Leseprobe Das aufrechte Herz der Lady

1

Schicksalsnacht

Oakham House, Surrey 1811

Clara schreckte aus dem Schlaf. Es musste noch mitten in der Nacht sein, denn bis auf einen Schimmer Mondlicht, der durch den schmalen Spalt in den Vorhängen fiel, war es stockfinster. Hektische Schritte und gedämpfte Stimmen drangen durch die Tür. Jemand lief im Flur an ihrem Zimmer vorbei. Irgendetwas ging in Oakham House vor, und die nächtliche Aktivität hatte gewiss nichts Gutes zu bedeuten.

Widerwillig schlüpfte sie aus dem warmen Bett und warf ihren Morgenrock über, um nachzusehen, was dort vor sich ging. Als sie den Kopf durch die Tür steckte und in den Korridor spähte, sah sie ihre Mutter aus dem Zimmer ihres Bruders treten, das blasse Gesicht im Schein einer Kerze fast wächsern. Ihre sorgenvolle Miene genügte, um Clara in Aufregung zu versetzen.

»Mutter! Sag, steht es ernst um Philip?«

Mrs Dallaway presste die Lippen zusammen und nickte. Es fiel ihr sichtlich schwer, zu sprechen.

»Ich habe Thomas geschickt, den Arzt zu holen. Das Fieber ist zurück und heftiger als zuvor. Er fantasiert.«

Clara fröstelte. Sie zog den Morgenmantel enger um ihre schmale Gestalt.

»Kann ich etwas tun?«

»Nicht viel, fürchte ich, Liebes«, entgegnete Mrs Dallaway. Ihre Stimme klang rau und gepresst und Clara ahnte, dass sie ihretwegen versuchte, die Tränen zurückzuhalten. »Wir müssen auf Gott vertrauen und für deinen Bruder beten.«

Clara lief zu ihrer Mutter und wollte Philips Zimmer betreten. Doch Mrs Dallaway hielt sie zurück.

»Er hat mich eben nicht einmal erkannt.« Nun verlor Claras Mutter endgültig den Kampf mit den Tränen.

»O Mutter, wie schrecklich!« Clara nahm ihre Hände. Sie waren eiskalt.

»Geh und weck Betty. Sie soll Wasser und Essig bringen für kalte Umschläge. Ich bleibe bei Philip.«

Erleichtert, eine Aufgabe zu haben, um ihre Gedanken zu beschäftigen, lief Clara sofort los, und als sie kurz darauf mit dem Hausmädchen das Krankenzimmer betrat, saß ihre Mutter an Philips Bett. Im Kamin flackerte das Feuer. Es war warm und stickig, dennoch konnte Clara hören, wie Philip fröstelte. Die schweren dunklen Vorhänge und die holzvertäfelten Wände, die den Raum sonst heimelig und gemütlich wirken ließen, erschienen Clara jetzt beinahe erdrückend. Als sie näherkam, erschrak sie beim Anblick ihrer Mutter. Die sonst energische Frau wirkte plötzlich kraftlos.

Sie eilte an ihre Seite und warf durch die halb zugezogenen Bettvorhänge einen sorgenvollen Blick auf Philip, dessen blasses Gesicht sich kaum vom Weiß des Kissens abhob. Die dunklen Haare klebten auf der schweißnassen Stirn und seine Lippen formten unablässig geräuschlose Worte. Sachte strich Clara über seine glühende Stirn und ließ sich von Betty einen in kaltem Essigwasser getränkten Lappen geben, mit dem sie sein Gesicht betupfte.

Es erschien ihr, als seien Stunden vergangen, als sie draußen endlich die Droschke hörte und kurz darauf der Diener mit Mr Hammond die Treppe heraufkam. Mr Hammond war Apotheker, fungierte allerdings hier draußen auf dem Land auch als Arzt und führte kleinere Eingriffe durch. Er legte die Stirn in tiefe Falten, als er Philips Puls fühlte.

»Das Fieber ist zu hoch. Sein Herz rast. Wenn wir die Temperatur nicht herunterbringen, fürchte ich, dass es sich erschöpfen wird.« Mr Hammond holte aus seiner Tasche einige Fläschchen und Instrumente, die er auf dem kleinen quadratischen Nussbaumtischchen aufreihte.

»Betty, bring Wasser und Seife und eine Schüssel. Ich werde einen Aderlass vornehmen.«

Clara hielt die freie Hand ihres Bruders, während Mr Hammond Philips Arm reinigte und die Aderpresse anlegte. Als er die Vene öffnete und der Kranke aufstöhnte, musste Clara den Blick abwenden. Sie drückte seine Hand und biss sich auf die Lippe. Auch wenn er inzwischen beinahe zum Mann herangewachsen war, in ihrem Herzen würde er immer ihr kleiner Bruder bleiben, um den sie sich sorgte, den sie vor Unheil und seinem eigenen Übermut zu bewahren versuchte. Ein Leben ohne Philip, ihren Vertrauten, mit dem sie ihre Sorgen und Geheimnisse teilte, konnte und wollte sie sich nicht vorstellen.

Mr Hammond sammelte seine Utensilien zusammen und packte seine Tasche.

»Geben Sie ihm nach Möglichkeit ausreichend Flüssigkeit und wechseln Sie regelmäßig die Umschläge.« Er warf einen Blick über die Schulter und senkte die Stimme. »Ich fürchte, sonst können wir wenig tun, außer zu beten. Es steht nicht gut um den Jungen. Sie sollten auf das Schlimmste gefasst sein.«

Mrs Dallaway schlug die Hand vor den Mund und nickte. »Danke, Mr Hammond«, würgte sie hervor.

Clara fühlte ein Zittern durch ihren Körper laufen, und ihr war, als müssten ihre Beine jeden Moment unter ihr nachgeben. Mit diesem Urteil wollte sie sich nicht abfinden. Sie hielt sich beschäftigt, wechselte die Umschläge, sobald sie sich zu warm anfühlten, und verabreichte Philip das Tonikum aus Mädesüß und Weidenrinde, das Mr. Hammond verordnet hatte. Doch all ihr Mühen brachte keine Linderung. Ihr Bruder war unruhig und zitterte, Kopf und Nacken lagen steif und verkrampft auf dem Kissen und seine fieberglänzenden Augen erkannten sie nicht. Sein Blick war stumpf, als ob der Lebensfunke dahinter bereits zu flackern begonnen hatte und bald erlöschen würde. Clara wollte ihren aussichtslosen Kampf nicht aufgeben. Als die Mutter, die ihre Hände im Schoß zum Gebet gefaltet hatte, sie ermahnte, es ihr gleich zu tun, sandte sie mit trotzigem Zorn eine stumme Klage zum Himmel. Hatte sie sich nicht stets bemüht, Gott zu gefallen und auf seine Güte vertraut? Sollte dies der Gott der Liebe sein, wenn er doch nicht wusste, wie ihr eigenes Leben an dem des Bruders hing? Er durfte ihr doch nicht den wichtigsten Menschen in ihrem Leben entreißen! Selbst Philips Zwillingsschwester Evelyn stand dem Bruder nicht näher als Clara, die oft für beide jüngeren Geschwister gesorgt hatte und sich für sie verantwortlich fühlte.

»Ich hatte so gehofft, wir hätten beiden Kummer und Aufregung ersparen können, aber ich denke, du solltest Evelyn und deinen Vater wecken«, sagte Mrs Dallaway schließlich, als der Morgen graute. Die Hoffnungslosigkeit in ihrer Stimme und Philips immer flacher werdender Atem trieben Clara die Tränen in die Augen. In diesem Moment erkannte sie, dass Mr. Hammond recht behalten würde.

Seit Monaten schon bangten sie um den Vater, um sein schwaches Herz, das den Anstrengungen des Lebens nicht mehr gewachsen schien. Es war stets in Claras Bewusstsein gewesen, dass sie bei ihm jeden Tag mit dem Schlimmsten rechnen mussten. Dass es eines Tages einfach aufhören würde, zu schlagen. Sie hatte sich innerlich gewappnet. Doch Philip? Ihr Bruder war doch jung und kräftig, sein Herz stark und gesund. Nie hätte sie sich vorstellen können, dass er es sein würde, den das Schicksal zuerst aus dem Kreis seiner Lieben riss. Stumm nickte sie und lief hinaus.

 

Seit Philips Begräbnis waren bereits acht Wochen vergangen, und der Frühling hatte Einzug gehalten. Und obschon das herrliche Aprilwetter im Kontrast zu dem dumpfen Gefühl der Trauer stand, hatte Clara ihre Schwester zu einem Spaziergang von Oakham House zu den nahegelegenen Banstead Woods überredet. Es war noch recht früh, doch mit etwas Glück würden sie Bluebells in voller Blüte zu sehen bekommen. Schweigend schritten die Schwestern den von Büschen und Hecken gesäumten Sandweg zwischen den Feldern entlang, der aus dem Dörfchen Banstead in der englischen Grafschaft Surrey hinausführte. Clara hatte sich bei Evelyn untergehakt, dankbar für die tröstliche Gesellschaft. Um sie herum schien die Natur förmlich zu explodieren. Alles grünte und erblühte, und die Vögel in den Zweigen verkündeten fröhlich den Frühling. Clara blieb einen Augenblick stehen, um die Bänder ihrer Haube festzuziehen, und blickte kurz in das fast wolkenlose Blau über ihr. Tief sog sie die frühlingsfrische Luft in ihre Lungen.

»Erscheint es dir nicht auch beinahe anstößig, wie lebendig und hell es um uns ist? Und doch bin ich gern hier draußen mit dir. Hier muss ich mich nicht verstellen und eine gefasste Miene aufsetzen.«

Evelyn drückte ihren Arm.

»Dann geht es dir wie mir. Ist es nicht widersinnig, dass der Anstand verlangt, dass man seine Gefühle verbirgt? Es mag doch jeder sehen, wie es in meinem Herzen aussieht.«

»Daran kann ich nichts Verwerfliches finden«, stimmte Clara zu. »Ich vermisse Philip so schrecklich.«

»Wir alle.« Evelyn steckte eine widerspenstige dunkle Locke zurück unter ihre Haube.

Sie erreichten den Waldrand und tauchten in den Schatten der Bäume. Die Sonne schimmerte durch das sattgrüne Blätterdach und zauberte ein fast überweltliches Licht. Still und friedlich. Der Boden unter den Bäumen war ein Meer aus leuchtendem Blau, in dem die zwei Mädchen in ihren dunklen Kleidern und Hauben deplatziert wirkten wie zwei Krähen in einer Voliere voller bunter Ziervögel.

»Es ist wunderschön hier, findest du nicht?«, fragte Evelyn.

»Wie in einer Kathedrale«, stimmte Clara zu. »Ich finde es tröstlich. Wir sollten Mama ein Sträußchen pflücken. Vielleicht können die Blumen sie ein wenig aufheitern.«

Evelyn hatte sich gebückt und eine der blauen Blumen gepflückt. »Sie duften so herrlich. Sicher wird es Mama fröhlicher stimmen.«

 

Die Sträuße in den Händen, liefen die Mädchen einige Zeit später den Weg über den Hügel hinab, der an dem kleinen Fachwerkhäuschen des Verwalters vorbei in Richtung Oakham führte. Schon schimmerte das Rot der Ziegel durch die Bäume, und hinter der nächsten Biegung sahen sie das Anwesen vor sich. Sie erreichten den von hohen Hecken umgebenen Garten, traten durch das seitliche Tor und folgten dem Kiesweg zum Wohnhaus mit seinen hübschen Erkern und den weißen Fensterrahmen, die in der Sonne leuchteten.

 

Als Betty den Mädchen an der Tür die Garderobe abnahm, ließ sie die Schwestern wissen, Mrs Dallaway erwarte sie im privaten Salon.

Mit kerzengeradem Rücken saß die Mutter in ihrem Sessel und blickte den Mädchen entgegen. Kummervoll und still sah sie aus, um Jahre gealtert. In dem schwarzen Seidenkleid und der schwarzen Haube, nur ein schlichtes dunkles Emaillekreuz an einem Samtband um den Hals und das Taschentuch in ihrer Hand als einziger heller Tupfen, erschien sie Clara beinahe wie eine Nonne. Ihre ernste Erscheinung wirkte fehl am Platze zwischen den hellen, verspielten Möbeln, hübschen Spitzendeckchen, dem Zierrat und dem floralen Muster der Tapete und bestickten Kissen. Auch Mrs Dallaways Miene verhieß nichts Gutes.

»Euer Vater und ich sind beunruhigt, was euer beider Zukunft angeht«, begann sie ohne Umschweife. »Vielleicht wisst ihr, dass Oakham an ein Erblehen gebunden ist. Gibt es keine männlichen Nachkommen, geht der Besitz mit Vaters Tod an den nächsten männlichen Verwandten über.«

Evelyn runzelte die Stirn und sah zu Clara hinüber. Sie schien nicht zu verstehen, was die Mutter damit sagen wollte. Clara wusste, was das für die drei Damen des Hauses zu bedeuten hatte. Als ob Philip ihr nicht täglich in allem, was sie tat, fehlte. Aber nun wurde ihr bewusst, dass er auch der Sicherheitsanker für ihre Zukunft in Oakham gewesen war.

»Wenn Vater stirbt, werden Oakham House und alles, was dazugehört, Onkel Ambrose zufallen«, erklärte Clara.

Evelyns Augen weiteten sich. »Mutter, ist das wahr?«

Mrs Dallaway nickte.

»Onkel Ambrose? Aber, was hat er mit Oakham zu schaffen?«, rief Evelyn zornig.

»Onkel Ambrose ist nun einmal Vaters Bruder und sein nächster männlicher Verwandter. Das macht ihn nach Philips Tod zu seinem rechtmäßigen Erben.« Mrs Dallaway lehnte sich vor und ergriff die Hände ihrer Töchter.

»Über Oakham hinaus hat Vater so gut wie kein Vermögen. Ich selbst habe nicht viel mit in die Ehe gebracht, und mein Versorgungsteil ist gering. Sollte Vater etwas zustoßen, wären wir einzig auf das Wohlwollen eures Onkels angewiesen, und ihr wisst beide so gut wie ich, dass wir darauf nicht bauen sollten. Euer Vater hat ihm geschrieben, aber ich habe wenig Hoffnung, dass die Antwort meine Sorge zerstreuen wird.«

Clara musste ihrer Mutter zustimmen. Onkel Ambrose war beinahe der genaue Gegensatz zu ihrem gewissenhaften und besonnenen Vater. Er hatte eine reiche Frau geheiratet und gab das Vermögen, das sie in die Ehe gebracht hatte, gedankenlos aus. Ambrose war häufiger Gast in den Clubs der St. James´s Street in London und weder dem Kartenspiel noch dem Alkohol abgeneigt. Ob er im Erbfalle seine Schwägerin und die Misses Dallaway mit den nötigen Mitteln für einen angemessenen Unterhalt ausstatten würde, durfte als zweifelhaft gelten.

»Wir könnten wesentlich ruhiger in die Zukunft sehen, wenn wir euch gut versorgt wüssten«, fuhr Mrs Dallaway fort. »Solange Vater noch lebt, kann er über seinen Besitz verfügen und könnte euch wenigstens noch mit einer bescheidenen Mitgift ausstatten. Es ist also zwingend geboten, euch schnell zu verheiraten.«

»Wie sollte ich jetzt ans Heiraten denken?«, fuhr Clara auf. Sie hatte sich vorgenommen, ihrer Mutter zuliebe besonnen zu sein, doch jetzt gelang es ihr nicht, ihre Gefühle zu verbergen.

»Glaubst du, mir ist nicht schwer ums Herz, Clara?« Im Blick ihrer Mutter lag Verständnis. »Doch Empfindungen dürfen nicht Lenker unseres Geschickes sein. Kaum etwas lag Philip mehr am Herzen als seine Schwestern. Er hätte alles getan, um euch und auch mir, eine würdige Existenz zu sichern. So erschüttert wir über diesen Schicksalsschlag sind, wäre es dennoch leichtsinnig, sich nicht gegen weitere zu wappnen. Mr Dallaway und ich sehen uns in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass ihr auch in der Zukunft ein angemessenes Leben führen könnt. Es widerspräche der Vernunft, die Suche nach passenden Verbindungen aufzuschieben.«

Auch wenn ihr die Notwendigkeiten durchaus einleuchteten, zweifelte Clara, dass sie schon bereit sein könne, sie klaglos zu akzeptieren. Doch sollte sie ihrer jüngeren Schwester nicht ein Vorbild sein? Sie würde sich nie verzeihen, wenn Evelyn ihretwegen eine unkluge Entscheidung träfe, die sie in die Mittellosigkeit stürzen könnte.

»Ihr erinnert euch sicher an meine Cousine Lady Beresford?«, wollte Mrs Dallaway wissen.

»Dotty?« Evelyns Gesichtszüge erhellten sich. »Wie könnten wir sie vergessen haben.«

»Ihr solltet sie nicht mehr mit diesem kindlichen Namen belegen«, ermahnte die Mutter und setzte sich aufrechter. »Immerhin ist sie eine Marchioness, und wir sollten ihr mit dem gebührenden Respekt begegnen. Ich habe ihr euretwegen geschrieben, und sie hat versprochen, euch zu helfen. Denn wer wäre besser geeignet, euch mit Junggesellen guter Herkunft bekanntzumachen?«

Die Dallaway-Kinder hatten die Cousine ihrer Mutter stets besonders gerngehabt. Obwohl oder gerade weil ihre Manieren – wie die weitere Verwandtschaft gerne anmerkte – viel zu wünschen übrig ließen. Weiblicher Tugenden wie Bescheidenheit und Zurückhaltung hatte sich Dotty schon vor ihrer Heirat mit dem Marquess nicht rühmen können. Auch danach war Lady Beresford stets so frei und offen geblieben, wie sie es immer gewesen war, und gerade das machte sie Clara besonders angenehm.

»Wird Dotty … ich meine, wird Lady Beresford herkommen?«, wollte Clara wissen. Mrs Dallaway nickte.

»Wir werden bis Mai warten, um eine angemessene Trauerzeit zu wahren. Danach werden wir euch möglichst schnell in die Gesellschaft einführen. Eine kleine Feier muss uns genügen und ihr werdet mich dann bei meinen morgendlichen Besuchen begleiten. Es wäre in dieser Zeit unbotmäßig, einen Ball auszurichten, ebenso wie ein großes Debüt, für das uns auch die Zeit fehlt. Dotty hat angeboten, euch als Anstandsdame zu einer Reihe gesellschaftlicher Anlässe zu begleiten. Ihre guten Kontakte dürfen wir in unserer Lage nicht ungenutzt lassen.«

»Aber Mutter!«, rief Evelyn und entzog Mrs Dallaway ihre Hand. »Haben wir in all dem auch noch ein Wort mitzureden? Ich bin doch erst sechzehn und habe noch Zeit, einen Mann zu finden. Einen, den ich auch liebe und der mir gefällt. Noch gehört Oakham uns und nicht Onkel Ambrose.«

»Aber Kind, versteh doch. Vater ist schwer krank und wir … wir dürfen leider nicht darauf hoffen, dass ihm noch ein langes Leben beschieden ist. Mr. Hammond ist nicht besonders zuversichtlich, was seinen Zustand angeht.«

Evelyn sprang auf und begann, im Zimmer auf und ab zu laufen.

»Ich werde mich sicher nicht jedem reichen Junggesellen im Umkreis zu Füßen werfen. Das könnt ihr nicht von mir verlangen!«

Am liebsten hätte Clara es ihrer Schwester gleichgetan. Der Gedanke, zu lächeln, Unbeschwertheit zu heucheln, sich einem Mann angenehm zu machen, während Philip ihr in jedem noch so alltäglichen Handgriff fehlte und ihre Gedanken ständig um ihn kreisten, erschien ihr unmöglich. Doch sie war die Älteste und ihr fiel es zu, die Stimme der Räson zu sein.

»Aber Evelyn«, versuchte sie, ihre Schwester zu beruhigen, »ich verstehe, dass du es ablehnst, zu heiraten, nur um finanziell abgesichert zu sein. Ich hatte mir meine Zukunft auch anders vorgestellt. Auch ich würde lieber warten, bis ich den Einen finde. Doch ich fürchte, in unserer Situation können wir uns den Luxus nicht erlauben, wählerisch zu sein.«

»Wie kannst du so kaltblütig sein, Clara? Macht es dir gar nichts aus, wie eine Kuh mit dem Strick um den Hals zum Marktplatz geführt zu werden?«

Evelyns Vorwurf traf Clara. Sie hatte ja recht. Es war kaltblütig. Und doch das einzig Vernünftige.

»Schluss jetzt, Evelyn!«, fuhr Mrs Dallaway dazwischen. »Ich verbitte mir diesen Ton. Geh auf dein Zimmer.«

»Bitte, wie du meinst …«

Evelyn warf ihrer Mutter und Clara noch einen empörten Blick zu, wandte sich um und stürmte aus dem Zimmer.

»Evelyn! Es gehört sich nicht, dass du …«

Mrs Dallaway war aufgesprungen, um ihr nachzulaufen, doch Clara hielt die Mutter am Arm zurück.

»Sieh es ihr nach, Mama. Sie ist noch so jung. Ich werde mit ihr sprechen.«

 

Clara fand ihre Schwester auf dem Bett liegend. Sie hatte den Kopf auf die Unterarme gebettet und weinte in die Kissen. Schweigend setzte sich Clara zu ihr.

»Ich werde mich nicht entschuldigen!«, schluchzte Evelyn.

»Ich verstehe doch, warum du so aufgebracht bist. Mir geht es nicht anders. Es ist einfach nicht gerecht. Weder dass Philip so früh von uns gehen musste, noch dass Oakham gerade Ambrose zufallen wird.« Clara strich Evelyn sachte über das Haar. »Doch was hilft es? Unser Schicksal werden wir nicht ändern.«

»Das weiß ich doch«, schniefte Evelyn und setzte sich auf. »Ich kann nur nicht anders. Ich verstehe nicht, wie du so gelassen bleiben kannst.«

»Gelassen bin ich nicht, Evelyn. Doch ich möchte es Mutter nicht schwerer machen, als es ohnehin ist. Du weißt, dass sie nur unser Bestes im Sinn hat. Wir Frauen haben unsere Geschicke nicht selbst in der Hand. Daran werden wir nichts ändern. Was nützt uns der Wunsch, aus Liebe zu heiraten, wenn er uns am Ende in die Armut führt? Wir beide können uns kaum ausmalen, wie es ist, mittellos zu sein. Wir haben es immer gut gehabt.«

Evelyn wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Dennoch, bei dem Gedanken, mit irgendeinem abscheulichen alten Mann Tisch und … und Bett teilen zu müssen, nur um ein Auskommen zu haben, graust es mich, Clara. Ich habe schreckliche Angst!«

Clara nahm die Hand ihrer Schwester.

»Versuche bitte, die Welt in nicht gar so düsteren Farben zu malen. Niemand wird dich zwingen, einen Mann zu heiraten, der dir zuwider ist. Doch vielleicht einen, der annehmbar ist, mit dem du gut leben könntest.«

»Annehmbar!«, spottete Evelyn. »Du würdest nicht einmal eine Haube kaufen, wenn du sie nur annehmbar fändest.«

Clara seufzte. Wie gern hätte sie Evelyn recht gegeben. Doch sie konnte nicht riskieren, ihre kleine Schwester zu ermutigen, die Pläne ihrer Mutter abzulehnen. Das wäre unvernünftig.

»Denk nur an Papa und Mama. Großvater hat die Verbindung geknüpft, weil es vernünftig erschien. Und doch lieben sie sich von ganzem Herzen. Ist es so unmöglich, dass auch wir so jemanden finden?«

»Glaubst du das wirklich?« Evelyn sah sie mit geröteten Augen an.

»Wenn Dotty die Dinge in die Hand nimmt, dürfen wir uns Hoffnung machen, möchte ich meinen.« Clara lächelte. Schließlich hatte Dotty es selbst nicht schlecht getroffen. Aus einer wenig betuchten Familie des niederen ländlichen Adels stammend, hatte sie es immerhin zur Marchioness gebracht. Ihr Gatte war kein besonders schöner Mann, aber freundlich und lebenserfahren und überaus vernarrt in seine Dorothy. Er war ihrem temperamentvollen Wesen ebenso erlegen wie ihren äußeren Reizen, mit denen die Natur sie reichlich gesegnet hatte. Der Marquess konnte seiner Ehefrau keinen Wunsch abschlagen, was Lady Beresford mehr gesellschaftlichen Einfluss verlieh, als ihren Kritikern lieb war.

Evelyns Gesicht spiegelte aufkeimende Hoffnung. Auch ihr schien der Gedanke tröstlich, dass es die gutherzige Dorothy in der Hand hatte, für sie mögliche Kandidaten auszuwählen.

»Nun, ich denke, es kann vielleicht nicht schaden, wenn wir uns die Herren einmal ansehen. Wer weiß, am Ende finden wir doch noch die große Liebe. Oder es gelingt Vater, Onkel Ambrose das Versprechen abzuringen, dass er für uns sorgen wird, wenn ihm etwas zustößt und wir müssen uns keine Gedanken mehr darum machen.«

»Es wird gewiss alles gut werden, Evelyn. Du wirst sehen.« Clara klang überzeugter, als sie es im Innern war.

In dieser Nacht lag sie noch lange wach und dachte darüber nach, ob sie selbst ernsthaft bereit war, sich in die Notwendigkeit einer Ehe zu fügen.

2

Cousine Dotty

»Komm schnell, Mutter! Das musst du sehen! Dottys Kutsche ist gerade vorgefahren. Vierspännig!« Mit geröteten Wangen kam Evelyn in den Salon gestürzt und erntete einen missbilligenden Blick von Mrs Dallaway, der offenbar nicht allein ihrer undamenhaften Eile galt.

»Ich habe euch bereits gesagt, ihr sollt sie nicht mehr so nennen. Es ist weder deinem Alter noch ihrer Position angemessen. Wir sollten uns daran gewöhnen, dass Sie für uns nun Lady Beresford ist.«

Die mütterliche Ermahnung stellte sich sehr bald als unnötig heraus, denn als Annesley Lady Beresford ankündigte, rauschte diese auch bereits an der verdatterten Hausdame vorbei in den Salon.

Sie machte eine elegante Figur in ihrem Kleid aus champagnerfarbener Wildseide mit Spitzenbesatz am Ausschnitt, der ihre weiblichen Vorzüge gerade so weit enthüllte, dass es nicht obszön aussah. Auf ihrem kunstvoll aufgetürmten blonden Haar thronte ein enormer Hut mit zwei weißen Straußenfedern. Ihr besticktes hauchzartes Schultertuch glitt zu Boden, als sie die Arme ausbreitete und sich auf Mrs Dallaway stürzte. Es wurde rasch von Annesley aufgehoben.

»Maria! Liebe Cousine!«

Die Angesprochene hielt verdattert in ihrem Knicks inne, denn sie wurde bei den Schultern gefasst und auf beide Wangen geküsst. Ebenso erging es Evelyn und Clara.

»Wagt es nicht, mir mit diesem Lady Beresford-Unsinn zu kommen, Mädchen. Ich bestehe darauf, dass ihr mich mit Dotty anredet.«

Evelyn schoss ihrer Mutter einen triumphierenden Blick zu. Mrs Dallaway schüttelte kaum merklich den Kopf. Ihrem Gesicht war deutlich anzusehen, wie wenig ihr der formlose Umgang ihrer Cousine zusagte.

Diese betrachtete die Schwestern mit einem Lächeln.

»Gut seht ihr aus, Mädchen. Richtige Schönheiten seid ihr geworden. Diese wundervollen dunklen Locken. Die habt ihr von eurer Mama geerbt und die zarte Figur. Ich wünschte, ich wäre noch einmal so jung und zart. Wunderhübsch! Und doch jede mit ihrem ganz eigenen Charme. Sieht unsere Clara nicht aus wie ein Engel, mit ihrer Alabasterhaut und den leuchtend blauen Augen? Und du, Evelyn – mit deinen dunklen Augen und der gebräunten Haut, siehst aus wie eine feurige Spanierin. Da wird es uns nicht schwerfallen, einen passenden Ehemann für jede von euch zu finden, nicht wahr, Maria?«

Plötzlich wurde ihr Gesicht ernst und sie ergriff die Hände ihrer Cousine.

»Aber da plappere ich fröhlich daher wie ein Gänschen, und ihr trauert doch noch so sehr um euren lieben Philip. Bitte verzeiht. Es tut mir so sehr leid. Seit mich die Nachricht erreicht hat, wart ihr immer in meinen Gedanken.«

»Danke, Dotty.« Mrs Dallaway lächelte. Der tadelnde Ausdruck in ihrem Gesicht war gewichen. Dottys direkte und offene Art war zwar etwas, das ihr oft Missbilligung und Spott eintrug, doch Clara fand gerade diesen Zug an ihr liebenswert.

»Umso dankbarer war ich, deinen Brief zu erhalten, Maria. Wenn ich auf diese Weise ein wenig helfen kann, will ich mir die größte Mühe geben.«

»Das ist sehr lieb von dir, Dotty. Ich hoffe, du hattest eine angenehme Reise. Annesley wird uns Tee bringen, aber vielleicht möchtest du dich zunächst umziehen und von den Strapazen der Fahrt erholen. Ich habe dir das Zimmer richten lassen, das zum Garten rausgeht.«

»Ach, keine Umstände, Maria, ich bin robust, das weißt du doch.« Dotty lachte laut und die blonden Locken, die sich aus ihrer lose aufgetürmten Frisur gelöst hatten, tanzten dabei munter um ihr Gesicht. »Aber wenn du erlaubst, werde ich mich setzen.«

Dotty war humorvoll und kannte keine Zurückhaltung. Nicht selten bekam sie regelrechte Lachanfälle, wenn sie eine Bemerkung oder eine Situation komisch fand. Mr Dallaway hatte ihr Lachen einmal mit dem Husten eines Esels verglichen, was in Claras Augen einer maßlosen Übertreibung gleichkam.

Lady Beresford brauchte nicht lange, um Oakham mit der ihr eigenen Vitalität zu erfüllen, was Clara freute. Die Trauer hatte über dem Haus und seinen Bewohnern gelegen wie die Linnen, welche man in lange ungenutzten Räumen zum Schutz der Möbel ausbreitete. Nun hatte jemand die Läden aufgestoßen, ließ Licht und Luft hinein, zog mit energischer Fröhlichkeit die Tücher herunter. Dotty war ein angenehmer Gast, der die Dallaways großzügig mit Klatsch und Tratsch aus der besseren Gesellschaft versorgte, wobei sie allerdings nie boshaft oder missgünstig über ihre Mitmenschen urteilte, auch wenn sie dazu Grund gehabt hätte. Schließlich hatte ihr gesellschaftlicher Aufstieg Dotty nicht nur Glück gebracht. Er bescherte ihr auch den Neid derer, die sie auf der sozialen Leiter einige Sprossen unter sich gelassen hatte, sowie den Argwohn derjenigen, in deren distinguierte Kreise sie sich einzufügen bemühte.

So kurzweilig es auch mit Dotty im Haus wurde, war der Zweck ihres Besuchs den Schwestern doch stets im Bewusstsein und sie blickten ihrer Einführung in die Gesellschaft mit Unbehagen entgegen.

 

Die Gelegenheit für Lady Beresford, ihr Geschick als Eheanbahnerin unter Beweis zu stellen, kam schneller, als den Mädchen lieb war. Die Familie saß gerade beim Lunch, als Annesley die Post brachte, je einen Brief für Mr Dallaway und Lady Beresford.

Mr Dallaway brach das Siegel und überflog den Text des Schreibens mit zusammengezogenen Augenbrauen. Sein Ausdruck verfinsterte sich während des Lesens stetig mehr.

»Der Brief ist von Ambrose«, verkündete er schließlich. Clara und Evelyn warfen einander bange Blicke zu.

Lieber Francis!

In dieser Stunde des Verlusts seid ihr selbstverständlich in meinen Gedanken. Es steht außer Frage, dass ich für meine geliebte Schwägerin und meine Nichten großzügig sorgen werde. Um dir und deinen Lieben etwas Zuversicht zu schenken, habe ich meinen Notar gebeten, ein Schreiben aufzusetzen. Zwar wünschte ich wohl, dir möge noch ein langes Leben in Gesundheit beschieden sein. Doch sollte eintreten, was ihr fürchtet, so verpflichtet mich jenes Dokument, auf die Einnahmen aus dem zukünftigen Besitz an Oakham anfallende Zinsen deiner lieben Frau und meinen Nichten in Gänze zur Verfügung zu stellen. Ich denke, das sollte ausreichen, um ihnen ein Leben zu ermöglichen, das …

Mrs Dallaway ließ klirrend ihr Besteck fallen.

»Er demütigt uns und erwartet noch, dass wir ihm dankbar sind. Oakham wirft kaum genug ab, um einer von uns eine würdige Existenz zu sichern, geschweige denn uns allen dreien.«

»So eine Impertinenz! Es ist wirklich schwer zu ertragen, dass ihr auf diesen Menschen angewiesen seid.« Dotty schüttelte den Kopf. »Womöglich ist es euch ein Trost zu hören, dass ich gute Neuigkeiten habe. Dieser Brief ist von Lady Harding. Sie hat von meinem Aufenthalt hier in Surrey gehört und teilt mir mit, dass ihr Sohn, Sir Nicholas Harding, hier in der Nähe ein Anwesen — Woodcote Park — erworben hat. Und wie der Zufall es so will, gibt er aus diesem Anlass eine Gesellschaft, zu der er mich und die Misses Dallaway herzlich einlädt.«

Sie machte eine bedeutungsvolle Pause und blickte erwartungsfroh in die Runde.

»Und Sir Nicholas ist noch alleinstehend?«, wollte Mrs Dallaway gleich wissen.

»Du hast es erfasst, Maria. Er ist es wieder. Sir Nicholas ist ein ganz reizender Gentleman. Höflich, zurückhaltend und warmherzig, und die Familie ist äußerst vermögend. Bedauernswert, dass ihm das Schicksal seine Frau so früh entrissen hat. Eine liebevolle Ehefrau und Stiefmutter für seine entzückenden Kinder wäre ihm sehr zu wünschen. Was unsere Lage angeht, ist es allerdings eine glückliche Fügung, denn die Mutter des Baronets hat erst kürzlich in London mir gegenüber die Ansicht geäußert, nach nunmehr fünfzehn Monaten sei es für Nicholas an der Zeit, sich wieder zu vermählen. Und wie Lady Harding mir mitteilt, wird auch ihr jüngerer Sohn, Captain Laurence Harding, eine Weile auf dem Landgut Woodcote Park zu Gast sein. Sein Regiment ist ganz in der Nähe stationiert.«

Evelyns Gesicht war ihre Skepsis deutlich anzusehen. Ein Witwer mit Kindern war gewiss nicht das, was sich eine Sechzehnjährige erhoffte. Der Nachsatz über Captain Harding schien jedoch ihr Interesse geweckt zu haben, denn nun hörte sie doch aufmerksam zu. Clara hätte Dotty selbst gern mit Fragen gelöchert, doch in Gegenwart ihrer Mutter hielt sie sich zurück. Sie hätte sich für zu viel undamenhafte Neugier nur einen Rüffel eingefangen. Sir Nicholas und sein Bruder waren vermögend, angesehen, von gutem Charakter und alleinstehend. Für ihre Mutter war das alles Wichtige, was es über die Herren zu sagen gab. Belanglosigkeiten, wie die äußere Erscheinung, ob sie sich etwa für Kunst oder Literatur begeisterten, oder ob man mit ihnen eine angeregte und intelligente Konversation führen konnte, waren für ein erhofftes Arrangement nicht von vorrangigem Interesse. Doch Clara konnte sich schwerlich vorstellen, einen Mann zu heiraten, von dem sie kaum mehr wusste, als wie groß sein Landbesitz war und wie viele Bedienstete er sich leisten konnte. Ungeduldig warteten die Mädchen darauf, dass die Tafel endlich aufgehoben würde, und sie Dotty bei einem Spaziergang mit all ihren Fragen würden bestürmen können.

3

Abendgesellschaft auf Woodcote Park

»Nun sag schon, Dotty. Sind sie von angenehmer Erscheinung, Captain Harding und sein Bruder?«, drängte Evelyn, als sie das Gartentor hinter sich gelassen hatten und in den Feldweg einbogen. Sie waren nach dem Lunch ohne die Mutter auf einen Spaziergang aufgebrochen, und Evelyn schien nur auf diese Gelegenheit gewartet zu haben.

In ihrem eleganten bordeauxroten Promenadenkostüm mit dem bestickten Spenzer und dem mit Blumen verzierten Strohhut, hätte Dotty eher nach London, Bath oder Brighton gepasst als in diese pastorale Szenerie. Evelyn hatte sich bei Dotty untergehakt, um sie auszupressen wie eine reife Zitrone. Clara schmunzelte. Ihr war nicht die Reihenfolge entgangen, in der ihre Schwester die Herren genannt hatte. Sie hatte also richtig vermutet. Ein junger Milizionär verfehlte allem Anschein nach auch bei Evelyn seine Wirkung nicht.

»Kind, was interessiert bei einem Mannsbild die Erscheinung?« Dorothy Beresford lachte ihr berüchtigtes Eselslachen und kniff Evelyn liebevoll in die Wange. »Du wirst nicht viel Zeit damit verbringen, ihn anzusehen. Für eine gute Ehe sind andere Dinge von größerer Bedeutung.«

»Vermögen?«, mutmaßte Clara, die sich auf dem schmalen Sandweg einen Schritt hinter den beiden gehalten hatte. Der Mai hatte die Bäume, Sträucher und Felder um sie herum in sattes Grün gekleidet, und die Sonne strahlte bereits kräftig vom mit weißen Schönwetterwölkchen betupften Blau des Himmels.

Lady Beresford blieb stehen, betrachtete den Himmel und atmete tief durch.

»Ich muss zugeben, dass ich meinen Aufenthalt hier genieße, auch wenn es an Zerstreuung mangelt. Aber wenn im Mai alles sprießt und blüht, ist es auf dem Lande einfach wundervoll!« Sie ließ Clara Gelegenheit, aufzuschließen, und hakte sie ebenfalls unter.

»Um deine Bemerkung aufzugreifen, Clara. Nein, Vermögen allein ist auch kein Garant für eine glückliche Ehe. Obwohl es weder Sir Nicholas noch seinem Bruder daran mangelt. Sicher ist es wichtig, dass man ein Auskommen hat, doch darüber hinaus sind Vermögen und Einfluss unerheblich. Ein gutes Herz muss er haben und Verstand.« Dorothy lächelte. In Evelyns Gesicht war die Enttäuschung über diese ausweichende Antwort nur allzu deutlich abzulesen. Sie hätte offensichtlich gern mehr Details zur äußeren Erscheinung des Captains erfahren. Lady Beresford blieb erneut kurz stehen und senkte beinahe verschwörerisch die Stimme.

»Keine Sorge, meine Liebe. Auch ich war einmal jung und weiß um die Dringlichkeit deiner Frage. Ich werde euch alles verraten, was ich über Sir Nicholas Harding und seinen Bruder Laurence weiß. Sir Nicholas ist wirklich ganz reizend. So ein herzlicher, höflicher Mann. Und auch die Kinder sind ganz entzückend. Es ist wirklich ein Jammer, dass er so früh verwitwet ist. Es wäre ihm sehr zu gönnen, eine hübsche und liebenswerte Ehefrau zu finden.«

Evelyn hatte die Brauen zusammengezogen. Sie wartete auf interessante Details zu Captain Harding.

Dorothy lächelte. 

»Evelyn, du bist noch so jung. Dich kann man lesen wie ein offenes Buch. Du fürchtest, Sir Nicholas sei zu alt, nicht wahr? In der Tat ist er im Alter bereits etwas fortgeschritten, doch er zählt noch keine fünfunddreißig Jahre. Ehrlich gesagt, hatte ich bei ihm eher an deine Schwester gedacht.«

Clara kam sich vor, als habe jemand ein Glas über sie gestülpt. Das Gespräch drang seltsam gedämpft in ihr Bewusstsein und sie spürte einen leichten Schwindel. Ihre Situation kam ihr noch immer irreal vor. Der klare Teil ihres Verstandes sagte ihr, dass Dinge besprochen wurden, die möglicherweise ihr ganzes weiteres Leben betreffen würden, und doch konnte sie kein echtes Interesse an den Details aufbringen, die Dotty über die Hardings enthüllte, während sie die Mädchen über deren Vermögen, Besitz und Dienerschaft in Kenntnis setzte. Ihr war es einerlei, wie der Mann aussah, ob er Vermögen hatte oder Kinder. In ihrem wunden Herzen gab es noch immer keinen Platz für einen Fremden, und sie konnte sich nicht für einen möglichen Heiratskandidaten interessieren. Zumal sie auch erst neunzehn Jahre alt war und bisher in dem Glauben gelebt hatte, keine Eile zu haben, um einen Ehemann zu finden. Und doch wusste sie, dass ihre Umstände es nicht zuließen, auf ihre Empfindungen Rücksicht zu nehmen.

»Und Captain Harding? Er ist der Jüngere von beiden, nicht wahr?«, fuhr Evelyn in ihrem Verhör fort. 

»Leider kenne ich den Captain nur flüchtig«, entgegnete Dotty, »doch er ist eine durchaus elegante Erscheinung. Hochgewachsen, blond und, wie ich hörte, ein geschickter Reiter und Schütze. Er schien mir ein lebhaftes Temperament zu besitzen, denn er nahm rege an den Unterhaltungen teil. Leider habe ich mich selbst noch nicht näher mit ihm unterhalten können und kenne ihn nur vom Ansehen.«

Clara stellte fest, dass ihre Schwester nun zufriedener aussah. Womöglich war es ihrer Jugend und Unbeschwertheit zu verdanken, dass sie sich mit dem Gedanken, so bald wie möglich einen Ehemann finden zu müssen, bei allem Protest nun doch weit schneller abgefunden hatte als sie selbst. Dorothys Beschreibung von Captain Hardings Vorzügen hatte sie offensichtlich beruhigt, und sie schien der Gesellschaft nun optimistischer entgegenzublicken. Clara seufzte tief und zupfte ihren Ärmel zurecht.

»Ist es taktlos, wenn ich sage, dass ich mich darauf freue, die Trauerkleider wieder zu verbannen? Wenn es draußen allerorten in den schönsten Farben blüht, mag man langsam nicht mehr in Grau und Lavendel gehen, nicht wahr?«

»O nein, Evelyn. Wer möchte einem hübschen jungen Geschöpf wie dir übelnehmen, dass es sich gerne wieder etwas farbenfroher kleiden möchte?«, entgegnete Dotty.

»Es ist an der Zeit, die Trauergarderobe gegen etwas Freundlicheres und Ansehnlicheres zu tauschen.«

Wer wäre besser geeignet gewesen als die elegante Dotty, die Mädchen bei der Wahl ihrer Garderobe zu beraten? Und so war die Zeit bis zur Einladung auf Woodcote Park voll Betriebsamkeit. Journale wurden gesichtet, Täschchen geknüpft, Bänder, Spitze und Borten ausgesucht und Kleider dem Anlass entsprechend umgearbeitet. Die Eheanbahnung sollte doch nicht etwa an mangelnder Vorbereitung scheitern. Clara war es ganz recht, dass auf diese Weise nicht so viel Zeit zum Nachdenken blieb und sie etwas hatte, auf das sie sich konzentrieren konnte.«

 

»Das Anwesen sieht größer aus als Oakham«, stellte Evelyn fest, als sie in Lady Beresfords Vierspänner die von Kastanien gesäumte Allee entlangfuhren, an deren Ende das aus dem vorigen Jahrhundert stammende Wohngebäude aus hellem Naturstein zu erkennen war.

»Gut dreitausend Morgen Land, und das Hauptgebäude hat Sir Nicholas umfassend modernisieren lassen. Lady Harding konnte gar nicht aufhören, davon zu schwärmen.« Dotty stieß einen gespielten Seufzer aus und fuhr in einer näselnden Stimme und gezierten Gesten fort. »Die östliche Fassade hat abgeschrägte Erkerfenster und ein Portal im toskanischen Stil bekommen. Und Sie müssen die Stuckarbeiten sehen!«

Clara lachte. Sie hatte dem Tag der Einladung mit einigem Unbehagen entgegengesehen. Doch nun, da sie kurz davorstand, den Mann kennenzulernen, mit dem sie nach Möglichkeit den Rest ihres Lebens verbringen sollte, überkam sie eine seltsame Ruhe. Sie war grimmig entschlossen, ihr Schicksal anzunehmen und den Eltern keinen Kummer zu bereiten. Die Vernunft zeichnete einen klaren Weg für sie vor, und sie würde ihn klaglos beschreiten, auch wenn es nicht das war, was ihr Herz sich wünschte.

 

Kurze Zeit später wurden sie in den Salon geführt und ihrem Gastgeber vorgestellt. »Lady Beresford. Miss Dallaway, Miss Evelyn. Es ist mir eine außerordentliche Freude, Sie in Woodcote begrüßen zu dürfen.«

Das Lächeln, das nur kurz über Sir Nicholas‘ Lippen flog, wirkte beinahe schüchtern. Überhaupt verriet seine gesamte Haltung ein zurückhaltendes Wesen. Das treffendste Adjektiv, das Clara in den Sinn kam, um sein Äußeres zu beschreiben, war unaufdringlich. Sein altmodischer Cut und die zweireihige gestreifte Weste mit dem breiten Revers waren elegant, aber konservativ und entbehrten jeder Extravaganz. Er war mittelgroß, hatte hellbraunes Haar und braune Augen, die offen und freundlich dreinblickten, aber nicht besonders auffielen. Seine Gesichtszüge waren weich und angenehm, doch nicht dazu angetan, aus der Masse herauszustechen. An ihm gab es einfach überhaupt nichts Auffälliges. Sein Äußeres entsprach dem Gefühl der Neutralität, das sich mit ihrem Entschluss in Claras Herzen breitmachte. Aber neutral war doch gut, oder? Immerhin regte sich kein Widerwille, keine heftige Abneigung in ihr.

Obwohl das Gebäude mit seinem grauen Stein von außen wuchtig und behäbig gewirkt hatte, war das Interieur des Salons erstaunlich modern und hell. Mit seinen aufwändigen, zum Teil mit Goldfarbe verzierten Stuckarbeiten, dem eleganten Kristallleuchter und den hellen, gerafften Vorhängen wirkte es freundlich und einladend, und die letzten Strahlen der Abendsonne, die durch die großen Fenster einfielen, badeten den Raum in warmen Goldtönen. Die Abendgesellschaft war überschaubar und bestand in großen Teilen aus Nachbarn, mit denen die Dallaways bekannt waren. Lady Pinkney mit ihren Töchtern Beatrice und Cecilia, letztere in Begleitung ihres Gatten Lord Markham, Mr Rutley, der Pfarrer von Woodcote mit seiner Gattin, sowie Sir Henry Stickland. Clara stellte fest, dass Evelyn sich bei der Begrüßung der anderen Gäste recht eintönig und spröde gab. Sie gab sich wenig Mühe zu verbergen, dass sie auf eine ganz bestimmte Person wartete.

»Auf meinen Bruder, Captain Harding, müssen die Damen leider noch eine Weile verzichten«, erläuterte Sir Nicholas prompt. »Dienstliche Verpflichtungen bei seinem Regiment halten ihn auf. Er wird etwas später zu uns stoßen.«

Evelyn wurde sofort von Miss Beatrice in Beschlag genommen, die darauf brannte, ihrer Nachbarin haarklein die Details ihrer kürzlich erfolgten Verlobung darzulegen, während sich Clara zu Lord und Lady Markham gesellte. Cecilia Markham war kaum älter als Clara, und sie kannten einander aus Kindertagen. Ihre Hochzeit mit Lord Markham lag noch nicht lange zurück, doch das entsprechende Arrangement war schon früh stillschweigend zwischen den Familien vereinbart worden. Die Freundin kam Clara gereifter vor, distinguierter. Vielleicht lag es an dem gediegenen Abendkleid und der vornehmen, mit Federn verzierten Toque aus Satin und Tüll, die auf ihrem kunstvoll aufgesteckten kastanienbraunen Haar saß. Oder es war der direkte Kontrast mit ihrer quirligen Schwester, die mit ihren goldblonden Locken, den Sommersprossen und dem lebhaften Wesen noch wesentlich kindlicher wirkte. Aufmerksam beobachtete Clara den Umgang und die Gesichter der beiden frisch Vermählten. Lord Markham war gut zehn Jahre älter als Cecilia, doch unterhaltsam und witzig und eine recht mondäne Erscheinung mit seinem glänzend schwarzen Haar, den langen Koteletten und dem marineblauen Frack mit den Goldknöpfen. Den Damen gegenüber war er äußerst zuvorkommend, und er bedachte seine junge Ehefrau mit liebevollen Blicken und aufmerksamen Gesten. Als er lachte, bemerkte Clara, dass seine Vorderzähne ein wenig zu groß geraten waren. Doch wer war schon frei von jedem Makel? Cecilia jedenfalls wirkte nicht unglücklich, auch wenn sie ihren Ehemann nicht selbst gewählt hatte. Im Gegenteil. Sie erschien fröhlicher und ausgeglichener als früher. Clara ließ ihren Blick zu Sir Nicholas schweifen. Der lehnte am Kaminsims und unterhielt sich angeregt mit Sir Henry. Wie sie ihn näher betrachtete, fand sie, eine Frau hätte es sicherlich schlechter treffen können.

Die gefühlvoll romantischen Fantasien aus den Romanen, die sich in ihrem Mädchenherzen verwurzelt hatten, erschienen Clara mit einem Mal albern und kindisch. Endeten die großen Liebesgeschichten nicht letztlich nicht immer tragisch? Wenn man sich in der Welt umschaute, so war es doch weit häufiger, dass man zum gegenseitigen Nutzen heiratete als aus unsterblicher Liebe. Vermutlich war es illusorisch zu glauben, dass Liebe aus purer Leidenschaft entstehen musste. Viel realistischer war es doch, dass sie aus freundlicher Zuneigung und gutem Willen langsam erwachsen sollte.

Clara wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Sir Nicholas die Gäste zur Tafel bat, die mit kostbar aussehendem Porzellan und Silber eingedeckt war. Die Sonne war inzwischen untergegangen, und Kerzen in schlanken, langarmigen Haltern spiegelten sich in Kristall und Silber und verliehen dem Tisch einen festlichen Glanz. Sir Nicholas führte Lady Beresford an ihren Platz zu seiner Rechten am oberen Ende des Tisches und die übrigen Gäste folgten paarweise. Clara wurde von Sir Henry zu Tisch begleitet. Einzig Evelyn musste auf Geleit verzichten, da Captain Harding nach wie vor auf sich warten ließ.

Erst als sie bereits mit Suppe und Fisch begonnen hatten, waren energische Schritte vom Salon zu hören und kurz darauf erschien Captain Harding in der Tür zum Speisezimmer. Sir Nicholas erhob sich, um ihn mit den Gästen bekannt zu machen. Dotty hatte nicht übertrieben. Sir Nicholas‘ jüngerer Bruder war in der Tat eine imponierende Erscheinung. Groß und schlank, machte er in der roten Uniform der Miliz mit den weißen Reithosen und schwarzen Stiefeln eine ausgezeichnete Figur. Sein blondes Haar trug Laurence Harding nach Art der Soldaten im Nacken zusammengebunden. Doch ein paar vorwitzige Strähnen hatten sich gelöst und fielen ihm keck ins Gesicht, was ihm einen leicht verwegenen Ausdruck verlieh. Sein auffälligstes Merkmal jedoch waren die ungewöhnlich hellen, graublauen Augen, welche eine Strahlkraft besaßen, der sich auch Clara schwerlich entziehen konnte. Wenn man sie so nebeneinander sah, war es schwer zu glauben, dass Captain Harding und Sir Nicholas Brüder waren.

Leicht amüsiert stellte Clara fest, dass selbst Lady Pinkney den jungen Mann mit so etwas wie ehrfürchtigem Erstaunen ansah, um dann jedoch sogleich mit dem verlegenen Ausdruck eines Kindes, das man beim Naschen erwischt hatte, nach ihrer Serviette zu greifen. Hüstelnd betupfte sie ihre Lippen.

»Lassen Sie sich bitte nicht stören. Ich habe mich zu entschuldigen, doch ich konnte mich nicht eher von meinen dienstlichen Pflichten losreißen.«

Er umrundete den Tisch und erreichte den ihm zugedachten Platz. Evelyn erhob sich so rasch, dass sie beinahe ihr Weinglas umgestoßen hätte. Clara konnte es gerade noch festhalten. Röte schoss in die Wangen ihrer kleinen Schwester, als sie den Captain begrüßte und er sie bat, wieder Platz zu nehmen.

Mit übertriebener Konzentration widmete Evelyn sich wieder ihrer Suppe, doch es war ihr deutlich anzumerken, wie sehr ihr Tischnachbar sie aus der Ruhe brachte.

Als der erste Gang abgeräumt und das zweite Gedeck für den Hauptgang aufgelegt worden war, erhob Sir Nicholas sein Glas.

»Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch einmal meine Freude auszudrücken, Sie heute hier als meine neuen Nachbarn begrüßen zu dürfen. Besonders freue ich mich darüber, dass auch Lady Beresford gerade in der Gegend weilt und meiner Einladung nachkommen konnte. Erheben wir die Gläser und trinken auf die Gesundheit unserer werten Lady Beresford!«

»Auf Lady Beresford«, echote Sir Henry und die anderen Gäste folgten dem Beispiel.

Clara sah aus dem Augenwinkel, wie Captain Harding sich zu Evelyn herüberbeugte.

»Eine fürchterlich steife Angelegenheit, so eine Dinnerparty, finden Sie nicht, Miss Evelyn? Meinem Bruder mangelt es leider ein wenig an Esprit. Er macht sich nicht so viel aus Festivitäten, wissen Sie? Man könnte meinen, einem Begräbnis beizuwohnen.«

Evelyn lachte leise, sodass alle Gäste zu ihnen hinübersahen. Schell fing sie sich und griff peinlich berührt zu ihrem Glas.

Der sonst eher ruhig und gesammelt wirkende Sir Nicholas ließ sich hinreißen, seinem Bruder einen missbilligenden Blick zuzuwerfen. Darüber hinaus würdigte er den Kommentar aber keiner Replik, sondern wandte sich Lady Beresford zu, um ihr noch etwas Wein nachzuschenken.

Laurence Harding erhob sich nun ebenfalls.

»Mein Bruder tut natürlich recht daran, Höflichkeit und Anstand zu wahren, und auf die Gesundheit unseres Ehrengastes zu trinken. Doch ich möchte entgegenhalten, dass wir zu viel auf die Gesundheit und viel zu wenig auf die Schönheit unserer verehrten Damen trinken.« Er ließ den Blick durch die Runde schweifen. »Ein Frevel bei so viel versammelter Schönheit in diesem Raum. Da werden die anwesenden Herren mir hoffentlich recht geben. Nicht wahr, Lord Markham? Sir Henry?«

Die Angesprochenen schauten etwas irritiert, stimmten dem Captain dann aber zu und erhoben ebenfalls die Gläser.

»Trinken wir auf die Schönheit und das große Glück, sie genießen zu dürfen.«

Laurence Harding wandte sich zu seiner Tischnachbarin und nickte ihr zu, was Evelyn dazu brachte, ihren Wein so hastig zu trinken, dass sie sich verschluckte und husten musste.

Clara stieß sie unter dem Tisch sachte mit dem Fuß am Knöchel an und schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie hätte ihrer Schwester gern zu etwas mehr Zurückhaltung geraten. Es war nicht gut, wenn man einem Herrn allzu deutlich sein Interesse bekundete. Doch der verstohlene Tritt brachte ihr lediglich einen zornigen Seitenblick ein.

 

Als schließlich die Tafel aufgehoben wurde, gingen die Damen in den Salon voraus, während die Herren im Speisezimmer verblieben. Clara nahm Evelyn sanft am Ellenbogen. Deren Schritte wirkten ein wenig unsicher. Aus Verlegenheit hatte sie nämlich ihr Glas schneller als üblich geleert, und Captain Harding hatte keine Gelegenheit ausgelassen, ihr großzügig nachzuschenken.

»Du solltest dich wirklich etwas zurücknehmen«, wisperte sie. »Es muss schließlich nicht gleich ganz Surrey wissen, dass du ein Auge auf den Captain geworfen hast.«

Evelyn atmete hörbar aus.

»Captain Harding hat vollkommen recht. Wie schrecklich gezwungen diese Gesellschaften sind. Man sollte sich doch ein wenig amüsieren dürfen, oder etwa nicht?«

»Du hättest nicht so viel trinken sollen, sonst würdest du nicht so reden«, zischte Clara.

»Und du glaubst, wir fallen den Gentlemen eher ins Auge, wenn wir die langweiligen Landpomeranzen geben?« Evelyn verdrehte die Augen.

»Evelyn! Still!«, mahnte Clara. Doch die schüttelte nur den Kopf, dass ihre dunklen Locken munter um den Kopf hüpften.

Lady Beresford, Mrs Rutley und Cecilia zogen sich in die Ecke beim Kamin zurück, wo sie sich Handarbeiten und dem Austausch von Klatsch und Tratsch aus der Nachbarschaft hingaben.

Lady Pinkney ihrerseits hatte mit ihrer Tochter Beatrice am Tisch Platz genommen und begonnen, ein Päckchen Karten zu mischen, das sie nun halbmondförmig auf dem Tisch ausbreitete.

»Kommen Sie, Miss Dallaway, Miss Evelyn. Wagen wir ein Spielchen Whist, solange die Herren ihrer Leidenschaft für Port und Politik nachgehen.«

Nachdem die Plätze vergeben waren und das Spiel begonnen hatte, bemerkte Lady Pinkney: »Ich fürchte, ich habe heute nicht viel Glück mit meinem Vis-à-vis. Miss Evelyn scheint mir doch nicht recht bei der Sache.« Sie senkte die Stimme und beugte sich mit Verschwörermiene zu ihr herüber.

»Womöglich liegt es daran, dass Sie den Beginn der Abendunterhaltung nicht abwarten können, nicht wahr, mein Kind?« Lady Pinkney lachte und zwinkerte Evelyn zu, die heftig errötete.

»Wenn sie weiter so unkonzentriert sind, machen Sie mich noch arm, meine Liebe. Je nun, ich war auch einmal jung und will es Ihnen nachsehen, wenn Sie mich um meinen Einsatz bringen.«

Clara zog die Augenbrauen zusammen. Offenbar hatte sie mit ihren Befürchtungen nicht ganz unrecht. Evelyns offenkundiges Interesse an Laurence Harding war nicht unbemerkt geblieben. Natürlich hatte sie durchaus Verständnis dafür, dass ihre Schwester sich von dem schnittigen Offizier beeindrucken ließ, doch musste sie aufpassen, nicht allzu leichtfertig ihren guten Ruf zu riskieren. Vor allem, solange unklar war, ob ihre eindeutige Zuneigung auch Widerhall fand. Nichts war schließlich peinlicher, als sich einem indifferenten Mann an den Hals zu werfen.

 

Etwa eine Stunde später gesellten sich auch die Herren wieder zu der Runde, und es wurde Tee serviert.

»Oh, wunderbar!«, rief Lady Pinkney und räumte die Karten zusammen. »Sie sind meine Rettung. Ich habe heute kein glückliches Händchen beim Spiel und nun eine willkommene Ausrede, es für heute aufzugeben. Captain Harding, ich darf Sie beim Wort nehmen, wenn Sie sich soeben bei Tisch über den Mangel an Zerstreuung beklagten. Vielleicht möchten Sie für uns ein Gedicht rezitieren? Ich denke, dass Sie damit insbesondere den jungen Misses Dallaway eine Freude machen könnten.«

Sie blickte dabei mit wissender Miene zu Evelyn hinüber.

Captain Harding, der vor dem Kamin stand und die Handflächen gegen das Feuer streckte, wandte sich um.

»Sie verzeihen, Lady Pinkney. Ich mache mir nicht viel aus Dichtung. Da bevorzuge ich das Schauspiel. Wenn Miss Dallaway mir die Ehre gibt, könnten wir eine Szene mit verteilten Rollen vortragen.«

Clara zuckte zusammen und sah auf.

»Sie blicken so erschrocken drein, dass ich befürchten muss, Sie in irgendeiner Weise beleidigt zu haben, Miss Dallaway«, sein Blick schien in ihrem Gesicht nach einer Reaktion zu suchen.

»Aber nein, Captain Harding. Ich denke nur, dass es sicher begabtere Darsteller in dieser Runde gibt.« Sie senkte den Blick, um Laurence Hardings forschendem Augenpaar zu entgehen.

»Darüber sollten wir das Publikum entscheiden lassen, meine liebe Miss Dallaway. Machen wir daraus doch einen Wettstreit. Was sagen Sie? Wir beide gegen meinen Bruder und Miss Evelyn?«

Clara runzelte die Stirn und sah zu ihrer Schwester hinüber, deren Blick sich merklich verfinstert hatte.

»Ich weiß nicht … ich …«, begann Clara, doch Cecilia Markham schien Gefallen an der Idee gefunden zu haben.

»Oh, Miss Dallaway! Seien Sie keine Spielverderberin und bringen Sie uns nicht um das Vergnügen. Das wird ein großer Spaß. Lord Markham und ich werden die Szene auswählen und Mr und Mrs Rutley könnten als unvoreingenommene Schiedsrichter fungieren.«

»Dann ist es abgemacht?« Laurence Harding schaute Clara eindringlich an. Abzulehnen wäre unhöflich gewesen.

»Nun. Also gut«, gab Clara schließlich nach.

 

Nachdem Lord und Lady Markham eine Weile die Köpfe zusammengesteckt hatten, legten sie sich auf eine Szene aus Shakespeares »Ein Sommernachtstraum« fest. Schnell fanden sich in der Bibliothek zwei Ausgaben des Stückes, mit denen sich die Paare auf ihren Vortrag vorbereiten konnten.

»Kommen Sie, Miss Dallaway, wir wollen uns dort hinübersetzen und unsere Rollen studieren«, schlug Captain Harding vor. Er ließ sich auf dem Kanapee nieder und bedeutete Clara, sich neben ihn zu setzen. Dann schlug er das Buch auf und rückte recht nah an sie heran, so dass sie beide hineinschauen konnten.

»Sie lesen also die Titania und ich den Oberon«, verkündete er und deutete auf die Stelle im Text.

»Vermeßne, halt! Bin ich nicht dein Gemahl?«, rezitierte er.

Clara räusperte sich.

» So muß ich wohl dein … dein Weib sein«, las Clara stockend. Über den Rand des Buches sah sie zu Evelyn hinüber, die mit Sir Nicholas in der Nische beim Fenster Platz genommen hatte und dabei wenig begeistert dreinblickte. Clara kannte den Ausdruck in Evelyns Gesicht und wusste, dass sie zornig war. Doch sie war sich keiner Schuld bewusst, hatte sie doch Captain Harding keinen Anlass gegeben anzunehmen, sie habe ein besonderes Interesse an ihm. Sie stotterte sich durch den leicht anzüglichen Text, was Laurence Harding dazu veranlasste, noch etwas dichter an sie zu rücken und ihr das Buch näher unter die Nase zu halten.

Er beugte sich zu ihr herüber und senkte die Stimme. Clara konnte seinen Atem an ihrem Nacken fühlen.

»Es ist entzückend, wie Sie erröten, wenn Sie derlei frivole Dinge sagen, Miss Dallaway. Ich wette, hinter Ihrem scheuen Lächeln schlummert heimlich eine Titania. Es macht Sie umso geheimnisvoller, und das reizt mich.«

Clara strich ihren Rock glatt und räusperte sich. Sie wusste nicht, was sie entgegnen sollte, also wandte sie sich wieder dem Text zu, um dem Captain nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Noch durch den Stoff ihrer Musselinröcke spürte sie die Wärme, die von seinem Bein ausstrahlte, und der Geruch nach Brandy, Leder und einem Duftwasser mit einer herben Gewürznote war irritierend. Die invasive Nähe dieses Mannes verwirrte sie, war gleichermaßen anziehend wie bedrohlich, und sie lehnte den Oberkörper zur anderen Seite, so weit es die gemeinsame Lektüre zuließ.

 

Schließlich erlöste Cecilia Markham sie, indem sie Clara und den Captain aufforderte, den Wettstreit zu beginnen. Laurence Harding bot Clara die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen, und führte sie galant in die Raummitte, so als ob er sie zum Tanz geleitete. Sie spürte die neugierigen Augen der Anwesenden auf sich ruhen und bemerkte das aufmunternde Zwinkern in Dottys Auge. Gewiss, sie war schließlich mit dem Ansinnen hergekommen, einen passenden Ehemann zu angeln, und es schien, als habe bereits einer angebissen. Doch Clara fühlte sich dabei, als sei sie in ein Spinnennetz geraten, dessen Fäden an ihr klebten und sie immer weiter in eine missliche Lage verstrickten, aus der sie sich gern befreit hätte. Doch wenn sie keine Szene verursachen wollte, blieb ihr nur übrig, gute Miene zu machen und mitzuspielen. Sie räusperte sich und begann, leise und zaghaft, ihren Text zu lesen. Captain Harding legte — ob dem Alkohol geschuldet oder der Begeisterung für das Stück und seine Partnerin — weit mehr Verve an den Tag und unterstrich seinen feurigen Beitrag mit ausladenden Gesten. Die begeisterte Zuhörerschaft ermutigte ihn mit »Bravo!«-Rufen und heiterem Gelächter. Claras Wangen brannten und ihre Zunge klebte am Gaumen wie ein Stück altbackener Brotkanten. Endlich hatten sie das Ende der Szene erreicht, und Lady Markham erklärte damit Claras Martyrium offiziell für beendet. Sie verbeugten sich und traten unter dem Applaus der Anwesenden ab, um Sir Nicholas und Evelyn ihren Platz zu überlassen.

Evelyn stand der Zorn über die Wendung der Ereignisse noch immer deutlich ins Gesicht geschrieben, und in ihrer Wut gab sie eine weit überzeugendere und leidenschaftlichere Titania ab als ihre Schwester. Sir Nicholas hatte Mühe, mit ihrem schwungvollen Vortrag mitzuhalten. Er bot einen bedauernswerten Oberon, der dem hitzigen Gezänk der Elfenkönigin kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Auch dieser Vortrag wurde von den Zuschauern eifrig kommentiert und Sir Nicholas zu mehr Leidenschaft angestachelt, was dem Ärmsten rote Flecke am Hals und einen feinglänzenden Schweißfilm auf der Stirn einbrachte.

»Mein Bruder hat die Leidenschaftlichkeit eines Holzschuhmachers«, wisperte Laurence Harding in Claras Ohr. Sein Atem kitzelte, und sie musste den Impuls unterdrücken, den Captain beiseitezuschieben und sich am Ohr zu kratzen. Stattdessen warf sie ihm lediglich einen indignierten Seitenblick zu, den er jedoch mit einem nonchalanten Lächeln beantwortete.

Schließlich hatten auch Evelyn und Sir Nicholas ihren Vortrag beendet und die Rutleys wurden aufgefordert, ihr unvoreingenommenes Urteil zu fällen. Nach einiger Diskussion kamen sie zu dem Schluss, dass beide Paare eine brillante Vorstellung abgeliefert und das Publikum hervorragend unterhalten hätten, eine abschließende Parteinahme ihnen also gänzlich unmöglich sei.

»Ein Remis also?«, rief Lady Markham sichtlich enttäuscht. Doch die Forderung, mit einer zweiten Runde doch noch den Sieg eines der Paare herbeizuführen, lehnten sowohl Clara als auch Sir Nicholas mit höflichem Nachdruck ab.

Dotty, die inzwischen die angespannte Stimmung erfasst hatte, ergriff die Gelegenheit, die Aufmerksamkeit zu zerstreuen, und bat Clara, doch ein Lied zu Gehör zu bringen. Froh, der verstörenden Nähe des Captains zu entkommen, kam Clara der Bitte sogleich nach und nahm am Pianoforte Platz. Während sie die Noten aufschlug und ihre Finger auf die Tasten legte, bemerkte sie, wie Sir Nicholas sich zu Evelyn setzte und der Captain seinen Sessel näher an das Instrument rückte und sie aufmerksam beobachtete.

Als Clara ihren Vortrag beendet hatte und von den Noten aufsah, fühlte sie Laurence Hardings bohrenden Blick auf sich. Er erhob sich und spendete enthusiastischen Beifall. Clara bedankte sich rasch und zog sich in die Nische beim Fenster zurück. Es dauerte nicht lang und sie bemerkte, dass Captain Harding ebenfalls ans Fenster herangetreten war.

»Sie haben eine imposante Gesangsstimme, Miss Dallaway. So voller Leidenschaft und Gefühl. Zu schade, dass Sie dieses Feuer, das in Ihnen lodert, mit dieser sittsamen und temperamentlosen Fassade zu ersticken suchen.«

Obwohl er leise gesprochen hatte, fürchtete Clara, die anderen könnten seine Worte gehört haben. Sie wandte sich zum Fenster und senkte die Stimme.

»Captain, bei allem Respekt, ich glaube nicht, dass dies ein angemessenes Konversationsthema für diesen Abend ist.«

»Nicht für diesen Abend?« Seine Hand streifte kaum merklich ihren bloßen Arm. »Dann werde ich hoffen, dass wir zu einer anderen Gelegenheit diese Unterhaltung fortsetzen werden und Sie mir erlauben, hinter diese reputable Fassade zu blicken und die wilde Amazone zu entdecken, die dahinter haust.« Damit wandte er sich ab und gesellte sich wieder zu den anderen Gentlemen, die inzwischen am Kamin Platz genommen hatten. Clara fröstelte, und sie war sich nicht sicher, ob es der kühlen Zugluft vom Fenster her geschuldet war.

Als die Gesellschaft sich langsam auflöste, bemerkte Lady Markham, dass sie ihr Retikül mit ihrer Handarbeit eingebüßt hatte.

»Eben hatte ich es noch. Ich fürchte, ich muss es in der Bibliothek vergessen haben, als wir nach den Shakespeare-Ausgaben gesucht haben.«

»Ich gehe es rasch für Sie holen und bringe bei der Gelegenheit die Bücher zurück«, bot sich Clara an, froh der Gesellschaft für einen kurzen Augenblick entfliehen zu können, um ihre Gedanken zu ordnen. Hastig verließ sie den Salon und ließ sich von einem Dienstmädchen den Weg zur Bibliothek zeigen.

Tatsächlich fand sie Lady Markhams Täschchen auf dem Boden vor einem der deckenhohen Regale und hatte so auch schnell die Lücke zwischen den Büchern gefunden, in die sie die Shakespeare-Ausgaben zurückschob. Als sie die verlorene Tasche aufhob, hörte sie eine Stimme von der Tür her.

»Sie können gehen. Wir brauchen Sie nicht mehr.«

Claras Herz schlug bis zum Hals. Captain Harding. Und er hatte soeben das Mädchen weggeschickt. Nervös presste sie das Täschchen an die Brust und wollte sich an ihm vorbeidrängen.

»Vielen Dank, Captain. Ich habe bereits gefunden, wonach ich gesucht habe. Ich werde …«

Noch ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte Laurence Harding ihre Taille umfasst und zog sie an seinen Körper.

»Sie besitzen offenbar doch mehr Raffinesse, als ich Ihnen zugetraut habe, Miss Dallaway«, wisperte er mit rauer Stimme in ihr Ohr. Clara schauderte. »Ein geschicktes Manöver von Ihnen, das muss ich Ihnen lassen.«

Seine Lippen berührten ihren Hals und seine Arme zogen sie fester gegen seinen Körper. Clara war so überrascht, dass sie nicht einmal die Kraft fand, sich aus seiner Umklammerung zu lösen oder zu protestieren. Schon presste sich sein Mund fordernd auf ihren. Für einen Augenblick wie gelähmt, ließ Clara zu, dass sich seine Zunge zwischen ihre Lippen drängte und nach ihrer tastete. Fest hielten seine Hände ihre Hüften umfasst, während er sie gierig und atemlos küsste. Erst jetzt fand Clara die Kraft, ihn sanft aber bestimmt von sich zu schieben.

»Nein. Nein, ich … das ist ein Missverständnis. Ich kann nicht, ich möchte nicht … « Ihr Herz drängelte gegen ihre Rippen, und ihre Lungen sogen verzweifelt Luft ein. »Es tut mir leid, wenn ich Anlass gegeben habe, zu glauben… Ich wollte auf keinen Fall falsche Hoffnungen wecken.«

Laurence Harding schob Clara etwas weiter von sich und betrachtete sie mit zusammengezogenen Brauen. Eine steile Zornesfalte hatte sich über der Nasenwurzel gebildet und seine Augen, die ihr zuvor so strahlend vorgekommen waren, glänzten kalt.

»Sie möchten also Katz und Maus mit mir spielen, Miss Dallaway. Doch bei solchen Spielchen dürfen Sie nicht mit mir rechnen. Wenn Sie sich spröde geben wollen…« Er legte den Kopf schräg und betrachtete sie mit einem überlegenen Lächeln. »Mir schien ihre Schwester weit aufgeschlossener. Womöglich habe ich bei ihr mehr Glück. Was meinen Sie?«

Clara hatte sich aus ihrer Starre gelöst. Eine ungekannte Wut schoss durch ihre Adern und erhitzte ihre Wangen. Mit grimmiger Entschlossenheit trat sie einen Schritt auf Laurence Harding zu und sah ihn erhobenen Hauptes an.

»Ich meine, Sie sollten jetzt besser gehen, Sir.«

Laurence Harding zog die Augenbrauen hoch.

»Wie Sie meinen, Miss Dallaway.«

Dann machte er auf dem Absatz kehrt und verließ mit energischen Schritten die Bibliothek.