Interview Autorin Cecily von Hundt im Interview

Worum geht es in deinem Thriller Narbenkinder?

In meinem Krimi Narbenkinder geht es um eine junge, preisgekrönte Journalistin im Berlin der neunziger Jahre, die mit einer Reihe blutiger Morde konfrontiert wird, über die sie für die Zeitung berichtet, bei der sie arbeitet. Neben den Verbrechen, in die sie durch ihre Recherchen Stück für Stück weiter hinein gezogen wird, kämpft sie mit ihren eigenen inneren Dämonen.

Was hat dich zu dieser Geschichte inspiriert?

Ich habe selbst in Berlin, Mitte der Neunziger bei BILD Berlin, erst als Praktikantin und dann kurze Zeit als freie Mitarbeiterin gearbeitet und das Berlin nach dem Mauerfall erleben dürfen.

Die Protagonistin Penny ist bipolar. Warum hast du diese Krankheit gewählt? Wie wirkt sich die Krankheit auf ihre Arbeit als Journalistin aus?

Ich wollte Penny Kalunke als Protagonistin interessanter und facettenreicher gestalten und habe ihr daher diese Probleme sozusagen  „mitgegeben“. Durch ihre Krankheit ist sie gezwungen, ein sehr diszipliniertes Leben zu führen: regelmässiger Schlaf, regelmässige Medikamenteneinnahme, wenig Alkohol etc., was ihrer Persönlichkeit und ihrem jungen Alter, mit dem Bedürfnis nach Abenteuern und der Lust auf Feiern, widerspricht. Dadurch tendiert sie immer wieder dazu, die Medikamente wegzulassen, was in ihrem Fall zu manischen bzw. depressiven Phasen führt, die natürlich ihre Konzentration und ihr Arbeitsvermögen einschränken.

Quelle: Cecily von Hundt

Musstest du über die Krankheit viel nachforschen? Wie sah deine Recherche aus?

Ich habe mehrere Bücher zu dem Thema gelesen, besonders gefesselt hat mich die Geschichte von Thomas Melle Die Welt im Rücken, eine extrem eindrucksvolle Schilderung dieser belastenden Krankheit.

Wie viel ist von deiner eigenen Arbeit als Journalistin ist in das Buch eingefalossen?

Ehrlich gesagt: wenig. Ich habe damals nur oberflächliche Themen, wie beispielsweise Hundewelpen, die herrenlos irgendwo gefunden wurden oder ähnliches, bearbeitet. Als ich in die Polizeiredaktion versetzt wurde, wo es tatsächlich um schreckliche Schicksale ging, habe ich sofort gekündigt. Das ging mir zu sehr an die Nieren. Geholfen hat mir allerdings die Erinnerung an die täglichen Redaktionskonferenzen und die Fahrten, zu den „Einsatzorten“. Das hatte ich noch gut im Hinterkopf.

Wie entwickelst du die Handlung einer Geschichte? Kennst du das Ende bereits im Voraus? 

Nein, eigentlich nie. Ich bin vom Typ her eher chaotisch und so schreibe ich auch. Manche Autoren haben genau angelegte Diagramme mit den Figuren, ihren Geburtsdaten, Eigenschaften, eine genaue Storyline, die dann herunter geschrieben wird. Das liegt mir überhaupt nicht. Ich habe ein, zwei Zettelchen, auf die ich von Hand etwas kritzele und dann lasse ich die Geschichte sich entwickeln. Eine grobe Idee im Hinterkopf gibt es natürlich, aber die Richtung kann sich während des Schreibens nochmal völlig ändern. Durch diese Art zu arbeiten muss ich leider im Nachgang oft Nachbessern und Fehler ausmerzen. Daran verzweifeln meine Lektoren auch oft, aber wenn ich von Anfang an zu sehr eingeschränkt bin in meiner Ideenentwicklung, verliere ich sofort die Lust.

Quelle: Cecily von Hundt

Hast du neben dem Schreiben noch andere Leidenschaften?

Ich lese wahnsinnig gerne, ich male gerne, ich habe mit vierzig das Reiten entdeckt und ich liebe es, im Garten zu werkeln. Seit ein paar Jahren spiele ich auch jeden Tag ein bisschen Klavier und natürlich glotze ich auch gerne mal gemütlich Serien auf Netflix, aber am liebsten verbringe ich Zeit mit meinem Mann und meinen beiden Kindern.

Kannst du deine Arbeitsroutine für uns beschreiben? Wie motivierst du dich selbst?

Arbeitsroutine in der Form habe ich nicht. Wenn es eine Deadline vom Verlag gibt, schleiche ich ewig um meinen Schreibtisch herum und schreibe dann fünf vor zwölf in ein paar Wochen alles herunter. Motivieren kann ich mich am besten mit Zeitdruck.

Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Mein erstes Buch habe ich mit 24 geschrieben: Von Pilzen und anderen Menschen, ein recht autobiographisch angehauchter Roman. Ich habe mich immer künstlerisch ausgedrückt, meine Kindheit und Jugend viel gemalt, aber da mangelt es mir an Kreativität. Also habe ich sozusagen das „Metier“ gewechselt und mich im Schreiben versucht.

Hast du Buchempfehlungen für uns?

Meine Lieblingstitel sind Schloss aus Glas von Jeanette Walls, Raum von Emma Donoghue, Du bist nicht so wie andere Mütter von Angelika Schrobsdorff und viele andere, die ich nicht alle aufzählen kann. Ich lese auch sehr gerne Lyrik, allen voran Sylvia Plath, Gottfried Benn, Ingeborg Bachmann, Bukowski und Else Lasker-Schüler. Und die Klassiker natürlich nicht zu vergessen, Buddenbrooks, Zauberberg, es gibt so viele tolle Bücher!