Leseprobe Mord und Mohnkuchen

1

Dann bis später. Ich freue mich schon, Dich zu sehen! 
Bruce

Wie jede seiner Nachrichten lese ich auch diese mehrfach. Immer noch erscheint unwirklich, dass sie an mich gerichtet sind, dass ich nicht nur gewagt habe, Bruce meine Gefühle zu offenbaren, sondern diese sogar erwidert werden. Ein Monat ist vergangen, seit die Schlange überführt und wir von Bruce zu Hilfssheriffs gemacht wurden. Und natürlich, seit er und ich ein Paar sind.

Die Frage, ob dem tatsächlich so ist, wische ich beiseite. Ich habe zwar an Selbstbewusstsein gewonnen in den letzten Wochen, aber das reicht nicht so weit, dass ich mich trauen würde, Bruce in ein derartiges Gespräch zu verwickeln. Er bleibt der exotische und kostbare Vogel, der sich zwar auf meiner Hand niedergelassen hat, von dem ich aber jeden Augenblick fürchte, er flattere davon. Insbesondere, falls ich eine unüberlegte Bewegung oder Äußerung wage.

„Schauen Sie, Miss. Ein Stein“, ertönt es von einem Tisch, an dem Terry steht.

Unsere letzte Kundin, im Grunde ist das Café schon geschlossen. Aber die Dame, die mit Terry spricht, erinnert mich an eine Echse, auch hinsichtlich ihrer zeitlupenartigen Bewegungen. Da sie den Kirschkuchen in eben jenem Tempo verspeiste, sitzt sie noch in unserem Feierabend hier.

Die erwartete spitze Bemerkung Terrys bleibt aus, so dass ich an den Tisch trete. „Dann haben Sie gewonnen.“

In meinem Kopf ertönt ein Knirschen, als die Dame mit den kleinen Augen sich mir zuwendet. „Gewonnen?“

„So gut wie.“ Ich bemerke Terrys Seitenblick, schaue jedoch nicht hin. Endlich möchte ich sie mal mit einer kleinen Showeinlage überraschen und darf mich nicht ablenken lassen. „Der Hersteller dieser Kirschen verlost unter allen, die einen Stein finden, eine Fernreise.“

„Hersteller?“

„Der Obstbauer natürlich.“ Ich muss grinsen und beiße gleichzeitig die Zähne zusammen. Nicht mehr viel, und ich pruste los.

„Das ist ja was.“ Sie betrachtet den Kern, dessen Attraktivitätswerte um ein Vielfaches gestiegen sind.

„Sie müssen den nur mitnehmen und per Post an den Obstbauern schicken.“ Ich deute auf den Kern.

„Schicken? Jetzt echt?“ Mit gerunzelter Stirn sieht sie mich an.

„Sie können ihn auch persönlich vorbeibringen. Aber das ist ein weiter Weg.“

„Dann lieber schicken.“

„Sehen Sie? Meine ich doch auch. Ich notiere Ihnen die Adresse.“

Terry folgt mir zum Tresen und stößt mir, dort angekommen, den Ellenbogen in die Seite. „Miss Fleet“, flüstert sie.

„Pssst“, mache ich, denn ich muss schon wieder die Zähne zusammenbeißen, um nicht in Gelächter auszubrechen.

„So, da wären wir“, flöte ich, als ich der Kundin eine Fantasieadresse in Ashtead, dem Heimatort meiner Eltern, reiche. „Und vergessen Sie auf gar keinen Fall den hier.“ Ich deute auf den Teller.

„Natürlich. Vielen Dank.“ Sie steht auf, grabscht freundlich den Kirschkern, offenbar in freudiger Erwartung des bald nahenden Gewinns der Echsen-Zeitlupe entschlüpft, und möchte schon zur Tür eilen, als ihr noch etwas einfällt. „Was bin ich Ihnen schuldig?“

„Geht aufs Haus.“

„Auf gar keinen Fall.“ Sie fischt eine Zwanzigpfundnote aus ihrer Geldbörse, die sie auf den Tisch legt. „Schließlich haben Sie mir zum Gewinn verholfen.“

„Einem möglichen Gewinn“, sagt Terry, die hinter mir steht.

Ob die Dame diesen Einwand noch vernimmt, bevor sie durch die Tür entschwindet, weiß ich nicht, doch als ich auf das Geld schaue, plagt mich mein schlechtes Gewissen. „Das war gemein. Soll ich ihr nachlaufen und alles aufklären?“

„Und damit deine geniale Aktion zunichtemachen? Auf gar keinen Fall!“ Terry stellt sich mir mit verschränkten Armen in den Weg und garniert die Aussage mit einem betont bösen Blick, der mich zum Lachen bringt. „Vor allem – natürlich beißt niemand gerne auf einen Kirschkern, aber deshalb so ein Theater zu machen.“

„Genau das dachte ich. Wobei es meines Wissens nach sogar Fälle gab, in denen Konditoren genau deshalb verknackt wurden.“

Terry schüttelt den Kopf. „Es ist eine verrückte Welt. Zunächst mal danke, dass du mich aus dieser nervigen Situation befreit hast.“

„Es war mir eine Ehre.“

„Wollen wir heute etwas essen gehen?“

„Sorry, aber ich treffe mich später mit Bruce.“ Ich trage das Geschirr zur Theke und räume es in die Spülmaschine.

„Das freut mich. Wie läuft es denn?“

Ich lege den Kopf schief. „Schwer zu sagen. Wirklich häufig haben wir uns in den letzten Wochen nicht gesehen, was an Bruce’ unregelmäßigen Arbeitszeiten liegt.“

„Kann ich mir vorstellen, dass das nicht einfach ist.“

„Und ich möchte nicht gleich zu Anfang nörgeln, dass er zu wenig Zeit für mich hat.“

„Ebenfalls verständlich. Aber irgendwann solltest du das ansprechen, ansonsten macht es dich unglücklich.“

„Schon richtig, aber es hat so lange gedauert, bis es geklappt hat …“ Ich presse die Lippen zusammen, ohne den Satz zu beenden.

„Dass du fürchtest, es zu verlieren?“ Terry umfasst meinen Unterarm. „Kann ich absolut nachvollziehen, und ich möchte nicht wieder das Orakel spielen, aber der Grund, warum du mit Bruce zusammen bist, ist der, dass du ehrlich warst. Du hast mutig klargemacht, was du möchtest, und hattest damit Erfolg. Schwer vorstellbar, dass er dir den Laufpass gibt, wenn du das Thema ansprichst.“

Ich nicke. „Bestimmt hast du recht.“

„Und das Essen holen wir bald nach?“

„Definitiv.“ Eine Zeitlang räumen wir wortlos weiter auf. Dann fällt mir ein, dass ich meinerseits Terry schon lange nicht mehr nach ihrer Beziehung zu Philipp gefragt habe. „Wie läuft es eigentlich bei Philipp und dir?“

„Wir haben ebenfalls das Zeitproblem.“ Terry wischt Krümel von einem Tisch in ihre hohle Hand. „Kennst du diesen Punkt, an dem eine Beziehung sich auf eine andere Ebene verlagert oder eben nicht?“

„Du meinst, wenn das erste Verknalltsein sich abkühlt?“

„Genau.“

„Geht wohl allen so.“ Ich drücke auf den Knopf, der die Spülmaschine einschaltet. „Denkst du denn, dass ihr diese Ebene erreicht?“ Kaum habe ich das ausgesprochen, fürchte ich, dass die Frage zu direkt ist. Andererseits war offenkundig, dass es darauf hinausläuft.

„Gute Frage“, entgegnet Terry und zerstreut damit meine Bedenken.

„Um dir auch mal einen Rat in Beziehungsdingen zu geben. Lass es einfach auf dich zukommen.“ Ich grinse. „Du weißt sicherlich, von wem das stammt?“

„Sagen Sie nichts, was später gegen Sie verwendet werden könnte.“ Terry lächelt ebenfalls, wird dann wieder ernst. „Aber es stimmt.“

„Ist dennoch ein ungutes Gefühl, wenn man in der Luft hängt.“

„Eigentlich sind wir da ja in der gleichen Lage.“

„Irgendwie schon.“

„Die Kerle. Frau kann nicht ohne, aber auch nicht wirklich mit ihnen.“ Terry beugt sich zum Kühlschrank unter dem Tresen runter und holt eine angebrochene Proseccoflasche hervor. „Zumindest anstoßen können wir mal auf unsere verkorksten Typen.“

„Einverstanden.“

2

„Was geht da oben vor?“ Mit den Fingerspitzen streicht Bruce mir eine Strähne aus der Stirn.

Wir liegen in seinem Bett, einander zugewandt und betrachten uns gegenseitig. Etwas, das ich mir niemals hätte vorstellen können. Und die ersten Treffen waren auch eher davon bestimmt, dass wir uns möglichst schnell unserer Kleidung entledigten. Doch Bruce geht es um mehr als das, wie mir auch.

„Ich weiß, dass du viel um die Ohren hast …“, antworte ich und überlege, wie ich am besten fortfahren soll.

„Aber schöner wäre es, wenn wir uns häufiger sehen könnten?"

„Ja, das wünsche ich mir ebenfalls“, sagt Bruce, als hätte ich seine Frage beantwortet und dreht sich auf den Rücken. Die Hände verschränkt er hinter dem Kopf, während er zur Zimmerdecke starrt. „Es wird nicht einfach werden, eine Beziehung mit mir. Ich möchte von Anfang an offen mit dir umgehen.“

Ich sollte mich freuen über seine Offenheit, doch es fühlt sich an wie ein Schlag in die Magengrube. Was habe ich erwartet! Dass Bruce meinetwegen beruflich kürzer tritt, den Beruf sogar an den Nagel hängt? Nein! Das ist es nicht, sondern, dass ich derartige Überlegungen überhaupt noch nicht angestellt habe. Wenn das gesamte Denken darauf ausgerichtet ist, etwas zu bekommen, bleibt kein Platz für Gedanken an das Verhalten, wenn der Fall eintrifft.

„Ist vielleicht meinem hohen Alter geschuldet, dass mir Aufrichtigkeit am wichtigsten ist.“ Bruce wendet mir den Kopf zu.

„Hohes Alter?“ Ich grinse.

„Na, immerhin gehe ich auf die Vierzig zu.“

„Das ist doch kein Alter.“ Ich fahre durch die Locken seines braunen Haars. „Und ich finde diese Aufrichtigkeit gut. Sehr gut sogar.“

„Aber?“

„Kein aber. Natürlich weiß ich, dass du einen fordernden Job hast, es so klar formuliert zu hören, muss sich erst mal setzen.“

„Das heißt nicht, dass wir keine Zeit miteinander verbringen. Wir werden uns nur nicht jeden Tag sehen können.“ Er verschränkt seine Hand in meine. „Hin und wieder benötige ich auch Zeit für mich alleine. Eine Beziehung bedeutet für mich auch, den anderen so sein zu lassen, wie er ist.“

„Ein guter Punkt.“

Bruce lacht auf. „Du hältst mich wahrscheinlich für furchtbar unromantisch, doch das bin ich nicht. Ich habe nur bereits negative Erfahrungen gesammelt. Dabei geht es nicht um richtig oder falsch, sondern nur um unterschiedliche Erwartungen. Völlig wertfrei. Wenn in einer Beziehung aber nicht beide die gleiche Form der Beziehung wollen, ist das Unglück vorprogrammiert.“ Er dreht sich auf die Seite und sieht mich an. „Du hast ja auch einiges um die Ohren und bist bestimmt froh, weiterhin Zeit für Terry und auch dich selbst zu haben.“

„Stimmt“, sage ich und ignoriere den Stich im Herzen. Auf der Vernunftsebene kann ich alles, was Bruce sagt, unterschreiben, gefühlsmäßig sieht das anders aus. Ich denke an das Gespräch mit Terry und frage mich, ob das nur dem ersten Verliebtsein geschuldet ist? In einigen Monaten werde ich womöglich froh sein, dass Bruce von Anfang an Freiräume gefordert hat?

„Und doch bist du nicht richtig überzeugt.“ Bruce drückt mir einen Kuss auf den Mund. „Was hältst du davon? Wir lassen das Gesagte erst mal so stehen und genießen die Stunden, die wir gemeinsam haben. Und bei nächster Gelegenheit sprechen wir nochmal darüber?“

„Okay.“ Obwohl meine Grübeleien sich diesem Entschluss nicht unterordnen wollen, gelingt es mir, sie in den Hintergrund zu drängen.

„Wie wäre es mit Pizza?“ Bruce’ Gesicht nimmt einen Ausdruck kindlicher Freude an, und ich kann nicht anders, als ihm einen Schmatzer auf den Mund zu drücken. „Das werte ich mal als ‚Ja‘.“

„Kannst du auch.“

Während Bruce in die Küche geht, um die Karte der Pizzeria zu holen, die zu unserem Stammrestaurant geworden ist, denn wir bestellen bei jedem Treffen dort, verlasse ich ebenfalls das Bett. Bislang haben wir uns stets in Bruce’ Wohnung getroffen. Auch wenn sich die Situation in der WG kaum verändert hat und meine Mitbewohner häufig bei ihren Partnern schlafen, wir somit dort also ungestört wären, bin ich lieber hier.

Wohnungen spiegeln viel von den Persönlichkeiten, die sie bewohnen, und das trifft auch für meinen Detective Chief Inspector zu, dessen Apartment stilvolle Eleganz verströmt, ohne kalt oder nicht authentisch zu wirken. Ein großzügiger und offener Wohn-, Ess- und Schlafbereich im Industrial Style, in dem die einzelnen Bereiche durch raumteilende Regale voneinander abgetrennt sind. Schon beim ersten Besuch hörte ich die Stimme meiner Mutter im Kopf, die mahnte, dass doch so die Bettwäsche nach Essen rieche, wenn der Geruch in den Schlafbereich ziehen kann.

Ein überflüssiger Einwand, denn Bruce’ schicke Küche sieht zwar gut aus, aber eben auch unbenutzt. Bis auf Kühlschrank, Backofen und Mikrowelle. Zugegebenermaßen trägt die Liaison mit mir nicht dazu bei, die Kochsituation zu verbessern, was unsere wiederkehrenden Pizzabestellungen belegen.

„Dreißig Minuten“, verkündet Bruce, als er zurückkehrt.

Ich grinse. „Auch deshalb ist es wohl besser, wenn wir uns nicht zu häufig sehen.“

„Wieso?“

„Na, bei so einer Ernährung und das regelmäßig, kannst du deinen flachen Bauch vergessen. Mal abgesehen vom gesundheitlichen Aspekt.“

Er kommt zu mir rüber und fasst mich an der Hüfte. „Wir können uns ja noch ein wenig betätigen, bevor die Pizza kommt.“

Ich lache. „Einverstanden.“

3

Womöglich ist es ausgleichende Gerechtigkeit. Oder das Universum entscheidet, dass es zurzeit zu gut für mich läuft. Als die Tür aufgeht und der schlaksige Kerl das Café betritt, wittere ich sogleich Ärger. Es liegt nicht an seinem Aussehen, obwohl eine Narbe in seiner rechten Gesichtshälfte, die sich sogar über das nur halb geöffnete Auge zieht, ihm Verschlagenheit verleiht. Vielmehr ist es die Art, wie er sich bewegt. Irgendwie nagetierartig, denn er hält immer wieder inne, um sich umzusehen und anschließend flink einige Schritte zu machen, bis er den Tresen erreicht hat. Dass er den ansteuert und keinen Tisch, sorgt zusätzlich dafür, meinen Magen rumoren zu lassen.

„Was kann ich Ihnen bringen?“ Normalerweise frage ich, was ich für den Gast tun kann, doch das will in diesem Fall nicht über meine Lippen.

„Was ist das hier?“ Der Kerl macht mit dem Arm, der wie von einem Puppenspieler geführt wirkt, eine ausholende Geste, die den gesamten Gastraum einfasst.

Die Frage überrascht mich derart, dass ich zunächst stumm bleibe. Wer den Spruch geprägt hat, dass es keine dummen Fragen gibt, hat wohl noch nie so eine gestellt bekommen wie ich gerade von dem Kerl. Die beantwortet man am besten mit einer dämlichen Antwort. „Wir fertigen das Antriebssystem des neuen Shuttles der NASA, und nebenan werden Eierwärmer gehäkelt.“

Ich genieße, wie die Ratte, wie ich mein Gegenüber taufe, entgeistert die Augen aufreißt und nun seinerseits meine Worte verarbeiten muss. „Hä!“, macht er dann.

„Eierwärmer oder Hodentemperierer. Um den Kinderwunsch im Winter zu unterstützen.“ Als wäre meine Aussage noch nicht ausreichend, trete ich hinter der Theke hervor und demonstriere pantomimisch, wie ich mir die mental gehäkelten Wärmer über meine nicht vorhandenen Hoden ziehe.

„Hä!“, macht der Typ erneut, und mir liegt bereits die Frage auf der Zunge, ob es sich um ein akustisches oder intellektuelles Problem handelt, dass er mich nicht versteht. Wahrscheinlich ist es besser, dass ich nicht dazu komme, die zu stellen. „Willst du mich verarschen?“, fragt er, was sich wie eine Drohung anhört.

Klar will ich das, glaube aber kaum, dass es eine gute Idee ist, ihm das mitzuteilen. „Womöglich haben wir einander nicht richtig verstanden“, sage ich stattdessen. Die Art, wie er die Nase rümpft und dabei die Lippen schürzt – ich habe die Situation nicht verbessert.

„Jetzt hör mal zu“, zischt er, wobei er sich zu mir vorbeugt, so dass ich seinen Atem riechen kann. Zähne putzen scheint nicht zu den Aufgaben zu gehören, die er täglich absolviert. „Ich habe deine Faxen satt. Ich wohne hier und will, dass das hier“, erneut diese Marionettenarmbewegung in Richtung Gastraum, gefolgt von einem keuchenden Räuspern, „das muss weg!“

Ich bin so verdattert, dass ich ihn nur anstarren kann, während meine Gedanken rasen. Ist das ein dummer Witz? Oder hat der Kerl den Verstand verloren?

Der Typ macht auf dem Absatz kehrt und läuft nahezu aus dem Café, wobei er mich an eine, das sinkende Schiff verlassende, Ratte erinnert.

„Was war denn da los?“, fragt Terry, die mit einem Tablett auf den Tresen zukommt.

„Keine Ahnung.“ Einen Augenblick stehe ich nur da und versuche zu ordnen, was mir durch den Kopf geht. „Dieser seltsame Typ kam rein, hat mich gefragt, was wir hier machen und dann gesagt, dass er hier wohnt.“

„Wie bitte?“ Terry sieht mich zweifelnd an, und ich kann es ihr nicht verdenken. Schon jetzt, kurze Zeit nach seinem Abgang, erscheint die Situation umso unwirklicher.

„Total schräg. Meinst du, der war einfach nur durchgeknallt oder kann das stimmen?“

„Ich tippe auf Ersteres. Wir haben einen gültigen Mietvertrag. Selbst wenn der Terminator Verdünnungsmittel geschnüffelt hat und die Räume im Rausch jemand anderem vermietet hätte, spaziert man doch nicht rein und veranstaltet so einen Zirkus. Zumal wir dann irgendwas vom Vermieter hören müssten. Zumindest ein ‚Hasta la vista‘.“ Terry grinst.

Nach Scherzen ist mir nicht zumute, doch mein Verstand folgt Terrys Einschätzung. In meinem Bauch aber hat sich ein Knoten gebildet, der sich nicht lösen will. „Bestimmt hast du recht.“

Terry streichelt mir über die Schulter. „Hey. Das hat dich richtig mitgenommen, oder? Ich habe kurz überlegt, ob ich zu dir rüberkommen soll, aber dann meldete sich gerade ein Gast für eine Bestellung.“

Ich winke ab. „Mach dir keinen Kopf. Hat mich nur unvorbereitet getroffen, das ist alles.“

„Wie sollte man sich auch auf so was vorbereiten?“

Ein Gast hebt die Hand, und Terry will schon loslaufen, als ich sie zurückhalte. „Lass mich das ruhig machen. Ich kann etwas Ablenkung gebrauchen.“

„Klar.“

Der Tag verläuft ohne weitere Aufregung und so, wie ich es mag: Ständig etwas zu tun, ohne, dass es stressig wird. Dennoch, der Knoten löst sich nicht. Bestimmt reagiere ich über. In einer Stadt wie London laufen Unmengen von Menschen herum, die seltsame Geschichten und Ansichten haben. Wieso die Ahnung, dass der Kerl nicht dazu gehört? Wobei die Art und Weise durchgeknallt war, da gebe ich Terry recht, aber etwas war in seinen Augen. Er war tatsächlich verwundert, was er sah, als wäre er schon einmal hier gewesen, bevor es das Café gab.

„Grübelst du immer noch über den Typ nach?“, fragt mich Terry, nachdem sie die Tür abgeschlossen hat und zu mir rüberkommt.

Ich zucke mit den Schultern. „Es ist albern, ich weiß.“

Terry zögert einen Augenblick. „Okay. Wir machen Folgendes. Wir melden uns beim Terminator mit irgendwas Unverfänglichem, zum Beispiel, dass der Wasserhahn tropft. Sollte die Story wahr sein, wird er uns dann ja mitteilen, dass er die Räume an jemand anderen vermietet hat, was ich nicht glaube.“

„In Ordnung.“

Ich wünschte, genauso zu denken wie Terry. Aber der Knoten ist weiter nach unten gewandert und zieht unangenehm an meinen Eingeweiden.