Interview Krimi-Autor Andreas Temmer im Gespräch

Worum geht es in deinem Buch Mordseegrab?

In Mordseegrab geht es einerseits um einen mysteriösen Mordfall, in dessen Aufklärung der Protagonist mehr oder weniger freiwillig verwickelt wird. Im Zentrum der Geschichte steht andererseits auch die Hauptfigur, Ex-Kommissar Lukas Waldauf. Er will seinen vorzeitigen Ruhestand genießen, kauft einen abgeschiedenen Bauernhof an der Nordsee und versucht, zu vergessen. Vielleicht sucht er auch so etwas wie Vergebung. Dann lernt er eine Frau kennen, Anke, und sie bittet ihn um Hilfe, denn der Sohn einer Freundin wurde wegen Mordes festgenommen. Mord an der Tochter eines der reichsten Männer Deutschlands. Dieser hat die Tat bereits gestanden, aber es gibt keine Leiche.
Bei seinen Nachforschungen gerät Waldauf immer mehr selbst ins Visier, aber es ist unklar von wem, denn es besteht auch eine Verbindung zu Waldaufs letztem Fall als Chefermittler bei der Hamburger Kripo. Ein Fall, der ihn fast das Leben gekostet hätte.


Was hat dich inspiriert den Krimi zu schreiben?

Lukas Waldauf ist ein gebrochener Charakter, auf dem eine große Schuld aus seiner Vergangenheit lastet. Er sehnt sich nach Ruhe und ist dennoch ein Getriebener. Er will allein sein aber fürchtet die Einsamkeit, sucht nach Vergebung für Dinge, die er sich selbst nicht verzeihen kann. In gewisser Weise hat er auch den Anschluss an das sich immer schneller drehende moderne Leben verloren. Das äußert sich oft auch in sehr kleinen Dingen.
Bei meiner Arbeit steht für mich immer ein Charakter im Zentrum, der mich besonders interessiert. Als ich Waldauf „gefunden“ habe, war mir klar, dass ich mehr über ihn erfahren möchte. Er ist ein zutiefst guter Mensch, dem allerdings viel Schreckliches widerfahren ist, und bei dem man sich häufig fragt, wie er das aushält und warum er sich immer und immer wieder diesen (menschlichen) Abgründen stellt. Ich denke, das fragt er sich auch selbst ganz oft.


Musstest du viel recherchieren und wie sah deine Recherche aus?

Ich musste sehr viel recherchieren und hoffe, dass mir letztendlich ein runder und spannender Plot an interessanten Schauplätzen und mit einer frischen und vielleicht etwas ungewöhnlichen Handlung gelungen ist.
Ich bin Laie, was Polizeiarbeit angeht oder die Arbeit von Rettungskräften. Ein großer Teil meiner Recherchen konzentrierte sich daher darauf, aber auch zu vielen Schauplätzen musste ich erst recherchieren. Ich finde es selbst immer wieder faszinierend, welche Arten von Suchmaschinen es mittlerweile gibt. Von Live-GPS Daten von Flugzeugen, über Schiffsverkehr bis hin zu einzelnen Containernummern, deren Route man quer über die Welt verfolgen kann. Aber die tatsächlich größte Hilfe für mich war wohl google maps. Schon allein die Fotos, die an einem bestimmten Ort geschossen wurden, sind hilfreich, um sich in ein bestimmtes Setting hineinversetzen zu können. Und manchmal entdeckt man dabei witzige Details. Solche Fundstücke verwende ich für meine Geschichten wahnsinnig gerne.


Beschreibe den Protagonisten Lukas Waldauf in drei Worten.

Verlust, Schmerz, Hoffnung


Lukas Waldauf hat ein traumatisches Ereignis überlebt. Wie schafft man es (als Kommissar) über solche Dinge hinwegzukommen?

Diese Fragen haben mich während des Schreibens selbst sehr stark beschäftigt und waren vermutlich eines der Hauptmotive, die Geschichte überhaupt zu schreiben. Und ich muss ehrlich sagen, ich weiß es nicht. Solche Erlebnisse haben für mich einen sehr besonderen Schrecken, weil man eigentlich ständig hofft, dass sie einem nie selbst widerfahren werden.

Quelle: Andreas Temmer

Der Krimi spielt an der Nordsee. Bist du selbst gerne dort und was macht diesen Ort so besonders für den Schauplatz eines Krimis?

Ich sollte das vermutlich nicht sagen, aber ich war noch nie an der Nordsee. Ich war mehrmals in Hamburg, an der Ostsee, in Skandinavien und Dänemark, aber noch nie an der Nordsee.
Ich finde sie faszinierend, weil sie für mich so wie die meisten dieser Landschaften so etwas wie ein Sehnsuchtsort ist. Ich liebe es, weit schauen zu können, mag soweit wie möglich unberührte Natur. Ozeane und weitläufige Strände sind für mich deswegen ganz besondere Plätze. Diese endlos weiten Ebenen zeigen einem erst, wie groß diese Welt ist und wie scheinbar unantastbar. Wir wissen durch den Klimawandel natürlich, dass das nicht stimmt. Es ist eine zerbrechliche Welt in einem sehr empfindlichen Gleichgewicht und wir müssen alles dafür tun um sie zu schützen und zu bewahren. Vielleicht ist diese Geschichte auch ein Versuch, diese Faszination für die Schönheit der Natur zu teilen.


Neben dem Schreiben zeichnest du auch gerne. Gibt es etwas, was du besonders gerne aufs Papier bringst?

Das stimmt. Ich liebe es, zu malen und zu zeichnen, am liebsten mit meinen Kindern. Ich finde ihren Blick auf die Welt unglaublich faszinierend und das zeigt sich beim Zeichnen auf die schönste Weise. Um ehrlich zu sein bleibt dafür aktuell ein bisschen wenig Zeit, aber auch hier bin ich immer auf der Suche nach spannenden Geschichten und Figuren. Dabei kann es auch vorkommen, dass ich in die Welten von Comic-Büchern, Fantasy und Science-Fiction abtauche.


Wie sieht dein Schreiballtag aus? Hast du besondere Angewohnheiten?
Das ist sozusagen der unromantische Teil dieser Arbeit, denn mein Schreiballtag ist ziemlich streng geregelt. Von Montag bis Freitag arbeite ich in einer Vollzeitanstellung als Marketing Manager. Von Freitagnachmittag bis Sonntag wird geschrieben. Mein Wochenziel sind 15.000 Zeichen. Wenn ich an einem Projekt arbeite, jede Woche. Es gibt natürlich Abende und Nachmittage für die gemeinsame Zeit mit der Familie. Aber es ist auch harte Arbeit.


Welche Bücher liest du selbst gerne? Hast du eine Buchempfehlung für uns?
Ich lese viele unterschiedliche Genres sehr gerne. Es gibt für mich nicht „das eine“ Genre oder den/die „eine Autorin“. Ich liebe Geschichten über glaubwürdige und faszinierende Charaktere, die sich bisweilen in ungewöhnlichen und herausfordernden Situationen wiederfinden. Aber ich habe natürlich auch manche Favoriten. Einer meiner alltime favourites ist und wird vermutlich immer Sephen King bleiben. Seine Charaktere sind großartig und ich finde es faszinierend, wie es ihm bei all dem Übernatürlichen in seinen Geschichten immer wieder gelingt, dass die abscheulichsten Taten nicht von Monstern, sondern von gewöhnlichen Menschen begangen werden. Auch Joe Hill schreibt fantastische Geschichten. Zuletzt habe ich aber „Der Gesang der Flusskrebse“ (Where the Crawdads Sing) von Delia Owens gelesen. Ihre Hauptfigur ist unglaublich stark gezeichnet und die Beschreibung der Natur, in der sie sich bewegt, passiert in so unfassbar gut gewählten Worten. Das sind wunderschöne Bilder.