Leseprobe Dämonisches Verlangen

Kapitel 2

Skip ließ mich allein auf dem Dach zurück.

Ich wusste, ich verlangte viel von ihm. Er war ein durch und durch loyaler Soldat  nun ja, vielleicht nicht immer. Die Vergangenheit hatte gezeigt, dass für die große Liebe selbst mein bester Freund dazu im Stande war, die Gesetze seines Landes zu verraten. Aber wer konnte es ihm verübeln? Ich hatte für die Liebe einen Deal mit Dämonen abgeschlossen, der nun unsere Welt ins Chaos stürzen könnte.

Vierundzwanzig Stunden blieben mir in der Menschenwelt.

Vierundzwanzig Stunden, um mich vor Jack, meinen Gefühlen und der Angst, was mich auf der anderen Seite der Grenze erwartete, zu verstecken. Ich sagte ja schon, ich war eine Meisterin der Verdrängung und neigte ab und zu vielleicht ein bisschen zum Hedonismus. Kein Urteil, bitte! Unsere Welt würde in wenigen Tagen von Dämonen überrannt werden, ich fand, jetzt war der perfekte Zeitpunkt, um noch mal so richtig die Sau rauszulassen!

 

Als ich das Dach verließ und die gemeinsame Wohnung von Ann und mir betrat, erwartete mich eine top gestylte, funkelnde Sirene in ihren heißesten Partyklamotten mit zwei Drinks in den Händen.

„Woher ?“, stammelte ich fassungslos und versuchte, die Szenerie in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Es war wie ein Puzzle, das sich langsam zusammenfügte, aber es fehlten noch Teile.

„Vierundzwanzig Stunden also! Wo gehen wir als Erstes hin?“, fragte sie mit einer herausfordernd erhobenen Augenbraue und grinste mich verschmitzt an.

„I-ich bin verwirrt. Wie hast du 

„Skip ist die größte Klatschtante der Menschheit – und vermutlich auch jeder anderen existierenden Welt, also 

„Verdammt noch mal“, lachte ich und nahm meiner besten Freundin den Drink aus der Hand.

„Wir haben Gossip Girl neben uns wohnen und das fällt mir erst jetzt auf“, kicherte ich und Ann stieg mit ein.

„Ja, oder?! Dieser Gestaltwandler kann einfach nichts für sich behalten.“

„Lästert ihr über mich?“, fragte eben jener von der Tür aus und Ann und ich prusteten in unsere Gläser.

„Nein“, antwortete Ann wie die Unschuld vom Lande. „Schick siehst du aus, hast du noch etwas vor?“

„Wir haben vierundzwanzig Stunden, also “, Skip breitete die Arme aus und drehte sich einmal um die eigene Achse, um uns seine Erscheinung zu präsentieren.

„Du hast alle Register gezogen, wie ich sehe“, sagte ich beeindruckt und musterte meinen besten Freund.

Er trug sein Sexy-Hexer-Outfit bestehend aus enger schwarzer Hose, einem dunkelgrauen, schimmernden, knielangen Mantel, der mit Anns Oberteil um die Wette funkelte und darunter  nichts. Sein warmer Teint und die Muskeln seines Sixpacks zogen meinen Blick magisch an, dazu noch das verstrubbelte Haar, als wäre er gerade frisch aufgestanden und der feine leicht glitzernde Eyeliner, der seine wunderschönen goldenen Augen betonte, machten den Gestaltwandler zu einem echten Hingucker.

„Also?“, fragte ich und konnte das immer breiter werdende Grinsen, das mein Gesicht zierte, nicht aufhalten. „Worauf warten wir? Machen wir die Stadt unsicher!“

„Yeah Baby, genau das wollte ich von dir hören. Zieht euch warm an, denn heute zeige ich euch die dunkle Seite der Macht“, rief die Sirene drohend und zeigte mit dem Finger auf Skip, der mich schelmisch angrinste.

„Ha!“, rief der Gestaltwandler triumphierend. „Die Anspielung hab ich verstanden. Das ist aus Star Wars!“

„Ich glaub, mich tritt ein Pferd. Krieg der Sterne kennst du auch? Wann hattest du Zeit, all diese Filme anzusehen?“ Ich war neidisch, aber so richtig. Na gut, Star Wars kannte ich schon, aber trotzdem. Wir waren hier, um zu arbeiten und nicht zum Vergnügen  zumindest bis heute.

„Wieso, welche hat er denn noch gesehen?“, fragte Ann verwirrt und Skip gab mir hinter dem Rücken meiner besten Freundin flehende Zeichen, ihr nichts von unserem Gespräch auf dem Dach zu verraten. Doch ich grinste ihn nur frech an und wandte mich angriffslustig an Ann. „Skip hat Endgame geguckt!“

„VERFLUCHTE SCH-! Dein Ernst jetzt?“ Ann wirbelte zu Skip herum und starrte ihn mit offenem Mund an. „Verräter!“

Ich biss mir so fest auf die Lippe, dass ich ein wenig Blut schmeckte, so sehr musste ich mir das Lache verkneifen.

Meine besten Freunde so zu sehen, wie sie über vollkommen belanglose Dinge diskutierten und stritten, war wie Balsam für meine Seele und senkte den Stresspegel in meinem Blut deutlich.

Konnte nicht jeder Tag so sein? Dass man über Filme sprach, zusammen ausging, lachte, morgens seinen Kaffee auf dem Dach trank und der Sonne beim Aufgehen zusah? Ohne dass man eine Apokalypse im Nacken sitzen hatte? Okay, etwas dramatisch war das jetzt schon. Unsere Welt stand nicht kurz vor dem Untergang. Wir würden lediglich eine Horde Dämonen für einige Stunden in Schach halten müssen. Wir waren also deutlich besser dran als die Avengers. Hätten wir allerdings Thor in unseren Reihen gehabt, dann  Stopp Tess! Konzentrier dich!

Ich klinkte mich wieder in meine Realität ein und entfloh den wirren Gedanken meines Kopfes.

„Okay, wisst ihr was, ich bin dafür, wir bleiben hier und schauen uns Marvels Endgame an“, verordnete Ann und wollte sich gerade ihre High Heels von den Füßen streifen.

„Nichts da! Ich werde meinen letzten Tag in der Menschenwelt sicherlich nicht mit euch in dieser Bude verbringen und Science-Fiction-Filme gucken. Wir gehen aus! Lass die Heels an, ich ziehe mich um“, forderte ich bestimmt und war schon auf dem Weg in mein Zimmer, als Skip mich zurückhielt.

„Okay, ich habe diese Diskussion eben zwar nicht verstanden, aber ein Problem gibt es da schon, oder? Der Tag hat gerade erst begonnen, ich meine, manche Menschen frühstücken noch und die Sonne scheint, wo sollen wir denn um diese Uhrzeit feiern gehen? Irgendwelche Vorschläge?“, fragte er.

„Das hier ist die Stadt, die niemals schläft, Skip. Glaub mir, egal wie spät es ist, hier gibt es immer einen Ort, an dem man feiern kann. Und ich weiß auch schon, wo wir hingehen.“ Ich zwinkerte dem Gestaltwandler kurz zu, dann verschwand ich in meinem Schlafzimmer, um mein heißestes Outfit rauszusuchen.

 

Keine zwanzig Minuten später stand ich top gestylt vor meinem Spiegel und eine heiße Furie sah mir entgegen. Ich war komplett in Schwarz gekleidet und hatte ein bauchfreies Top mit einer Lederhose kombiniert. Dazu schwarze Stiefeletten, einen schwarzen, knielangen Ledermantel und ein samtenes Halsband. Meine Haare fielen mir in ihrer wilden Lockenpracht über den Rücken und meine Augen kamen mit dem perfekten Eyeliner-Schwung verrucht zur Geltung. Meine Lippen hatte ich in einem dunkelviolett geschminkt und von der Schläfe bis zu den Wangenknochen etwas silbernen Glitzer aufgetragen. Zu behaupten, ich hätte dick aufgetragen, war noch untertrieben, aber hey, ich wollte diesen Tag genießen, bevor ich mich der komplizierten, ungewissen Realität stellen würde. Also warum nicht mal etwas über die Stränge schlagen?!

Als ich das Wohnzimmer betrat, pfiff Anni anerkennend und Skip nickte mir andächtig zu.

„Also ihr heißen Empyrianer, seid ihr bereit, die Stadt unsicher zu machen?“, fragte ich verschwörerisch.

„Verdammt ja“, jubelte Ann und stürzte in Windeseile ihren Drink hinunter. Schulterzuckend tat ich es ihr gleich und wir machten uns lachend auf den Weg.

 

Erster Halt war eine kleine Bar in Brooklyn, die zu jeder Tageszeit geöffnet hatte und die abgefahrensten Drinks servierte. Für Skip, der noch nicht so häufig in den Genuss der leckeren Cocktails gekommen war, die in der Menschenwelt serviert wurden, waren die Schirmchen und aufgetürmten Obstspieße ein absolutes Highlight. Das sagte er mir auch immer wieder aufs Neue, während er einen Drink nach dem anderen bestellte, als hätten wir Happy Hour. Doch das war mir gleich. Ich hatte Spaß, meine Freunde waren glücklich und der Alkohol benebelte auf eine angenehme Weise meine Sinne, sodass mir die ganze Welt wie ein gemütliches Zuhause vorkam. Die Zeit schien langsamer zu vergehen und plötzlich waren die verbleibenden vierundzwanzig Stunden eine halbe Ewigkeit, die es mit Leben zu füllen galt.

Ich hatte keine Ahnung, wie viele Stunden wir in dieser Bar verbrachten, doch irgendwann zog es uns weiter in einen Klub, der auch um die Nachmittagszeit schon reichlich besucht war und uns auf volle Tanzflächen lockte. Die Menschen dort waren so weggetreten, dass sicherlich das eine oder andere Rauschmittel der Grund dafür war. Überall, wo wir hinsahen, bewegten sich zuckende Leiber, die an einem Donnerstag um 15 Uhr zu den wildesten Beats tanzten, als gäbe es kein Morgen. Es schien kein normaler Klub zu sein, geschweige denn legal, denn die Substanzen, die hier eingeworfen wurden, waren um einiges stärker als die lustigen Schirmchen-Cocktails in der letzten Location, aber wen interessierte das schon. Wir waren hier, um uns zu vergnügen.

Ann, Skip und ich stürzten auf die Tanzfläche und bewegten unsere Körper im Stroboskop Licht zu dem schellen Beat der Elektromusik, die der DJ auflegte.

„Dieser Klub ist so was von abgefahren“, rief Skip und zog mich überglücklich an seine Brust.

„Schön, dass er dir gefällt. Ich wusste, dass du die Menschenwelt noch lieben lernen würdest!“

Ich gab meinem besten Freund einen Kuss auf die Wange und wir begannen uns wieder im selben Takt der anderen zuckenden Leiber um uns herum zu bewegen.

„Hey Leute, seht mal was mir dieser langhaarige, süße Typ dort drüben gegeben hat“, schrie Ann euphorisch und taumelte trunken in unsere Mitte. Mit einem breiten Grinsen öffnete sie ihre kleine zarte Hand und präsentierte uns drei rosafarbene Pillen mit einem kleinen Einhorn darauf.

„Sie sind rosa“, kicherte sie verzückt und ich konnte ein amüsiertes Kräuseln meiner Lippen nicht unterdrücken.

„Das sehe ich! Und es sind Einhörner drauf“, ergänzte ich und Annis Lächeln wurde noch breiter. Sie wollte sich gerade eine von den Pillen in den Mund stecken, als ich ihren Arm mitten in der Bewegung packte, um sie aufzuhalten.

„Was tust du denn da?“, schrie ich sie entgeistert an. „Ann das sind Drogen!“

„Ja genau“, lachte sie, „und wir sind hier, um Spaß zu haben. Außerdem sind sie rosa und haben Einhörner drauf gedruckt, wie schlimm können die schon sein?“

Sie versuchte wieder, die Pille in den Mund zu nehmen, doch ich hielt sie erneut zurück.

„Ich denke wirklich, dass das eine ganz bescheuerte Idee ist“, gab ich meine Zweifel zögernd zu bedenken. Ich wollte nicht die Spielverderberin sein, aber irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl bei der Sache.

Ja, wir wollten feiern, die Sau rauslassen, noch einmal richtig eskalieren, bevor wir uns dem Ernst der Lage widmeten, aber uns komplett aus dem Leben schießen?!

„Was passiert, wenn wir die nehmen?“, fragte Skip neugierig.

„Das weiß ich nicht! Im schlimmsten Fall haben wir einen Trip wie Anni auf elfischem Zuckerbrot 

Skip zuckte zur Antwort mit den Schultern, griff nach einer der rosafarbenen Pillen und steckte sie sich ohne Umschweife in den Mund.

„FUCK, was ?“, entsetzt stierte ich meinen besten Freund an, während er die Quelle der Ekstase bereits mit einem Bier hinunterspülte.

Ann nutzte meine Ablenkung, um es Skip gleichzutun, und plötzlich lag nur noch eine vereinsamte Einhorn-Pille auf der verschwitzten Handfläche der Sirene.

„Verdammt noch mal, Anni!“ Mein Fluch ging in den Beats und den Bässen der Tracks unter, doch meine Freunde hatten mich ganz genau gehört.

„Komm schon, Tess, mach dich mal locker. Wann werden wir wieder die Gelegenheit haben, in der Menschenwelt feiern zu gehen? Vielleicht sind wir in wenigen Wochen bereits tot  meinst du nicht, wie haben uns ein wenig Entspannung und ausufernde Exzesse verdient? Es war doch deine Idee! Gib dir einen Ruck und spring über deinen Schatten!“

„Yeah“, fügte Ann überflüssigerweise hinzu, „und ganz abgesehen davon ist es ein rosafarbenes Einhorn!“ Die Sirene legte die Pille in meine Hand und nickte voller Begeisterung, als wäre das das ausschlaggebende Argument, um Drogen eines attraktiven Fremden zu schlucken.

Ich schaute auf das kleine Einhorn hinab und verdrehte genervt und ergeben die Augen. Scheiß drauf!

Mit einer fließenden Bewegung warf ich mir die Pille in den Rachen und meine Freunde schrien mit triumphierend gereckten Fäusten jauchzend auf.

„Tess, genau das hier haben wir gebraucht. Ehrlich, ich könnte singen vor Glück“, rief Ann und ließ Skip und mich vor Angst erstarren.

„Tu es nicht!“, stießen wir beide unisono hervor und ernteten ein belustigtes Kichern von der hübschen Sirene.

„Keine Angst, ich halte meine Lippen schön geschlossen, versprochen.“

Skip und ich warfen uns gegenseitig einen panischen Blick zu, doch dann setzte der nächste Song ein und wir fingen wieder an zu tanzen. Zumindest glaubte ich, dass es ein neues Lied war, bei der Elektromusik floss alles ineinander über und ein Beat jagte den nächsten. Ähnlich wie wir, die wir dem nächsten Kick nachjagten, um dem Ernst unseres Lebens für einen weiteren Moment entfliehen zu können.

Ich drehte mich in wilder Freude um mich selbst und verlor den Raum, die Menschen und meine Freunde komplett aus den Augen. Um mich herum waren nur noch Blitzlichter und verschwommene Schemen zu erkennen. Als wären die Welt und ihre Probleme so weit weg, dass ich sie nicht einmal erkennen konnte. Als mir schwindlig wurde, blieb ich stehen und hielt meinen Kopf fest, in dem Versuch, den Raum anzuhalten. Wow, diese Pillen hatten wirklich eine berauschende Wirkung.

Mein Blick klärte sich langsam und als ich meine Umgebung wieder wahrnehmen konnte, fiel mein Blick auf den gut aussehenden, latent bedrohlich wirkenden Typen, der lässig an der Theke lehnte und uns zu beobachten schien.

„Kay?“, fragte ich verwirrt und kniff die Augen zusammen, um die Person besser erkennen zu können.

„Was hast du gesagt?“, rief Skip zu mir herüber, doch ich schüttelte nur mit dem Kopf und machte eine wegwerfende Handbewegung.

Als ich wieder zur Bar herüberblickte, war der schöne Prinz der Nacht verschwunden.

„Ich werde mal für kleine Furien gehen“, schrie ich meinen Freunden zu, in der Hoffnung, dass sie meine Worte über die laute Musik hinweg überhaupt vernehmen konnten.

Ann reckte einen Daumen in die Luft und das nahm ich mal als ein Ja.

Benommen pflügte ich mich durch die Menge, immer noch das Bild dieses beeindruckenden, dunklen Mannes vor meinen Augen und hielt geradewegs auf die Toilette zu. Ich war gerade dort angekommen, als mir eine breite, muskulöse Männerbrust den Weg versperrte. Als ich an dem Mann emporsah, fiel mir vor Erstaunen die Kinnlade herunter. Es waren jene schwarzen, scheinbar seelenlosen Augen, in denen ich mich damals immer so leicht hatte verlieren können.

„Ich habe Euch vermisst, Tisiphone“, hauchte der Vampir und schon lagen seine Lippen auf den meinen.

Kapitel 3

Volle, sanfte Lippen trafen meinen Mund und ich sog scharf die Luft ein. Der betörende Duft meines toten Geliebten vernebelte all meine Sinne und mit Freuden verlor ich mich in seiner Leidenschaft. Es war leicht, so leicht, mich in Kays Armen zu vergessen und mich nicht länger mit diesem ruhelosen, ängstlichen Zustand auseinandersetzen zu müssen, in dem ich mich gerade befand.

Seine Hand fuhr in meinen Nacken und zog mich noch enger an sich. Als eine Tür irgendwo ins Schloss fiel und der Bass der schnellen Beats dumpfer zu hören war, wurde mir klar, dass Kay mich in irgendeinen Raum bugsiert hatte, damit wir ungestört waren.

Plötzlich schrillten in meinem Kopf sämtliche Alarmglocken und noch bevor der Vampir mich gegen die nächste Wand pressen konnte, ich vollends meinen Verstand verlor und alle Tugenden über Bord warf, machte ich mich panisch von ihm los.

„Kay“, murmelte ich betrunken und taumelte von ihm zurück. „Was machst du hier? Wow, ich glaube, ich habe gerade ein Déjà-vu.“ Etwas benebelt schüttelte ich den Kopf und versuchte, meinen Blick zu fokussieren.

„Tisiphone.“ Meinen Namen aus seinem Mund zu hören, war wie purer Sex, Leidenschaft, tosendes Feuer, Fingernägel die über nackte, verschwitzte Haut kratzten, heiseres Stöhnen und pulsierende, ekstatische Orgasmen. Seine Stimme liebkoste jeden einzelnen Buchstaben und ich nahm sofort wahr, wie meine Körpertemperatur anstieg. Beruhige dich, Furie, und hör bitte auf dir das Höschen nasszumachen!

„Also?“, forderte ich und räusperte mich, um die Belegtheit meiner Stimme loszuwerden.

„Ich habe Euch gesucht, Teuerste“, entgegnete Kay vage und warf mir dieses unverschämte Lächeln zu.

„Und dachtest wohl, wir könnten alte Zeiten aufleben lassen?“, fragte ich pikiert und wich einen Schritt zurück, wie um mich selbst in Sicherheit zu bringen.

„Nein, es sei denn natürlich, Ihr würdet diesbezüglich Interesse äußern.“ Wieder ein verschmitztes Grinsen.

„Kay“, hauchte ich und wurde ernst. Mit einem Mal schienen die Drogen und sämtlicher Alkohol mein Nervensystem verlassen zu haben und eine bleierne Schwere bemächtigte sich meines Gehirns.

Die schmunzelnden Grübchen des Vampirs verschwanden und die eben noch lächelnden, verbotenen Lippen pressten sich zu einem ernsten Strich zusammen. Kay war wieder ganz Agent und tief in meinem Inneren wusste ich, dass das, was er mir zu sagen hatte, mir nicht gefallen würde.

Um meine zitternden Hände zu verbergen, stemmte ich sie angriffslustig in die Hüften und nickte meinem Gegenüber auffordernd zu. „Nun spuck es schon aus, Kay! Du bist sicherlich nicht hierhergekommen, um am helllichten Tag in einem Klub zu feiern. Und mich zu küssen.“ Die letzten Worte murmelte ich, denn sie waren nicht wirklich für die Ohren des Vampirs bestimmt. Wenn auch ein kurzes Aufleben seines berauschenden Lächelns vom Gegenteil zeugte.

Doch dann wurde Kay wieder ernst, was meinen Verdacht bestätigte.

„Ich glaube es ist an der Zeit zurückzukehren, Tisiphone. Pers, er “ Kay zögerte und warf mir einen unergründlichen Blick zu.

„Was ist mit ihm?“, fragte ich panisch und machte gleich mehrere Schritte auf Kay zu, bis ich dicht vor ihm stand.

„Ich habe keinen Zugang mehr zu ihm.“

„Keinen Zugang?“, fragte ich verwirrt und wollte gerade nachhaken, was er meinte, als plötzlich zwei ziemlich betrunkene Empyrianer die Tür aufrissen und in das kleine Büro stürmten, in das Kay uns bugsiert hatte.

„Was ist hier los?“, rief Skip und sah von Kay zu mir und dann wieder zu dem Vampir.

„Oh wow“, machte Ann und hielt sich kichernd die Hände vor den Mund. „Ich glaube, ich habe ein Déjà-vu.“

„Hab ich auch gesagt“, rief ich ihr grinsend zu, räusperte mich dann aber, um wieder zum Thema zurückzukehren. Der Rausch war wohl doch noch nicht ganz verpufft.

„Also Kay, was hat das zu bedeuten?“

„Wie ich dir schon vor ein paar Monaten sagte, hat Jack Pers sich auf sein Recht berufen, als neuer Leiter der Black Company seinen eigenen Beraterstab auszuwählen. Allerdings gehöre ich nun seit wenigen Stunden nicht länger zum engsten Kreis der Vertrauten des Halbgottes. Ich konnte den Motiven seines Handels schon seit zwei Jahren nur noch bedingt folgen, doch in den letzten Monaten hat sich sein fragwürdiges Verhalten bedenklich zugespitzt. Ich bin mir sicher, sein verändertes Auftreten hat seinen Ursprung in der zunehmenden Präsenz der Hexe. Und nun scheint der Halbgott gänzlich verschwunden zu sein, als wäre sein Leib nur noch eine Hülle, in die ein fremdes Bewusstsein eingezogen ist. Unser Oberhaupt hat nicht länger die Kontrolle über sein Tun und Handeln. Der Tag der Abrechnung steht kurz bevor und auf unserer Seite der Grenze wartet man vergebens auf die Durchführung der Evakuierungsmaßnahmen. Ich hätte Euch schon früher kontaktiert, Tisiphone, aber ich konnte Pers nicht mit der Hexe allein lassen. Ich dachte bis heute, dass es noch eine Möglichkeit gäbe, ihn irgendwie zu erreichen, doch diese Hoffnung war trügerisch. Ich denke, Ihr seid die Einzige, die noch zu ihm durchdringen kann. Aus diesem Grund war ich auf der Suche nach Euch.“

„Hexe? Die einzige Frau in Jack Pers‘ Beraterstab ist eine Hexe?“, fragte ich und überging geflissentlich all die erschreckenden und bedenklichen Informationen, mit denen Kay mich soeben überschüttet hatte. Nein, alles, was mich interessierte, war diese verdammte Magierin. Bei dem Gedanken an sie spürte ich, wie sich etwas in mir regte. Nein, nicht etwas, jemand  Meine Furie meldete sich zu Wort – oder besser gesagt, schrie sie mich an.

War sie hübsch? Weckte sie amouröse Gefühle in dem Halbgott? Hoffentlich hatte sie eine Warze auf der Nase und einen hässlichen Buckel, denn wenn sie nicht dem menschlichen Klischee einer Hexe entsprach, musste ich sie wohl oder übel zerfetzen! Wenn sie allerdings Magie beherrschte, könnte sie womöglich einen Verschleierungszauber anwenden und jede beliebige Gestalt annehmen. Sie könnte sogar aussehen wie ich  was, wenn sie ihn in meiner Gestalt verführte? Ihn zu ihrem Sexsklaven machte? Ihn dazu brachte, dass er sich in sie verliebte? Verdammte Hexenbrut!

„Man nennt sie Miss Luise, ihr vollständiger Namen wurde nie kommuniziert. Sie ist schon seit einiger Zeit in Pers‘ Beraterstab, aber erst seit Kurzem vertraut er sich nur noch ihr an. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen

„Was, dass Jack verhext wurde?“, lachte Ann auf und schien diese Vorstellung sehr amüsant zu finden. „Gutes Wortspiel, oder?“, fragte sie an Skip gewandt, der ihr nur ein unbeholfenes Schultertätscheln schenkte.

„Hat sie recht?“, fragte ich alarmiert und als Kay Skip einen unergründlichen Blick zuwarf und dann wieder mich ansah, wusste ich, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.

„Ich glaub‘, mich küsst ‘ne Elfe!“ Empört warf ich die Arme in die Luft und begann, in dem kleinen Büro auf und ab zu tigern.

„Also, lass mich das Ganze noch einmal zusammenfassen. Du bist hier, um mich auf der Stelle wieder nach Empyrion zu schaffen?“, fragte ich Kay und erhielt direkt eine Antwort, allerdings nicht von dem Vampir.

„Check“, rülpste meine beste Freundin, schien dann aber meine Worte erst richtig verstanden zu haben, denn ihre Augen weiteten sich im nächsten Augenblick erschrocken. „Oh nein, stopp. Unsere vierundzwanzig Stunden sind noch nicht um!“

„Vierundzwanzig Stunden?“, fragte Kay verwirrt.

„Nicht relevant! Wo war ich? Ach ja, also, ich soll mit nach Empyrion kommen, weil du keinen Zugang mehr zu Jack hast?“

„So was von Check“, antwortete Ann grimmig und nickte mir schwesterlich zu.

„Weil der Halbgott eine fremde Hexe als seine Stabschefin auserkoren hat?“, fuhr ich fort, ohne auf Anns Einwürfe zu achten. „Und anstatt mich früher in deine Bedenken bezüglich dieser Magierin und der Möglichkeit, dass sie sich bis zur Stabschefin hocharbeiten und dich ersetzen könnte, einzubeziehen, wartest du lieber ab und kommst erst zu mir, wenige Wochen bevor unsere Grenzen fallen und die Dämonen unsere Welt infiltrieren werden? Kommt dir das nicht auch etwas  unbedacht vor? Ich meine, was hast du all die Jahre gemacht? Warum hast du bei unseren regelmäßigen Kontaktaufnahmen, in denen ich dich über den Status unseres Projektes unterrichtet habe, nie erwähnt, welchen Einfluss diese Hexe auf Jack hat?“

Mir war nicht klar, dass die Furie Stück für Stück mehr Besitz von mir ergriff, bis Ann irgendwann wild mit den Armen fuchtelte und auf ihr Gesicht deutete, womit sie mich wohl darauf stoßen wollte, dass ich nicht länger aussah, wie  nun ja  ich.

„Warum zum Teufel kommst du erst jetzt zu mir?“, schrie ich verzweifelt.

Kay drehte sich zu Ann und Skip um und bat die beiden, uns kurz allein zu lassen.

Unter lautem Protest begleitete der Gestaltwandler die Sirene hinaus und ich war mit dem Vampir allein.

Oh, wie gerne hätte ich jetzt meine Furie auf ihn losgelassen.

„Tisiphone“, hauchte dieser nun erschöpft. Ich konnte die Sorge über meinen Ausbruch in Kays Augen erkennen, doch das war mir egal.

„Nenn mich nicht so“, knurrte ich. „Du hast das Recht verwirkt, mich so zu nennen! Wo warst du, als diese Hexe dich als Stabschef ersetzt hat? Wo bist du gewesen, als sie meinen Platz an Jacks Seite eingenommen hat, Kay?“ Die letzten Worte drängten sich mit einem gequälten Schluchzen aus mir heraus und der Schmerz, der sich in meiner Brust ausbreitete, verriet mir, dass es das war, worüber ich mich eigentlich so aufregte.

Ich hatte Jack verlassen, weil ich noch nicht bereit gewesen war, mich nach all den seelischen und physischen Verletzungen, die er mir zugefügt hatte, gänzlich auf ihn einzulassen. Zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Abstand, ich hatte damals von allem etwas Abstand gebraucht. Ich hatte mir eingeredet, dass meine Rückkehr in die Menschenwelt keine Flucht, sondern eine weitere Mission war, die es zu erledigen galt, aber im Grunde war es genau das gewesen – ein Entkommen. Ich hätte an seiner Seite bleiben sollen und die Black Company auf den Krieg vorbereiten müssen. Stattdessen hatte ich mir ausgerechnet die Aufgabe auferlegt, die mich am weitesten von dem Halbgott entfernen würde und die eigentlich jeder hätte erledigen können. Verstecke und Refugien in der Menschenwelt zu finden und aufzubauen hatte zwar eine gewisse Zeit in Anspruch genommen, aber durch ein ausgewähltes Team an fähigen Empyrianern war es auch kein unmögliches Unterfangen gewesen. Das also hatte ich Jack vorgezogen  was war ich doch für ein Feigling.

„Ich hätte an seiner Seite sein müssen“, hauchte ich verzweifelt und sah Kay unter Tränen an. „Er wollte mich, wir hätten es schaffen können, nach all der Zeit und ich 

„Ihr habt das getan, was Euch am besten erschien. Das ist kein Grund, sich zu geißeln, Tisiphone. Ich denke nicht, dass Jack Miss Luise so sieht, wie er Euch gesehen hat. Ihr seid in seinem Herzen, Miss Luise ist seine rechte Hand.“

„Und was ist mit dir?“, fragte ich zornig und spürte die Wut wie ätzendes Gift durch meine Adern jagen und Besitz von meinem Herzen ergreifen.

„Was meint Ihr?“, fragte Kay vorsichtig.

„Du warst seine rechte Hand, Kay. Und jetzt hat eine andere den Platz eingenommen, der für dich bestimmt war. Wie konntest du es nur so weit kommen lassen?“

Kapitel 4

Der Abend war gelaufen. Wir fuhren direkt nach Hause und versammelten uns in Anns und meinem Wohnzimmer. Kay begleitete uns.

Meine Wut, die ich blind gegen ihn richtete, ertrug er still und erhobenen Hauptes. Obwohl wir beide wussten, dass sie unbegründet war, zumindest was sein Verhalten betraf. Dennoch half sie mir, mich zu fokussieren.

„Also wie geht es nun weiter?“, fragte Skip und nahm mein Gesicht genauestens unter die Lupe.

Ich atmete tief ein, schaute dann zur Decke unseres Apartments und danach hinaus aus dem Fenster zum Central Park. „Wir werden zurückgehen.“

„Aber unsere vierundzwanzig Stunden sind noch nicht um, wir wollten doch so richtig eskalieren“, maulte Anni und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust.

„Wie Ihr wisst, meine Teuerste, ist es durchaus möglich, auch in Black York entsprechende Etablissements aufzusuchen, um, wie Ihr es nennt, zu eskalieren“, schnurrte Kay mit einem charmanten Unterton, der Anns Stimmung sofort aufhellte. Mir hingegen trieb er den Würgereflex in die Kehle. Flirtete Kay etwa schon wieder mit meiner besten Freundin? Hatte er vergessen, was beim letzten Mal passiert war, als er das getan hatte?

Ich schnippte entnervt mit den Fingern, um so wieder die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf mich zu lenken. „Hallooo“, schnipp, schnipp, „hört ihr mir noch zu? Ich sagte, wir werden zurückkehren, und zwar jetzt. Wir sollten keine Zeit verlieren. Wir haben das Unvermeidliche nur hinausgezögert. Also seht zu, dass ihr alles Wichtige zusammenpackt und euch abmarschbereit macht. Bedenkt allerdings, dass wir schon nach wenigen Wochen wiederkommen werden. Alles, was ihr in Black York bei einer schnellen Abreise verlieren oder vergessen könntet, wird auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Die Dämonen werden am Tag der Abrechnung versuchen, unsere Welt auszulöschen, ihr solltet also nur das Nötigste einpacken.“

Und mit diesen Worten ließ ich meine Freunde im Wohnzimmer stehen und verschwand in mein Schlafzimmer, um genau das zu tun, worum ich die anderen gerade gebeten hatte.

Es dauerte nicht lang, da klopfte es leise an meiner offenstehenden Tür.

„Tisiphone“, ertönte es zurückhaltend, doch ich ignorierte den Vampir geflissentlich und lief weiterhin in meinem Zimmer herum und überlegte, welche Dinge ich einpacken und welche lieber hierbleiben sollten.

„Was ist mit Euch?“, fragte er weiter und schien offenbar nicht zu erkennen, wie sehr seine Worte an meinem Geduldsfaden zerrten. Vielleicht wollte er aber auch die Furie in mir reizen. Vielleicht hatte er Spaß daran, mich zum äußersten zu treiben und mir den letzten Schubs zu geben, damit ich endgültig die Klippen hinabstürzte.

„Tess“, sagte Kay und dieses Mal schwang ein drohender Unterton mit.

„Was ist?“, fauchte ich und drehte mich – komplett verwandelt – zu meinem untoten Liebhaber um.

„Sprecht mit mir“, forderte er, ohne sich von meiner Erscheinung einschüchtern zu lassen. Schnell schloss er die Schlafzimmertür hinter sich, damit Ann und Skip nichts von unserem Gespräch und der drohenden Bombe, die hier gleich hochgehen würde, mitbekommen würden und wandte sich mir dann wieder zu.

„Es gibt nichts zu sagen“, knurrte ich und warf wahllos Klamotten in meine Reisetasche.

„Tisiphone“, sagte er bedauernd, doch ein warnender Blick meinerseits ließ Kay innehalten.

Als meine Tasche fertiggepackt war, rauschte ich an ihm vorbei ins Wohnzimmer und rief meine Freunde zu mir.

„Abmarsch!“ Ich deutete mit meinem Finger eine kreisende Bewegung an und sah mich noch einmal um. „Verabschiedet euch. Wir verlassen die Party!“ Und damit trat ich durch die Tür und ließ die Menschenwelt wieder einmal hinter mir zurück.

 

Nachdem wir das Portal passiert hatten, fuhren wir direkt zur Black Company. Wie auch bei Kays Auftauchen in der Menschenwelt wurde ich bei meiner Rückkehr nach Black York von Déjà-vus heimgesucht. Mit dem Unterschied, dass ich dieses Mal nicht Gefahr lief, eingesperrt oder gefoltert zu werden. Hoffentlich!

Als ich die heiligen Hallen der Black Company betrat und auf den Fahrstuhl zuhielt, stellte ich beeindruckt fest, dass das Gebäude ohne irgendwelche Makel wieder instand gesetzt worden war. Man sah nichts mehr von der Verwüstung, die die Dämonen damals hinterlassen hatten. Allerdings dürfte die Nächste auch nicht mehr lange auf sich warten lassen, warum also hatte man sich überhaupt die Mühe gemacht, alles wieder herzurichten?!

Na ja, irgendwie musste die Regierung die zehn Jahre ja genutzt haben – wenn schon nicht für die Vorbereitung auf den Tag der Abrechnung, dann doch zumindest für den Wiederaufbau.

Verdammte Werwolfkacke!

Als ich den Fahrstuhl betrat, folgte Kay mir dicht auf den Fersen. Ann und Skip hatten wir bei meiner Wohnung abgesetzt, sie sollten erst einmal ankommen, bevor der Wahnsinn für sie losging. Ich allerdings konnte nicht still sitzen und meinen Besuch bei Jack noch länger hinauszögern. Ich musste wissen, was mit ihm los war und herausfinden, warum der Halbgott diese Laissez-faire Haltung an den Tag legte.

Ich hatte auf dem Weg zur Company nicht einen Trupp Agenten erspähen können, die den Eindruck erweckten, Evakuierungsmaßnahmen einzuleiten. Da waren keine Empyrianer, die samt gepackter Koffer mit ihren Familien an den Grenzen darauf warteten, in die Menschenwelt umgesiedelt zu werden. Es sah für mich auch nicht danach aus, als wäre die Barriere zur Unterwelt sonderlich gut bewacht.

Hatte Jack wirklich überhaupt keine Vorkehrungen getroffen, die uns für den Tag der Abrechnung wappnen würden?

Wozu hatte er denn ein Team an erstklassigen Beratern und einen Stabschef, wenn nicht um die bestmöglichen Vorbereitungen zu treffen?

Apropos  Kay.

„Was machst du eigentlich hier?“, fragte ich den Vampir genervt und beobachtete, wie die Anzeige des Fahrstuhls ein Stockwerk nach dem nächsten aufleuchten ließ.

„Ich begleite Euch zu Pers. Ich bin Euer Rückhalt.“

„Ich brauche keinen Rückhalt, es ist immer noch Jack, von dem wir hier sprechen“, entgegnete ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Tisiphone, glaubt mir, Ihr werdet meine Unterstützung benötigen“, bekräftigte Kay und strich mir leicht mit seinem Handrücken über den Oberarm.

Ich zuckte genervt zurück und funkelte den Fürsten der Finsternis aufgebracht an. „Ich brauche keine Unterstützung von dir. Jack hätte sie gebraucht, aber anstatt ihm dabei zu helfen, Empyrion auf den Tag der Abrechnung vorzubereiten, kommst du mir in die Menschenwelt nachgelaufen, lässt zu, dass er sich eine neue Stabschefin zulegt und flirtest lieber mit meiner besten Freundin, anstatt dir dein Amt zurück zu erkämpfen!“ Ich war so wütend und außer mir, dass ich heftig und laut zu schnauben begann und spürte, wie die Furie sich erneut in mir regte. So oft wie in den vergangenen Stunden hatte ich, die letzten zehn Jahre zusammengenommen, nicht mehr die Kontrolle über mich verloren. Was war nur los mit mir?!

„Tisiphone, ich war acht Jahre einer der engsten Berater des Halbgottes. Ich war seine rechte Hand beim Wiederaufbau unserer Stadt, bei der Errichtung der neuen Mauer und habe ihm bei der Erstellung eines Evakuierungsplans mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Ich war da  bis diese Hexe in Erscheinung getreten ist. Seitdem wurde ich von Tag zu Tag weiter degradiert, bis mein Rat und meine Anwesenheit irgendwann gar nicht mehr erwünscht waren. Ich kann nicht sagen, wo genau sich die ausgearbeiteten Pläne für die Vorkehrungen auf den Tag der Abrechnung befinden, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie nach meiner Entlassung in einer Schublade verschwunden sind, die zu öffnen der Halbgott nie mehr vorgesehen hat. Ich muss Euch also widersprechen, Tisiphone, denn Ihr erweckt den Anschein, als hätte ich zehn Jahre lang tatenlos dabei zugesehen, wie sich Jack Pers, unser Staatsoberhaupt, mehr und mehr verliert. Doch so war es nicht. Ich habe meine Pflicht erfüllt, bis ich meines Amtes enthoben wurde, und nun stehe ich hier bei Euch und tue alles in meiner Machtstehende, um unsere Welt, unser Volk, vor dem Untergang zu bewahren. Ihr habt kein Recht, meine Ehre und die Beweggründe meines Handelns infrage zu stellen.“ Die Brust des Vampirs hob und senkte sich schnell und unregelmäßig, woran ich erkannte, wie aufgebracht er war. Der verletzte Blick, den er mir zuwarf, sprach Bände.

Und er hatte recht!

Wie hatte ich Kays Handlungen nur so anzweifeln können?

Ich selbst war in all den Jahren nie auf dieser Seite der Grenze gewesen, wie konnte ich es mir erlauben, ein Urteil zu fällen?

„Es  ich  Es tut mir leid“, hauchte ich beschämt und versuchte, den schwarzen Augen des Vampirs auszuweichen.

„Schon gut, Tisiphone, ich verzeihe Euch. Ihr wisst, Euch könnte ich nie etwas nachtragen. Mir ist wohl bewusst: Die Tatsache, dass ich nicht länger Stabschef unseres Oberhauptes bin, ist es im Grunde nicht, was Euch erzürnt, zumindest nicht ausschließlich, habe ich recht? Euch bedrückt noch etwas anderes“, stellte Kay wissend fest und lehnte sich lässig gegen die Wand der Fahrstuhlkabine.

„Nein, ich  Ach vergiss es“, fluchte ich und konzentrierte mich wieder auf die Anzeige. Wie lange konnte es verdammt noch mal dauern, das oberste Stockwerk zu erreichen? Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich behauptet, Kay sei ein Magier, der mit Absicht unsere Fahrt verlangsamte.

„Es sind immer noch der Halbgott und meine Wenigkeit, die Euer Herz für sich beanspruchen und Euer Gemüt in Wallung bringen  Daran hat sich in all der Zeit nichts geändert, auch wenn Ihr vehement etwas anderes behauptet“, der Vampir grinste anzüglich und ließ mich nicht aus den Augen.

„So ist das nicht“, murmelte ich wagte es jedoch nicht, Kay dabei anzusehen.

Elegant stieß er sich von der Wand ab und trat von hinten an mich heran. Ich konnte seinen Atem an meinem Hals spüren und schloss genießerisch die Augen, während eine Gänsehaut über meinen Rücken jagte. Es war viel zu lange her, seit ich einem Mann so nah gewesen war und Kay schien dies zu spüren.

„Ich kann Euch geben, was Ihr braucht, Furie“, schnurrte der Vampir und legte mir eine Hand an die Taille.

Doch ich schüttelte entschlossen mit dem Kopf und machte einen Schritt nach vorn, um den dringend benötigten Abstand zwischen Kay und mich zu bekommen.

„Du liegst falsch“, sagte ich atemlos und stützte mich mit der Hand an der Fahrstuhltür ab. „Es hat sich etwas geändert. Ja, ihr beide geht mir immer noch unter die Haut“, ich drehte mich zu Kay um und sah ihn traurig mit schiefgelegtem Kopf an, „aber ich habe mich entschieden, Kay. Es war und wird für mich immer Jack sein. Er ist es, den ich will, er ist es, den ich ...“ Ein dicker Kloß bildete sich in meiner Kehle und die alles verzehrende Angst, eine unglaubliche Chance auf die große Liebe verstrichen lassen zu haben, übermannte mich, sodass ich nicht weitersprechen konnte. Um Fassung ringend atmete ich tief durch und drehte mich dann wieder um.

Ein leises Ping kündigte unsere Ankunft in der Chefetage an, und als ich den Fahrstuhl verließ und auf die imposante Doppeltür zuhielt, ließen mich die leisen Worte des Vampirs kurz innehalten.

„Ich habe mit ihr geflirtet  mit Ann. Aber Ihr wisst, wen mein Herz begehrt und daran, Tisiphone, wird sich nichts ändern.“

Ich hörte, wie auch Kay den Fahrstuhl verließ, atmete noch einmal tief durch, um das Gesagte in eine Schublade irgendwo in der hintersten Ecke meines Herzens zu verstauen und hielt dann entschlossenen Schrittes auf Jacks Büro zu.

 

Was soll ich sagen, ich liebte einfach große Auftritte, aus diesem Grund konnte ich der Versuchung auch dieses Mal nicht widerstehen und stieß die Türen mit einer dramatischen Geste auf, bevor ich das Büro des Halbgottes betrat.

„Ich bin zu Hause, Baby! Die Furie ist zurück!“

Es war erstaunlich, wie gut die Maske der Arroganz mir noch passte, die ich wie selbstverständlich aufgesetzt hatte, um mich vor allen Eventualitäten zu schützen. Und da es hier um Jack Pers ging, war Vorsicht definitiv besser als Nachsicht.

Unsere Vergangenheit hatte gezeigt, dass unsere unterdrückten, leidenschaftlichen Gefühle für einander dazu in der Lage waren, ganze Gebäude in Schutt und Asche zu legen. Wir waren vor zehn Jahren nicht im Schlechten auseinandergegangen, aber zu behaupten, er wäre mit meiner Reise in die Menschenwelt einverstanden gewesen, wäre gelogen.

Ich wusste also nicht, was mich erwartete, aber nichts hätte mich auf das vorbereiten können, was meine Augen in dieser Sekunde erfassten – so viel stand fest.

Der Schreibtisch des ehemaligen Leiters der Black Company, Cole Black, stand noch genauso da, wie er ihn zurückgelassen hatte, nur saß auf dem imposanten Stuhl dahinter nicht mehr der Mensch, den jeder von uns fälschlicherweise für einen Empyrianer gehalten hatte, sondern Jack Pers, der Halbgott, mein ehemaliger Partner. Und auf ihm saß eine rothaarige, mit üppigen Kurven gesegnete Schlampe, die ihn ritt wie der Teufel persönlich. Obwohl sich die Türen laut polternd hinter Kay und mir schlossen, hörte dieses rothaarige Biest nicht auf, sich wie eine Schlange auf dem Schoß des Halbgottes zu winden, im Gegenteil, sie legte noch einen Zahn zu, und in dem Moment, in dem Jack kam und laut kehlig aufstöhnte, trafen sich unsere Blicke.

„Tess“, hauchte er, bevor sein Kopf mit einem vor Lust verzerrten Gesichtsausdruck nach hinten sank und sein vor Schweiß glänzender Brustkorb sich hektisch hob, um neue Luft in seine Lungen zu pumpen.

„Tess, dich hatte ich hier nicht erwartet.“ Jack räusperte sich und bedeutete der Rothaarigen, von seinem Schoß zu steigen. Sie tat dies mit einer Seelenruhe, die mich fast explodieren ließ. Wie gerne hätte ich ihr eine meiner Saigabeln ins Auge gerammt und ihr selbstzufriedenes Grinsen mit einem Schnitt links und rechts noch etwas breiter gemacht. Der Joker wäre stolz auf mich gewesen und ich hätte definitiv einen Grund zum Grinsen gehabt.

„Stören wir?“, knurrte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und funkelte die Schlampe an, die sich gerade auf meinem Halbgott vergnügt hatte.

„Hat euch die Show gefallen?“, schnurrte sie, machte eine schnelle Bewegung mit der linken Hand und stand plötzlich in einem Businessanzug mit strengem Haarknoten und makellosem Make-up vor uns.

„Ehrlich, eine Hexe?“, fragte ich Jack spöttisch und erdolchte ihn mit meinem Blick. „Sieht sie manchmal aus wie ich, wenn ihr es treibt?“, zischte ich und sah die Rothaarige an, in deren Gesicht keine Regung zu erkennen war.

Jack zog sich gelassen sein Hemd über, ließ es aber aufgeknöpft, dann stand er auf, zog seine Hose hoch und kam, während er diese schloss, auf mich zu.

„Bild dir nicht zu viel ein, Furie. Amanda ist meine neue Stabschefin.“

Aha, Miss Luise hatte also auch einen Vornamen. Amanda  wer hieß denn bitte so? Klang wie eine Sir-, eine Nutte, die sich für den nächsten Schuss buchstäblich auf alles und jeden setzen würde.

Der Halbgott trat an eine Minibar in der Ecke des Büros und schenkte sich eine cognacfarbene Flüssigkeit ein. Das Glas schwenkend lehnte er sich lässig gegen seinen Schreibtisch und musterte mich anzüglich von oben bis unten.

„Was machst du hier?“, fragte er gelassen und nahm einen Schluck aus seinem Glas, seine Augen immer noch auf mich gerichtet.

„Ich mache meinen Job“, knurrte ich.

„Ich ebenso“, entgegnete er knapp. „Ich bin der Leiter der Black Company und frage dich, was du hier tust.“

„Die Zufluchtsorte und Refugien in der Menschenwelt stehen bereit. Sie können bezogen werden und dafür wird es auch allerhöchste Zeit. Dir ist bewusst, dass uns nur noch zwei Wochen bleiben?“

„Seit wann bestimmst du den Zeitplan?“, fragte Jack amüsiert, stellte das Glas ab und verschränkte seine Arme vor der Brust.

„Ähm, der Tag der Abrechnung steht bevor und es wurden, soweit ich das bei meinem Eintreffen erkennen konnte, noch keinerlei Maßnahmen für die Evakuierung getroffen! Seit wann stellst du dein Privatleben über dein Amt als oberster Befehlshaber?“, fragte ich vor unterdrückter Wut zitternd.

„Arbeit und Vergnügen können durchaus Hand in Hand gehen. Wie du weißt, ist es nicht das erste Mal, dass dieses Büro zweckentfremdet wird “ Jack ließ seine Worte sacken und beobachtete meine Reaktion, während er mich von oben bis unten musterte. Auf meine andere Anschuldigung ging er nicht ein.

Als ich einen Schritt auf ihn zumachte, räusperte sich jemand hinter mir und mir wurde mit einem Mal bewusst, dass wir nicht allein waren. Ich hatte Kay vollkommen ausgeblendet.

„Wie ich sehe, hast du deinen Lückenbüßer mitgebracht.“ Jack überwand die Kluft zwischen uns und kam mir so nahe, dass ich bei jedem Atemzug den Geruch nach Sex einatmete und die Furie sich bedrohlich unter meiner Haut regte.

„Sag mir, Tisiphone, wenn er dich nimmt, kann er dich dann so befriedigen wie ich?“, hauchte Jack nahe bei meinem Ohr und ein Schauer jagte über meinem Rücken.

„Jack.“ Kay trat nach vorn und warf dem Halbgott einen warnenden Blick zu. „Ich bin nicht hier, um vergangene Rivalitäten wieder aufleben zu lassen. Wir wollen lediglich das weitere Vorgehen mit Euch abstimmen.“

„Wage es nicht, mich zu unterbrechen, Vampir. Du hast in dieser Etage nichts mehr verloren.“ Jack sagte dies mit einer so leisen, drohenden Stimme, dass mir das Blut in den Adern gefror. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen, geschweige denn zu atmen, die Luft war so elektrisch aufgeladen, dass ich förmlich spüren konnte, wie meine Haare in alle Richtungen abstanden.

Mit gespitzten Ohren lauschte ich auf ein Zeichen von Kay, doch der schien sich nicht zu rühren. Nach einer gefühlten Ewigkeit wandte Jack seine Aufmerksamkeit wieder mir zu und ich wurde von seinem Blick in den Bann gezogen.

„Du kannst jetzt gehen“, forderte der Halbgott und Kay machte einen Schritt auf uns zu.

„Jack, Ihr müsst Tess anhören, die Rettung der Empyrianer 

„Er hat nicht mich gemeint, Kay“, unterbrach ich den Vampir, dessen Blick sich in meinen Rücken bohrte.

„Seid Ihr sicher, Tisiphone?“

Ich nickte, ohne meinen Blick von dem Halbgott abzuwenden und das Nächste, was ich hörte, waren die Flügeltüren, die sich leise hinter Kay schlossen.

„Du kannst ebenfalls gehen, Amanda, ich rufe dich, wenn ich dich brauche“, sagte Jack und schaute kurz zu der Hexe herüber. Diese sah aus, als hätte sie dem Halbgott gerne widersprochen, überlegte es sich dann aber anders und löste sich an Ort und Stelle in Luft auf.

„Du erlaubst es den Hexen, sich hier zu materialisieren?“, fragte ich mit hochgezogener Augenbraue und versuchte cool und gelassen rüberzukommen.

„Ich gewähre dieses Privileg meiner Stabschefin“, antwortete Jack und ließ mich keine Sekunde aus den Augen.

Ich ging um ihn herum auf seinen Schreibtisch zu und versuchte, einen Blick auf die darauf verstreuten Dokumente zu erhaschen.

„Noch so eine Fehlentscheidung. Wieso kommt Kay plötzlich für das Amt des Stabschefs nicht mehr infrage?“ Ich versuchte, beiläufig zu klingen, aber um ehrlich zu sein, interessierte es mich brennend, welcher Dämon ihn geritten hatte, dass er Kay durch diese verdammte  Hexe ersetzt hatte.

„Vielleicht vertraue ich dem Geliebten einer Verräterin nicht“, säuselte Jack und fegte mit einer kleinen Bewegung seines Handgelenks die Dokumente über das Mahagoniholz und jegliche Möglichkeit, einen Einblick in seine Regierungsgeschäfte zu erhaschen, war dahin.

„Jetzt bin ich also plötzlich eine Verräterin, ja?“, fragte ich provozierend und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du hast einen Deal mit den Dämonen ausgehandelt“, konterte Jack.

„Für dich! Und das wusstest du, als du das Amt des Leiters der Black Company angenommen und Kay zum Stabschef befördert hast, also tu nicht so, als wäre das alles neu für dich“, fauchte ich und spürte, wie meine Armreifen sich zu einer silbernen Schlange formten, die sich meinen Arm hinunter wand, bereit, als Waffe eingesetzt zu werden. Mein Blickfeld verdunkelte sich und ich wusste, dass die Furie die Kontrolle übernommen hatte.

„Da ist sie ja“, knurrte Jack und auf seinem Gesicht breitete sich ein höhnisches Grinsen aus.

„Was ist los mit dir, Jack?“, fauchte ich und trat auf den Halbgott zu.

„Ich wollte nur dein wahres Gesicht sehen, das Gesicht einer Verräterin, das ist alles.“

„Ich habe Empyrion gerettet, ich habe dich gerettet. Meine Mission war erfolgreich und nun stehe ich vor dir, um das Überleben der Empyrianer zu sichern, aber du hast nichts Besseres zu tun, als deinen Stabschef zu feuern, irgendeine Schlampe zu vögeln, mich als Verräterin zu beschimpfen und obendrein auch noch diese verkackte Laissez-faire-Haltung an den Tag zu legen. Also: Was zum Teufel stimmt nicht mit dir?“

Binnen Sekunden hatte Jack seine lässige Haltung abgeworfen, seine Flügel ausgebreitet und die Macht des Olymps angezapft, was ich an dem strahlenden Leuchten seiner Augen erkannte. Erschrocken wich ich mehrere Schritte zurück, bis ich das kühle Glas der Fensterfront im Rücken spürte. Hier würde ich vermutlich nicht so einfach rausspringen können, das war Panzerglas, bruchsicher.

Verdammt, verdammt, verdammt!

„Erhebst du noch einmal das Wort gegen mich, Furie, verspreche ich dir, wirst du die nächsten Wochen im Kerker verbringen oder ich werde dich den Dämonen zum Fraß vorwerfen!“ Jack kam drohend auf mich zu und baute sich in seiner ganzen goldenen Pracht vor mir auf.

„Das bist nicht du“, hauchte ich und schüttelte irritiert den Kopf. „Ist es die Macht? Hat sie dich korrumpiert? Stehst du unter einem Bann? Jack, was ist los mit dir?“ Ich wusste, wie verzweifelt ich klang, doch irgendwie musste es mir doch gelingen, zu Jack durchzudringen. Wenn es denn Jack war, der da vor mir stand.

„Ach Tess, nur weil ich nicht die Person bin, für die du mich gehalten oder die du hier in Empyrion zurückgelassen hast, musst du doch nicht gleich sämtliche meiner Motive infrage stellen. Das ist erbärmlich, selbst für dich.“

„Ach ja?“, knurrte ich und spürte, wie meine Wut die Furie fütterte. „Und sich hier in diesem Büro von einer Verräterin ficken zu lassen ist es nicht? Was ist passiert in den letzten Jahren? Hast du es dir anders überlegt? Hasst du mich jetzt wieder, Jack? Sind wir wieder an diesem Punkt angelangt, ja? Das Spiel wird langsam langweilig.“ Ich versuchte, so viel Verachtung wie möglich in meine Stimme einfließen zu lassen, aber eigentlich fühlte ich mich hilflos. Ich hatte mir meine Rückkehr anders vorgestellt. Vielleicht nicht so leidenschaftlich, wie ich es mir in meinen Träumen ausgemalt hatte, aber dennoch nicht so abweisend und verletzend.

„Du solltest dringend dein Verhalten gegenüber Vorgesetzten überdenken, Furie. Ich werde dieses Auftreten dem langen Aufenthalt in der Menschenwelt zuschreiben und erwarte morgen einen ausführlichen Bericht über deinen Fortschritt. Du darfst jetzt wegtreten, Agentin Hope!“

Ich wollte etwas sagen, ja wirklich. Einen letzten frechen, kecken, provozierenden Spruch, der ihn auf die Palme bringen würde, aber ich war damit beschäftigt, meine Kinnlade wieder an Ort und Stelle zu rücken, denn mein Mund stand sperrangelweit offen. Hatte mich dieser Arsch von einem Halbgott gerade abgefertigt und tatsächlich meine Worte von damals gegen mich verwendet?

Die Macht war ihm gehörig zu Kopf gestiegen, so viel stand fest!