Interview Autorin Linda Budinger im Interview

Worum geht es in deinem Buch Die Schatten von Weißenbach? 

Verena, eine alleinstehende Krankenschwester, kann den Gesundheitszustand von Menschen in deren Auren lesen. Weil sie in der Stadt einem Serienmörder in die Quere kommt und von der Bildfläche verschwinden will, tritt sie eine Anstellung in einem einsam gelegenen Herrenhaus an, wo sie rasch dem Charme des Hausherrn verfällt. Doch irgendetwas stimmt in diesem Haus nicht, und Verena muss dem Geheimnis auf die Spur kommen, um einen Ausweg zu finden. Denn wie es scheint, hat auch der Serienkiller ihre Fährte wieder aufgenommen.

  

Wie bist du auf die Idee zu diesem spannenden, aber auch geheimnisvollen Roman gekommen?

Die Geschichte ist ein Mystery-Thriller in der Tradition der klassischen Gothic Novel. Klassisch wie in bedrohte Schönheit schmachtet in finsterem Schloss dem Hausherrn entgegen, der sich, trotz aller Schroffheit, als ihr Traumprinz herausstellt.
Einen Schauerroman zu verfassen, hat mich gereizt. Allerdings wollte ich dem Ganzen einen anderen Dreh verleihen und eine Prise Übernatürliches beifügen.
Außerdem bin ich eine große Märchenfreundin. Auch wenn dank Disney heutzutage vor allem die Prinzessinnen-Geschichten populär sind und die meisten Menschen, Märchen für rosarote Geschichten halten, sind es eigentlich sehr urtümliche Erzählungen, oft um tiefenpsychologische Entwicklungen und Konflikte. Überraschend viele haben eher dunkle Themen und Wurzeln, handeln vom Tod, dessen Überwindung … Ein Motiv ist der »Patensohn« des Todes, oft ein Arzt, der die Fähigkeit verliehen bekommt, zu sehen, ob sein Patient leben wird oder sterben, je nachdem, ob Gevatter Tod am Kopf- oder Fußende steht. Der Held trickst den Tod aus, indem er das Bett mit der todgeweihten Prinzessin einfach herumdrehen lässt.
Aus dieser Quelle stammt quasi die Inspiration zu Verenas besonderer Begabung, die sie für einen medizinischen Beruf empfiehlt.

 

Linda Budinger Interview Portrait

Verena hat eine mysteriöse Gabe, sie kann die Auren von Menschen sehen und erkennt, ob jemand dem Tod geweiht ist. Wie würdest du damit umgehen, wenn du ihre Gabe hättest?

Realistisch gesehen müsste man erst die Kindheit bei geistiger Gesundheit überstehen. Es dürfte zu größeren Problemen führen, wenn man regelmäßig wesentlich mehr wahrnimmt als seine Umwelt. Wenn man noch keine Möglichkeit hat, Empfindungen zu relativieren, oder zu filtern, wäre man ihnen ja hilflos ausgeliefert. Da beispielsweise Verenas Talent erst in der Pubertät auftritt, hat sie ein Fundament an Normalität, das hilft, die außergewöhnlichen Wahrnehmungen besser einzuordnen. Vermutlich würde ich an ihrer Stelle ebenfalls versuchen, so eine außergewöhnliche Begabung im medizinischen Sektor mit einer soliden naturwissenschaftlichen Basis zu kombinieren.

  

Gibt es eine andere Gabe, die du lieber hättest? Welche?

Ich bin mit meinen Gaben eigentlich ganz zufrieden. Wobei fliegen zu können natürlich auch schick wäre …

 

Wie würdest du Verena in wenigen Sätzen beschreiben?

 Sie ist eine bodenständige junge Frau, die eine schlimme Erfahrung in ihrer Jugend aus der Bahn geworfen hat. Sie versucht, trotzdem das Beste aus allem zu machen und ein so normales Leben wie möglich zu führen.

 

Deine Geschichte spielt in einem alten labyrinthischen Herrenhaus. Warum dieses Setting? Würdest du selbst gern in so einem Haus wohnen?

Weißenbach hat eine vollendete Fassade – aber darunter verbirgt sich ein ganz anderes Gebäude. So schön ich alte Häuser persönlich finde, eine Architektur wie von Weißenbach birgt ihre Probleme. Und wenn schon antik, dann vielleicht gleich eine Burg. :-) Was mich zugegeben fasziniert, ist Historie, die sich in alten Gebäuden widerspiegelt – wenn sich im Flur eines städtischen Mietshauses plötzlich Jugendstilkacheln finden, etwa. Ich hege ohnehin eine heimliche Vorliebe für die organischen Formen des Art Nouveau.  Aber letztlich steigt und fällt die Attraktivität eines Hauses mit den (Mit-)Bewohnern.

 

Verena fühlt sich zu Beginn von Fluch der Ewigkeit verfolgt und ist daher froh eine Stelle fernab der Stadt zu bekommen. Warst du selbst schon einmal in einer ähnlichen Situation, bist vielleicht deswegen sogar weggezogen? Falls nicht, woher nimmst du die Inspiration etwas derartiges zu schreiben?

Nun, Verena wird ja tatsächlich verfolgt. Da erscheint es ihr vernünftig, Abstand zwischen sich und die Bedrohung zu bringen.
Was nun die Frage angeht: Die biographische Methode kommt bei phantastischen Texten an ihre Grenzen. Als Fantasy-Autorin führen meine Inspirationen ja oft außerhalb der Realität. Bei mir starten viele Plots durch Spekulationen und Fragestellungen wie: was wäre wenn?
Das letzte Wort in Sachen Inspiration ist ohnehin noch nicht gesprochen, auch wenn darüber seit Jahrhunderten gerätselt wird. Eine Idee kann man nicht suchen, man muss sie schon so finden – und bei mir geschieht das am Besten in der Leere und nicht im Trubel von Eindrücken. Oder kurz gesagt: Geschichten sind wie Liebespaare – zwei Ideen treffen aufeinander, und dann funkt es.

 

Hast du deine Geschichte und die Figuren bis ins kleinste Detail durchgeplottet oder hast du ohne Plan darauf losgeschrieben?

Ich bin ein Bauchschreiber mit Plan. Sobald ich Thema, Hauptfigur oder Auflösung kenne (und einer dieser Punkte steht immer am Anfang – manchmal nur in Form einer kleinen Szene oder eines Namens), verfasse ich einen Handlungsabriss, ein Exposé, mit den wichtigsten Erzählsträngen, Figuren und Entwicklungen sowie dem Ende. Das ist der oben angesprochene Plan.
Aufpoppende Details sind für mich der Bonus beim Schreiben, sie entwickeln sich erst oft in der jeweiligen Szene oder Situation, und hier kommt die Bauchkomponente ins Spiel. Genau wie kleine Ausreißer und Abkürzungen bringen sie das Überraschungsmoment in eine Geschichte hinein. Mitunter fühlt sich in der konkreten Szene eine andere Lösung besser an als das vorab Geplante. Allerdings braucht man schon eine gewisse handwerkliche Erfahrung, um abzuwägen, was dem Text an dieser Stelle guttut. Am vorgesehenen Ende wird bei mir nicht gerüttelt – ich schreibe gerne auf ein Ziel hin.

 

Linda Budinger Interview Portrait

Wie lange hast du für das Buch gebraucht?

Ich habe in mehreren Durchläufen sechs Monate an dem Text  gearbeitet. Das Exposé war allerdings bereits früher fertig, und es folgte natürlich noch ein Lektorat.

 

Du hast die Wahl: einsames Dorf oder belebte Stadt, wo würdest du lieber wohnen?

Ganz klar in dem Dorf.

 

Was macht für dich einen spannenden und fesselnden Roman aus?

Das kann, was Thema oder Genre angeht, je nach Stimmung unterschiedlich sein. Jugendbücher lese ich ja z. B. auch.
Ich mag grundsätzlich gerne Geheimnisse, Phantastisches und Entwicklungsgeschichten und bin ansonsten eher für Abenteuer zu haben als für Dramen.
Und ich schätze es wenig, wenn Sprache zum Selbstzweck wird statt zum Mittel, die Geschichte voranzutreiben. Daher bevorzuge ich Beschreibungen, die mir Raum für eigene Überlegungen und Bilder lassen, statt alles bis ins Kleinste vorzugeben.

 

Hast du ein bestimmtes Ritual beim Schreiben?

Ich bevorzuge eine angenehme störungsfreie Umgebung und höre gerne Musik beim Schreiben – häufig symphonische Filmmusik, die Stimmungen unterstützt. Oder ich brauche Stille, die Gelegenheit gibt, die Gedanken schweifen zu lassen. Meinen Tee habe ich aber auch immer neben dem Computer stehen.

 

Du sagst selbst von dir, dass du Schriftstellerin werden wolltest, seit du lesen kannst. Hast du bereits in deiner Jugend geschrieben? Was ist aus diesen Geschichten geworden?

Die beiden unvollendeten Jugendwerke haben einen Platz in der ewigen Schublade gefunden. – Aber ich habe in der Zeit sehr viel Spaß gehabt und grundlegende Dinge gelernt. Danach habe ich erstmal eine ganze Menge Kurzgeschichten und Novellen geschrieben. Die meisten davon sind für kleine Literaturzeitschriften entstanden und auch dort erschienen. Ein alter Fantasy-Roman von damals, Die Nebelburg, ist inzwischen erschienen, und einen weiteren Fantasy-Jugend-Roman, den ich in jungen Jahren angefangen und später beendet habe, konnte ich erfolgreich bei großen Wettbewerben vorstellen, auch wenn es letztlich nicht für die Goldmedaille reichte.

  

An was schreibst du momentan?

Im Augenblick schreibe ich für Lübbe einen Thriller in Romanlänge, der vermutlich 2019 erscheinen wird. Eines der Themen ist übrigens auch die ganz spezielle Suche nach Inspiration.

 

Und zu guter Letzt: Hast du eine Buchempfehlung für uns?

Da so etwas sehr vom jeweiligen Geschmack und den Leseinteressen abhängt, kann ich nur einen allgemeinen Tipp geben: Schaut zweimal hin!
Manchmal begegnen einem Bücher zu einem Moment im Leben, wenn es einfach nicht passt: Die Figuren erscheinen einfältig, die Prosa blöd, der Plot kommt nicht voran. Mitunter liegt es an den Umständen, dass einen die Geschichte nicht packt. Verwerft den Titel nicht gleich, sondern schaut zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal rein. Neue Erfahrungen, eine andere Lebenssituation, oder auch nur das richtige Drumherum verändern den Blick.