Interview Autorin Anna Jane Greenville über ihren historischen Liebesroman

Worum geht es in deinem Buch Das Herz eines Gentleman?

Es ist eine humorvolle Liebesgeschichte zwischen einer jungen Frau, Joanna Ryde, die sich den gesellschaftlichen Konventionen widersetzt, und einem angehenden Arzt. Die beiden lernen sich auf dem Kenwood-Internat kennen und entdecken nach und nach, wie sie gemeinsam ihre Ziele verwirklichen können.
Mir war es sehr wichtig, die Geschichte unterhaltsam zu schreiben, damit der Leser auch lachen kann. Dennoch habe ich versucht auch Themen wie die Armut im London der 1870er Jahre oder den rabiaten Umgang am viktorianischen Internat realistisch und fesselnd darzustellen.

Ein Teil deines Romans entstand in London. Wie viel von der Atmosphäre dieser Großstadt ist in deinem Roman zu spüren?

London ist überwältigend. Ich denke nicht, dass sich an der Atmosphäre über die Jahrhunderte sehr viel geändert hat, auch wenn die Stadt immer größer geworden ist, daher hoffe ich, dass es mir gelungen ist, das Gefühl einzufangen und wiederzugeben. Wenn man abends über die Waterloo Bridge geht und die weitläufige Themse darunter Wellen schlägt, drum herum Lichter bis in die Ferne strahlen und der Wind um die Ohren saust, oder wenn man sich in eine Seitenstraße verläuft und alles herum ganz still wird, obwohl man noch eben inmitten einer lebhaften Hauptstraße war, dann merkt man den Zauber ganz besonders. Was mich immer wieder fasziniert, ist, wie sich oft plötzlich Gespräche unter Fremden entwickeln, weil man sich doch irgendwie vertraut ist, da man eines gemeinsam hat: London.

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Woher kommt deine Faszination für das viktorianische England?

Das weiß ich gar nicht, um ehrlich zu sein. Ich mochte das 19. Jahrhundert schon immer – die Romantik dieser Zeit und auch die Gegensätze und stellenweise auch das Düstere. Im viktorianischen London sind diese Elemente ganz stark vertreten und dazu kommt außerdem ein unverwechselbarer Humor und Erfindungsreichtum der Menschen, die in dieser faszinierenden Stadt damals wie auch heute zu Hause sind.

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Wie viel Recherche musstest du betreiben, damit der viktorianische Alltag glaubwürdig klingt?

Recherche trifft die Intensität nicht ganz. Ich habe alles Viktorianische regelrecht gestalkt! London hat wahnsinnig viele großartige Museen, von denen die meisten keinen Eintritt verlangen. Besonders empfehlen kann ich zu Recherchezwecken das Geffrey Museum und das Charles Dickens Museum. Beide zeigen, wie Häuser zu der Zeit eingerichtet waren, und man hat das Gefühl, durch ein Kaninchenloch im Wunderland gelandet zu sein.
Ganz klassisch habe ich auch Sachbücher gesammelt und durchforstet und dabei Stunden und Tage in der Bücherei und den Buchhandlungen Foyles und Waterstones zugebracht.
Besonders schön war auch, dass das Royal National Theater mir erlaubt hat, einen ganzen Nachmittag in deren Kostümfundus zuzubringen. Das ist eine riesige Lagerhalle gefüllt mit Kostümen, die nach Jahrzehnten sortiert sind – die Kleider durfte ich sogar anprobieren. Man denkt gar nicht, wie schwer allein so ein Unterrock ist!
Darüber hinaus habe ich auch Fechtunterricht genommen, um diesen im Buch authentisch darstellen zu können (und weil es sehr viel Spaß gemacht hat). Vor allem der Muskelkater an den Tagen nach jedem Training ist mir sehr lebhaft in Erinnerung geblieben.

Wie lange hast du an dem Manuskript gearbeitet?

Zweieinhalb Jahre neben Studium und Beruf. Das ist mein erster Roman und ich denke, das ist eine gute Zeit, um die Geschichte und die Charaktere bei einem Erstlingswerk reifen zu lassen. Ich bin auch sehr froh, Freunde zu haben, die mich bei dem Projekt unterstützt und sich mit Kritik nicht zurückgehalten haben. Das hat mir sehr geholfen. Besonders meine Redakteurin im Verlag hat mir mit ihrer Begeisterung für meine Hirngespinste den Mut gegeben, die Geschichte nach zweieinhalb Jahren abzuschließen!

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Welche Bücher haben dich beim Schreiben am meisten beeinflusst?

An allererster Stelle kommen unangefochten die Romane von Charles Dickens, allen voran Little Dorrit. Aber auch The Mask of Zorro von Johnston McCulley, Little Women von Louisa M. Alcott, North and South von Elizabeth Gaskell, A Little Princess von Frances Hodgson Burnett und allgemein Nick Hornby und Rainbow Rowell und natürlich Jane Austen. Ich habe auch kleine Referenzen und Anspielungen im Buch versteckt, die auf diese großartigen Werke und Autoren verweisen – das hat besonders viel Spaß gemacht!

Welchen Rat würdest du Jo, deiner Protagonistin, gerne geben?

In Jo steckt wirklich eine Menge von mir – vor allem, wenn es um ihre Schwächen geht, deswegen läuft bei der Armen so viel schief. Allerdings kommt sie oft besser aus den Situationen wieder raus als ich. Ich müsste eher sie um Rat fragen.