Interview Olaf Büttner über seinen neuen Thriller Die Frau am See

Worum geht es in deinem Buch Die Frau am See?

Im Vordergrund steht die Entführung eines Kindes durch eine psychotische Frau. Subtil geht es aber vor allem um den Bruch von Normalität, denke ich. Es gibt viele Möglichkeiten, dass unsere heile Welt plötzlich einen Riss erlebt. Hier ist es eine schöne Frau, die plötzlich auftaucht, die heile Welt der Protagonisten sogar noch abzurunden scheint, bis sie ihr wahres Gesicht zeigt und das Leben so in eine völlig andere Richtung lenkt.

 

Wie sah die Entwicklung von der ersten Idee bis zum fertigen Manuskript aus?

Wie in all meinen Büchern: Ein, zwei Figuren tauchen in meinem Kopf auf. Wenn sie sich penetrant genug aufdrängen, lasse ich sie ein wenig agieren, bis sie ein Eigenleben entwickeln und optimalerweise andere Personen hinzu kommen. Sind die Figuren kraftvoll genug, schicke ich sie los in die Geschichte. Die machen das dann schon … ich führe nur noch Protokoll.

 

Was ist besonders an Emily, deiner Hauptfigur?

Ihr unbedingter Wille, die Welt nach dem Jahre zurückliegenden Tod der Mutter endlich wieder lebenswert zu machen … für ihren Vater. Ihre große Energie, dieses Ziel unter allen Umständen erreichen zu wollen, auch als die Voraussetzungen sich um 180 Grad drehen. Ihre Unbeirrbarkeit, diesen Weg zu gehen. Sie ist eine sehr starke und bodenständige junge Frau, die sich nicht beirren lässt.

 

In Die Frau am See spielt das Idealbild der „perfekten“ Familie eine große Rolle. Gibt es so etwas überhaupt?

Ja. Wenn man anerkennt, dass es keine perfekte Familie geben kann, kann eine Familie wirklich perfekt werden. Aber nur dann …

 

Emily zeigt Menschenkenntnis und eine gute Intuition. Ihr Vater hingegen ignoriert viele Warnzeichen erst einmal. Ist es manchmal besser, misstrauisch zu sein?

Wie bei allen wichtigen Dingen im Leben ist es auch hier wichtig, eine gute Balance zu finden. Zu wenig Misstrauen basiert oft auf Naivität, im Falle von Emilys Vater allerdings darauf, dass er tief in sich drinnen noch immer zu sehr mit etwas anderem beschäftigt ist: dem Jahre zurückliegenden Tod seiner Frau. Er lebt sein ganzes Leben viel zu unkonzentriert. Da kann es schon mal passieren, dass man nicht genau genug hinguckt. – Zu misstrauische Menschen jedoch haben es auch schwer, glücklich zu sein. – Also: eine gute Mischung ist immer das richtige.

 

In Die Frau am See hat ein Blind Date folgenschwere Konsequenzen. Denkst du, dass in Zeiten des Online Datings Verabredungen größere Risiken mit sich bringen?

Ja, auf jeden Fall. Man lässt sich auf Fremde ein, Menschen, von denen man nur wenig weiß. Lerne ich jemanden auf „konventionellem“ Weg kennen, weiß ich am Anfang auch nicht wirklich, wer der andere ist. Aber ich sehe seine Augen, seine Reaktionen, sein Lächeln, ein kleines Zucken auf der Oberlippe, die zittrigen oder sicheren Hände. Ich registriere die Art, wie er sich bewegt, höre die Farbe seiner Stimme. Danach beurteile ich, ganz automatisch, ob mir jemand gefällt oder nicht. Ob ich ihn oder sie näher kennenlernen möchte, entscheide ich nach all diesen Puzzleteilen. Das Kennenlernen startet nicht mit dem Lesen eines Online-Profils, in dem jeder versucht, sich gut darzustellen (und das zudem auch noch ein Fake sein kann), sondern mit der Frau, die mir als Mensch gefällt. Für mich ein riesiger Unterschied. Ich bin echt froh, in diesem Punkt noch „Old School“ zu sein ;-)

 

Olaf Büttner Interview Portrait
Foto © Bernd Noehre

Wie sieht dein Schreiballtag aus? Brauchst du zum Schreiben eine feste Routine?

Ja. In der Regel fange ich gegen 8 Uhr an, arbeite mit kleinen Pausen bis zum Mittag. Nach einer Mittagspause dann noch mal 2-4 Stunden. Feierabend mache ich so gegen 17 Uhr, dann sollte aber auch wirklich Schluss sein. Später setze ich mich nur noch mal an die Arbeit, wenn ein Termin drängt.
Ich arbeite noch in einem anderen Beruf, der mich etwa 2 Tage pro Woche „kostet“. Die anderen 5 Tage gehören arbeitsmäßig ganz meiner schriftstellerischen Arbeit. Ein Wochenende im Sinne von „Dann hab ich frei!“ kenne ich eher nicht. Auch im Urlaub schreibe ich (fast immer) ein paar Stunden täglich. Zur Schreib-Arbeit gehört (was viele nicht wissen) allerdings auch die „Verwaltungsarbeit drum herum“: Kontakte zu Verlagen, Agenturen, Presse, Veranstaltern, Steuerberater, Lesern usw. Durchschnittlich brauche ich dafür mindestens 1 Stunde am Tag, das variiert aber und kann auch mal erheblich länger dauern.

 

Fließt auch tatsächlich Erlebtes in dein Schreiben mit ein?

Indirekt natürlich immer. Ich setze mich nicht hin und schreibe die Realität ab. Aber alles, was ich schreibe, ist geprägt und durchwirkt von Dingen, die ich erlebt, gesehen oder gefühlt habe. Daher ist es für mich wichtig, dass bei aller Liebe zum Schreiben und all der Zeit, die ich mit diesem Beruf verbringe, das Leben drum herum nie zu kurz kommt. Mein eigenes Leben ist meine unerschöpfliche Inspirationsquelle.

 

Welche Schreibprojekte hast du als nächstes geplant?

Einen neuen, diesmal längeren Thriller. Eine Fortsetzung meiner eher humorvollen Reent-Reents-Detektiv-Reihe mit den Friesen-Krimis, endlich mal wieder ein neues Jugendbuch und eine Liebesgeschichte.
So ungefähr in dieser Reihenfolge (der Thriller ist schon fast fertig).

 

Und welches Buch liest du gerade?

Andrea de Carlo: Ein fast perfektes Wunder. Also, ehrlich gesagt habe ich es gerade durch und kann schon jetzt sagen, dass es mein neues Lieblingsbuch ist. Eine wunderbar direkte, realistische und doch zugleich subtile und unglaublich feinfühlige Liebesgeschichte. Ich glaube, so ein Buch gelingt einem Schriftsteller nur einmal im Leben. Eben ein fast perfektes Wunder…