, Marylebone, London, 1821

Wentworth Brandon Augustus Holmes, Baron Blackwell und Holmes und Viscount of Blackwell, genannt Blake, trottete gut gelaunt und mit einem lustigen Pfeifen auf den Lippen die Treppe des Stadthauses seines guten Freundes Charles Bender hinauf. Sie waren verabredet, um bei Tattersalls ein Pferd zu erstehen, die Sonne schien und das Leben war wundervoll.

Eine Dame bog im ersten Stock in das Treppenhaus ab. Der Blick aus ihren weichen, ungewöhnlich hellbraunen Augen glitt über ihn und sie nickte ihm zu, während er zunächst langsamer wurde und dann vor Überraschung stehen blieb.

»Lord Blackwell.« Auf seiner Höhe knickste sie angedeutet – noch immer, ohne ihn tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen – und ging weiter.

»Verzeihung?«, sprach er sie an. Sie war unauffällig, schon bieder gekleidet, das braune Haar zu aufwendigen Löckchen an beiden Seiten ihres aristokratischen Gesichts drapiert, und sie trug eine Kamee mit dem Abbild einer Blume an ihrem schlanken Hals. Dieser verdrehte sich, war sie doch bereits an ihm vorbei, und sie verharrte einige Stufen unter ihm, ohne sich völlig zu ihm umzudrehen. Die Frage stand bereits in ihrer Miene. Sie legte die Hände vor dem Bauch übereinander.

»Ja bitte?«

»Wer sind Sie?« Die Frage war vermutlich anmaßend, aber eine Frau in Bender House? Das hatte es noch nie gegeben.

Verblüffung huschte über ihr Antlitz. Sie hatte große Augen und hoch liegende Wangenknochen, wodurch ihr Gesicht schmal wirkte und etwas zu streng für seinen Geschmack. Besonders in Anbetracht dessen, dass ihr dunkles Kleid einen unmodern hohen Kragen besaß. »Erschleichen Sie sich eine Vorstellung, Lord Blackwell?« Ihre Augen waren gar nicht braun. Eher gelblich. Ungewöhnliche Augen, mit denen sie ihn auch noch abschätzig musterte.

»Keineswegs.«

Sie neigte den Kopf und wandte sich ab, um die Stufen weiter hinabzugehen. Ihr Kleid folgte ihr mit zwei Stufen Verspätung, aber mehr als die schlichten Pantoffeln war darunter nicht auszumachen.

»Also schön, vermutlich erschleiche ich mir doch eine Vorstellung.«

Sie hielt inne, drehte sich aber wieder nicht zu ihm um. »Neugierde ist keine Tugend, Lord Blackwell. Guten Tag.«

Sie ließ ihn stehen. Am Fuß der Treppe wandte sie sich in den Gang, der sie zu den Gesellschaftsräumen führen musste, die am Morgen natürlich nicht genutzt wurden. Die in Bender House nie genutzt wurden, schließlich lebte der Freund hier völlig allein. Blake war nah dran, der Unbekannten zu folgen. Allerdings war sie der Aufmachung nach deutlich von Stand. Sie kannte seinen Rang, hatte vor ihm in exakt vorgeschriebener Tiefe geknickst … Wer auch immer sie war, sie hatte wohl einen Grund, durch Charles’ Haus zu flanieren.

Irritiert stapfte er weiter. Der Freund hielt sich in seinem Arbeitszimmer in ersten Stock auf, das eher einer Bibliothek glich und vermutlich auch mal eine gewesen war, bevor Charles den Raum für sich beansprucht hatte.

Der Freund sah kurz von seinem Schreibtisch auf und ließ ein Lächeln aufflammen, das gleich wieder verschwand. »Zu spät.«

Blake schüttelte den Kopf. »Da war eine Frau auf deiner Treppe, die hat mich aufgehalten, sonst wäre ich selbstredend pünktlich gewesen.« Er wartete, aber Charles bot keine Erklärung an. »Eine junge Frau im Haus eines Junggesellen.«

»Ja, das klingt fragwürdig.«

»Charles, hörst du mir überhaupt zu?«

»Du sprichst über Frauen.« Der Freund stellte seine Feder ab und streute Sand auf sein Billett. »Oder nicht?«

Blake schüttelte den Kopf. »Eine Frau in deinem Haus. Jung, hübsch und nicht bereit, mir ihren Namen zu nennen.«

Charles wirkte verwirrt. »Ich hätte jetzt auf Charlie getippt, aber jung und hübsch passt da nicht.«

Blake starrte ihn an. Der Freund stöpselte das Tintenfass zu, kippte den Löschsand zurück in sein Behältnis und überflog sein Schreiben, bevor er es siegelte. Alles mit absoluter Gemütsruhe. Blake selbst war weit entfernt von irgendwie gearteter Ruhe. Dieser Morgen riss ihn aus seiner üblichen Gelassenheit und er konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, woran das lag. Möglicherweise an dem Mysterium, einer Frau in Bender House zu begegnen, oder daran, dass der Freund absolut nicht hilfreich war, dieses Rätsel aufzulösen. Wer war sie und was tat sie hier?

»Hast du was dagegen, wenn wir das Schreiben auf dem Weg bei Castlereagh vorbeibringen?«

»Charlie«, kam Blake auf das Kuriosum zurück und hob die Hände. »Ich komme hier nicht mit. Wer ist Charlie und was hat er mit der Frau zu tun, die …«

Charles lachte und stand auf. »Charlie«, wiederholte er, als sei damit bereits alles gesagt, und ließ sich dann doch zu einer Erklärung herab. »Meine Schwester.«

»Seit wann hast du eine Schwester?« Blake folgte ihm aus dem Raum und schloss rasch zu ihm auf, um in seiner Miene ablesen zu können, ob er ihn womöglich hochnahm.

»Seit meiner Geburt.« Charles verdrehte die Augen. »Oder etwa zwanzig Minuten später.«

Blake verlor den Anschluss. Sie waren sechsundzwanzig und seit geschlagenen sechzehn Jahren befreundet. Von einer Schwester hörte er heute zum ersten Mal.

»Blake?« Charles kam die Treppe wieder hoch und spreizte die Arme ab. »Wo bleibst du?«

»Du hast eine Zwillingsschwester, die Charlie heißt?«, fasste er zusammen, was er immer noch nicht glauben konnte.

»Selbstverständlich nicht.«

Der strafende Blick des Freundes beruhigte Blake. Er war ihm auf den Leim gegangen. Eine verleugnete Schwester! Ha!

»Sie heißt Charlotte. Jetzt komm endlich. Wir werden noch die Auktion verpassen, weil du so trödelst.« Er verschwand wieder, um die Treppe herunterzugehen, und Blake konnte nur verblüfft in den leeren Gang starren.

 

Hyde Park, London, 1821, am folgenden Tag

Der klare, frühe Morgen belebte Blakes Sinne. Noch netzte der Morgentau jeden Winkel und gab den Pflanzen einen übernatürlichen Schein. Natürlich bekam er davon nicht sonderlich viel mit, trabte er doch über die Rotten Row. Sein neustes Pferd war nicht aus dem Blakely-Stall, wie er gehofft hatte, aber die Tiere des Earls of Blakely waren exorbitant teuer, und somit hatte er nicht damit gerechnet, bei der Auktion als Höchstbietender herauszukommen. Sein Rappe war temperamentvoll, jung und von erhabener Schönheit. Das Fell glänzte und er war gut genug eingeritten, um Blake keine Probleme zu bereiten, sollte seine Aufmerksamkeit kurzzeitig abschweifen, wie just in diesem Moment. Sein Blick glitt über das saftige Grün des Parks und blieb an einer einsamen Person hängen.

Locken wippten bei jeder ihrer Bewegungen an beiden Seiten ihres Kopfes. Sie trug eine doppelreihig geknöpfte Redingote, die durch die voluminösen Röcke darunter aufgebauscht wurde. Charlie wirkte damit wie eine ältliche Gesellschafterin. Ihre Hände steckten in einem fuchsfellbesetzten Muff. Der Schleier an ihrem Hut war nicht vor das Gesicht geschlagen worden, sondern schwang bei jedem energischen Schritt oberhalb ihres Hutes mit.

Blake lenkte seinen Rappen von der Bahn und querfeldein auf die Dame zu, die stehen blieb, als sie ihn bemerkte. Allerdings wartete sie nicht auf ihn, sondern setzte ihren Weg unbeeindruckt fort. Damit kam sie ihm jedoch noch entgegen. Bevor sie erneut an ihm vorbeirauschen konnte, saß er eilig ab und zog sich den Zylinder vom Kopf, um sich vor ihr zu verbeugen. »Miss Bender.«

Sie war erneut nicht geneigt, ihn zur Kenntnis zu nehmen, und strebte an ihm vorbei. Blake griff nach dem Zaumzeug und drehte sein Pferd herum. Er musste laufen, um sie einzuholen.

»Es ist ein schöner Morgen für einen Ausflug.«

Sie warf ihm einen enervierten Blick zu. »Sind Sie häufig zu dieser Tageszeit unterwegs?«

Sie ging auf ihn ein, endlich! Er lächelte zufrieden. »Nein.« Er war sich der Aufmerksamkeit der Damenwelt stets bewusst und es irritierte ihn, dass sie ihm so mühelos widerstand.

»Gut, ich befürchtete schon, meine Routinen abändern zu müssen.« Sie lief schneller. Oder war er einfach langsamer geworden? Sie war unanständig rüde! Er hastete ihr nach. Er kannte wahrlich keine Frau, die ihn ähnlich links liegen ließe wie Charles’ bezaubernde Schwester. Moment, unangebracht abweisende Schwester!

»Miss Bender, ich verstehe nun, warum Charles Sie bisher versteckt gehalten hat. Ihr Benehmen lässt wahrlich zu wünschen übrig.« Er lief an ihr vorbei, denn sie war bei seiner Anklage, die ebenfalls recht unfein war, tatsächlich entrüstet stehen geblieben. Blake musste sein Pferd wenden.

»Mein Benehmen lässt zu wünschen übrig?« Sie schnaubte, und sein Hengst tat es ihr gleich, wobei er den Kopf zurückwarf. Blake hatte Mühe, das Tier zu bändigen, während er die Dame im Auge behielt, die ihn böse anfunkelte. »Sie sprechen eine Ihnen nicht bekannte Frau an!«

So gesehen lag sie richtig. Sie musste ihn wohl ignorieren, allerdings war es ja nicht so, dass sie einander fremd waren. »Ihr Bruder ist mein bester Freund.«

Sie schüttelte den Kopf und deutete mit dem Muff an ihm vorbei. »Darf ich meinen Weg nun unbehelligt fortsetzen, Lord Blackwell?«

»Und Sie kennen meinen Namen. Unbekannte sind wir demnach nicht.«

»Ich kenne auch den Namen des Prinzregenten, dennoch würde er mir nicht auflauern und mir ein Gespräch aufzwingen.« Ihre Brauen verschwanden unter der Krempe ihres Hutes. Ein scheußliches Teil, weder modisch noch zeitgemäß. Blake streckte die Schultern und umfasste seinen eigenen Zylinder fester, der hübsch glänzte und selbstredend der neusten Mode entsprach. Er passte zudem vortrefflich zu seinem ockergelben Mantel nebst der Hose im selben Ton.

»Nun gut, da haben Sie recht.« Er presste verstimmt die Lippen aufeinander, denn nun musste er sie tatsächlich gehen lassen, wodurch seine Neugierde noch mehr angefacht wurde. Charles hatte ihn völlig auflaufen lassen und ihm keine Details über die Lady anvertraut. Es hatte gar so angemutet, als wollte der Freund nicht über sie sprechen.

»Fein. Guten Tag, Lord Blackwell.« Sie neigte den Kopf und trat an ihm vorbei. Sein Rappe schnappte nach ihr. Sie schrie auf, da das Tier den Schleier zu fassen bekam und an ihm zog.

»Hector!« Eilig versuchte Blake, den Schaden zu beheben, aber das störrische Tier ließ nicht los. Die Hutnadeln lösten sich, Miss Bender verlor das Gleichgewicht und stolperte zu Boden. Ihr wütender Blick durchbohrte ihn und weckte zweierlei: den Wunsch, sie zu beschützen, und den, sie ihm geneigter zu machen. Eine ungeheure Dummheit, schließlich war sie eine junge Dame von Stand, die Schwester seines besten Freundes und zu temperamentvoll, um als angenehm zu gelten. Allerdings erinnerte sie ihn an seine eigenen Schwestern, die ihm ebenfalls mit einem simplen Blick mitteilen konnten, wie er zurzeit gelitten war. »Ich bitte vielmals um Vergebung, Miss Bender, mir war nicht bewusst, dass …« Er streckte die Hand nach ihr aus und bekam im selben Moment einen Schubs von Hector. Er torkelte, seine Beine verknoteten sich und der Gesichtsausdruck der Lady sagte ihm bereits, dass er keine Chance hatte und sie dies auch genau wusste. Er fiel und landete auf der Wolke weiblicher Bekleidung, die Miss Charlie ausmachte.

Er starrte in ihre gelblichen Augen. Seine Lieblingsfarbe. Es brauchte einen Moment länger, um sich seiner Lage bewusst zu werden – und der Tatsache, dass dies weder der Moment noch die passende Dame war, um zu tändeln. Aufkeimende Zuneigung seinerseits hin oder her! »Verzeihung.«

Sie starrte ihn an. Eine bezaubernde Röte lag auf ihren Wangen, die vortrefflich mit ihren Lippen harmonierte. Rot stand ihr. Sie sollte nur Rot tragen. Und diese Lippen … formten Worte? Irritiert runzelte er die Stirn.

»Werden Sie irgendwann die Güte haben und von mir heruntersteigen?«

»Ja, ja, selbstredend.«

»Nun?«

Seine Beine waren zu lang und verhakten sich wieder ineinander. Er rollte sich also herunter und schaute einen Moment in den Himmel. Wolken zogen auf. Sein Blut pochte schwer in seinen Adern und sammelte sich an einer wahrlich unangebrachten Stelle. Nur gut, dass er dank des Wetters tatsächlich einen Mantel trug. Einen gelben Mantel, der Grasflecken sicherlich nicht schätzte!

Er sprang auf und wandte den Kopf in dem Versuch, einen Blick auf seinen Rücken zu werfen.

»Ich bin empört.«

»Ja, Bains wird mir den Kopf abreißen!« Er knöpfte sich den Mantel auf, im Begriff, ihn auszuziehen, als ihm ein unangenehmer Gedanke kam. Sie saß noch immer auf dem kalten Untergrund und blitzte zu ihm auf. Ihr Haar war im Nacken herabgefallen, und auch die zuvor akkuraten Löckchen, die ihr Gesicht umranden sollten, waren alles andere als akkurat. Dafür aber verführerisch, allerdings behielt er die Einschätzung besser für sich. »Sie benötigen dringend Ihre Zofe.« Und er eine Abkühlung. Er war nicht auf der Suche nach einer Gattin, und so aufregend diese frische Bekanntschaft war, alles andere verbat sich von selbst.

Ihr Mund öffnete sich, aber kein Wort verließ ihre Lippen.

 

Charlie starrte den ungalanten Tölpel an. Sie korrigierte sich gedanklich, denn er glich eher einer Goldammer. Ein aufgeplusterter Vogel, wie er da versuchte, sein Federkleid zu säubern, und sich dabei um die eigene Achse drehte.

Die kalte Nässe des Frühlingsmorgens zog sich durch ihre Röcke und drang an ihren Po vor. Er ignorierte sie. Sein Aufzug war ihm wichtiger, als einer Dame in Not beizustehen. Er knöpfte sich den Mantel auf.

»Ich bin empört.« Das war alles, was sie herausbrachte. Derzeit brachte sie alles und jeder in Rage, und Lord Blackwell diente zumindest als putzige Ablenkung. Auch wenn sie nicht wissen musste, ob er zu der ockergelben Hose und dem Mantel ein passendes Jackett trug. Ockergelb!

Nun, sie wusste, dass er ganze Farbpaletten spazieren trug, schließlich sah sie ihn nicht selten das Haus betreten oder verlassen.

»Ja, Bains wird mir den Kopf abreißen!« Endlich schaute er sie an. Sein Blick schien ihr Gesicht aber auszusparen. »Sie benötigen dringend Ihre Zofe.«

Charlie klappte der Mund auf. Sie war aufgrund seines missratenen Reittieres desolat anzusehen und fror, da er sie in den Dreck gedrückt hatte. Sie beschloss, nicht mehr darauf zu warten, dass er seine Manieren wiederfand. Sie zog den Muff aus, drehte sich um und kämpfte sich auf die Füße. Die Unterröcke, die sie sonst angenehm warm hielten, behinderten sie, aber es war sicher nicht das erste Mal, dass sie am Boden lag, und bisher hatte sie sich immer wieder hochgekämpft!

»Miss …« Er umfasste dreist ihre Mitte und stabilisierte sie. Sie fuhr herum und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige.

»Guten Tag, Lord Blackwell!« Sie drehte sich schwungvoll wieder um und stapfte los. Ihr Ärger hielt sie warm. Dass er es wagte, sie anzufassen! Schön, mehrere Lagen Stoff lagen zwischen ihren Leibern, inklusive eines straffen Korsetts, dennoch waren ihre Beine aufgrund seiner Berührung ungewöhnlich unsicher. Sicherlich stakste sie unelegant umher.

Sie hatte nur die kläglichen Reste ihres Rufes und die eindringliche Mahnung ihres Bruders, ihm keinen Ärger zu machen, während sie in der Stadt war. Und Blackwell bedeutete Ärger. Sie wusste es, spürte es tief in ihren Knochen, dass sie ihm besser aus dem Weg ging, bevor sein unangebrachtes Interesse bemerkt wurde. Dabei war sie doch nun wirklich das langweiligste Ding in ganz England!

Was war nur los mit ihm, dass er sie einfach nicht in Ruhe lassen konnte, obwohl sie ausgesucht unfreundlich war? Herrje, er musste dies entweder gewohnt sein, was nicht für seinen Charakter sprach, oder eben schrecklich gelangweilt sein.

 

Blake schaute ihr nach. Ihre Redingote wies einen dunklen Fleck an ihrem Gesäß auf. Ihr unordentliches Haar schwang bei jedem ihrer Schritte. Es fiel hinab und verdeckte hin und wieder den Fleck zur Hälfte. Sie hatte ihren Hut zurückgelassen und den Muff gleich mit. Er klaubte die Dinge auf, nebst seiner Gerte und dem Zylinder, den Hector ebenfalls angeknabbert hatte. Er war rettungslos ruiniert. Wie Charlies Ruf, wenn sie in diesem Zustand gesehen wurde. Und trotzdem schritt sie einher wie eine Königin. Wärme durchflutete ihn und er meinte, dümmlich zu grinsen. Sie war schon etwas Besonderes.

Er fuhr sich durch den Schopf und schaute sich um. Es war früh am Morgen und sicherlich befanden sich nicht viele Personen bereits auf den Beinen. Außerdem lag das Haus ihres Bruders nur wenige Straßen entfernt. Ach ja, und es wäre noch schlimmer, entdeckte man sie in Gesellschaft eines Herrn.

»Miss!« Er hastete ihr nach, trotz besseren Wissens und nur, weil er den anregenden Austausch noch nicht beenden wollte. Und sie besser zunächst ihre Kleidung und ihre Frisur richtete, bevor sie irgendwem unter die Augen kam. Hector überholte ihn und rannte die Lady dann über den Haufen. Blake fiel erschrocken neben ihr auf die Knie. »Oh Gott, das …«

Sie lag mit dem Gesicht im Dreck, stemmte sich nun auf und spuckte aus. Ihre Frisur war ein wildes Durcheinander und es war zwecklos, den Versuch zu unternehmen, sie zu richten.

»Ich bringe Sie besser …«

Sie setzte sich auf die Hacken und schob seine Hand von ihrer Hüfte fort. Ihre Handschuhe waren verdreckt und ihre Finger schlossen sich kurz zittrig um seine, bevor sie sie wieder zurückzog, um sich auf die Füße kämpfen zu können. Ihr Haar geriet unter ihre Handfläche und sie schrie auf, als sie daran riss.

Blake raffte ihre weiche Mähne zusammen und drehte sie auf. Er setzte ihr ihren Hut auf, stopfte die Haare darunter und schlug den Schleier herab. Da sie halb abgewandt hockte, musste er sie dazu umarmen.

»Lord Blackwell!« Sie rutschte aus seiner Reichweite und drehte sich zu ihm um.

»Sie können so nicht zurück.«

Ihre Augen weiteten sich. »Ich kann nicht mit Ihnen zurück. Wer Sie sieht, vergisst Sie sicher nicht wieder!« Dass es kein Kompliment war, bewies ihr pikierter Blick über seine Aufmachung. Was hatte sie nur gegen ihn? Er selbst war hingerissen. So genau konnte er nicht bestimmen, was an ihr so besonders war. Sie war hübsch, ja, sie hatte Feuer. Schön. Aber viele Damen konnten mit ähnlichen Attributen aufwarten, ohne dass sie ihn vor den Kopf stießen. Vielleicht war gerade ihr Desinteresse so interessant? Immerhin war er ihr gleichgültig. Sie kannte seinen Titel und sicherlich war ihr bewusst, dass er ein nettes Vermögen besaß, und trotzdem schäkerte sie nicht mit ihm, versuchte nicht, sein Interesse zu wecken, sondern war schlicht die Person, die sie war. Sie war authentisch.

»Ich begleite lediglich eine Dame in Not.« Er stand auf und reckte das Kinn, wobei er sein Krawattentuch lockerte, um besser Luft zu bekommen. Er reichte ihr die Hand. »Bitte. Ihren Zustand habe ich verursacht, und ich kann Sie nicht damit allein lassen.«

Sie griff nicht nach seinen Fingern. In ihrer Miene stand ihr Unwille und sie schüttelte langsam den Kopf.

Blake stieß den Atem aus. »Ich bestehe darauf!« Er griff nach ihrer Hand und zog die Lady mit einem Ruck hoch. Er schwankte und befürchtete, gleich wieder mit ihr im Dreck zu liegen. Also umschlang Blake sie eilig mit dem anderen Arm und presste sie an sich. Miss Bender reichte ihm bis zum Kinn. Er sollte ihres anheben und ihre Beschimpfung damit unterbrechen, dass er ihren Mund mit dem seinen verschloss. Er nahm den Arm von ihrer Mitte, um die Hand an ihr Gesicht zu legen, aber eine schallende Ohrfeige – die zweite innerhalb weniger Minuten – ließ seine Ohren sirren. Sie hatte Kraft.

»Was erlauben Sie sich?«

Ihr Hut saß schief auf ihrem Kopf und drohte jeden Moment herunterzupurzeln. Der Schleier verbarg einen Teil ihres Antlitzes, aber die brennenden Augen waren hervorragend auszumachen.

»Wenn es denn sein muss, halte ich eben um Sie an.« Das sollte sie doch beruhigen, auch wenn es sicherlich nicht nötig werden würde. Er sah sich eilig um, aber wie erwartet waren sie mutterseelenallein im Park. Er hatte nicht vor, bereits an den Altar zu treten, dafür war nun wirklich noch Zeit und die Wahl einer Braut sollte auch gut überdacht sein. Was er schlicht zu ihrer Beruhigung gesagt hatte, verfehlte seinen Zweck, denn ihre Augen weiteten sich, und ihre Hand hob sich. Dieses Mal fing er sie rechtzeitig ein und zog die Lady an sich. »Ich fühle mich hinreichend geohrfeigt, danke. Ich meine es ernst. Sollte Ihr Ruf Schaden nehmen, weil ich Sie nach Hause bringe, werde ich in den sauren Apfel beißen und …«

»Ha!« Ihre Faust bohrte sich in seinen Magen und er endete mit einem Umpf. »Sparen Sie sich das bloß!« Sie fasste sich an den Hut und ließ Blake erneut stehen.

»Miss Charlie!« Verflixt! Er rieb sich die von ihr malträtierte Stelle und schaute ihr erneut nach. Vermutlich war er nicht die begehrteste Partie der Saison, dennoch traf es ihn, dass sie ihn so achtlos beiseiteschob. Nun, sie konnte sicherlich ob ihres Gespürs für die Schicklichkeit – die sie übertrieben eng auslegte, was ihn betraf – dem ein oder anderen Standesgenossen positiv auffallen. Sie war hübsch, auch wenn ihr Bruder das anders sehen mochte, und nicht blutleer wie so manche junge Dame, der man in den Ballsälen der Stadt begegnete. Kein Wunder also, dass sie so auf ihren Ruf pochte und ihn auslachte, weil er sich als Retter anbot. Vermutlich dachte sie, dass sie einen Duke einfangen konnte, was wollte sie da mit einem Viscount?

Er folgte ihr dennoch, nachdem er Hector eingefangen hatte, und ritt gemächlich mit etwas Abstand hinter ihr her. Vor Bender House saß er ab und warf einem herbeieilenden Lakaien die Zügel zu. Der Butler öffnete ihm die Tür.

»Lord Blackwell. Seine Lordschaft befindet sich beim Frühstück.«

»Wie passend.« Er trat ein und versuchte, einen Blick die Treppe hinauf in den ersten Stock zu erhaschen. Sie würde sicherlich wieder herunterkommen, und dann konnten sie das lächerliche Problem ihrer Nicht-Bekanntschaft beheben. Er folgte dem Faktotum in das Morgenzimmer. Charles schaute nicht einmal hinter seiner Zeitung hervor.

»Wo hast du dich wieder rumgetrieben?«, fragte er abwesend.

»Im Park.«

Die Zeitung knisterte, als die Ecke heruntergebogen wurde und der Hausherr zu ihm herüberspähte. »Nanu. Ist es nicht etwas zu früh für dich, alter Junge?« Er faltete das Tageblatt zusammen und legte es zur Seite. »Ich nehme an, dein neuer Rappe hat dich aus den Federn getrieben. Oder war die Soiree am vergangenen Abend so langweilig, dass du zu zeitig ins Bett kamst?«

Blake setzte sich und ein Mädchen stellte eine Tasse vor ihm ab. »Tee oder Kaffee, Mylord?«

»Kaffee.« Blake seufzte. »Hector«, beantwortete er dann die Frage des Hausherrn.

»Er hat dich abgeworfen?« Charles grinste. »Ich habe dich gewarnt, dass der Preis zu gut ist für ein Tier seiner vermeintlichen Güte.«

Blake wischte sich unter dem Tisch über die Knie. »Er hat tatsächlich unbekannte Marotten.« Der Kaffee dampfte und lockte mit seinem Aroma. Sollte er ansprechen, dass ihm Charlie über den Weg gelaufen und es zu Handgreiflichkeiten gekommen war?

»Nun, wer hat die nicht?« Charles seufzte. »Begleitest du mich ins Oberhaus?«

»Ich habe Grasflecken an Körperteilen, die ich nicht benennen möchte.«

Charles winkte ab. »Du kannst mich nicht mehr schockieren, mein Guter.«

»Nein, dafür stürzt du mich in profunde Überraschung.«

»Weil ich früh aufstehe und plane, an der Sitzung im Parlament teilzunehmen? Blake, deine Prioritäten sind bedenklich. Frauen und Mode.« Er schüttelte den Kopf.

»Nun, du schaffst es, die Frauen in deinem Haus zu missachten, und versauerst unter Staatsgeschäften.«

»Frauen in meinem Haus? Ach so!« Er verdrehte die Augen und verzog die Lippen. Er machte fast den Eindruck, angewidert zu sein, aber das musste Blake missinterpretieren. »Charlie schon wieder.« Er bedeutete dem Mädchen, seine Tasse zu füllen, und führte sie dann gleich an die Lippen.

»Eine Schwester, die du nie zuvor erwähnt hattest!«

Wieder winkte Charles ab. »Habe ich sicherlich, aber sie ist nun wahrlich kein Thema für ausgedehnte Gespräche.« Erneut huschte dieser unpassende Ausdruck, der an Verdruss grenzte, über die Miene des Freundes.

Blake fand, dass man sich über Miss Bender durchaus ausgedehnt unterhalten konnte, schließlich barg sie zu viele Mysterien. »Warum ist sie in London? Sie ist etwas alt für eine Debütantin, aber besser spät als nie.«

Charles lachte, als wäre die Vorstellung völlig abwegig. »Wie kommst du nur darauf?«

»Eine junge Frau von Stand in London …« Das brauchte doch wahrlich keine weitere Ausführung. Interessanter war ohnehin, warum sie in ihrem Alter noch unverheiratet war.

Charles runzelte die Stirn. »Unsinn. Tante Mabel ist gestorben und Charlie wusste nicht, wo sie hinsollte.« Er leerte seine Tasse, seufzte und stand auf. »Dann wollen wir mal!«

Blake verfolgte mit den Augen, wie der Freund um den Tisch herumkam. Ein Trauerfall in der Familie erklärte, warum seine Schwester gedeckte Farben trug, und vermutlich hatte sie sich um die ältliche Dame gekümmert, wie es ihre Christenpflicht war. Kein Wunder, dass sie modisch so unbedarft und so überaus bieder war.

»Bleibst du noch?« Charles runzelte die Stirn. »Das sollte ich dir ausreden, obwohl dir Charlie sicherlich nicht über den Weg laufen wird. Sie ist sehr … darauf bedacht, mich nicht zu stören.« Ein zufriedenes Grinsen huschte über sein Gesicht, aber Blake war viel mehr an der Information interessiert, die eines deutlich aussagte: Sie würde wohl nicht wieder herunterkommen.

Blake grummelte. Die ganze Situation war unhaltbar. Er konnte seine Neugierde bezüglich der Lady nicht stillen, wenn sie ihm wie bisher aus dem Weg ging, und wer wusste schon, wie sie ihren Tagesablauf plante? Natürlich war es ungehörig, einer Lady aufzulauern, und damit nicht wirklich eine Alternative. Charles war nicht hilfreich, da er kaum ein Wort über Charlie verlor, und so gab es nur die eine Möglichkeit, mehr über die Lady zu erfahren. »Es geht nicht an, dass ich ihr nicht offiziell vorgestellt werde, wenn sie in deinem Haus lebt«, erklärte er rundheraus. »Wenn wir uns auf der Treppe begegnen, müssen wir so tun, als sähen wir einander nicht.«

»Das war sicherlich die Ausnahme.«

Blake seufzte. »Ich komme zum Dinner. Denn, ob du es glaubst oder nicht, sie gehört angemessen vorgestellt.«

Charles neigte den Kopf und musterte ihn. »Dinner? Du weißt, dass ich stets im Club speise.«

»Und Miss Bender sitzt allein am Tisch? Deine Manieren lassen zu wünschen übrig, mein Guter.« Blake erhob sich.

»Also schön. Einen Abend werde ich auch zu Hause verbringen können, aber sei gewarnt. Charlie ist nicht … die beste Gesellschaft.«

Das wusste Blake bereits, aber er widerstand dem Drang, die Hand an die Wange zu legen, die sie vor knapp einer Stunde malträtiert hatte. »Nun, ich bin eigenwillige Dinnerrunden gewohnt.« Schließlich hatte er es nicht sechzehn Jahre mit seinem Freund ausgehalten, weil sie ausgefallene Gesprächsthemen teilten.

»Stimmt. Lady Garland, nicht wahr? Vielleicht schaffst du es, Charlie mit deinen Anekdoten ein Lächeln zu entlocken.« Er prustete und deutete zur Tür, wo er ihm den Vortritt ließ. Im Vestibül wurden ihnen die Mäntel gereicht. »Vielleicht war Gelb doch nicht die richtige Farbe.« Charles feixte und hüllte sich in sein langweiliges, schwarzes Pendant.

»In diesem Fall werde ich dir bedauerlicherweise recht geben müssen.« Er seufzte und klopfte den Dreck ab, bevor er einsah, wie wenig Erfolg er haben würde, einigermaßen angemessen das Haus verlassen zu können.

»Bleib doch noch«, sagte Charles freundlicher als zuvor. »Carter, rufen Sie meinen Kammerdiener.« Er wandte sich wieder an ihn. »Es wird einen Moment in Anspruch nehmen, aber dann brauchst du nicht so … heruntergekommen durch die Stadt zu flanieren. Ich weiß ja, wie wichtig dir dein Erscheinungsbild ist.«

Blake stieß den Atem aus. Charles war eben doch ein guter Freund.

 

Charlie schaute hinaus auf den Square. Sie saß auf der gepolsterten Fensterbank ihres Schlafzimmers und wartete darauf, die Bibliothek aufsuchen zu können. Blackwells Rappe wurde im Kreis geführt und ein zweites Pferd gesellte sich samt Knecht nun dazu. Charles hatte keinen Stall am Stadthaus, da dieses wahrlich zu klein war, um auch nur einen Innenhof zu haben, und nur einen kleinen Garten besaß, den man lediglich durch das Haus betreten konnte. Damit war das Haus eine der vielen in den letzten fünfzig Jahren gebauten Residenzen, die eigentlich nur von niedrigen Adligen, Baronen und Rittern, vornehmlich aber von reichen Bürgerlichen bewohnt wurden. Ihre Reittiere und Kutschen waren in Mietställen untergebracht. Charles verließ das Haus und übernahm die Zügel seines Reittiers.

Charlie quetschte die Nase an der Scheibe platt, aber von Blackwell war nichts zu sehen. Er brachte noch ihren ganzen Tagesplan durcheinander.

»Mrs Bender«, sprach das Mädchen, das ihr zur Hand ging, sie an. »Wir sollten Sie aus Ihrem Kleid bekommen, damit ich den Fleck einweichen kann, bevor er eintrocknet und das Gewebe schädigt.«

Das war sicherlich ein guter Hinweis, zumal sie mit der verdreckten Kleidung auch die Polster ihres Sitzplatzes verschmutzte. Mit einem Seufzen riss sie sich von ihrem Beobachtungsposten los. Ihr Zimmer lag günstig in der linken Ecke des Stadthauses, das ab dem ersten Stockwerk an beiden Seiten einen Erker aufwies. Damit hatte sie sowohl die Eingangstür im Blick als auch Charles’ Schlafzimmer, das sich im anderen Erker befand. Sie wusste also, ohne ihn fragen zu müssen, wann er zu Bett ging, aufstand oder sich fertig machte, um das Haus zu verlassen.

Charlie schob ihr Haar aus dem Weg, damit das Hausmädchen die Knöpfe öffnen konnte. »Ich hoffe, dass es nun nicht ruiniert ist.« Dann hätte sie ein Problem, denn sie besaß nur zwei Vormittagskleider, die halbwegs angemessen waren. Sprich: nicht völlig aus der Mode. Leider war man vom schlichten Empirestil dazu übergegangen, wieder Unmengen an Unterröcken zu tragen, nebst dem Korsett und einem Meer an Rüschen, Schleifen und Volants. In ihrer Unterbekleidung konnte sie sich nicht wieder ans Fenster setzen, also streifte sie den Morgenrock über.

Blackwells Pferd wurde immer noch herumgeführt. War sie allein mit ihm im Haus?

Sie fuhr herum und starrte die Tür an. Charles war ein Dummkopf, aber doch nicht so ein unglaublicher Narr, wie es soeben den Anschein hatte!

Ihr Herz pochte fest in ihrer Brust, während sie darauf wartete, dass Blackwell ihr Schlafzimmer stürmte. Es dauerte eine Weile, bis Charlie klar wurde, dass dies nicht zu befürchten stand. Blackwell war nicht Gavin und sie kein Backfisch von sechzehn Jahren mehr.

Sie atmete tief ein und wandte sich wieder der Scheibe zu, um die Stirn anzulehnen und hinauszuschauen. Aber es war nicht der neu angelegte Square, der sie beschäftigte, sondern die Vergangenheit. Gavin und ihr viel zu früher Verlust.

Tränen verschleierten ihren Blick und fielen auf ihre Hand. Eilig wischte Charlie sie fort, blinzelte und bemerkte die gelbe Goldammer, die ihr bis nach Hause gefolgt war. Er saß auf und schaute am Haus empor. Auf der Seite, auf der Charles’ Schlafzimmer lag, daher brauchte sie nicht zu befürchten, entdeckt zu werden. Sein Zylinder saß schief auf seinem Schopf, die Gerte schlug gegen sein Bein. Seine Miene wusste sie nicht zu deuten, dafür fehlte ihr die Übung. Sie hatte Tante Mabel lesen können und Gavin, und früher hatte sie auch gewusst, was Charles durch den Kopf gegangen war, aber das lag wahrlich lange in der Vergangenheit.

Blackwells Pferd tänzelte, machte eine Pirouette. Ein ungebärdiges Tier, dem er nicht gewachsen war. Sie schüttelte den Kopf und schaute ihm nach, als er davonritt.

2

Bender House, Bryanston Square, Marylebone, London, 1821

Charlie blätterte die Seite um, als die Tür des Salons geöffnet wurde. Wie immer stand das Dinner genau dann bereit, wenn es in der Lektüre interessant wurde. Seufzend klappte sie das Buch zu und erhob sich.

»Charlie.«

Sie zuckte zusammen, und das Buch glitt ihr aus den steifen Fingern, denn als sie zur Tür schaute, stand da nicht nur ein unerwarteter Gentleman.

Charles lächelte, als er auf sie zukam. »Überraschung.«

Blackwell war ihm gefolgt und hielt ihr die Hand hin. Eine Aufforderung, ihm die ihre zu reichen, aber sie schaute lediglich auf die behandschuhten Finger hinunter und dann zu ihrem Bruder.

»Steht Browns in Flammen?«, fragte sie verwundert.

»Bitte was?« Er schüttelte den Kopf. »Wie kommst du darauf?«

»Du speist ausschließlich in deinem Club.« Und zwar dem Browns Club für distinguierte Gentlemen. »Es wird Zeit, sonst wirst du länger auf deine Mahlzeit warten müssen.«

»Stimmt.« Er schaute zu seinem Freund. »Blake hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich meinen Pflichten nicht angemessen nachgekommen bin.« Er hob die Brauen und schmunzelte, aber sie sah ihm an, dass er lediglich gute Miene zum unangenehmen Spiel machte. Sein Blick schoss auch gleich prüfend zu seinem Freund, der sie zu begeistert ansah.

»Eine Vorstellung ist längst überfällig«, bestätigte der Geck jovial und grinste dabei so blendend, dass er seinen Aufzug mühelos überstrahlte. »Das war sträflich nachlässig von dem guten Charles.«

Tatsächlich ignorierte dieser einige Pflichten, wenn man Charlie fragte. Dies tat jedoch niemand, schließlich lebte sie mit ihrem Bruder allein in diesem Haus und Charles hütete sich davor, überhaupt das Wort an sie zu richten, wenn es sich nicht gerade um eine Ermahnung handelte, die auszusprechen unabdinglich war. Wie jene, ihn nicht in seiner Routine zu stören. Sprich, ihm nicht unter die Augen zu kommen und ihn mit ihrer Gesellschaft zu belästigen. Es war demnach kein Versäumnis, sondern Absicht gewesen, dass Blackwell ihr nie vorgestellt worden war, und dies wusste Charlie genauso gut wie Charles.

»Blake.« Charles deutete auf Lord Blackwell und räusperte sich. Trotzdem klang er grimmig und alles andere als froh über die leidige Angelegenheit. »Du erinnerst dich sicherlich. Ich sprach von ihm.«

Lang und ausführlich. Oh ja. Charlie hatte früh begonnen, den Mann zu verabscheuen, der zu der Zeit natürlich ein Knabe gewesen war. Mit Charles’ Übersiedlung nach Eton war sie für ihn uninteressant geworden, und alles, was ab dem Zeitpunkt noch gezählt hatte, war Wentworth Brandon Augustus Holmes III. gewesen. Damals Baron Blackwell, nun der ebenso unerwünschte Viscount of Blackwell.

»Nein, tut mir leid. Mylord.« Sie nickte ihm gezwungenerweise zu.

Charles riss die Augen auf. »Nanu.«

»Wentworth Brandon Augustus Holmes der Dritte, Baron Holmes und Blackwell, Viscount Blackwell, zu Ihren Diensten, Miss Bender.« Er verbeugte sich und hielt ihr erneut die Hand hin.

»Ah, der Geck.« Ihr Blick wanderte an ihm auf und ab. Grün. Immerhin trug er zu dem farbenfrohen Frack eine taubengraue Hose, aber die Weste war strahlend gelb und es war fast eine Erleichterung für die Augen, ihm ins Gesicht schauen zu können. Er hatte einen breiten Kiefer, ein markantes Kinn und eine eckige Kopfform. Kleine, braune Augen und eine schmale Nase thronten über schmalen Lippen, die wissend verzogen waren. Sein sandfarbenes Haar fiel ihm in einer kecken Tolle in die Stirn. »Jetzt erinnere ich mich.« Sie knickste. »Ich wünsche einen angenehmen Abend, Lord Blackwell. Es war entzückend, Sie schließlich tatsächlich kennenzulernen, aber sicherlich …«

Carter unterbrach sie, indem er den Raum betrat. »Das Dinner kann serviert werden.«

Blackwell hielt ihr den Arm hin. »Darf ich die Dame an den Tisch führen?«

Charlie warf ihrem Bruder einen Blick zu. »Du bleibst doch nicht …«

»Es wäre recht unhöflich, Blake nun durch die halbe Stadt zu zerren, wenn wir ebenso gut hier speisen können, meinst du nicht?« Charles’ Mundwinkel bogen sich nach oben. Ihre offenkundige Ablehnung des Freundes hatte bewirkt, dass jeder dunkle Unterton, selbst der Knick in seinen Brauen verschwunden war, ganz wie sie es erwartet hatte. Es war jedoch kein Grund aufzuatmen, denn sie war sich ihrer Unhöflichkeit schmerzlich bewusst. Bisher war es anständig und richtig gewesen, einen ihr unbekannten Herrn zu ignorieren, auch wenn sie ihn sehr wohl zuordnen konnte. Nun aber ging ihr rüdes Verhalten zu Lasten ihres Rufes. Sie seufzte innerlich, immerhin war sie nicht die Einzige in diesem Haus, die gutes Benehmen vermissen ließ, denn es war auch unhöflich, sie nicht vorzuwarnen, dass Charles Gäste zum Dinner einlud! Aber sie durfte sich nicht einmal beschweren, sondern musste dankbar sein, dass er sie überhaupt aufgenommen hatte. Sie presste die Lippen aufeinander.

»Miss Bender«, sprach Blackwell sie erneut falsch an und bedeutete ihr, seinen Arm zu nehmen.

»Wie wundervoll.« Sie war sich der Zwickmühle wohl bewusst, schließlich musste sie das Geleit des höherrangigen Gastes annehmen, ob sie wollte oder nicht. Auch wenn sie befürchtete, dass dies erneut Charles’ Unwillen weckte. Blackwell zog die Brauen hoch und suchte den Blick seines Freundes. Sie klang und wirkte wohl genau so begeistert, wie sie tatsächlich war, also gar nicht. Sie hakte sich widerwillig bei ihm ein. »Du wirst enttäuscht sein. Das Menü ist sicherlich deiner Zunge nicht würdig.«

»Ach, ich vertrage auch schlechte Mahlzeiten«, beteuerte Blackwell und zog sie weiter, als sie erschrocken stehen blieb. Sie hatte mit Charles gesprochen, was die vertrauliche Anrede eigentlich hervorragend bezeugte! »Solange die Gesellschaft ein Mindestmaß an Raffinesse aufweist.«

Es war für drei Personen gedeckt, demnach war zumindest dem Personal gesagt worden, dass der Hausherr daheim speisen wollte. Blackwell führte sie zu ihrem Stuhl, half ihr beim Platznehmen, umrundete die Tafel und schlug die Schwalbenschwänze seines Fracks hoch, um sich nicht darauf niederzulassen. Er glich einem Fasan. Eilig versteckte sie ihre Belustigung hinter der Serviette und wandte sich leicht ab.

»Was amüsiert dich, Charlie?«

»Ich bin lediglich fröhlich gestimmt, da ich nicht allein speisen werde, Charles«, gab sie zurück.

»Seit wann befinden Sie sich in London, Miss Bender? Oder darf ich Charlie sagen? Miss Bender ist tatsächlich … sehr umständlich auszusprechen.«

»Versuchen wir es doch mit Mrs Bender. Ich bin sicher, dies kommt Ihnen wesentlich angenehmer über die Lippen.« Sie lächelte kühl. Ungeheuerlich, sie so brüsk zu bitten, ihren Vornamen verwenden zu dürfen. Da fühlte sie sich in ihrer abweisenden Haltung doch gleich bestärkt.

»Mrs … Bender?« Sein Blick schoss zu Charles, dann zurück zu ihr. »Ist noch umständlicher. Charlie hingegen ist fast schon geläufig.«

»So? Sie dürfen gern meinen Vornamen verwenden, Lord Blackwell, wenn Sie im Gegenzug meine Augen schonen werden.« Sie war sich sicher, dass es nie dazu kommen würde, schließlich war Grau bereits die gedeckteste Farbe, die sie je an ihm gesehen hatte.

Das Grinsen verwischte und er runzelte die Stirn. »Leider verstehe ich nicht …«

»Grün, Blake«, unterbrach Charles ihn. »Ich fürchte, Charlie ist bieder.«

Ha! Sie unterdrückte den Ausruf, obwohl seine Meinung über sie absolut falsch war. Allerdings hatte sie schon vor langer Zeit aufgehört, ihn zurückgewinnen zu wollen. Sie waren Zwillinge, aber keine Einheit. Sie waren grundverschieden und es war besser, sich keine Illusionen darüber zu machen, welchen Stellenwert sie für ihn besaß.

»Grün?« Blackwell schaute an sich herab. »Oh.« Dann legte sich der Blick aus seinen verunsicherten Augen auf sie. Er rutschte von ihrem Gesicht ab und blieb wohl in ihrem Dekolleté hängen. Entrüstet biss sie die Zähne aufeinander. »Sie tragen nur Braun?«

»Nein.«

Erleichterung huschte über seine Miene.

»Auch Aubergine, Schwarz und ein sehr dunkles Grün oder Blau.«

Er klappte den Mund zu und nickte, während er nach seinem Weinglas griff. »Wie trostlos.«

»Wie das Leben.«

»Witwe?«

Charlie zuckte zusammen und spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen.

 

Blake hielt ihren Blick selbst dann noch, als sie ihre Worte an ihren Bruder richtete. Das Gespräch verlief unerwartet. Sie war biestiger als angenommen und es erwies sich als schwierig, seine Neugierde zu stillen. Trotzdem konnte er sich nicht von ihr losreißen. Irgendetwas an ihr zog ihn fürchterlich an, und dabei war er sich bewusst, wie unhaltbar allein der Gedanke war, ausgerechnet Interesse an Mrs Charlotte Bender, der biederen, rüden Schwester seines Freundes, zu haben.

»Verzeih, Charles, hätte ich gewusst, dass du Gäste haben wirst, wäre ich auf meinem Zimmer geblieben. Es ist besser, wenn ich mich zurückziehe. Bitte genießen Sie das Dinner in Bender House, Lord Blackwell.« Sie erhob sich, wodurch er gezwungen war, ebenfalls auf die Füße zu kommen.

Sie knickste.

»Charlie, setz dich.« Charles griff nach ihrem Ellenbogen. »Es ist wahrlich keine unangemessene Frage und du kannst nicht ewig trauern.« Er drückte sie wieder auf ihren Stuhl herab. »Gavin starb vor acht Jahren.«

Blake nickte verwundert. Das war eine Ewigkeit in Trauer und … »Sie haben sehr früh geheiratet.« Und auch noch einen Verwandten. Hatte er deshalb nie etwas von ihr gehört?

»Durchgebrannt.« Charles schlug die Serviette aus und bedeutete dem Butler, aufzutischen. »Gavin war ein guter Kerl, aber ein Heißsporn.« Er schüttelte den Kopf. »Na ja. Schauen wir lieber in die Zukunft. Hast du vor, an der Sitzung am Dienstag teilzunehmen? Heute wurde heiß diskutiert …«

Charlie behielt den Blick auf ihren Teller gesenkt. Kein Wort verließ ihre Lippen, bis sie sich zum Ende des Dinners erneut verabschiedete.

»Ich nehme an, du hast nichts dagegen, uns Charlies Gesangskünste zu ersparen? Sie ist gnadenlos unbegabt.« Charles seufzte. »Gute Nacht.«

»Gute Nacht.« Sie knickste.

Blake schaute ihr nach. Sie verschwand durch die Tür.

»Wollen wir nach oben gehen? Oder doch noch Browns frequentieren?« Charles deutete zur Tür. »Oder ist dir nach einer Zigarre?«

»Nein.« Er folgte ihm durch das Haus und ließ sich vor dem Kamin in Charles’ Arbeitszimmer nieder. »Ist sie immer so still?«

»Ich sehe sie nie.« Charles reichte ihm ein Glas Scotch und stieß mit seinem eigenen dagegen. »Und möchtest du dich tatsächlich über Charlie unterhalten? Frauen, fein, aber Charlie?«

»Vermutlich nicht.« Wenn man bedachte, welche Worte sie für ihn fand, wenn sie nicht gerade stumm blieb, war es wohl besser, Charlie aus seinem Gedächtnis zu streichen. Allerdings … »Was hast du mit ihr vor? Soll sie auf ewig dein Hausgeist sein?« Gast! Er riss die Augen auf und wollte sich korrigieren.

Charles lachte schallend. »Hausgeist, ja, so kommt sie mir manchmal vor. Sie ist da, aber auch wieder nicht. Sie verstellt Bücher oder die Tinte verschwindet, aber zu Gesicht bekomme ich sie eigentlich nicht.«

»Vermutlich sähest du sie, wenn du hier dinieren würdest.«

»Vermutlich.« Charles drehte sein Glas im Kreis und schaute dabei zu, wie sich die Lichtreflexe im Alkohol brachen. »Nur will ich das? Sie ist immer so.«

»Still oder bissig?«, fragte Blake nach und musste grinsen. Ja, es war unangenehm, sich ihren Worten ausgesetzt zu sehen, aber ebenso erfrischend. Wann hörte er schon Kritik? Oder ein aufrichtiges Wort? Selbst seinen Schwestern traute er zu, dass sie ihm schmeichelten, anstatt ihm seine Fehler vorzuhalten.

»Beides. Sie ist nicht auf den Kopf gefallen, aber eine Unterhaltung kann man dennoch nicht mit ihr führen. Sie ist auch nicht nett anzusehen oder zur Berieselung durch Musik zu gebrauchen. Ich weiß nicht, was Gavin so an ihr faszinierte.«

»Vermutlich kannst du es nicht sehen, weil du ihr Bruder bist.«

Charles schnaubte.

»Sie ist jung und hübsch genug, um eine zweite Ehe eingehen zu können. Du solltest dir also überlegen, ob du sie für den Rest deines Lebens in deinem Haus herumgeistern haben möchtest oder nicht.«

Der Freund runzelte die Stirn. »Sie fällt nicht auf.«

»Noch nicht. Früher oder später willst du eine Braut heimführen, dann wird es sicher haarig.« Zumindest, wenn Lady Bender ihre Schwägerin als Bürde auffasste oder sich nicht mit ihr verstand. »Aber das ist deine Angelegenheit. Eine Vogelscheuche am Tisch sitzen zu haben, ist für mich eben ein Graus. Braun. Dunkelgrün. Wie schrecklich eintönig!«

Charles lachte. »Oh ja, ich könnte mir keine bunt gemusterte Lady an meinem Tisch vorstellen und du stößt dich an brauner Kleidung!«

»Nun, Geschmäcker sind verschieden, nicht wahr?«

 

Bender House, Bryanston Square, Marylebone, London, 1821

Charlie schaute aus dem Fenster. Er ging einfach nicht. Sie wartete bereits zwei Stunden lang und bisher war nicht einmal seine Kutsche vorgefahren. Sie nahm ihr Buch auf und ließ es nach wenigen Zeilen wieder sinken. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Sie war aufgebracht. Gavin fand nicht häufig Platz in einem Gespräch, nicht einmal in jenen mit seiner Mutter war er oft thematisiert worden.

Natürlich dachte sie an ihn. Zumeist bevor sie einschlief, da in diesen Momenten ihre Einsamkeit greifbar wurde. Schmerzhaft und eindringlich, wie eben in dem Augenblick bei Tisch, in dem Blackwell ihre Witwenschaft aufgezeigt hatte.

Sie war einsam, und da war es gleich, ob sie sich in Kent aufhielt und die Schwiegermutter pflegte oder hier in London. Sie kannte doch niemanden. Anstatt ein Mädchenpensionat zu besuchen, war sie zu Hause unterrichtet worden, und als es Zeit gewesen war, in die Gesellschaft eingeführt zu werden, war sie mit Gavin durchgebrannt. Es hatte sich richtig angefühlt, und noch heute wollte sie es nicht als Fehler sehen, ihrem Herzen gefolgt zu sein.

Hufe schlugen auf Stein und sie beugte sich eilig vor. Aus dem Haus fiel gerade genug Licht, um Blackwell die Stufen hinabtänzeln zu sehen. Er stieg in die Kutsche, die sich in Bewegung setzte und aus ihrem Blickfeld verschwand.

Charlie stand auf, zog die Gardinen zu und begab sich ins Bett. Das niederbrennende Feuer warf flackernde Schatten bis auf ihre Decke, da sie die Vorhänge, die ihr Himmelbett umgaben, nicht zugezogen hatte. Sie mochte keine Dunkelheit. Die Sehnsucht in ihr nahm dann überhand und ihre Fantasie spielte ihr Streiche. Die Decke fühlte sich dann schon mal an, als streichle man ihre Haut. Ein Luftzug erinnerte sie an einen Kuss, und das Bedürfnis nach Nähe, nach einer realen Berührung, wurde unerträglich.

Charlie schloss die Augen, aber die Ruhe wollte sich nicht über sie ausbreiten. Da war etwas, was sie bereits den ganzen Tag verfolgte. Vermutlich hatte sie sich eine Erkältung eingefangen, da sie zu lange die nassen Sachen am Leib getragen hatte. Ein Frösteln lief über ihren Körper und sie kuschelte sich tiefer in ihre Decke. Eine Strähne kitzelte ihren Nacken und sie wischte sie fort.

Am Morgen war es Blackwells Atem gewesen, der sie gekitzelt hatte, als er sie umarmt und den Schleier herabgeklappt hatte. Sie zog die Schultern hoch, da sie erschauerte. Die erste Umarmung seit acht Jahren und sie hatte ihn fortstoßen müssen.

Ihre Augen brannten. Das war nicht gerecht. Sie vergrub das Gesicht in ihrem Kissen, damit es ihre Schluchzer verschluckte. Es tat weh. Ihre Sehnsucht nach einer simplen Umarmung, nach etwas Zuneigung und Nähe. Aber viel mehr schmerzte, dass es keinen Weg gab, ihr Bedürfnis zu stillen. Sie war allein und sollte es für immer bleiben.

 

Bender House, Bryanston Square, Marylebone, London, 1821

Charlie betrat den Morgenraum und blieb wie vor eine Wand gelaufen stehen.

»Charles.« Die Gardinen an seinem Fenster waren wie an jedem Morgen zugezogen gewesen, daher hatte sie angenommen, dass er noch nicht auf den Beinen war.

»Guten Morgen. Setz dich.« Er deutete auf den Platz ihm gegenüber. Carter servierte ihm sein Frühstück und die Morgenzeitung lag gebügelt neben ihm auf dem Tisch.

Sie trat näher und ließ sich auf dem Stuhl nieder, den er ihr zugewiesen hatte. Eine Tasse Tee wurde vor ihr abgestellt.

»Wünschen Sie Ihr Frühstück, Mrs Bender?«

»Ja, bitte, Carter.« Sie rang die Hände auf dem Schoß. »Wie überraschend, dich anzutreffen.«

»Ich konnte nicht schlafen.« Er zuckte die Achseln. »Mir gingen zu viele Dinge im Kopf herum.«

»Aha.« Sie hielt sich zurück, ihn nicht nach der Art dieser Dinge zu fragen.

»Ich will dich nicht ewig hier herumgeistern haben.« Er seufzte und nippte an seinem Tee. Er verzog das Gesicht und pustete dann in sein Getränk.

Charlies Nägel bohrten sich in ihr Fleisch. »Oh.« Es gab keinen anderen Ort, an dem sie bleiben konnte, und dies wusste er auch.

»Aber ich kann dich auch nicht drängen, flügge zu werden, nicht wahr?« Sein Blick sprang nachdenklich zu ihr.

»Flügge? Charles, ich war bereits aus dem Haus. Unglücklicherweise starb Gavin und …« Die Stimme versagte ihr.

»Ja. Immerhin hast du keine Kinder.«

Was er als glückliche Fügung sah, stürzte sie bisweilen in tiefe Verzweiflung.

»Mehr«, fügte er hinzu. »Was ich sagen will: Du kannst dir einen Gatten suchen. Dann bist du wieder aus dem Haus und kannst Kinder haben.« Er nickte. »Der Plan gefällt mir immer besser.«

Ihr nicht. Sie griff nach ihrer Tasse und nahm einen Schluck Tee, um sich zu beruhigen. »Wie stellst du dir das vor?« Würde er ihr wöchentlich einen Kandidaten an den Dinnertisch setzen und schauen, wie sie sich vertrugen?

»Du kannst uns zu einigen Veranstaltungen begleiten. Blake ist sich sicher, dass du schon jemanden finden wirst, wenn du lächelst und den Mund hältst.« Charles musterte sie kritisch. »Vielleicht hat er recht.«

Sie atmete tief durch. Sie hätte ihn häufiger schlagen sollen. Blackwell, nicht Charles, obwohl sie durchaus den Drang verspürte, auf ihn einzuprügeln. »Oh.«

»Mehr hast du dazu nicht zu sagen? Oh?« Er verdrehte die Augen. »Nun, irgendwem wirst du schon gefallen.«

Sie senkte den Blick. Gavin hatte sie gefallen.

»Nur heul nicht ständig.«

Sie sah ihn an, obwohl die Tränen tatsächlich bereits in ihren Augen brannten.

»Niemand möchte sich mit einer Frau beschäftigen, die gleich weinend davonläuft, wenn man ihr eine einfache Frage stellt.« Charles seufzte verdrossen. »Und etwas Farbe ist vielleicht wirklich nicht verkehrt. Sosehr ich gegen grelles Gelb oder diesen schrecklichen Grünton plädieren muss, könnte dir …« Er musterte sie angestrengt. »… Blau stehen?«

Sie trug Blau, nur eben ein tiefes Marineblau. »Meine Ausstattung ist nicht dazu gedacht, unter Menschen zu sein.«

»Ja, das sagte Blake auch.« Er verdrehte die Augen. »Hausbacken und unmodern. Nun, ich habe Tante Clara angeschrieben, dass sie sich um deine Ausstattung kümmern soll. Bitte übertreibe es nicht.«

Charlie nickte. Die Aussicht, neue Kleider zu bekommen, ließ sie völlig kalt, und auch die Ankündigung, bereits in der nächsten Woche ihr Debüt geben zu sollen, bewirkte keine Gefühlsregung. Hausbacken und unmodern.

Sie war nie zuvor so gedemütigt worden, denn sicherlich hatte Charles keine Bresche für sie geschlagen und jedes uncharmante Wort abgenickt.

 

Bender House, Bryanston Square, Marylebone, London, 1821

»Lass mich sehen«, forderte Lady Pennington und öffnete ungeniert Charlies Kleiderschrank. Sie betrachtete den Bestand und wandte sich ihr dann mit überaus ernster Miene zu. Sie war die jüngere Schwester ihrer Mutter und damit zwar keine Unbekannte, aber eben auch keine Vertraute. »Desolat.«

»Es war ausreichend.«

Tante Clara schüttelte den Kopf. »Für deine Verbannung vielleicht. Ich könnte Bender immer noch windelweich schlagen.«

So hatte sie es nicht gesehen, wollte darüber aber auch nicht streiten.

»Ich hätte nicht übel Lust, ihm eine gepfefferte Rechnung für eine angemessene Garderobe an die Brust zu schlagen!« Tante Clara stapfte zur Kommode und zog die Schubladen auf. »Kläglich!«

Charlie ließ sich auf die Fensterbank sinken. »Wenn ich eine Alternative hätte, ließe ich ihn nicht über meine Zukunft entscheiden.«

»Oh nein!« Die Tante drängte sich neben sie und legte die Arme um sie. »Es ist endlich mal die richtige Entscheidung! Er hätte dich gleich nach London holen sollen, mit neunzehn hättest du viel bessere Chancen gehabt. Nun solltest du zumindest genießen, was London zu bieten hat.«

Charlie ließ sich vorsichtig auf die Umarmung ein. Tränen stürmten ihre Augen und sie konnte sie nicht zurückhalten, sosehr sie es auch versuchte.

»Schhh, meine Kleine.« Tante Clara rieb über ihren Rücken. »Es gibt keinen Grund zur Traurigkeit.«

»Ich bin allein.« Sie schniefte. »Und manchmal sehne ich mich so nach …« Sie biss sich auf die Lippe.

»Oh, aber das soll doch behoben werden. Bender stattet dich aus und dann findest du einen netten älteren Herrn, der dich auf Händen tragen wird.«

»Alt?«, quietschte sie entsetzt und drückte sich von der Tante fort. »Warum denn alt?«

Lady Pennington zuckte die Achseln. »Jüngere Männer wollen eine Jungfrau. Einem Witwer ist das meist egal.«

Es lief Charlie eiskalt den Rücken hinab.

»Am Ende ist es gleich, Charlotte.« Tante Clara griff nach ihren Händen und drückte sie. »Nachts ist es dunkel und du schaust dir deinen Gatten schließlich nicht entblößt an, bevor er das Bett mit dir teilt.«

Sie musste an Gavin denken. Sie hatte ihn gern angeschaut, wenn er zu ihr ins Ehebett gekommen war, und andersherum war es ebenso gewesen. Wenn sie ihren Gatten ausgezogen nicht anziehend fand, war dann vielleicht auch der Rest nicht so, wie sie es mit Gavin gewohnt war?

Tante Clara tätschelte ihre Wange. »Keine Sorge, man gewöhnt sich auch daran.«

»Das kann ich mir nicht vorstellen«, murmelte Charlie. Ein anderer Mann sollte sie berühren? Allein die Vorstellung ließ ihren Magen hüpfen.

»Du warst noch sehr jung, Charlotte, und Gavin sicherlich bemüht, dir das Ehebett schmackhaft zu machen. Es wird anders sein, aber man kann an jedem Mann Gefallen finden.« Röte stieg der Tante in die Wangen und sie stand eilig auf, um sich erneut Charlies Schrank anzuschauen und die Kleider darin zu kommentieren.

»An jedem Mann?«, griff Charlie auf. Blackwood tauchte vor ihrem inneren Auge auf, aufgeplustert in all seinen schillerndsten Farben. »Das kann ich mir nicht vorstellen.«

Tante Clara erstarrte. Sie hatte Charlies Reiseensemble in die Höhe gehalten und ließ es nun langsam sinken. »Und sollte dies nicht der Fall sein, gibt es auch Möglichkeiten. Ehemänner tendieren dazu, sich andere Freuden zu suchen. Irgendwann wirst du verstehen, dass … auch wir Frauen unsere Bedürfnisse haben.«

»Sehnsüchte«, wisperte Charlie. »Die einen nachts quälen.«

»Oje!«

»Ich bete, Tante Clara, aber die Bürde wird nicht von mir genommen.« Sie wurde nur beständig schwerer zu ertragen.

»Nun, offenbar war Gavin zu erpicht darauf, dir das Ehebett schmackhaft zu machen.« Sie kicherte. »Er war auch ein stattlicher Mann.« Sie seufzte. »Eine Schande, dass er …« Sie schlug sich die Hand an den Mund. »Bender beharrte darauf, ihn nicht zu erwähnen, da du emotional werden würdest.«

»Ja.« Sie senkte den Blick. »Und ja.« Sie atmete tief durch, um die Trauer zu vertreiben. »Ich werde emotional. Ich vermisse Gavin. Ich vermisse … die Nächte.« Ihre Wangen brannten. »Ich bin wohl ein schwerer Fall von …«

»Unsinn!« Tante Clara setzte sich wieder zu ihr und drückte ihre Hand. »Ich war einst unsterblich verliebt, aber mein Vater erlaubte die Verbindung nicht. Wir treffen uns. Ist es Sünde? Vielleicht. Aber ich denke, dass es nur gerecht ist. Ich habe meine Pflicht getan. Ich habe meinem Gemahl, den ich nie geliebt habe, drei Söhne geschenkt. Ich habe etwas Glück verdient.«

Charlie war schockiert, allerdings konnte sie sich schlecht moralisch aufspielen, schließlich war sie durchgebrannt.

»Das Leben ist kurz und das Glück flüchtig. Wir sollten uns die kleinen Freuden nicht versagen, nur weil sie … den Männern nicht passen.« Lady Pennington lächelte angespannt. »Du kannst dich glücklich schätzen, da du deine große Liebe heiraten durftest.«

Charlie senkte den Blick. Es war schwierig, sich glücklich zu schätzen, schließlich war ihre Ehe kurz gewesen und der Schmerz endlos.

»Nun, wir sollten den Termin beim Schneider um nichts in der Welt verpassen, denn du wirst glänzen müssen, um einen Gatten einzufangen.« Tante Clara zog sie mit sich auf die Füße. »Beeilen wir uns!«

 

Browns Club, Hackney Road, Shoreditch, London, 1821

»Da bist du ja. Ich dachte schon, dass ich allein speisen werde.« Charles stellte sein Cognac-Glas zur Seite und stand auf. »Ich bin seit Stunden hier.«

»Nanu, warum das?« Sie begrüßten einander mit einem Handschlag und verließen den Aufenthaltsbereich, um in den Speiseraum zu gehen. Dort erst nahm Charles das Gespräch wieder auf, nachdem er sich mit Vorsicht umgeschaut hatte.

»Um meiner Tante zu entkommen, die mir in den Ohren lag. Offenbar besitzt Charlie nicht einmal Unaussprechliche.« Er verdrehte die Augen.

Blake lachte. »Frauen.«

»Ich soll dich für morgen zum Essen einladen. Offenbar braucht meine Schwester nicht nur allerhand Tand, sondern auch Übung im Umgang mit Herren.« Er verdrehte die Augen. »Ich bin dir nicht dankbar für deinen dummen Vorschlag, Charlie unter die Haube zu bringen! Es macht nur Ärger.«

»Das wirst du zu gegebener Zeit sein.« Blake nahm Platz und schlug die Serviette aus. »Also noch ein Dinner in Gesellschaft deiner reizenden Schwester.« Er ging gedanklich durch seinen Kleiderschrank. Es würde wohl bei Mrs Benders spitzen Bemerkungen bleiben.

»Und der meiner Tante Lady Pennington.«

»Lady Pennington.« Zumindest störte sich diese Dame nicht an seinem exquisiten Modegeschmack.

»Wenn sie vorschlägt, Charlie am Pianoforte zu begleiten, laufen wir, verstanden?«

»So schlimm?« Er hatte schon einige Darbietungen überstanden und war sich sicher, auch Charlies Gesang zu überstehen. Zumal sie eine angenehme Stimme besaß, der er auch dann gern lauschte, wenn sie ihn zum Teufel jagte.

»Eine Katze klingt angenehmer, wenn sie durch die Mangel gedreht wird.«

Blake pfiff. »Vielleicht solltest du ihre Mängel nicht so herumposaunen.« Er schaute sich um. Der Herrenclub war gut besucht und einige der Gentlemen eigneten sich sicherlich als potentielle Gatten.

»Stimmt. Charlie ist lieblich und …« Charles brach ab. »Besser ich halte den Mund.«

Blake lachte. »Schön, wechseln wir das Thema.«

»Was hast du heute noch vor?« Charles’ Blick wanderte über ihn.

»Lady Humbletons Ball.« Die Vorspeise wurde gebracht und er nahm den Löffel auf, um sich der Brühe anzunehmen. »Begleite mich doch.«

Charles spitzte die Lippen. »Castlereagh wird dort sein.«

»Es ist bedenklich, dass dich Castlereagh verlocken mag, Lady Humbleton aber nicht.«

»Du warst schon mal amüsanter, Blake.« Er schüttelte den Kopf. »Meine Petition ist abgelehnt worden und ich will wissen, woran es lag.«

»Ach, natürlich, deine Petition.« Charles brauchte dringend Abwechslung!

»Was verlockt dich an Lady Humbleton?« Charles rührte in seiner Suppe. »Hältst du es für richtig, verheirateten Damen nachzusteigen?«

»Rätst du mir zur Ehe?« Blake lachte erneut. Unerklärlicherweise hatte er Charlie vor Augen, wie sie auf seinen Vorschlag, sie notfalls zu ehelichen, reagiert hatte. »Sie rühmt meinen Geschmack und ich lasse mich gern mit einem farbenfrohen Beau Brummell vergleichen.« Immerhin war der einstige Vertraute des Prinzregenten einmal die Galionsfigur des guten Geschmacks gewesen und Blake hatte nichts dagegen, dessen Stellung einzunehmen.

»Das beruhigt mich. Es gibt … passendere Wege, sein Verlangen zu stillen, als mit einer verheirateten Frau.« Er schaute sich um und wechselte das Thema. »Ich verstehe nicht, wie man sich für die Arbeit von Kindern in Bergwerken aussprechen kann!«

3

Bender House, Bryanston Square, Marylebone, London, 1821

Blake fing Charles’ panischen Blick auf.

»Möchten Sie Charlotte nicht begleiten?«, fragte Lady Pennington. »Es wird sicherlich ein Vergnügen sein, Sie zusammen musizieren zu hören.«

»Oh, ich fürchte, ich klinge wie ein Frosch unter den Hufen meines Rappen.« Er lächelte, schüttelte aber bestimmt den Kopf. »Aber sicherlich wird Charles uns in den Genuss seiner Singstimme kommen lassen.«

»Vielleicht ist es an der Zeit, dieses Experiment zu beenden.« Charles räusperte sich. »Danke, Lady Pennington, Ihre Gesellschaft war erbauend, aber …«

»Oh nein«, sagte die Countess fest. »Setzen.« Sie deutete auf das Kanapee zu ihrer Rechten. »Und Lord Blackwell, Sie scheuen sich doch sonst nicht, im Mittelpunkt zu stehen.« Ihr Blick glitt an ihm herab, wie früher am Abend Charlies.

»Gemeinhin singe ich jedoch nicht, Mylady, und es wäre tatsächlich kein Vergnügen.«

»Viel schlimmer kannst du es auch nicht machen«, murrte Charles, der sich auf dem Möbel niederließ und aussah, als wäre es das Schafott.

»Nun, wir versprechen, keine abwertenden Kommentare zu Ihren Künsten abzugeben.« Lady Pennington deutete zum Pianoforte, an dem Charlie bereits saß und die Notenblätter durchging.

»Vielleicht doch«, widersprach sie ihrer Tante. »Ich denke auch, dass sich Seine Lordschaft nicht so bloßstellen sollte. Es ist schließlich erniedrigend und schmerzlich, wenn man bewertet wird.«

»Ein Gentleman wie Lord Blackwell sollte gelernt haben, darüberzustehen.« Lady Pennington deutete erneut quer durch den Raum.

»Bitte, Blake, können wir das hinter uns bringen? Ich sehne mich nach einem großen Glas Cognac.« Dabei hatten sie sich Zeit gelassen und sich gleich zwei Zigarren gegönnt, nebst einem Glas Hochprozentigem.

»Also gut.« Er hob die Hände und trat an Charlies Seite. »Was möchten Sie vortragen, Mrs Bender?« Sie bestand auf dieser Anrede. Dadurch war ihm die Freude an einem Abend in ihrer Gesellschaft vergangen, trotzdem war es ihm lieber, nun eine Gesangsdarbietung zu geben, anstatt zu flüchten, wie Charles es vorgeschlagen hatte. Merkwürdig, denn Charlie war nicht einmal wahrlich nett anzusehen. Das Kleid war schauderhaft.

»Greensleeves.«

»Auch das noch!«, maulte Charles. Charlie presste die Lippen aufeinander. Auch an diesem Abend trug sie eine braune Robe – er fürchtete fast, es war dieselbe wie jene, die sie bei ihrem letzten gemeinsamen Dinner getragen hatte – und Handschuhe, die bis zu den Ellenbogen reichten. Ein Volant bedeckte ihre Oberarme und bauschte ihre Büste sicherlich auf. Eine dicke Schleife versteckte einen Teil ihres Dekolletés, dafür waren die Schultern und ein Teil ihres Rückens frei.

Sie schlug den ersten Akkord an, und Blake riss sich von dem Volant los. Oder eher dem, was sich dahinter verbarg. Dem Busen, dem er bereits einmal nahe gekommen war. Nur für wenige Sekunden und auch nur, weil er auf sie gefallen war, aber nichtsdestotrotz …

Er verpasste seinen Einsatz.

Sie brach ab und drehte den Kopf. Ihr Hals war verflucht lang. Er hob den Blick, und als er in ihrem Gesicht anlangte, erkannte er Ressentiment darin. »Vielleicht sollten Sie sich auf das Stück konzentrieren?«

»Ja. Ich bin nur kein geübter Sänger.«

»Ich möchte nicht wissen, worin Sie geübt sind.« Sie wandte sich ab und legte die langen, seidenbespannten Finger wieder auf die Elfenbeintasten.

Er brauchte eine Frau. Die Erkenntnis kam ihm nicht selten, nur gewöhnlich nicht in der Gesellschaft heiratsfähiger Damen. Moment, sie war Witwe. Er ließ den Blick erneut zu ihrem Hals wandern. Ein Muttermal markierte den Übergang zur Schulter.

»Trauen Sie sich zu, heute noch einen Ton hervorzubringen, Lord Blackwell?«

Er schaute ihr schnell wieder ins Gesicht.

»Charlotte, dein Ton ist ungehörig«, mahnte Tante Clara.

Ihre Augen weiteten sich empört. »Er zieht mich mit Blicken aus!«

»Nein!« Er hob eilig die Hände. »Sie sehen nur so trostlos aus, dass ich irgendwo hinschauen muss, wo der Anblick halbwegs erträglich ist.«

Blake beobachtete, wie sie erbleichte, und ihre Worte kamen ihm in den Sinn. Es ist schließlich erniedrigend und schmerzlich, wenn man bewertet wird. Er sollte sich entschuldigen, nur war sein Mund so trocken, dass ihm die Zunge plötzlich am Gaumen klebte.

Lady Pennington drängte sich zwischen sie. »Deswegen bat ich um seine Gesellschaft«, sagte sie, und es klang für ihn so, als wäre er ein Schuft, der sich ständig über die Frauen in seiner Gesellschaft hermachte, und sei es nur in Gedanken oder mit den Augen. »Die Kleider haben einen Ausschnitt, um die Gentlemen anzulocken. Dann blendest du sie mit deinem Charme, und wenn es nötig ist, bietest du eben einen noch tieferen Einblick!«

Besser nicht. Er musste sich so bereits überlegen, wo er seine Begierde baldigst stillen konnte. Vermutlich wäre eine feste Geliebte wesentlich hilfreicher, als sich nach Bedarf jemanden zu suchen. Er seufzte.

»Nein!« Charlie stand auf. »Ich will keinen Gemahl, der Damen in die Dekolletés starrt!«

»Charlotte, wir haben doch darüber gesprochen!« Die Countess of Pennington klang gepresst, und auch in ihrer Miene stand ihre mühsame Beherrschung geschrieben.

»Weil Charles mich loswerden will, muss ich mich an einen alten Lüstling verkaufen lassen? Wundervoll! Wie tief muss das Dekolleté sein? Wie weit muss ich gehen, um begehrt zu sein? Muss ich mich von potentiellen Gatten anfassen lassen? Küssen?« Sie ballte die Fäuste. Sie klang so angewidert, wie sie aussah. »Von ihm?« Sie streckte die Hand aus, und der anklagende Finger richtete sich auf ihn.

Es war eine dumme Idee gewesen, Charles dazu zu bringen, Charlie Gentlemen vorzustellen, um sie zu verheiraten. Und sein Interesse – gleich welcher Art – war zum Scheitern verurteilt.

»Bitte nicht«, mischte Charles sich ein. »Und zwar weder noch.« Er trat zu ihm und schlug ihm auf die Schulter. »Sei ihm nicht böse, er hat eine Abneigung gegen gedeckte Farben.« Er grinste schief, aber es wirkte grotesk, da zugleich ein straffer Zug um seine Lippen lag, der sich nicht mit dem Lächeln vertrug. »Und Braun … Nun, selbst mir gefällt das Kleid nicht, und ich schaue nicht einmal genau hin.«

»Bender, Sie sind keine Hilfe«, sagte Lady Pennington angespannt. »Ja, Charlotte, das musst du zulassen. Küsse, Berührungen … und, wenn es sein muss, mach Versprechungen, dass einem die Ohren glühen!«

»Ich will Charlie nicht auf Kosten des guten Familiennamens aus dem Haus haben, Mylady. Keine Küsse, keine Berührungen und …« Er richtete seinen Blick auf die Büste der Schwester. »Ich denke nicht, dass man mehr sehen will.«

Blakes Augen folgten. Der Volant störte. Er fluchte innerlich und lenkte den Blick eilig gen Himmel.

»Was meinst du? Immerhin weißt du eher als ich, was die Damen derzeit so tragen.« Charles klopfte ihm auf die Brust. »Vielleicht sollte ich dich mitschicken, damit Charlie nicht nackt auf einen Ball gehen muss, um einen Gatten zu finden.«

»Gott bewahre!«, rief die Countess. »Aber Blackwells Geschmack …«

»Nein«, unterbrach Charlie. »Ich werde mich nicht herausputzen lassen, um seinem Geschmack zu entsprechen.« Ihr Blick glitt über seine Brust, dann hinab. Sie mochte offenbar kein Kardinalrot, kein Himmelblau und das lichte Tannengrün auch nicht. »Dann gehe ich doch lieber nackt!«

Oh, Himmel.

Sie machte kehrt und stapfte hinaus.

»Ich spreche mit ihr«, versicherte Lady Pennington. »Sie hätten sie früher holen sollen, Bender, dann hätten wir das Problem nicht.«

»Welches Problem?«, fragte Blake. »Ihre Farbphobie? Ihr Leben muss ziemlich trostlos sein, wenn sie jede Farbe ablehnt.« Der tadelnde Blick der Lady ließ ihn die Achseln zucken.

»Sie ist zu alt.«

Blake behielt den Gedanken für sich, dass er sich nicht alt fühlte.

»Keine Freiheiten, Lady Tante. Es muss so gehen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Würdest du eine Witwe zur Frau nehmen, die nicht vorweisen kann, fruchtbar zu sein, die kein Vermögen hat und nicht einmal Kontakte aufweist, die irgendwie nützlich sein könnten?«

Charles lief rosa an. »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«

»Lord Blackwell?«

Es lief ihm siedend heiß den Rücken hinab. »Das käme wohl auf die Person an.«

»Und darauf, wie dringlich Sie diese Person …« Sie hob die Brauen. Oh, ihr Tonfall trug die Botschaft. Wenn sich die fragliche Person begehrt machte, wäre er eher bereit, um sie anzuhalten. Er presste die Lippen zusammen. Das eigentlich Ärgerliche war, dass Charlie gedrängt wurde, freizügig zu sein, und er wollte nicht wissen, wie vielen Lüstlingen sie in die Hände fallen mochte. Ganz zu schweigen von der Gefahr, in die eine Frau sich brachte, wenn sie zu kokett auftrat. Er senkte den Blick.

»Sie haben recht, Lady Pennington. Aber Charlie scheint mir nicht die Art Frau zu sein, die den Balanceakt zwischen Verführung und Entzug hinbekommt. Sie wird in Situationen geraten, in denen sich keine Dame wiederfinden möchte. Raten Sie ihr lieber nicht zu Tête-à-Têtes«, sagte Blake.

Lady Pennington schnaubte verdrossen. »Sie werden sehen, Bender, dass man nur mit Speck Mäuse fängt!« Sie knickste und rauschte davon.

Charles seufzte. »Ich sehe mich schon im Morgengrauen auf einer Wiese stehen und die Ehre meiner Schwester mit der Waffe verteidigen.« Er verdrehte die Augen. »Noch einen Schlaftrunk?« Er schlug ihm gegen die Brust. »Ich glaube, ich werde dich tatsächlich mit auf die Bälle schicken, um auf Charlie zu achten. Das ist schließlich auf deinem Mist gewachsen.«

»Ich bin überzeugt, dass deine Schwester keine … Freiheiten zu gestatten braucht, um Interesse zu erwirken.« Er fand sie doch interessant und wollte sich mehr mit ihr beschäftigen, da würde sie sicherlich auch anderen Gentlemen auffallen. Er folgte seinem Freund durch das Haus. »Wenn sie nur etwas fröhlicher wirken würde.« Gelb stände ihr hervorragend zu Gesicht. Blau. Lavendel.

»Scotch oder Cognac?«

Blake hob abwehrend die Hände, bevor er sich setzte. »Danke, ich werde noch bei Scarboroughs Gesellschaft vorbeischauen müssen.«

»Ach? Davon hast du gar nichts erzählt.« Charles nahm ihm gegenüber Platz und schwenkte sein Glas. Sein Blick folgte den kreisenden Bewegungen.

»Eine … Notlösung. Wenn ich schon deine Schwester anstarre, wird es Zeit, dass ich mir etwas Abwechslung suche.« Er zwang sich, dem Blick des Freundes nicht auszuweichen. »Sie ist wirklich wahnsinnig trostlos.«

»Es wäre mir wirklich nicht lieb, wenn wir beide dort ständen.« Eine Warnung schwang in Charles’ Stimme mit, die Blake nicht einordnen konnte.

»Wo ständen?«

»Auf der Wiese bei Morgengrauen, um die Ehre meiner Schwester …« Er senkte das Glas.

Blake lachte auf. »Oh bitte!«

»Sie übertreibt vermutlich, aber ihre Locken wären ein besserer Anker für deine Augen gewesen als ihr Dekolleté.« Er hob die Brauen.

»Sicher. Aber ich erwähnte bereits, dass es für mich Zeit wird, etwas Entspannung zu finden. Es ist nur so … zeitaufwendig, eine willige Frau zu finden.« Er rieb sich über das Gesicht. »Vielleicht sollte ich heiraten, dann hat sich das Problem wenigstens erledigt.«

Charles grinste. »Eine böse Falle, das ist dir bewusst, oder? Eine Frau ist kostspielig und fordernd. Für ein wenig Vergnügen ist es verflucht viel verlangt, sich darauf einzulassen.«

»Ja!« Blake stimmte dem aus tiefstem Herzen zu. »Aber die Alternative ist ebenso kostspielig, und ich will keine Geliebte aushalten. Und die Jagd durch die Ballsäle, wenn man nur … Ich habe mir wohl zu lange Zeit gelassen und hätte besser beizeiten nach Entspannung gesucht.« Nun wurde es sicher zu einem Spießrutenlauf.

»Nimm die Kutsche.« Charles stand auf und ging zu seinem Schreibtisch. Er zog eine Schublade auf, öffnete das Tintenfässchen und schrieb einige Zeilen auf das hervorgeholte Papier. Er löschte die Tinte, verstaute die Utensilien und kam dann mit dem Blatt zurück, um es ihm in die Hand zu drücken. »Es gibt Regeln und es ist nicht billig, aber eine Alternative zur Geliebten und der Jagd nach willigen Dämchen auf Gesellschaften.«

Blake überflog die Zeilen. »Ein Empfehlungsschreiben?«

»Es ist exklusiv.« Charles zuckte die Achseln. »Du wirst Anweisungen bekommen, die du penibel befolgen solltest, denn eine Zuwiderhandlung geht auch zu meinen Lasten. Ich schätze die Kutsche. Sie macht die Dinge einfach und …« Er schmunzelte. »Du wirst nicht auf Hälse starren müssen, zu wem auch immer sie gehören.«

»Ich bin nicht sicher, was mich erwartet – ein Bordell?«, fragte Blake zögerlich nach, denn käufliche Frauen waren so gar nicht nach seinem Geschmack.

»Nein. Damen von Stand mit gewissen Erwartungen in geschützter Umgebung. Es ist die leichte Variante zur Jagd in Ballsälen, du bist lediglich in der Pflicht, den Damen …« Röte kroch auf seine Wangen. »… Lust zu schenken.«

»Du meinst …« Auch Blake glühten die Ohren. Jede Freundschaft hatte ihre Grenzen, und sie waren zu alt, um mit ihren Bettgeschichten zu prahlen.

»Oh ja. Sie ist besser völlig begeistert von dir, sonst bekommst du keine zweite Fahrt.« Charles leerte sein Glas. »Wenn du Gewalt anwendest oder sie bedrängst, obwohl sie dich abgewiesen hat, erhältst du nicht nur eine Abreibung vom Knecht und musst eine Strafe zahlen. Du wirst zudem ausgeschlossen, und ich werde es ebenfalls.« Er sah ihn eindringlich an. »Du bist also besser ein Liebhaber par excellence!«

»Ich werde mich aufrichtig bemühen.«

 

Bond Street, Mayfair, London, 1821

Charlie versteckte sich in der Umkleidekabine. Sie hatte genug und wäre froh und glücklich gewesen, nie wieder einen Termin beim Schneider zu bekommen.

»Oh, es war göttlich!« Jemand kicherte hell. »Diese Kutsche ist der Traum jeder Witwe in London.«

Charlie hätte nichts gegen einen Traum einzuwenden gehabt. Sie zog sich das Kleid über den Kopf und knöpfte es zu. Es war das einzige, das sie tatsächlich selbst an- und ablegen konnte.

»Wen hattest du?«, fragte eine zweite Stimme.

»Ich glaube, mein Letzter war Lynn!« Sie quiekten beide vor Begeisterung.

»Oh, du musst mir alles erzählen! Ich hoffe jedes Mal, ihn zu erwischen. Ist er so zärtlich, wie man sich erzählt?«

Charlie hielt inne und schaute auf. Was war das bitte für ein Gespräch?

Das Kichern wurde dunkler, fast gurrend. »Oh, glaub mir, er weiß, wie man eine Frau berühren muss, damit sie … es genießt.«

Ein Prickeln durchlief Charlie und ihr kamen gleich ganz unanständige Gedanken. Gavin hatte gewusst, was er tun musste, damit sie es genoss. Aber davon konnte nun schwerlich die Rede sein.

»Ich könnte es immer wieder tun!«

»Leider muss ich vorsichtig sein, damit Ecclestone nichts mitbekommt.«

Charlies Finger wurden kalt. Lord Ecclestone war Charles’ Nachbar.

»Diese alten Narren glauben wirklich, wir wären zufrieden damit, herumzusitzen und auf ihren Tod zu warten.«

»Charlotte!«, rief Tante Clara. »Oh, Lady Ecclestone, Mrs Kennedy, guten Tag. Charlotte, bist du endlich fertig?« Sie zog den Vorhang auf, der Charlie zuvor vor den Damen verborgen hatte. Diese wurden blass und starrten sie an, während Charlie mit ihrer Scham kämpfte. Sie knickste, murmelte die Namen der Frauen und hastete an ihnen vorbei.

»Charlotte, dein Spenzer!«

Aber die Jacke war ihr völlig gleich.

 

Bender House, Bryanston Square, Marylebone, London, 1821

Charlie blieb mitten in der Tür stehen. Sie hatte es befürchtet, schließlich kannte sie niemanden in London und bekam daher auch keinen Besuch. »Carter, bitte bringen Sie uns Tee.« Ihre Stimme schwankte und sie hatte Mühe, einigermaßen gerade durch den Raum zu wanken. Sie knickste vor Lady Ecclestone. »Mylady, wie freundlich, dass Sie mich besuchen kommen.«

»Mrs Bender.« Das Lächeln im Gesicht ihres Gegenübers war starr. »Verzeihen Sie, dass ich Sie nicht schon längst in der Stadt begrüßt habe.«

»Sehr freundlich von Ihnen, Lady Ecclestone, aber es ergab sich auch erst kürzlich die Aussicht, doch in Gesellschaft zu verkehren.« Sie deutete auf die Sitzgelegenheiten. »Nehmen Sie doch Platz.«

Die Baronin verkniff die Lippen, ließ sich dann aber auf dem Stuhl nieder. »Haben Sie sich bereits eingelebt? Sie verlassen nie das Haus.«

»Ich kann nicht behaupten, mich in London wohlzufühlen, Mylady.«

Carter war zurück und stellte das Tablett ab. Charlie fragte, wie sie das Getränk bereiten sollte, und lauschte den leisen Schritten des Faktotums. Als die Tür zugezogen wurde, reichte sie der Baronin ihre Tasse.

»Ich belausche eigentlich keine Gespräche«, versicherte sie eindringlich. Hitze versengte ihre Wangen. »Ich war nur so erschrocken über den Inhalt, dass ich mich nicht bemerkbar machen konnte. Bitte verzeihen Sie mir!«

Lady Ecclestone verkniff die Lippen. Ihre blauen Augen glitten über Charlie. »Es war leichtsinnig, dergleichen in der Öffentlichkeit auszusprechen«, räumte sie ein. »Nun sehe ich mich aber in einem Dilemma.«

»Ich werde sicherlich niemals einen Ton darüber verlieren, das wäre mir viel zu peinlich.« Ihre Hände zitterten, als sie sich eilig selbst eine Tasse füllte und sie dann an die Lippen hob. Nach einem Schluck senkte sie die Tasse auf ihren Schoß. »Ich sollte nicht fragen …« Und doch konnte sie es nicht lassen. Sie rutschte auf dem Kanapee vor, bis sie fast über den Rand glitt. »Aber …«

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie einweihen sollte.« Lady Ecclestones Blick glitt erneut über sie hinweg. »Sie machen mir den Eindruck, über dergleichen die Nase zu rümpfen.«

»Über was genau?« Charlie war sich nicht einmal sicher, ob sie tatsächlich wissen wollte, worum es in dem Gespräch letztlich gegangen war. Die wenigen Anhaltspunkte hatten sie den ganzen letzten Tag beschäftigt gehalten, und in der Nacht …

»Wollust, Mrs Bender.«

»Oh.« Charlie senkte den Blick. »Nun, ich habe aus Liebe geheiratet. Wollust hat da wohl auch eine Rolle gespielt.« Sicher war ihr Kopf rot wie Blackwells Weste.

Lady Ecclestone lachte. »Wenn Sie das sagen.«

»Und ich bin es leid, nur zu träumen.« Sie runzelte die Stirn. »Es ist nicht dasselbe.«

»Nein. Es ist aber auch kein ehelicher Beischlaf, Mrs Bender. Es ist Lust. Pure, reine Lust. Ich denke, dass Sie zu unbedarft sind, um die Dienste der Kutsche in Anspruch zu nehmen.«

Charlie stieß den Atem aus. »Vermutlich haben Sie recht.«

»Allerdings leben Sie sehr zurückgezogen und treffen kaum einmal auf … Männer.« Lady Ecclestone blies in ihren Tee und schaute nachdenklich über den Rand der Tasse hinweg. »Wie sollten Sie jemals Ihre Unbedarftheit ablegen, wenn Sie nie rauskommen?«

»Nun, da bliebe noch Lord Blackwell und es wäre mir recht, auch ihn nicht zu treffen.« Charlie verzog die Miene.

Die Lady lachte schallend. »Oh, Ihre Begeisterung ist allerliebst! Sicherlich ist er nicht ganz so eitel, wie er erscheint.«

»Das kann ich nicht bestätigen. Aber ich kenne ihn auch nur flüchtig.«

»Hm.« Lady Ecclestone spitzte die Lippen. »Also gut. Ich erzähle Ihnen ein wenig und dann können Sie selbst entscheiden, ob Sie die Kutsche nutzen wollen oder nicht.«

»Ich bin etwas verunsichert, weil Sie immer die Kutsche sagen.«

Die Lady lachte wieder. »Oh, Sie sind ein Unschuldslamm.« Sie setzte sich zu ihr auf das Kanapee und beugte sich vor, um ihr ins Ohr flüstern zu können. »Alles spielt sich in der Kutsche ab. Man steigt ein, holt den Gentleman ab und dann begibt man sich in seine kundigen Hände.«

Charlie riss die Augen auf. Doch so schlimm?

»Der Gentleman steht dabei in der Pflicht, die Lady zu verwöhnen. Nichts geschieht ohne ihre Einwilligung und die Dame kann den Vorgang jederzeit abbrechen. Wenn man einander sympathisch ist, kommt es zum Akt, danach wird die Dame zuerst abgesetzt.«

Charlie stieß den Atem aus. »Ist das nicht schrecklich peinlich, wenn man auf den Herrn trifft? Ich meine später. Bei einer Soiree oder …«

Die Baronin kicherte leise. »Man kann die Lampen im Innenraum löschen und die Fenster verhängen. Es ist stockduster, und wenn man partout nicht möchte, dass der Gentleman einen erkennt, verschweigt man ihm seinen Namen.« Sie zuckte die Achseln. »Man stellt sich auch nicht zwangsläufig vor. Ich ziehe es vor, meinen Partner in Unkenntnis zu lassen. Es ist sicherer.«

Für eine verheiratete Frau ganz sicher. Charlie nahm abgelenkt einen großen Schluck aus ihrer Tasse.

»Und aufregender.« Lady Ecclestone stellte die Tasse ab. »Sie sollten es versuchen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, brechen Sie es ab. Es gibt Klopfsignale und der Knechtkommt der Dame stets zur Hilfe, sollte man einen unfreundlichen Galan erwischen. Glauben Sie mir, es gibt keinen Weg zu einer unverbindlichen Liebschaft, der sicherer wäre als die Love Carriage

»Ich bin etwas …«

»Abgestoßen?«, schlug die Lady belustigt vor. »Denken Sie darüber nach. Wenn Sie der Einsamkeit für ein paar Stunden entfliehen und sich als begehrte Frau fühlen wollen, sagen Sie Bescheid.« Lady Ecclestone zwinkerte ihr zu und erhob sich. »Entschuldigen Sie mich nun bitte, ich bin zu einer Ausfahrt verabredet.«

 

Bromwell House, Leicester Square, Westminster, London, 1821

»Lächle«, zischte Tante Clara.

Charlie zwang ihre Mundwinkel in die Höhe. Es half sicher nicht.

»Lady Pennington.« Der Earl of Bloomfield verbeugte sich vor der Tante und nahm dann auch Charlies Hand auf, um sie an seine Lippen zu ziehen. »Mrs Bender, darf ich Ihnen meine Gattin entführen? Wir haben heute noch nicht getanzt.«

Lady Bloomfield errötete und ergriff die Finger ihres Gatten. »Dass du daran gedacht hast.«

Sie verabschiedeten sich und ließen Charlie mit ihrer Tante und dem sichtlich gelangweilten Cousin des Lords zurück.

»Wussten Sie, Mr Norton, dass Mrs Benders letzter Tanz zehn Jahre zurückliegt?«

Charlie zuckte zusammen. Sie wand sich innerlich.

»Ah.« Der Blick des Gentlemans huschte über sie. »Nun, ich ziehe es ebenfalls vor, dem Rumgehopse aus der Ferne zuzuschauen.«

»Tatsächlich ist es angenehmer, sich die Zeit im ruhigen Plausch zu vertreiben«, behauptete die Tante nun fröhlich. »Charlotte, sag, wie hat dir dein Aufenthalt in Kent gefallen?«

Damit musste ihr gesamtes bisheriges Leben gemeint sein, denn abgesehen von ihrer Flucht nach Gretna Green hatte sie die Heimat zum ersten Mal verlassen, als sie nach London aufgebrochen war.

»Sie waren in Kent?«, erkundigte sich Mr Norton eine Spur weniger gelangweilt als zuvor. »Mein bevorzugtes Sujet: die sanften Auen von Kent.«

»Kent ist ein malerisches Fleckchen Erde«, sagte Charlie vorsichtig.

»Malerisch?« Er richtete den unzufriedenen Blick auf sie.

»Poet«, flüsterte Tante Clara ihr ärgerlich zu, als hätte sie wissen müssen, dass der Herr die schönen Worte dem Pinsel vorzog.

»Mir fällt kein besseres Wort ein.«

Er wandte sich halb ab. »Je nun, das kann man wohl auch nicht erwarten.«

Charlie behielt den Kopf oben. Es war nicht das erste Mal, dass man sie indirekt beleidigte, und eigentlich war die permanente Missachtung auch schlimmer, denn wie sollte sie mit Redegewandtheit und Wissen protzen, wenn niemand tatsächlich mit ihr sprach!

»Lady Pennington«, grüßte ein betagter Gentleman und fasste nach Tante Claras Hand, um sie an seine Lippen zu ziehen.

»Oh, Lord Chesterfield, darf ich Ihnen Benders Schwester vorstellen? Mrs Bender.«

Die buschigen Brauen des Lords hoben sich, während sein Blick an ihr herabglitt und dabei unangenehm lange an ihrem Dekolleté hängen blieb.

Sie wagte nicht zu atmen, um ihn nicht erneut auf ihre Brüste starren zu lassen, sobald er sich seiner Manieren erinnert hatte und auch ihre Hand an die Lippen führte. »Mrs Bender.« Er drückte seinen Mund heiß und feucht auf ihren Handschuh.

Das Lächeln gefror in ihrem Gesicht und sie verlor den Mut. Offensichtlich interessierten sich tatsächlich nur die älteren Semester für sie und offenbar auch nur zu einem offensichtlichen Zweck. Jedoch schüttelte sie sich bei dem Gedanken, dass sich diese Lippen an anderen Körperstellen zu schaffen machen könnten. Womöglich auch noch ohne Barriere aus Stoff!

»Darf ich um den nächsten Tanz bitten?«

»Oh, ich tanze nicht.« Schließlich hatte sie dies Mr Norton gegenüber soeben erst behauptet.

»Doch, doch!«, bekräftigte Tante Clara und schob sie in Chesterfields Arme. »Nur zu, meine Liebe, amüsiere dich.«

Ihre Tante wusste offensichtlich nicht, was Amüsement ausmachte. Charlie zitterte am ganzen Leib und befürchtete, dass ihr jeden Moment ein fürchterlicher Fauxpas passieren würde. Denn ihr letzter Tanz lag tatsächlich zehn Jahre zurück!

Allerdings führte Chesterfield sie nicht zur Tanzfläche, sondern knapp daran vorbei zu den offenen Flügeltüren.

»Es ist Ihnen doch recht, wenn wir uns etwas besser kennenlernen, Mrs Bender?«, raunte er ihr zu, wobei er sich zu ihr beugte. Sein schaler Atem schlug ihr ins Gesicht und ihr Magen hob sich. Sie riss sich los, schlug sich die Hand vor den Mund und rannte los. Eine Schneise bildete sich und sie konnte in den Flur hasten. Am Ende des Gangs befand sich ein Raum für die Damen, aber ihre Knie waren viel zu weich, als dass sie es so weit geschafft hätte. Also lehnte sie sich an die Wand und kämpfte mit ihrer Übelkeit.

»Nanu!« Die Stimme war bekannt, auch wenn Charlie sie nicht gleich einzuordnen wusste. »Mrs Bender, fühlen Sie sich nicht wohl?«

Sie wurde herumgedreht und erkannte Lady Ecclestone. »Verzeihen Sie«, krächzte Charlie, »aber mir ist tatsächlich …« Sie presste die Hand wieder vor den Mund.

Die Lady legte den Arm um sie. »Kommen Sie, Mrs Bender, wir bringen Sie in den Ruheraum, dort legen Sie sich kurz hin. Dann schauen wir mal, ob es so schlimm ist, dass Sie nach Hause müssen.« Lady Ecclestone führte sie in den Salon und drückte sie auf eine Liege nieder. »Melinda, sei so gut und hole Mrs Bender ein Glas Champagner. Sie sieht aus, als bräuchte sie dringend eine Stärkung.« Ihre Begleitung ging und die Lady tätschelte ihr die Hand. »Die Aufregung?«, mutmaßte sie. »So ein Ball kann schon überwältigend sein.«

Charlie schüttelte den Kopf. »Lord Chesterfield …« Sie bekam sein Ansinnen nicht formuliert.

»Ach herrje! Von dem sollten Sie sich dringend fernhalten. Er ist ein alter Schwerenöter und hat sicherlich nicht vor, in den Stand der Ehe zu treten.« Sie verzog die Lippen. »Zudem soll er fordernd und unachtsam sein. Es gibt bessere Liebhaber.«

Charlie schniefte. »Den würde ich nicht freiwillig nehmen.«

»Gute Einstellung«, lobte die Lady.

»Die Gentlemen in der Kutsche …« Charlie biss sich auf die Lippe.

Lady Ecclestone schaute sich um und beugte sich vor. »Agil und jung. Möchten Sie es sich vielleicht doch überlegen?«

Charlie starrte zu ihr auf. Wenn es ihr Los war, einen alten Lüstling zu ehelichen, weil die jüngeren Herren sich nicht für sie interessierten, war es nur gerecht, wenn sie sich zumindest etwas gönnte. Etwas Wollust in diesem Fall, denn es war auszuschließen, dass sie Freude, geschweige denn Lust empfand, wenn ein Mann wie Chesterfield sie berührte. Sie nickte eilig. »Am besten so schnell wie möglich.« Bevor sie die Courage verlor.

Lady Ecclestone tätschelte ihre Hand. »Ich sende Ihnen ein Empfehlungsschreiben. Schicken Sie es an die beiliegende Adresse und Sie bekommen alle nötigen Informationen geliefert.«

Charlie nickte wie betäubt.

»Seien Sie unbesorgt, Sie haben nichts zu verlieren. Wenn Sie anderen Sinnes werden, sagen Sie es, und man bringt Sie zurück zum Treffpunkt.«

Charlie streckte die Schultern. »Danke.«

»Mrs Bender, Sie sollten sich in Acht nehmen. Es gibt Männer auf diesen Veranstaltungen, denen wollen Sie nicht an einem dunklen Ort begegnen.« Sie schaute ihr tief in die Augen. »Bleiben Sie in Gesellschaft. Immer.«

»Meine Tante schickte mich mit Lord Chesterfield los.« Sie schluckte. »Ich wollte nicht. Ich bin nicht auf so etwas vorbereitet.« Sie war einfach nicht in der Lage, sich in Gesellschaft zu bewegen, und gehörte nicht in einen Ballsaal. Tränen verschleierten ihren Blick.

Die Frau namens Melinda war zurück und reichte ihr ein Glas Champagner.

»Danke.«

»Nun, vielleicht sollten wir Sie nun bei Ihrer Begleitung abgeben. Ist Lord Bender anwesend? Lord Pennington?« Die Baronin erhob sich und faltete die Hände.

Charlie schüttelte den Kopf. »Nur Lady Pennington, fürchte ich.« Und langsam ängstigte sie diese Aussicht tatsächlich!

 

Blake ließ den Blick über die versammelte Gesellschaft gleiten und entdeckte viele bekannte Gesichter, Charlies jedoch nicht. Sie war hier, schließlich hatte Charles nicht nur lang und breit über die Aussicht referiert, Lord Castlereagh doch noch abpassen zu können, während er seiner Pflicht nachkam, die Schwester auf ihrer ersten Abendveranstaltung zu bewachen, sondern sie hatten sie auch herbegleitet. Castlereagh war dann jedoch in dem nobelsten Herrenclub der Stadt, Wights, gesichtet worden und Charles war umgeschwenkt. Auf der Schwelle von Bromwell House, praktisch während er nach der Hand der Gastgeberin gegriffen hatte. Blake hatte Charlies Erschrecken bemerkt, die Hitze, die ihr in die Wangen gestiegen war, aber sie hatte sich seine Begleitung sogleich verbeten. Lady Pennington hatte ihn ermuntert, sie später am Abend aufzusuchen und mit Charlie zu tanzen. Der unwilligen Dame war ein »Gott bewahre!« entwichen, das er zu ignorieren trachtete.

Er kämpfte mit sich. Die Empfehlung hatte er verschickt und eine Antwort auch bereits erhalten. Nun harrte er noch der Dinge, die kommen sollten. Es war eine merkwürdige Sache, einer Frau in einer Kutsche beiwohnen zu sollen. Während der Fahrt! Und dann waren da all die Vorschriften, die es zu beachten galt. Er war sich schlicht nicht sicher, ob er sich nicht doch besser ein williges Frauenzimmer nahm, das sich hier finden ließ. Oder eben am nächsten Abend. Oder jenem darauf …

Fein, er hatte fast eine Woche eben keine Frau gefunden, die seine Lust stillen konnte, und langsam stieg ihm der Dampf in den Kopf.

Da!

Sie war in Begleitung von Baronin Ecclestone und Lady Winchester. Er bahnte sich seinen Weg durch die Menge, bis ihm auffiel, was er tat.

Sie war die Schwester seines Freundes, da wäre es unfreundlich, sie nicht zu begrüßen, selbst wenn sie sich nicht in Gesellschaft ihrer Familienangehörigen befand. Richtig!

Er ging weiter. Das Trio hatte sich aufhalten lassen. Lord Silvercup beugte sich über Charlies Hand und schaute ihr dabei in den Ausschnitt. »Mrs Bender. Sie sind genau so eine Schönheit, wie es Ihre Mutter gewesen ist. Und Ihre Großmutter, wenn ich mich recht entsinne.« Er hielt immer noch ihre Hand.

»Myladys.« Blake blieb hinter dem alternden Lord stehen, den er um einen halben Kopf überragte, und stellte den Fuß zu einer höfischen Verbeugung aus. »Mrs Bender. Lord Silvercup.«

»Lord Blackwell, so eine Überraschung.« Lady Winchester ließ die Wimpern flattern. »Lady Bromwell erwähnte gar nicht, dass Sie zu erwarten wären«, gurrte sie.

Charlie warf ihr einen Blick zu, der an Verwunderung nicht zu überbieten war. Lady Ecclestone lehnte sich zu ihr, um etwas in ihr Ohr zu flüstern, was sie offensichtlich noch mehr irritierte. Ihre Augen würden sicherlich aus ihren Höhlen fallen, wenn sie sich nicht eilig fasste. Abgelenkt erwiderte Blake irgendetwas.

»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, Ihnen hier zu begegnen.«

»Es ist ganz zu meinem Vergnügen«, versicherte er und wollte sich an Charlie wenden, da sprach Lady Winchester ihn erneut an.

»Sie müssen mir unbedingt einen Termin bei Ihrem Schneider verschaffen! Ihre Weste glänzt ja!«

»Ja, sie ist aus Seide und mit aufwendiger Bestickung. Ich bin sehr froh, eine Elle erstanden zu haben.« Wieder drehte er sich, sodass er Charlie ansprechen konnte. Ihre fassungslose Miene raubte ihm dann aber die Stimme.

»Wie recht Sie haben! Ich würde ein Vermögen für ein Kleid aus diesem Stoff ausgeben!« Lady Winchester lachte geziert. »Ihr Geschmack ist wahrlich erhaben.«

Silvercup räusperte sich. »Mrs …«

»Mrs Bender, gestatten Sie mir den nächsten Tanz?«, ging er schnell dazwischen. Er strich sich über den Bauch, was ihren Blick einfing. Seine Weste überzeugte sie offenbar nicht, denn ihre Lippen kräuselten sich. Vielleicht hätte er auf das strahlende Gelb doch besser verzichtet.

»Wie freundlich, Lord Blackwell, jedoch ist mir der Champagner auf den Magen geschlagen und ich wollte Lady Pennington bitten, mich nach Hause zu geleiten.« Sie wandte sich an Lord Silvercup. »Es war mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Mylord, und ich hoffe, dass wir einander bald wiederbegegnen werden.« Sie knickste.

Blake hielt ihr eilig den Arm hin. »Ich bringe Sie zu Ihrer Tante.« Ihr Kleid war skandalös tief ausgeschnitten, und er meinte gar, ihren Bauchnabel aufblitzen zu sehen. Er wandte den Blick ab. »Myladys.«

Der Brief mit der Bitte um einen Termin würde noch heute abgeschickt werden, denn er kämpfte eindeutig mit der Fassung. Bauchnabel, so ein Unsinn! Natürlich sah man kaum in das Tal zwischen ihren Brüsten. Milchig weißen, sicherlich herrlich weichen Brüsten …

»Einen schönen Abend noch, Lord Blackwell, Mrs Bender«, verabschiedete sich Lady Ecclestone.

Charlie hob die Hand, als wolle sie die Lady zurückhalten, die geheimnisvoll grinste. Lady Winchester tat die Hoffnung kund, dass sie sich später am Abend noch einmal über den Weg laufen würden, bevor auch sie sich verabschiedete. Er blieb allein mit Charlie zurück, die immer noch keine Anstalten machte, seinen Arm anzunehmen.

»Wollen wir?«, fragte er unruhig. Er wollte ihr wahrlich nicht weiter in den Ausschnitt stieren.

»Sie haben mich aller Optionen beraubt, da werde ich wohl müssen.« Sie legte ihre Hand auf seine Ellenbeuge.

»Haben Sie sich nur braune Kleider schneidern lassen?«, fragte er, ohne auf ihre Worte einzugehen. »Ich war in freudiger Erwartung, Sie in etwas farbenfroheren zu sehen.«

»Nun, wenn Sie sich zurückhalten, verspreche ich, offener zu werden.« Sie schnaubte, als hielte sie es für ein Versprechen, dessen Erfüllung nie anstände. Schwarz, wie schauderhaft! Vermutlich konnte er sich an Braun gewöhnen.

»Wäre Grau eine Option?«

»Ich soll Grau tragen? War es nicht Ihre Idee, dass Charles mich aus dem Haus schaffen soll? Ich denke, in einem grauen Kleid werde ich vollständig übersehen.« Sie hielt den Kopf leicht abgewandt, sodass Blake nicht in ihrer Miene lesen konnte.

»Ich dachte an mich. Anstatt Schwarz.«

Endlich wandte sie sich ihm zu. »Feilschen wir nun?«

Immerhin kamen sie endlich in ein Gespräch. Er nickte. »Was darf ich erwarten, wenn ich mich in Grau hülle?«

»Beige.«

Er fühlte seine Miene entgleisen. Das war grauenvoll. Allerdings schmunzelte sie.

»Und wenn ich mich an Ihr schreckliches Braun halte?« Er legte die Hand auf ihre und drückte sie.

»Vielleicht …«

»Gelb?«, schlug er vor. Er konnte sie sich bereits in einer sonnengelben Robe ausmalen.

»Keine Stickereien.« Ihre Lippen kräuselten sich wieder. »Muss ich mich in Gesellschaft blicken lassen oder genügt Ihnen ein privates Dinner?«

Privat genügte, und er wusste auch schon genau, wie es verlaufen … Er rief sich zur Ordnung. »Wo genau finden wir Lady Pennington?«, fragte er in ungewohnt hoher Tonlage. Er ging Charlie besser aus dem Weg, bis er seine Lust eingedämmt hatte. Er brauchte dringend eine Frau!