Leseprobe Back to the Millionaire

Kapitel eins

Vor 24 Jahren

„Hey, Sacajawea, du siehst aus, als wärst du auf dem Kriegspfad. Was läuft?“

Ich hielt inne, um denjenigen anzustarren, der neben einem der Wohngebäude des St. Anne‘s College mit zwei anderen Leuten rumhing; beide warfen mir schnelle Blicke zu, bevor sie sich abwandten. Ich war daran gewöhnt, dass mich die britischen Studierenden behandelten, als wäre ich eine Untergattung irgendeines Molchs, der in ihren geheiligten Tempel des Wissens eindrang, aber ich hasste es wirklich, wenn mich meine eigenen Landsleute mit der gleichen Verachtung behandelten.

„Lass stecken, Esker“, sagte ich zu dem jungen Mann und presste meine Laptoptasche fest gegen meine Brust, hoffte entgegen aller Hoffnungen, dass das Gefühl des Ertrinkens nachlassen würde und ich wieder Atem holen konnte. „Du weißt, dass das politisch inkorrekt ist und außerdem ignorant, jemanden so anzugehen. Sacajawea war eine Shoshone und meine Mutter war eine Navajo. Außerdem: Wenn du mich Sacajawea nennst, dann ist das noch nicht einmal eine Beleidigung. Sie war eine unglaubliche Frau, tapfer, eine herausragende Entdeckerin und sie besaß unendliche Geduld, die sie auch brauchte, um zwei ahnungslose weiße Männer aus Missouri bis zur Westküste zu schleppen, zwei Monate nachdem sie ein Kind geboren hatte. Also, wenn du mich das nächste Mal beleidigen willst, dann versuche es doch damit, den Namen eines lahmarschigen weißen Mannes zu benutzen, dessen Papi seinen Zugang zu Oxford bezahlt hat, weil er nicht die Noten hatte, um selbst an ein Stipendium zu kommen, wie alle anderen von uns.“

„Fick dich“, fauchte Esker, während die zwei Briten lachten.

Ich zeigte ihm den Stinkefinger, als ich davoneilte, und vergaß den Zwischenfall. Ich versuchte wieder etwas Luft in meine Lungen zu bekommen, aber die Angst wickelte sich um mich mit eisernen Bändern. Ich musste mit Neo reden.

„Morgen, Kamil“, begrüßte ich den Portier, als ich an seinem Tresen vorbeirannte und auf das Gebäude zusteuerte, in dem Neo untergebracht war.

„Guten Morgen, Beam“, sagte der gravitätische, grauhaarige Mann, als ich zu den Treppen eilte. „Suchen Sie nach Ihrem jungen Mann? Er hat mir aufgetragen, Ihnen zu sagen, dass er zu Bibliothek geht.“

„Tatsache? Verdammt. Okay, danke.“ Ich drehte mich auf dem Absatz um und eilte hinüber zur Bibliothek, direkt zur hinteren Wand, wo Neo gerne einen langen Tisch in Besitz nahm, der von einigen Arbeitskabinen versteckt wurde. Erleichterung durchflutete mich, als ich seinen vertrauten dunklen Schopf über den Laptop gebeugt sah. Der Druck auf meinen Lungen ließ so weit nach, dass ich tief Luft holen konnte. Ich schaute mich um, aber Studierende kamen nur selten in diese Ecke der Bibliothek, weil sie von einigen großen Kastanienbäumen verdunkelt wurde, die draußen an der Außenmauer des Gebäudes wuchsen. „Dank der Göttin, dass ich dich gefunden habe.“

„Ich habe Kamil gesagt, wo ich bin“, antwortete er, ohne aufzusehen. „Wie ist es dir mit Tormessons Gruppenprojekt ergangen?“

„Prima“, sagte ich und ließ meine Tasche auf den Tisch neben ihm fallen, bevor ich einen harten Holzstuhl neben ihn zog. „Aber das ist egal. Nicht jetzt.“

Ich hasste es, wie meine Stimme brach, hasste, dass ich den Tränen so nahe war, aber seit ich die Neuigkeiten erhalten hatte, fühlte ich mich, als wäre ich ganz roh und würde bluten.

„Natürlich ist das wichtig. Du musst dich vielleicht nicht so für gute Noten reinknien, aber alle anderen müssen sich den Arsch aufreißen für einen 1,0 Abschluss.“

„Neo.“ Ich legte meine Hand auf seinen Arm und schluckte den Klumpen Tränen hinunter, der in meiner Kehle schmerzte.

Er musste die Gefühle in meiner Stimme gehört haben, denn er schaute zu mir herüber, seine grauen Augen, die normalerweise voll mit Lachen waren, blickten nun fragend. „Was ist los, Sonnenschein?“

Als er meinen Spitznamen verwendete, den er mir bei unserem ersten Treffen vor sechs Monaten bei der Orientierungsveranstaltung der internationalen Studierenden gegeben hatte, brach ich fast zusammen.

„Ich muss nach Hause.“

Er verzog das Gesicht und starrte auf den Bildschirm seines Laptops. „Ich verstehe. Ich würde auch nicht helfen wollen, dieses Durcheinander von einem Code zu entwirren, aber ich muss das heute Abend einreichen, also werden wir unsere Verabredung verschieben müssen, bis das erledigt ist.“

Ich holte tief Luft. „Ich meinte nicht, dass ich zu meinem Zimmer zurückmuss … Ich meine, dass ich nach Hause muss. Nach New Mexico.“

Er runzelte die Stirn und sein Blick kehrte auf mich zurück. „Das Semester ist nicht vor Mitte Juni vorbei. Das sind noch fast zwei Monate. Warum willst du jetzt nach Hause?“

Ich ließ meine Hand hinunter zu seinen Fingern wandern und hielt mich an seiner Hand fest und betete, dass ich nicht zusammenbrechen würde. Nicht in der Öffentlichkeit. Ich konnte es nicht ausstehen, wenn andere mich weinen sahen. „Meine Cousine ist heute Morgen gestorben.“

„Oh, Beam, das tut mir leid“, sagte er und drehte sich in seinem Stuhl so um, dass er mich in eine Umarmung ziehen konnte, seine Arme fühlten sich warm und stark um mich herum an. Ich lehnte mich an seine Brust, mein Gesicht gegen seine Kehle gepresst, und atmete den Zitronenduft seiner Seife ein. „Das tut mir so, so leid. Du musst am Boden zerstört sein. Mein armer kleiner Sonnenschein.“

Für ein paar Minuten klammerte ich mich an ihm fest, während er beruhigende Trostworte murmelte, bevor ich mich von ihm löste, um mir wütend die Nase und die Augen mit einem Taschentuch zu reiben. Es war noch immer niemand in unserer Nähe, aber ich wollte wirklich nicht, dass Leute sahen, wie ich in der Öffentlichkeit heulte. „Ich glaube, ich muss einen Schock haben, weil es mir immer noch nicht wie die Wirklichkeit vorkommt.“

„Was ist passiert? Ich nehme an, dass es sich um die Cousine handelt, die dich und deine Schwester aufgenommen hat, als eure Mutter gestorben ist“, sagte er, während seine Hand warme kleine Kreise auf meinen Rücken malte.

Meine Schultern sackten nach unten, als ich mich gegen seine Hand lehnte und mir wünschte, dass ich den Neu-Starten-Knopf für diesen Tag drücken könnte.

„Vor zwei Jahren, ja. Ich kannte sie bis dahin gar nicht so gut, aber sie war immer nur nett zu uns. Die Polizei hat angerufen, um mir zu sagen, dass sie ins Krankenhaus gekommen ist, weil sie dachte, dass sie chronischen Husten hat, aber es stellte sich heraus, dass sie eine Lungenentzündung hatte, und nach vier Tagen …“ Ich schluckte weitere schmerzhafte Tränen hinunter und blinzelte schnell, um sie davon abzuhalten, aus meinen Augen zu rinnen. „Wie auch immer, die Polizei sagt, dass Autumn von der Kindsfürsorge betreut wird und dass ich nach Hause kommen muss, um die Vormundschaft zu übernehmen – wenn nicht, wird sie ins Jugendfürsorgesystem aufgenommen.“

„Wie alt ist deine Schwester?“, fragte er und seine Augen verdunkelten sich bei dem geteilten Leid.

„Fünfzehn.“ Mir wurde kalt und ich zitterte trotz der Wärme des sonnigen Frühlingstages. „Ich kann nicht zulassen, dass sie in die Mühlen dieses Systems gerät, Neo. Nicht, weil unsere Eltern waren, wer sie waren, aber weil das System schlecht ist. Schlecht für jeden.“

„Und deine Familie …?“ Er ließ die Frage unvollendet.

„Es gibt niemanden mehr. Calypso war unsere einzige Cousine. Meine Großeltern sind gestorben, bevor ich geboren wurde. Es gibt noch den Stammesverband und die Lokalregierung, aber weil unser Vater weiß war – ein Versager, aber trotzdem war er weiß – kümmert sich der Stammesverband nicht um uns. Ich muss zurück.“

Neo schwieg für ein paar Sekunden und sein Daumen streichelte über meinen Handrücken. „Ja, ich sehe ein, dass du das musst. Du kannst deine Schwester nicht sich selbst überlassen. Hast du schon mit Gurgel gesprochen?“

„Nein“, sagte ich und lächelte noch nicht einmal bei dem beliebten Spitznamen, den die Studierenden der akademischen Beraterin gegeben hatten, die über meine Zeit in Oxford wachte. „Aber ich weiß, was sie sagen wird: Wenn ich nach Hause fahre, verliere ich mein Anrecht auf das Whaddon-Stipendium. Ich werde rausgeschmissen. Vielleicht muss ich sogar das Geld zurückzahlen aus dem Stipendium, das sie schon in mich investiert haben. Oh Gott, ich will nicht nach Hause! Du hast ja keine Ahnung, wie es da zugeht …“ Die Worte vertrockneten auf meinen Lippen, als ich mir die Lebensrealität in New Mexico ausmalte. Meine Mutter hatte uns dazu erzogen, auf unser Erbe stolz zu sein, auch wenn es gemischt war, aber das änderte nichts an dem Umstand, dass es nur wenige Möglichkeiten für arme Mädchen gab, die nicht von ihrer Familie unterstützt wurden.

„Du kannst deine Schwester hierherbringen“, sagte Neo plötzlich und seine Augen verengten sich, als er ins Leere starrte und ganz offensichtlich versuchte eine Lösung für mein Problem zu finden. „Du wirst in eine Wohnung in der Stadt umziehen müssen, damit sie bei dir bleiben kann, aber ich bin mir sicher, dass sich das regeln lässt. Sag einfach, dass du für die Beerdigung nach Hause musst – und um deine Schwester zu holen, und ich bin mir sicher, dass man dich hier für eine Woche oder so entschuldigen wird.“

Bevor er überhaupt zu Ende gesprochen hatte, schüttelte ich meinen Kopf. „Selbst wenn ich das tun könnte, wie sollte ich es mir leisten können, Autumn zu versorgen? Diese Leute von Whaddon geben einem nicht gerade viel Spielraum, wenn es ums Geld geht.“

„Wenn sie bei dir lebt, in deinem Zimmer, dann kann das auch nicht teurer sein als jetzt“, protestierte er.

Ich schenkte ihm ein wässriges Lächeln. „Wenn ich dich nicht so sehr lieben würde, dann würde ich dich gerade jetzt darauf aufmerksam machen, wie wenig Ahnung du davon hast, wie es ist, arm zu sein. Mal abgesehen von der Wohnung müsste ich ja immer noch Essen auf ihren Teller bringen. Und sie braucht auch was zum Anziehen. Und sie muss zur Schule gehen, und ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich ein Visum für sie bekommen würde, solange sie hier zu Schule gehen würde. Und, oh, noch hundert andere Dinge. Ich würde mir einen Job besorgen müssen, und mein Visum verbietet das.“

„Also …“ Sein Kiefer zuckte ein paar Mal. „Was wäre, wenn du das Stipendium von Whaddon in den Wind schießt? Nein, lass mich ausreden. Wenn dir das so viele Probleme macht, dann kannst du einfach nach Hause fahren, um deine Schwester zu holen, kommst zurück und beendest dein Studium ohne es.“

„Und ich bezahle Oxford genau wie?“, fragte ich und fühlte mich, als würde ich in eine Grube voller Schlamm rutschen. Schlamm, der einem das Leben aussaugte.

„Du könntest schwarz arbeiten“, schlug er vor.

„Könnte ich“, sagte ich langsam und war mir bewusst, dass sich meine Lungenflügel noch mehr verengten. „Aber das würde nicht viel einbringen. Und es erklärt nicht, wie ich für die Flugtickets von und nach England zahle, mal abgesehen von den Rechnungen für das Krankenhaus meiner Cousine. Nein, biete mir kein Geld an. Ich werde es nicht annehmen. Ich weiß, dass deine Mutter dir eine Menge Geld zur Verfügung stellt, damit du es ausgeben kannst, aber ich habe meinen Stolz und ich werde dich nicht wie so viele andere anschnorren.“

„Ein Darlehen würde ich noch nicht einmal als schnorren ansehen, aber ja, ich weiß ganz genau, dass du mich dir nicht helfen lässt, obwohl ich froh wäre, wenn ich das tun könnte.“ Seine schönen grauen Augen waren schwermütig, als er meine Hand zu seinem Mund hob und meine Finger küsste. „Das liegt an deinem nervtötenden Stolz …“

Ich zog meine Hand zurück und runzelte die Stirn. „Hey! Einige von uns müssen sich ihren Stolz bewahren, weil wir unser gesamtes Leben hindurch belästigt worden sind und der Stolz alles ist, was noch übrig ist.“

Er nahm wieder meine Hand und presste einen lauten Kuss auf sie, bevor er seinen Stuhl zurückschob und sich neben mich kniete. „Dann gibt es nur eine Lösung: Heirate mich.“

Ich starrte ihn an und fragte mich, ob der Schock der Neuigkeiten mein Gehirn endgültig in Matsch verwandelt hatte. „Was?“

„Du wirst mich heiraten müssen“, sagte er. „Das ist die einzige Lösung. Wenn du mich heiratest, dann kannst du in England bleiben, dein Studium beenden und wir werden uns um deine Schwester kümmern können.“

„Das ist lächerlich“, sagte ich und versuchte meine Hand zurückzuziehen.

„Warum bin ich lächerlich?“ Kurz blitzte Schmerz in seinen Augen auf, was mich dazu brachte, ebenfalls vom Stuhl zu rutschen, bis ich vor ihm kniete.

„Das bist du nicht.“ Ich beugte mich nach vorne, um seine Lippen zu küssen, seine köstlichen, wundervollen Lippen. „Du bist großartig. Unglaublich. Sexy und klug und lustig. Ich liebe dich seit dem ersten Moment, in dem ich dich gesehen habe, als du genauso verloren und allein aussahst, wie ich mich fühlte bei dieser Orientierungsveranstaltung der neuen Studierenden. Aber deine Idee ist verrückt. Zum einen, bist du Grieche, nicht Brite.“

„Ich bin beides. Meine Mutter wurde in Edinburgh geboren, also habe ich sowohl die britische als auch die griechische Staatsbürgerschaft.“

„Das ist ziemlich cool, aber trotzdem ist die ganze Sache undenkbar“, sagte ich.

„Warum? Warum willst du mich nicht heiraten?“, fragte er und zog mich auf seinen Schoß.

„Ich habe nie gesagt, dass ich dich nicht heiraten will“, antwortete ich und atmete wieder diesen wunderbaren Duft ein, der an ihm hing. „Ich bin bis über beide Ohren in dich verliebt. Aber gerade weil ich dich so sehr liebe, werde ich dich nicht heiraten, bis der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist.“

Seine schwarzen Augenbrauen zogen sich zusammen und weckten in mir den unwiderstehlichen Drang, die kleinen Falten dazwischen auszubügeln. „Das macht überhaupt keinen Sinn.“

„Tut es sehr wohl – dein Herz diktiert gerade deinem Gehirn, was es tun soll.“ Ich schenkte ihm ein trauriges Lächeln, eines, von dem ich hoffte, dass es ihm klar machte, wie sehr ich die Situation bedauerte, in die ich geraten war. „Wenn wir vielleicht am Ende unseres Studiums wären und nicht gerade am Anfang … Aber das ist egal. Ich muss nach Hause. Du wirst hierbleiben. Vielleicht, wenn du deinen Abschluss hast, kannst du dich bei mir melden, und …“

„Zur Hölle damit“, sagte er und sein Mund schloss sich über meinem, seine Zunge führt einen kleinen Tanz in meinem Mund auf, der mich dazu brachte, mich an ihn zu schmiegen. Als er sich zurückzog, wirbelte es in meinem Kopf und meine Lippen fühlten sich wund an und das Band um meine Lungen hatte sich soweit verengt, dass es schmerzte zu atmen. „Du liebst mich. Ich liebe dich. Wir werden ohnehin irgendwann heiraten, also können wir das auch jetzt machen. Nein, mach dir keine Mühe zu streiten, Beam. Du bist mir wichtiger als irgendein Abschluss. Wir werden heiraten. Du kannst deine Schwester hierherbringen. Wir suchen eine Wohnung und leben zusammen und du kannst zurück in den Studiengang kommen, ohne dass dir diese Whaddon-Leute im Nacken sitzen. Wir werden glücklich und zufrieden bis an unser Lebensende sein, verdammt.“

Ich konnte gar nicht anders – er sah so empört aus, dass ich lachte. „Du bist der einzige Mann, den ich kenne, der gleichzeitig angefressen und romantisch aussehen kann, während er einen Antrag macht.“ Ein Gedanke kam mir, während ich darüber nachdachte, was angeboten hatte. „Aber … Was ist mit deinen Eltern?“

Er vermied es, mir in die Augen zu sehen, aber ich hatte den Zweifel gesehen. „Was werden sie davon halten, wenn wir heiraten? Sie werden dich lieben. Du bist komplett anbetungswürdig.“

Für ein paar Sekunden gestattete ich mir, mich an seinem Lob zu freuen. „Das mag dir so vorkommen, aber ich bin da nicht so sicher, dass sie begeistert sein werden, wenn ihr einziger Sohn und Erbe eine Frau heiratet, die weder Geld noch Familie noch irgendwelche aussichtsreichen Chancen hat.“

„Eine, die zehnmal schlauer ist als ich, die es geschafft hat, das prestigeträchtige Whaddon-Stipendium zu bekommen und quasi ein mathematisches Genie mit einem analytischen Gehirn ist, das selbst den stumpfsinnigsten Code entwirren kann. Nein, Sonnenschein, streite es nicht ab.“ Er gab mir einen weiteren Kuss, dieses Mal schnell und flüchtig, bevor er mich von seinen Beinen schob, damit er aufstehen konnte. „Das ist das Einzige, was Sinn macht. Wir werden heiraten, du fliegst zurück in die Staaten, um deine Schwester abzuholen, und während du weg bist, finde ich für uns eine Wohnung. Das wird ganz einfach sein, warte nur ab.“

Ich schaute zu ihm hinauf und mein Herz fühlte sich, als würde es aus Schmetterlingen bestehen, die gegen meinen Brustkorb trommelten. Das erste Mal, seit ich von dem Tod meiner Cousine erfahren hatte, holte ich einen langen zittrigen Atemzug, der endlich meine Lungen füllte. „Bist du sicher?“, fragte ich ihn und etwas in meinem Hinterkopf warnte mich, dass das nicht die Lösung war, die ich brauchte.

„Natürlich.“ Er lächelte, als er die Hand ausstreckte, um mir hoch zu helfen, wischte eine Haarsträhne, die an meinem Mund klebte, aus meinem Gesicht. „Es wird sich alles regeln, das verspreche ich.“

Befürchtungen sickerten langsam in meinen Magen, aber ich verdrängte das Gefühl und versuchte verzweifelt einen Weg zu finden, damit ich alles haben könnte.

Du weißt, dass das niemals klappen wird, sagte eine pessimistische Stimme in meinem Kopf. Ich ignorierte sie, genauso wie alle anderen Zweifel, die sich um mich versammelten wie persönliche Gewitterwolken.

Neo hatte recht – es würde sich alles regeln. Vielleicht wären seine Eltern nicht gerade angetan von mir, aber ich vertraute darauf, dass er seine Familie kannte. Wir würden glücklich sein, Autumn wäre in Sicherheit und unser Leben wäre voll von Glück und Liebe.

Alles andere wäre ein Verbrechen.

Kapitel zwei

Fünf Tage später

„Okay, das war peinlich.“

„Auf dem Standesamt zu heiraten?“ Neo schleppte meine kleine Tasche die letzten paar Stufen hinauf zu dem Stockwerk, wo sich sein Zimmer befand. „Ich dachte, dass es das ist, was du willst. Wenn du gesagt hättest, dass du eine richtige Hochzeit willst …“

„Nein, mir geht's total gut damit, in der Stadt zu heiraten. Ich meinte, Kamil zu sagen, dass wir verheiratet sind.“

Neo wackelte mit seinen Augenbrauen in meine Richtung. „Das war nicht peinlich. Das war romantisch. Er hat uns alles Gute gewünscht.“

„Mh-hm. Und ich wette, dass er denkt, dass es seltsam ist, dass wir geheiratet haben.“

„Es macht keinen Unterschied, was jemand denkt – nur das, was du denkst, zählt. Und wo wir gerade davon reden: Willkommen zu Hause, Mrs. Papaioannou.“ Neo stellte die Tasche ab und trug mich über die Schwelle seines Zimmers, dann hielt er direkt hinter der Tür an, mit einem unbeschreiblichen Gesichtsausdruck. „Das klingt so merkwürdig. Mrs. Papaioannou ist meine Mutter.“

Ich rutschte über seine Brust, als er meine Beine losließ, und eine Gänsehaut lief mir bei seinen Worten über den Rücken. „Das ist einfach nur gruselig, Neo. Ich bin definitiv nicht deine Mutter.“

Er lächelte und ich schmolz innerlich dahin, sowohl wegen der Wattzahl seines Lächelns als auch wegen des verführerischen Glitzerns, das in seinen grauen Augen lag. „Da stimme ich zu, das bist du nicht. Wie wäre es dann damit … Willkommen zu Hause, Mrs. Moonbeam Swiftcloud Papaioannou, geborene Nakai?“

„Um Himmels willen, das ist ja noch schlimmer“, sagte ich, gab nach und küsste ihn auf die Nasenspitze, bevor ich meine kleine Tasche auf seinen Schreibtisch verfrachtet. Sein Zimmer war ein chaotisches Durcheinander aus Klamotten, Büchern, Laptops, drei E-Gitarren und anderem elektronischen Spielzeug, das junge Männer von achtzehn Jahren, die über ein beachtliches Einkommen verfügten, eben so mochten. „Ich wünschte wirklich, Mama wäre nicht so fest in der Hippiebewegung verankert gewesen, als ich geboren wurde. Ich mag die ursprünglichen Namen in ihrer Familie, aber nein, sie musste mich Moonbeam nennen.“

„Mir gefällt Moonbeam“, sagte er und seine Hände lagen auf meiner Hüfte, als er mich enger an sich zog, während seine Hüften sich verräterisch gegen meine bewegten. „Mir gefällt, dass das nicht traditionell ist. Das passt zu dir.“

„Du nennst mich Sonnenschein“, bemerkte ich und allerlei Körperteile hatten sofort Interesse an dem, was er plante. Meine Brustwarzen wurden höchst sensible Gören, die Freiheit von ihrem BH verlangten, während mein Bauch sich plötzlich anfühlte, als wäre er voller kleiner Schmetterlinge, die mich sehr weiblich fühlen ließen.

„Das liegt daran, dass du Licht in mein Leben bringst“, sagte er und küsste meinen Nacken auf die Art, bei der mir die Knie weich wurden.

Ich ließ meine Hände über seine Brust gleiten, als er uns in einem langsamen intimen Tanz zu einer Musik bewegte, die nur er hören konnte. „Und was ist mit dir? Du hast auch einen ziemlich einzigartigen Namen. Gefällt er dir?“

Er zog eine Grimasse. „Ich denke nicht viel darüber nach. In England mag das anders sein, aber in Griechenland ist Neo wohl kaum ein ausgefallener Name.“

„Mir gefällt er trotzdem. Er ist besser als nach einem nicht berührbaren Objekt benannt zu sein.“

„Was mir gefällt, das bist du. Lass uns unsere Hochzeitsnacht veranstalten!“

Ich warf einen schnellen Blick aus dem Fenster und lachte, als er uns hinüber zu dem Bett zog, das den meisten Platz im Zimmer einnahm. Neo hatte sein Zimmer umgestaltet – mit eigenen Möbeln, etwas, was in Oxford normalerweise nicht gern gesehen wurde, aber ich vermutete, je höher man in der Oberschicht angesiedelt war, desto mehr drückten die Offiziellen ein Auge zu. „Wir können keine Hochzeitsnacht veranstalten, Mister Papaioannou. Es ist gerade mal zwei Uhr am Nachmittag!“

„Ich glaube schon, dass wir das können, mein süßer sexy Sonnenschein.“ Er schubste mich aufs Bett und folgte mir dann, seine Hände schienen überall zugleich zu sein. Plötzlich ergriff uns die Verzweiflung und so flogen unsere Kleidungsstücke durch das Zimmer, jeder versuchte dem anderen zu helfen, bis wir endlich nackt und gierig ineinander verknotet auf dem Bett waren.

Ich drückte Neo auf den Rücken, als er versuchte, das gleiche mit mir zu machen. Obwohl wir erst seit vier Monaten zusammen waren, wusste ich, dass es ihm gefiel, oben zu sein. „Oh nein, ich bin die Braut und ich darf bestimmen, wer wohin gehört. Du wirst mein sich aufbäumender Hengst sein.“

„Oh“, sagte er und seine Hände legten sich sofort um meine Brüste, was genau der Plan gewesen war. „Wirst du etwa aggressiv sein?“

„Ich bin eine verheiratete Frau“, sagte ich und warf mein Haar zurück, aber das wurde schnell gefolgt von einem Stöhnen, als Neo mich an sich zog, um eine Brustwarze sanft zwischen seine Zähne zu nehmen. „Verheiratete Frauen … Oh … Verheiratete Frauen … Nein, nimm die andere. Es ist schlimm, dass du das nicht magst. Verheiratete Frauen sind auf diese Art bestimmend“, sagte ich atemlos.

Er widmete sich auch mit der nötigen Ernsthaftigkeit meiner einsamen Brust und dann brachte er mich dazu, dass ich mich ein bisschen wand, als ich mich um seine Hüften schlang. „Mir gefällt es, dass du bestimmend bist. Du darfst jederzeit über mich bestimmen. Wie wäre es, wenn du dich jetzt auf mich setzt? Wenn du das nicht tust, dann muss ich dich eventuell enttäuschen.“

„Das würdest du niemals tun“, sagte ich und lehnte mich nach vorne, um ihn zu küssen. Sein Mund war unendlich süß und heiß und alles, was ich von einem Mund wollte.

Seine Hände glitten über meinen Bauch und seine Finger wanden sich auf einem Weg in mich, der mich dazu brachte, mich auf die Knie zu erheben, als ich auf ihn hinabsah. Seine Augen waren voll von dunklen Absichten. Sexy dunklen Absichten, solche, die mich bis zu den Zehennägeln wärmten.

„Das gefällt dir, nicht wahr?“, fragte er und für einen Moment war ich so überwältigt von der Liebe für ihn, dass sich die Welt anscheinend aufhörte zu drehen. Alles hielt inne und in dem Moment zwischen zwei Herzschlägen wusste ich, dass mein Leben niemals mehr das gleiche sein würde.

Ich sah Sternchen und bewegte meine Hüften gegen seine tanzenden Finger. „Oh Himmel, ja. Lass uns die Hochzeitsnacht veranstalten, Neo. So veranstalten, wie sie vorher noch niemand veranstaltet hat.“

Er lachte und drehte mich so, dass sein Penis über meine Haut rieb, die so empfindlich war, dass nur das Gefühl von ihm, warm und glatt und seidig hart, einen Blitz von Aufregung durch meinen Bauch jagte. „Ich habe absolut vor, dich zu der Ehefrau zu machen, die die längste und größte Hochzeitsnacht jemals hatte. Bist du bereit?“

„Ich war vor Monaten bereit. Jahren. Jahrhunderten. Äonen“, sagte ich und streichelte mit meiner Hand über seine Brust. Er hatte ein schönes Muskelband in seinem Bauch, nicht ganz ein Sixpack, aber auch nicht weit davon entfernt. „Mir gefällt dein Brusthaar.“

Er hielt in dem Moment inne, als er sich zwischen meinen Schenkeln positioniert hatte, und blinzelte ein paar Male. „Das freut mich. Mir gefällt deine Brust, aber ohne Haare.“

„Ich meine, dass mir dein ganz besonderes Haar gefällt.“ Ich ließ meine Finger durch das weiche Haar gleiten und genoss das kitzlige Gefühl auf den Fingerspitzen, als ich der schmalen Linie von Haaren folgte, die sich über seinen Bauchnabel erstreckte, eine dünne Linie, die nach Süden ging, bis sie auf seinen Penis traf. „Es ist so weich.“

„Beam?“

„Hmm?“ Ich ließ meine Hände verrücktspielen auf seinem Bauch und bewegte mich hinüber zu den ausgeprägten Muskeln an seinen Seiten. Er war dort ein bisschen kitzlig, also stellte ich sicher, dass ich ihn fest statt neckend berührte.

„Gibt es einen Grund, warum du mich noch nicht zu deinem sich aufbäumenden Hengst gemacht hast? Denn ich bin mir ziemlich sicher, wenn ich nicht innerhalb der nächsten zehn Sekunden in dir bin, dann kann der ganze Spaß hier vorbei sein.“ Seine Finger waren zurück und wanden sich wieder in mich, zwei Finger brachten mich dazu, mich aufzubäumen und mich an ihm festzuklammern, als meine sensiblen inneren Teile nahe eines Orgasmus waren.

„Ich kann nicht … Neo, das ist nicht fair … Nein, nicht aufhören, noch einmal … Ich kann nicht … Was hast du gesagt?“ Mir fiel es schwer, Worte zu formen, als seine Finger mich weiter streichelten. Aber als er seine Hand zwischen meinen Oberschenkeln zurückzog, begann ich Einwände zu erheben, bevor ich plötzlich quietschte, als er es fertigbrachte, uns in einer Art erotischer Ninja-Bewegung umzudrehen, sodass ich flach auf dem Rücken lag und Neo über mir aufragte, meine Beine hochzog und sie um seine Hüften legte. „Wenn du nicht willst, dass ich der Hengst bin, dann kannst du das ja machen.“

Er stieß in mich, keine sanfte Bewegung eines Liebhabers, der umgarnte, sondern die eines Mannes, der seine Frau in Besitz nahm. Meine Hüften erhoben sich vom Bett, um auf seine zu treffen, als er wieder und wieder zustieß, sein Mund war zuerst auf meinem Schlüsselbein, dann auf meinem Nacken und schließlich auf meinem Mund.

Unsere Körper arbeiteten zusammen und strebten diesem einen Moment zu, während wir die Leidenschaft willkommen hießen, die zwischen uns aufgeflammt war, seit wir uns das erste Mal getroffen hatten.

„Zu … viel?“, fragte er keuchend, als er damit fortfuhr, in meinen Körper zu stoßen.

„Nein. Mehr. Ich will alles von dir“, sagte ich und stöhnte, als mein Körper den Eindringling begrüßte. Ich krallte mich in seinen Rücken und fühlte die Feuchtigkeit, die mir verriet, dass er hart arbeitete, um uns beiden Vergnügen zu bereiten, der salzige Geschmack von seiner Haut, als ich ihn sanft in die Schulter biss. Es war alles zu viel, zu viele Gefühle, und ich gab mich dem Orgasmus hin, der mich zitternd zurückließ aufgrund seiner Intensität.

Neo stieß nun wild zu, harte, schnelle Bewegungen, die das Bett erschütterten – dann für einen Moment hielt er inne und seine Pupillen waren riesig in seinen Augen, bevor er auf mir zusammenbrach. Seine Hüften vollführten noch einige Male kleine stoßende Bewegungen, bevor er sich komplett entspannte.

„Lieber Himmel, das war … Mensch, so war es noch nie zuvor, oder?“, brachte ich hervor und küsste seinen Nacken und wickelte meine Arme um ihn und genoss das Gefühl meines keuchenden Atems fast so sehr, wie ich darüber froh war, dass er ebenfalls immer noch keuchte; offensichtlich versuchte er Sauerstoff in seine Lungen zu bekommen. Sein Atem war noch ein paar Minuten heiß auf meiner Schulter, bevor er es schaffte, sich von mir herunterzurollen.

„Nein. Wenn das der Effekt vom Verheiratetsein ist, dann werde ich jeden Tag ins Fitnessstudio gehen müssen, denn wenn ich das nicht tue, wirst du mich umbringen“, sagte er immer noch keuchend. Er starrte an die Decke und sein Körper war auf dem Bett ausgebreitet wie der griechische Gott, der er ja auch war. Ich fühlte mich unglaublich warm, sicher und glücklich, kuschelte mich an seine Seite, eine Hand besitzergreifend auf seiner Brust platziert, obwohl unser Sex mich offensichtlich all meiner Knochen beraubt hatte.

„Ja, ich habe das Gefühl, ich sollte mich für einen dieser Pilateskurse anmelden. Ich muss an meinem Durchhaltevermögen arbeiten“, stimmte ich zu und fragte mich, wie das Leben so wunderbar sein konnte.

Sein Telefon summte ein Lied.

„Du musst an gar nichts arbeiten“, sagte er und nahm das Telefon in die Hand. „Du bist perfekt in absolut jeder – zur Hölle und verdammt.“

Ich stützte meinen Kopf auf eine Hand und beobachtete das Stirnrunzeln, das seine Brauen zusammenzog. „Ich hoffe, der letzte Teil war nicht an mich adressiert. Was ist los?“

Sein Kiefer zuckte zweimal, bevor er antwortete: „Meine Mutter“, bevor er sich aufsetzte, um den Anruf zu beantworten.

Ich überlegte, neben ihm zu bleiben, um ihm Unterstützung zu geben, weil ich wusste, dass er seinen Eltern mitteilen würde, dass wir seit ein paar Stunden verheiratet waren, aber ein allgemein klebriges Gefühl gab mir die Entschuldigung, meine Abneigung von jeglicher Konfrontation nachzugehen, und so krabbelte ich aus dem Bett mit einem geflüsterten: „Ich werde mich mal saubermachen gehen“, bevor ich zum Badezimmer eilte.

Das Gebrüll fing fünf Minuten später an. Ich hatte schnell geduscht und benutzte Neos Föhn, als ich seine gedämpfte Stimme über das Getöse der Luft neben meinem Kopf hörte. Ich schaltete den Föhn aus, wickelte mich in seinen seidenen Bademantel und ging zur Badezimmertür.

Neo schritt durch das Zimmer und war splitternackt, seine Hände gestikulierten wild, als er laut redete. Sein Telefon war offensichtlich auf Lautsprecher eingestellt, denn ich konnte die hohe Stimme einer Frau hören, die die Luft durchschnitt, bevor ich überhaupt die Tür vollständig geöffnet hatte.

„… komplett lächerlich zu denken, du seist alt genug, um solche Entscheidungen zu treffen. Wer ist diese Frau? Warum hast du zugelassen, dass sie dir die Ehe aufzwingt? Behauptet sie, sie sei schwanger? Wenn das der Fall ist, dann kann ich dir versichern, das ist eine Falle und nichts weiter.“

„Niemand hat mir die Ehe aufgezwungen“, brüllte Neo mit dem Rücken zu mir und den Händen auf den Hüften, während er das Telefon anstarrte, das auf dem Bett lag. „Genau genommen war es sogar umgekehrt. Ich musste Beam davon überzeugen, mich zu heiraten. Sie wollte zuerst nicht. Sie dachte, wir sollten mehr Zeit miteinander verbringen, bevor wir heiraten, aber ich habe sie davon überzeugt, dass sie die Frau ist, die ich will.“

„Eine Indianerin?“, sagte Neos Mutter mit einer Stimme, die mir eine Gänsehaut bescherte. „Neo, mein Schatz, ich habe von solchen Leuten gehört. Sie suchen alle verzweifelt nach einem Sugar Daddy und du …“

„Genug!“, bellte Neo und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das lang und seidig ohne Mühe wieder aus seiner Stirn fiel auf eine Art, bei der ich jedes Mal dahinschmelzen wollte. „Du hörst mir nicht zu, mal davon abgesehen, dass du dich respektlos gegenüber Beams Erbe benimmst. Es heißt Native American und nein, sie hat nicht nach einem Sugar Daddy gesucht. Zur Hölle, sie ist in Oxford! Was glaubst du, wie sie hierhergekommen ist, wenn sie so arm wäre?“

Ich wollte gerade meine Hand nach ihm ausstrecken, zögerte aber und zog meine Finger wieder zurück, ein bisschen verletzt. Neo wusste sehr wohl, dass meine Mutter hatte hart arbeiten müssen, um meine Schwester und mich zu versorgen, und dass wir nicht viel Geld übrig hatten für irgendetwas anderes wie zum Beispiel eine Universitätsausbildung. Wenn ich nicht das Whaddon-Stipendium bekommen hätte, dann hätte ich niemals genug Geld zusammenkratzen können, um auf irgendeine gute Universität zu gehen, ganz zu schweigen von einer in Übersee.

„Neo.“ Eine männliche Stimme sprach nun, offensichtlich sein Vater, denn der Mann spukte diverse Dinge auf Griechisch aus, die ich nicht verstand.

„Das ist mir egal“, sagte Neo und selbst von dort, wo ich hinter ihm stand, konnte ich erkennen, wie er die Kiefer zusammenpresste. „Sie ist überhaupt nicht so. Wir kennen einander seit sechs Monaten. Es ist nicht so, als sei Beam eine Fremde.“

Ich starrte seinen Rücken an und mein Blick wanderte von seinem Hinterkopf mit dem schönen schwarzen seidigen Haar hinab zu seinen breiten Schultern, die jedes Mal dafür sorgten, dass ich mich sehr feminin fühlte, obwohl ich fast eins achtzig groß war. Die Art, wie sich sein Rücken zu seinen Hüften hinab verengte, raubte mir den Atem und sein Hintern, die Haut blass verglichen mit seinen Beinen und seinem Rücken, sorgte immer dafür, dass es mir in den Fingern juckte, seine Hinterbacken zu berühren.

„Liebling, du musst zugeben, dass dein Vater und ich mehr Erfahrung haben“, sagte seine Mutter mit einschmeichelnder Stimme. „Du bist so jung. Denk an all die Mädchen, die sich dir zu Füßen geworfen haben in den letzten paar Jahren. Wir hatten bei ihnen allen recht, nicht wahr? Du musst darauf vertrauen, dass wir nur deine Interessen verfolgen, wenn wir dir sagen, dass eine Ehe jetzt, jenseits unseres Schutzes, nicht die Handlung eines reifen Mannes ist, von dem du behauptest, dass du das seist.“

Neo holte tief Luft. „Ich habe euch gesagt, als ich nach England gezogen bin, dass ich bei der Wahl meiner Freundinnen nicht eure Zustimmung einholen werde. Ich werde auch nicht zulassen, dass ihr diese Beziehung zerstört. Bis jetzt habt ihr jedes andere Mädchen vergrault, das an mir Interesse gezeigt hat, und keines war mir auch nur ansatzweise so wichtig wie Beam. Wir sind verheiratet. Wir sind volljährig. Gewöhnt euch an den Gedanken.“

„Glaubst du wirklich, dass wir zulassen werden, dass du dein Leben an die kleine Hure verschwendest, die es geschafft hat, ihre Krallen in dich zu schlagen?“, schrie seine Mutter fast mit schriller Stimme, die durch mich hindurchschnitt wie ein Messer.

Neo musste gehört haben, wie ich meine Arme um mich wickelte, um mich vor der Attacke zu schützen, denn er drehte sich um, um mich anzusehen, und streckte eine Hand nach mir aus. „Ich habe genug davon. Beam hat nichts getan, um eure Verachtung zu verdienen, und ich werde nicht zulassen, dass ihr sie so behandelt. Ich rufe euch später an, wenn ihr euch beruhigt habt.“

Ich nahm seine Hand und mein Bauch fühlte sich an, als sei er mit Blei gefüllt. Kaltem, klammem Blei.

Neo piekste auf sein Telefon ein, um das Gespräch zu beenden, bevor er mich in seine Arme zog und mich fest gegen seine großartige Brust drückte. „Beam, ich verbiete dir, dich aufzuregen.“

„Das verbietest du mir?“, sagte ich und lachte zittrig, obwohl Tränen in meinen Augen brannten. „Wer ist jetzt bestimmend?“

Er drückte mich, dann zog er sich weit genug zurück, um mir einen lauten Kuss zu geben. „Wir werden uns abwechseln damit, bestimmend zu sein, in Ordnung? Liebling, weine nicht. Meine Eltern können sehr beschützend sein, und das vermittelt manchmal den falschen Eindruck. Lass dich von ihren Kommentaren nicht verletzen. Unsere Neuigkeiten haben sie überrascht, aber sie werden sich beruhigen, du wirst schon sehen. Sie werden gar nicht anders können als dich genauso zu lieben wie ich das tue.“

Ich wollte ihm unbedingt sagen, dass die Wut, die ich in der Stimme seiner Mutter gehört hatte, nicht danach klang, als würde sie mich leicht als Schwiegertochter akzeptieren, aber ich glaubte nicht, dass ich noch mehr Auseinandersetzungen aushalten würde. Gerade jetzt hatte ich genug und musste mit dem zurande kommen, was in der letzten Woche passiert war. „Bist du sicher, dass du nicht mit mir nach Hause kommen willst?“, fragte ich stattdessen und wünschte, dass ich ihn darum bitten könnte, mit mir zu kommen, aber ich wusste, dass er bleiben musste, um in der nächsten Woche die Prüfungen zu absolvieren. Wir hatten beschlossen, dass er in Oxford bleiben würde, und wenn ich mit Autumn in ein oder zwei Wochen zurückkommen würde, würde ich mich wieder für St. Anne‘s bewerben.

„Ich wünschte, das könnte ich, Sonnenschein“, sagte er und wischte eine Träne weg, die mir über die Wange lief. „Aber es wird so besser sein, solange du alleine mit deiner Schwester klarkommst. Es wird eine Sache weniger sein, die uns meine Eltern vorwerfen können.“

Den Rest des Abends verbrachte ich damit, meine Sachen zusammenzusammeln und meiner Studienberaterin zu erklären, warum ich genau in der kritischen Phase des Semesters nach Hause musste, und ihr zu versichern, dass der Verlust des Stipendiums nicht bedeuten würde, dass ich nicht meinen Abschluss machen würde.

Meine innere Stimme bequatschte mich den ganzen Weg nach Hause, aber ich tat mein Bestes, um sie zu ignorieren. Ich brauchte nicht noch mehr Negativität in meinem Leben. Jetzt war meine Zeit für Glück.

Mein Magen verkrampfte sich auf eine Art, die pure Warnung war vor den Dingen, die noch kommen würden.

 

16 Tage später

„Muss ich hier ganz alleine bleiben? Kann ich nicht mit dir kommen?“ Autumns Gesichtsausdruck war wachsam, als sie sich in der Lobby umschaute. „All diese Leute sind so … schick.“

Ich wusste genau, was sie meinte. „Schick“ war das Codewort meiner Mutter gewesen für die wohlhabenden Touristen, die nach Santa Fe und Albuquerque kamen. Das Apartmentgebäude, zu dem ich in meiner Verzweiflung gekommen war, um ein paar Antworten zu erhalten, war tatsächlich voll von Leuten der Oberschicht Athens.

„Überleg dir, dass das eine gute Möglichkeit ist, Geschichten über all die Leute zu schreiben, die du hier siehst“, sagte ich meiner kleinen Schwester und war mir sehr wohl bewusst, dass ich ihr Interesse instrumentalisierte, eine Autorin zu sein, um sie mir für ein paar Minuten vom Hals zu halten. „Ich werde nicht lange weg sein. Such dir zehn der interessantesten Leute aus, die du siehst, und wenn du dir ihre Hintergrundgeschichten ausgedacht hast, werde ich zurück sein.“

„Versprochen?“, fragte sie und setzte sich auf einen der Sitze aus Leder und Chrom, die in der Lobby verstreut standen, und warf einen weiteren Blick hinüber zu dem gebogenen, auf Hochglanz polierten Tresen, an dem die Concierges in einer Gruppe von drei standen und uns beobachteten.

„Hand aufs Herz“, sagte ich und schenkte ihr ein Lächeln, das voll von Selbstbewusstsein war, das ich nicht fühlte, bevor ich mich umdrehte, hinüber zu den Aufzügen schritt und zu der Gruppe der Concierges hinübernickte. Einer von ihnen kam herüber, eine junge Frau, die auch sehr gut hätte als Modell arbeiten können, und folgte mir in den Aufzug. Sie benutzte eine Sicherheitskarte, um den Aufzug ins Penthouse fahren zu lassen.

„Natürlich lebt Neo im Penthouse“, sagte ich leise und meine Handflächen waren so verschwitzt, dass ich mich davon abhalten musste, sie an dem zarten Netzgewebe des Rocks des schönsten Kleides abzuwischen, das ich besaß.

„Verzeihung?“, fragte die Frau, die mich begleitete. Ihr Gesichtsausdruck war der eines leichten Unglaubens, als ob sie nicht verstehen könnte, warum Neos illustre Familie ihr aufgetragen hatte, mich in ihr Apartment zu bringen.

„Nichts. Ich bin nur ein bisschen nervös. Ich habe noch nicht meine … Neos Familie getroffen. Sie wissen, wie das ist, wenn man die Eltern des Freundes zum ersten Mal trifft … Die Eltern des Ehemanns.“

Sie schaute sogar noch ungläubiger bei dem Wort Ehemann, aber offensichtlich hatte man ihr gesagt, dass sie solche Einschätzungen für sich behalten sollte, auch wenn sie sich auf ihrer Miene spiegelten.

Den Rest des Weges legten wir schweigend zurück. Wieder einmal schien es mir unmöglich zu sein, tief durchzuatmen, aber diesmal lag es nicht an Unsicherheit, sondern an Angst. Und Schmerz. Und Wut. Ich versuchte alles zu verdrängen - bis auf die Wut.

Die Türen öffneten sich mit einem Piepsen und gaben den Blick frei auf einen cremefarbenen Teppich und ein cremefarbenes Sofa, das an einer freistehenden Wand stand, die vom Boden bis zur Decke mit einem abstrakten Wandgemälde bedeckt war - in Grün-, Blau- und Grautönen.

Ich starrte es an und fragte mich, was hinter der Wand war, mein Magen drehte sich auf solch eine Art um, die mich davor warnte, dass Übelkeit der nächste Schritt sei. Meine Fingernägel gruben sich in meine Handflächen, als ich versuchte, mein wild schlagendes Herz zu beruhigen.

„Madame?“, sagte die Concierge und warf mir einen kühlen Blick zu. „Ich muss den Aufzug nach unten nehmen.“

„Okay“, sagte ich, aber ich brauchte noch eine halbe Minute, bevor ich aus dem Aufzug heraustreten konnte. Mein Rock flatterte in der leichten Brise, als die Tür sich schloss. Für ein paar Sekunden stand ich schweigend da und war unsicher, was ich jetzt tun sollte. Neo und seine Familie mussten wissen, dass ich hier war, weil die Leute am Empfangstresen hier oben hatten anrufen müssen, um die Genehmigung zu erhalten, mich heraufzulassen, und trotzdem war niemand hier, um mich zu begrüßen. Sollte ich einfach um die Wand herumgehen und durch ihr Penthouse wandern?

Mein Magen geriet ins Schlingern. Ich schritt einige Meter vorwärts und rief: „Hallo? Ist da jemand?“

Ein Rascheln wurde gefolgt von dem Klicken von High Heels auf dem polierten Boden und brachte mich dazu, die Schultern zu straffen und ein Lächeln auf meine steifen Lippen zu zwingen.

„Also, Sie sind hier.“ Die Frau, die auf mich zuschritt, war ganz und gar nicht das, was ich erwartet hatte. Nach der Auseinandersetzung zu urteilen, die Neo mit seiner Mutter vor zwei Wochen gehabt hatte, hatte ich erwartet, dass Mrs. Papaioannou eine Art Drachenfrau sei, bestehend aus angespitzten blutroten Fingernägeln, harten engen Linien und zusammengepressten Augen. Die Frau, die jetzt auf mich zu marschierte, war groß und elegant mit langem blondem Haar, das von Experten gefärbt und mit Highlights versehen war, in einem ebenso eleganten Etuikleid in tiefstem Amethyst.

Allerdings waren ihre Augen so kalt wie Granit.

„Ja, da bin ich. Ich würde gerne Neo sehen, wenn das möglich ist“, sagte ich höflich und versuchte krampfhaft, mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen bei so einer einschüchternden Frau.

Sie ließ ein Schnauben hören, tatsächlich ein Schnauben, bevor sie antwortete. „Das ist nicht möglich. Neo will nichts mit Ihnen zu tun haben. Genau genommen hat er mir verboten, Sie überhaupt hier hoch zu lassen, aber ich habe ihm gesagt, dass ich Sie treffen möchte. Ich wollte selbst die Wahrheit sehen von dem, was er sagt.“

„Was … Was hat er gesagt?“, fragte ich und räusperte mich, als mir die Stimme brach.

„Camilla? Wo bist du hin? Die Dokumente sind gerade gekommen, die diese Frau betreffen, die versucht hat, Neo zu bestehlen …“ Ein Mann kam um die Ecke und hielt inne, als er mich sah, aber ich hatte das Gefühl, dass seine Überraschung und die dramatische Pose, die er einnahm, gespielt waren und er sehr wohl wusste, dass ich hier war. Er sah ein bisschen aus wie eine etwas verschwommene Version von Neo, sein dunkles Haar lockig statt glatt und mit dem ersten Grau versehen. „Wer ist das?“

„Diese Amerikanerin“, sagte Neos Mutter und ein Arm lag über ihrer Hüfte, sodass sie den Ellenbogen der anderen Hand darauf stützen und sich mit den Fingern auf die Lippen tippen konnte, die hervorragend manikürt waren.

Neos Vater, ich erinnerte mich, dass sein Name Aris war, trat einen Schritt zurück, als ob er entsetzt wäre über meine Anwesenheit. „Nein! Sie wagt es hierher zu kommen, in unser Haus?“

„Ich habe nichts von Neo gestohlen“, sagte ich und wollte gleichzeitig weinen und mich erbrechen. „Wir haben geheiratet, das ist alles. Es tut mir leid, wenn Ihnen diese Tatsache nicht gefällt, aber es war völlig legal, denn wir haben die Bedingungen beachtet, die es braucht, um in England zu heiraten. Ist Neo hier? Ich muss ihn wirklich sehen. Ich muss wissen, warum …“ Ich hielt inne und war unfähig weiterzureden vor diesen zwei glatten Leuten von Welt, die mich anschauten, als wäre ich ein bisschen Hundescheiße an ihren Schuhen.

„Die Ehe kann unmöglich legal sein“, sagte Aris und wedelte mit einem Stapel Papiere in meine Richtung. „Neo hatte nicht unsere Erlaubnis, zu heiraten.“

„Er ist achtzehn“, argumentierte ich und kämpfte noch immer gegen den Drang an, in Tränen auszubrechen. Von all den Dingen, die ich mir hatte vorstellen können, war eine verbale Auseinandersetzung mit seinen Eltern so ziemlich das letzte auf der Liste der Dinge, die ich in Athen tun wollte. „Das ist in England legal.“

„Wie auch immer, wir werden den Versuch nicht tolerieren, dass du deine kleinen dreckigen Klauen in sein Vermögen schlägst“, sagte Camilla Papaioannou und ging an mir vorbei, um eine Blume in einer Vase zu richten, die auf einem Tisch auf der linken Seite des Sofas stand. „Die Ehe wird annulliert werden.“

„Was?“ Ich schaute von ihr zu Aris und Panik brach in mir aus. „Ich will keine Annullierung.“

„Wir sind im Bilde darüber, was du willst“, sagte Aris. Er holte ein paar weitere Papiere aus dem Ordner und drückte sie mir in die Hand. „Du glaubst, dass du mit jeglicher Abzocke davonkommst, aber glücklicherweise hat Neo Eltern, die auf ihn aufpassen.“

„Ich versuche niemanden abzuzocken“, protestierte ich und schaute auf die Papiere in meiner Hand. Zu meinem Entsetzen waren sie Berichte, die offensichtlich von einem Anwaltsbüro aufgesetzt worden waren, Berichte, auf denen meine Fotos mir entgegengeschrien. „Vorwurf der Prostitution“, war ein Bericht überschrieben. Mein Mund wurde trocken, als ich durch die anderen blätterte, Verwirrung, Scham und Entsetzen mischten sich in einem Cocktail aus einem höllischen Albtraum. „Bewährung wegen Diebstahl“, war ein anderes Blatt überschrieben, während ein drittes verkündete: „Anklage wegen illegaler Substanzen“.

„Was ist das? Da ist mein Bild drauf, aber ich habe noch nie etwas in dieser Art getan.“

„Und trotzdem hatte unser Anwalt überhaupt kein Problem, die Wahrheit über dich herauszufinden“, sagte Aris und nahm mir die Papiere aus den tauben Fingern. „Neo war sehr interessiert daran, diese Neuigkeiten über die Frau zu erfahren, die ihn in eine illegale Ehe gezwungen hat, sehr interessiert. Und natürlich angewidert, aber seine Mutter und ich haben das der Tatsache zugeschrieben, dass du ihn sehr geschickt eingewickelt hast.“

Die Welt verschwamm mir vor Augen. Ich streckte eine Hand aus und hatte das Gefühl, ich würde fallen, aber nach ein paar Sekunden verschwanden die schwarzen Punkte vor meinen Augen wieder. Ich schaute hinüber zu Neos Mutter. „Das sind alles Lügen. Ich habe niemals in irgendwelchen Schwierigkeiten gesteckt. Ich bin keine Prostituierte oder eine Diebin und ich habe auch keine Drogen genommen. Ich weiß nicht, warum Sie Papiere haben, die verkünden, dass ich die schlimmste Person überhaupt sei, aber das stimmt nicht. Wenn ich nur Neo sprechen könnte …“

„Ich habe ihr gesagt, dass er sie nicht sehen will“, sagte Camilla und schritt an mir vorbei, um sich neben ihren Mann zu stellen. „Ich habe ihr gesagt, dass nur der Gedanke an sie ihn angewidert.“

„Und trotzdem, hier steht sie. Naja, wir können diesen Moment nutzen, so unwillkommen er auch sein mag.“ Aris zog einen weiteren Stapel von Papieren aus dem Ordner und reichte ihn mir. „Wenn du auch nur ein wenig Anstand in dir hast, dann unterschreibst du die Annullierungspapiere jetzt. Wenn nicht, dann sind wir gezwungen, Anklage gegen dich zu erheben wegen Betrugs, und du wirst ins Gefängnis gehen.“

„Gefängnis?“, sagte ich mit einem Keuchen und versuchte, einen Sinn zu finden in dem Wahnsinn, in den ich hineingeraten war. „Wegen was? Der Ehe mit Neo?“

„Und dem Versuch, ihn zu betrügen“, fauchte Aris.

„Du hast eine Schwester, oder nicht?“, fragte Camilla. „Ohne Zweifel steckt sie in dieser ganzen abgeschmackten Affäre mit drin, aber wenn du sie aus den Schwierigkeiten heraushalten willst, dann tust du, was richtig ist, und unterschreibst.“

Ich schaute auf die Papiere und fragte mich, was passiert war in der Zeit, in der ich zu Autumn gefahren war. Offensichtlich hatte jemand eine falsche Vergangenheit über mich erstellt, eine, die so abgeschmackt war, dass sie Neo von dem liebevollen, lachenden Mann, den ich vor zwei Wochen verlassen hatte, in einen verwandelt hatte, der sich weigerte, mich zu sehen. „Ich … ich will mit Neo sprechen“, wiederholte ich.

„Das wird nicht passieren“, sagte Aris und seine Worte klangen abgehakt und so frostig wie ein Eisberg. „Unterschreib die Papiere, bevor wir juristische Schritte gegen dich einleiten. Kriech zurück in das Loch, aus dem du gekommen bist. Uns kümmert nicht, was du tust, solange du dich von unserem Sohn fernhält.“

„Zurück?“, fragte ich und mein Gehirn fühlte sich an, als würde es in Brei schwimmen. Ich hatte Probleme damit, es zum Arbeiten zu bewegen, zu denken, herauszufinden, was passierte. „Das kann ich nicht. Ich habe mein letztes Geld dafür verwendet, hierher zu kommen. Wenn ich einfach nur mit Neo sprechen könnte, ihm erklären könnte, dass nichts davon die Wahrheit ist, wenn ich verstehen könnte, warum er England verlassen hat, dann könnten wir diese ganze Annullierungssache hinter uns lassen.“

„Unterschreib!“, fauchte Aris. „Ich verspreche dir, dass es dir sehr leid tun wird, wenn du das nicht tust.“

Ich schluckte die Tränen herunter, die in mir aufwallten bei seiner wenig verhüllten Drohung. „Meine Mutter hat mir beigebracht, niemals etwas zu unterschreiben, ohne es gründlich zu lesen.“

„Liebling“, knurrte Camilla, ihre Hand auf dem Arm ihres Mannes. „Nicht, dass ich diese Handlungen gutheißen würde … dieser … Frau, aber es ist wahr, dass Neo sehr leicht von denen beeinflusst werden kann, die auf seine noblen Gefühle eingehen. Wie oft hat er unsere Unterstützung gesucht, um die eine oder andere bedürftige Person zu unterstützen? Vielleicht, wenn diese Bean …“

„Beam. Mein Name ist Beam“, sagte ich geistesabwesend, mein Gehirn wirbelte durcheinander wie ein Hamster, der in seinem Rad gefangen war.

„… seine altruistische Sensibilität angesprochen hat, dann würde es uns gut zu Gesicht stehen, sie mit der Barschaft zu versehen, damit sie nach Hause fahren kann.“

Ich starrte sie an und die Worte machten genauso wenig Sinn wie alles, was ich in den letzten zehn Minuten gehört hatte. „Ihr wollt mich bezahlen? Für was? Um die Annullierung zu unterschreiben?“

„Natürlich nicht“, sagte Aris und verzog die Lippen. „Das wäre illegal. Aber meine Frau hat recht. Neo, großzügig wie er nun einmal ist, würde nicht wollen, dass seinetwegen jemand Not leiden müsste. Wir werden dich natürlich mit den nötigen Finanzen ausstatten, damit du in die Staaten zurückkehren kannst. Zweitausend Dollar, glaube ich, sollten genügen.“

„Na, Liebling, lass uns nicht so knauserig sein“, krähte Camilla, die immer noch seinen Arm hielt, und hatte einen selbstgerechten Gesichtsausdruck, der mich dazu brachte, weglaufen und mich verstecken zu wollen. „Zehntausend Dollar sind mehr als großzügig, aber das wäre, was Neo wollte.“

Ich starrte sie für einen Moment an, dann wanderte mein Blick zu Aris, Wut und Scham kämpften in mir, aber glücklicherweise gewann die Wut.

Es war sinnlos. Irgendwie hatten sie Neo belogen und er glaubte ihnen. Ich wusste, dass ich ihn niemals würde erreichen können. Es gab keine Möglichkeit, dass ich gegen diese Leute kämpfen konnte. Sie hatten alles – Macht, Geld, Einfluss – und alles, was ich hatte, waren einfache Familienverhältnisse und ein Talent für Mathe und Programmierung. Es gab keine Möglichkeit, dass ich gegen sie gewinnen könnte.

„Behaltet euren Judaspfennig“, sagte ich und ließ die Annullierungspapiere fallen. Sie trafen auf den Boden mit einem sanften Geräusch. Ich drehte mich um und schritt zum Aufzug hinunter, drückte auf den Knopf und reagierte überhaupt nicht, als sie allerhand Beleidigungen in meine Richtung brüllten, indem sie mich von Goldgräber bis Schlampe so ziemlich alles nannten. Die Aufzugtüren öffneten sich und ich trat ein, dann drehte ich mich um, um sie anzusehen, mein Körper fühlte sich betäubt an, als wäre ich ohne Verbindung zu ihm.

Ich sagte nichts, als Aris, nun rot im Gesicht, drohte, dass er mich in das widerwärtigste Gefängnis werfen lassen würde, das er finden könnte, während Camilla auf und ab schritt und Gott dafür dankte, dass sie die Wahrheit über mich herausgefunden hatten, bevor Neo unwiderruflich eingewickelt worden wäre.

Die Türen schlossen sich genau dann, als meine Taubheit von mir abfiel, und ich brach auf dem Boden des Aufzugs zusammen, endlich kamen die Tränen.

 

45 Tage später

„Beam! Was machst du denn hier? Ich dachte, du wärst mit Autumn in England?“

Ich zwang ein Lächeln auf meine Lippen und gab mich der Umarmung von der Daria hin, die ich kannte, seit wir auf dem Gymnasium gewesen waren. „Das war ich. Wir … oh lieber Himmel. Wir mussten zurückkommen.“

„Hast du geweint?“ Daria schaute sich auf dem Flur des Wohnheims um, wo sie während des Semesters an der nahe gelegenen Universität lebte, dann zog sie mich in ihr Zimmer, bevor sie die Tür schloss. „Süße, was ist los? Wo ist dein hübscher Grieche?“

„Weg“, sagte ich und schluckte die Tränen herunter. „Ich werde dir erzählen, was passiert ist, aber du darfst mich nicht unterbrechen, denn wenn ich anfange zu weinen, dann kann ich nicht mehr aufhören.“

„Hinsetzen“, sagte sie und deutete auf ihr Bett während sie sich auf dem ihrer Zimmergenossin zusammenrollte. „Ich verspreche, ich werde gar nichts sagen, bis du fertig bist.“

„Du wirst mal eine tolle Psychologin“, sagte ich ihr und verbrachte dann die nächsten fünfzehn Minuten damit, ihr den höllischen Albtraum meines Lebens zu erzählen.

Als ich fertig war, sagte sie nur: „Also seid ihr jetzt geschieden?“

„Genau genommen war es eine Annullierung. Ich habe gerade die letzten Papiere erhalten.“ Ich spielte mit dem Zipfel meiner Bluse und hasste die Tatsache, dass ich so erbärmlich rüberkam, aber ich musste einem Freund erzählen, was passiert war.

„Annullierung?“ Daria zog die Nase kraus. „Machen sie das nicht aus religiösen Gründen?“

„Ich weiß nicht. Neos Familie hat das eingefädelt.“

„Oh, Süße.“ Sie kam näher, um sich neben mich zu setzen, und verpasste mir eine Umarmung, die mich ein bisschen besser fühlen ließ. „Das ist einfach der allergrößte Mist. Wenn du nicht darüber reden willst, dann verstehe ich das total.“

„Nein, ich sollte darüber reden. Ich habe das Gefühl, keiner versteht das. Autumn ist verwirrt. Und ich werde verrückt dabei, einen Job zu finden, der uns über Wasser hält. Du bist also die Garantie für meine geistige Gesundheit.“

„Und ich bin froh, dass ich das sein kann, obwohl es mir leid tut, dass das überhaupt nötig ist. Geht es dir gut?“

„Nicht wirklich. Ich schlafe nicht gut. Völlig unvorbereitet breche ich in Tränen aus. Ich bin so verletzt und sauer auf Neo … und seine Eltern.“

„Sie klingen wie Arschlöcher.“

„Schlimmer. Reiche, privilegierte Arschlöcher. Die ausgetickt sind, als sie gehört haben, dass Neo und ich geheiratet haben.“

„Und das nur wegen dir?“, fragte sie. „Nicht auch seinetwegen?“

„Nur meinetwegen. Wenigstens glaube ich, dass sie Neo keine Schwierigkeiten gemacht haben. Ich bin mir nicht sicher, denn er ist ja einfach … verschwunden. Wir wollten eine Wohnung zusammen mieten, aber als ich mit Autumn nach England zurückkam, war er weg. Sein Zimmer am St. Anne‘s, dem College in Oxford, das wir besuchten, war leer. Es war so, als sei er niemals dort gewesen. Das Einzige, was ich von allen erfahren habe, war, dass er ein paar Tage nach unserer Hochzeit nach Hause gefahren ist, während ich hier war, um mich um die Formalitäten zu kümmern, die mit dem Tod von Cousine Calypso zusammenhingen.“

„Es tut mir so leid, dass sie gestorben ist“, sagte Daria und umarmte mich wieder.

„Mir auch. Manchmal habe ich das Gefühl, meine Familie ist verflucht.“

„Du bist also nicht zurück nach England? Nach Oxford? Ist diese Whaddon-Sache jetzt definitiv gestorben?“

„Ja. Sie lassen mich nicht wieder rein und ohne ihre Hilfe kann ich mir auch Oxford nicht leisten.“

Daria runzelte die Stirn und schaute auf ihre Hände. „Das ist einfach so ein großer Mist. Es muss etwas geben, was wir tun können. Irgendeine Art, auf die du Geld auftreiben kannst. Vielleicht kann Neos Familie …“

„Brrr.“ Ich schüttelte mich. „Erwähne das noch nicht einmal.“

Sie hob die Augenbrauen. „Willst du sagen, dass sie angeboten haben, dir zu helfen?“

„Wenn du mit helfen meinst, dass sie versucht haben mich zu bestechen, damit ich die Annullierungspapiere unterschreibe, dann ja. Ich habe ihr Angebot nicht angenommen. Ich konnte einfach nicht.“

„Nein, ich nehme an, das konntest du nicht“, sagte sie mit einem Seufzen. „Ich nehme an, Neo ist auch keine Hilfe?“

„Ich habe keine Ahnung. Er redet nicht mit mir. Ich habe versucht, ihn durch ein paar gemeinsame Freunde zu kontaktieren, aber sie sagen, dass er sich weigert mir zu antworten. Also nehme ich an, dass seine Eltern gewonnen haben. Sie haben sich einen Haufen Lügen ausgedacht und sie an ihn gefüttert und er hat sie geglaubt.“

„Mensch. Ich kann mir noch nicht einmal vorstellen, wie sich das anfühlt.“

Ich stand auf, weil ich nicht länger stillsitzen konnte, mein Körper fühlte sich nervös an, als würde es helfen, meine wild gewordenen Emotionen unter Kontrolle zu bekommen. „Es war so herabwürdigend, Daria. Mehr als herabwürdigend. Es ist so, als würden meine Gefühle über mich hereinbrechen.“

„Also, du betrauerst den Verlust einer Beziehung. Ich nehme an, dass das bedeutet, dass du momentan alles sehr intensiv erlebst.“ Sie saß mit überkreuzten Beinen da, ihren Kopf ein bisschen zur Seite gelegt, als sie mich beobachtete.

„Was am meisten wehtut, ist die Tatsache, dass Neo ihnen statt mir geglaubt hat. Er glaubt diesen Haufen Lügen über mich. Mich! Wir waren sechs Monate zusammen! Und trotzdem, als es hart auf hart kam, hat er sich für seine Eltern statt für mich entschieden.“

„Ja, das würde jeden anzählen“, stimmte sie zu.

Ich wirbelte herum, um sie anzusehen, und schlug mit den Händen auf meine Beine. „Er hätte wissen sollen, dass ich nichts von diesen Dingen getan habe, die seine Eltern behaupten. Er hätte wissen sollen, dass ich nicht versuchen würde, ihn auf diese Art zu benutzen. Das hätte er einfach wissen sollen. Oh Gott, ich halte das nicht durch. Es ist alles so schrecklich. Alles ist jetzt in die Brüche gegangen. Ich kann nicht zurück nach Oxford. Ich muss mir einen Job suchen, um Autumn und mich über Wasser zu halten. Alles, von dem ich geträumt habe, alles, was wir vor zwei Monaten hatten, ist verschwunden. Es ist alles zu Staub zerfallen. Ich werde ihm das niemals vergeben. Ihnen niemals vergeben. Niemals!“

„Beam …“

„Das kann ich nicht. Es tut mir leid, Daria, aber ich kann einfach nicht mehr. Ich rede später mit dir, in Ordnung?“, sagte ich und eilte aus der Tür.

„Ich bin hier, wenn du mich brauchst“, rief sie mir hinterher, als ich aus ihrem Zimmer stürzte.

Ich versuchte meinen Gedanken davonzulaufen, aber selbst als ich dabei war, wusste ich, dass es nicht funktionieren würde. So oder so hatte ich nun eine Vergangenheit, die ein unerschöpflicher Quell des Leids war.