Leseprobe Die verbotene Sehnsucht des Dukes

Kapitel 1

Lady Beatrice Haven konnte es gar nicht erwarten, dem Duke of Blackheath das Leben schwer zu machen. An diesem Abend würde er ihr nicht aus dem Weg gehen können, und sie sah dem Abenteuer, das möglicherweise vor ihr lag, mit Genuss entgegen.

Dennoch freute sie sich nicht unbedingt darauf, den Mann als Familienmitglied betrachten zu müssen. Sie machte zum Scherz ein tadelndes Geräusch und fragte ihre Cousine: „Wäre nicht jeder andere besser als er?“

Er, das war in diesem Fall nicht der Duke of Blackheath, sondern sein jüngerer Bruder. Blackheath war eine trügerische und ärgerliche Person. Es war kaum zu fassen, dass ihre Cousine sich mit seinem jüngeren Bruder Lord Christopher eingelassen hatte. Seine Freunde nannten ihn Kit.

Und von denen hatte Kit viele.

Was eine Überraschung war, angesichts der frustrierenden Art seines Bruders.

Margaret grinste, und ihre blonden Augenbrauen hoben sich ob Beatrices neckender, aber ernst gemeinter Frage. „Ich liebe ihn, Cousine. Natürlich muss er es sein.“

„Aber, warum?“, hakte Beatrice nach, während sie an ihren langen Seidenhandschuhen zupfte. „Warum verliebst du dich in Lord Christopher? Er ist ein schöner Mann, aber es gibt bestimmt bessere.“

Margaret hob eine einzelne Augenbraue. „Es ist nicht Lord Christopher, der dir missfällt.“

Beatrices Cousine setzte sich auf die gegenüberliegende Bank in der gut ausgestatteten Kutsche ihre Onkels, in der sie gerade nur das Mondlicht beleuchtete. Er saß ungewöhnlich wortkarg in seiner Ecke, doch er beobachtete sie beide mit liebevollem Blick bei ihrer Unterhaltung.

Beatrice legte die Stirn in Falten, da ihr Onkel eigentlich überaus glücklich mit der Partie für seine Tochter war. Blackheaths Familie war eine der mächtigsten und reichsten Familien im Land.

Er stellte eine bedeutende Verbindung dar, die man nicht unterschätzen durfte.

Beatrice seufzte. „Es stimmt, ich halte seinen Bruder für arrogant. Der Duke lässt sich nicht dazu herab, mit Normalsterblichen wie mir zu sprechen. Das wird eine unmögliche Situation ergeben. Ich werde mit ihm verwandt sein.“

Beatrice erschauderte. Sie war dem Duke nie begegnet – doch sie musste ihn nicht persönlich treffen, um zu wissen, dass er ein Ekel war.

„Nicht blutsverwandt“, sagte Maggie und in ihren blauen Augen lag ein amüsiertes Funkeln. Sie wusste, dass Beatrice sich nie dem Glück in den Weg stellen würde, selbst wenn ihre Wahl eines Ehemannes überaus verdrießlich war.

Beatrice schnaubte und schob sich ihre Brille auf der Nase nach oben – obwohl das völlig unnötig war. „Das spielt keine Rolle. Ich werde gezwungen sein, mit ihm zu Veranstaltungen und Familientreffen zu gehen.“ Mit übertriebenem Kummer fragte sie: „Wie soll ich ihn bloß ertragen?“

Maggie lachte herzlich. „Du wirst es aushalten, Cousine, denn du wirst keine zwei Minuten in seiner Gegenwart verbringen, wenn du es nicht möchtest. Wir werden euch an gegenüberliegenden Enden des Tisches platzieren, damit du nicht mit ihm sprechen musst. Aber du musst mir versprechen, dass du nicht beißt.“

Beatrice grinste, da sie eine gute Debatte genoss und an diesem Abend eine erwartete. „Dieses Versprechen kann ich leider nicht abgeben. Wobei die Vorstellung, mich derart irrational zu verhalten …“

„Du wirst es ertragen, weil du mich liebst“, warf Maggie ein. „Weißt du, ich glaube, du magst es, dem Duke all diese erbosten Briefe zu schreiben.“

Beatrice wischte sich einen nichtvorhandenen Fussel vom Rock. „Wie kannst du so etwas Entsetzliches behaupten? Er ist ein Duke.“

Abgesehen davon, waren es seine knappen Antworten, die sie am meisten frustrierten. Er brachte darin seinen Dank für ihre Sorge zum Ausdruck und versicherte ihr, er habe den Zustand der Frau auf der Agenda.

Pah!

Nachdem sie sich persönlich in das Schreiben von Pamphleten und öffentliche Reden gestürzt und sich einer Liga der Blaustrümpfe angeschlossen hatte, lautete die Wahrheit: Beatrice hatte gelernt, Dukes zu hassen. Alle Dukes. Nicht nur Blackheath, wenngleich er mit seiner arroganten Abweisung definitiv besondere Aufmerksamkeit verdiente.

Ja, alle Dukes waren das absolut Böse, da sie das repräsentierten, was sie aus ganzem Herzen verabscheute – die Aufrechterhaltung von Gesetzen, die ihr sämtliche Rechte absprachen.

Schlimmer noch, die Dukes unterhielten häufig den Handel, der in den westindischen Territorien dazu führte, dass Tausende versklavt wurden. Ihrer Ansicht nach standen jedem die gleichen Rechte zu. Die Welt war voll von Ungerechtigkeiten, und sie konnte sich das nicht einfach tatenlos ansehen und Limonade schlürfen.

Im Gegenteil, sie war Barbara Wilberforces Rat gefolgt und verzichtete gänzlich auf Zucker, da sie wie Mrs. Wilberforce nicht vergessen konnte, welche Grausamkeiten mit seiner Herstellung verbunden waren.

Beatrice hatte eine Mission in ihrem Leben, nämlich das Schicksal derjenigen zu verbessern, auf denen die Mächtigen schlicht herumtrampelten. Und soweit sie das beurteilen konnte, kamen ihr die Dukes dabei ständig in die Quere. Keiner dieser Männer tat, was angemessen wäre – im Parlament lautstark zu verkünden, dass mehr Menschen als nur ein paar Gentlemen mit Landbesitz Rechte hatten.

Zum Glück stand ihr genug Geld zur Verfügung, um eigene Protestaktionen zu veranstalten, und anscheinend war sie mit einem nachsichtigen Onkel gesegnet.

Selbst jetzt saß ihr Onkel neben Maggie und hatte die Arme locker vor der muskulösen Brust verschränkt. Die silbergrauen, struppigen Augenbrauen hatte er in gespieltem Entsetzen gehoben.

„Beatrice“, warnte er sanft. „Du darfst in der gehobenen Gesellschaft nicht mit einer derartigen Einstellung auftreten.“

„Und genau deshalb möchte ich diese Gesellschaft nicht aufrechterhalten“, sagte Beatrice. Der Kommentar ihres Onkels hatte sie ein wenig überrascht, da er sie noch nie dazu ermahnt hatte, den Gesetzen der gehobenen Gesellschaft zu folgen. Sie lächelte ihn an, in der Hoffnung, damit seine Stimmung zu heben. „Du bist doch auf meiner Seite, oder?“

„Natürlich, Beatrice“, versicherte er ihr, doch er wirkte angespannt. „Allerdings kommt im Leben einer Dame der Punkt, an dem sie sich dem Joch der Ehe unterwerfen muss.“

„Es ist in der Tat ein Joch“, entgegnete sie. „Sehe ich aus wie ein Ochse?“

„Nein“, sagte ihr Onkel. „Du siehst aus wie eine Dame, und Damen müssen heiraten.“

„Sag mir nicht, was ich tun muss. Das ist wirklich lächerliches Gefasel. Ich habe das Privileg der Unabhängigkeit und werde meinen Besitz oder meine Freiheit keinem Mann unterstellen“, konterte Beatrice ruhig. Die Wahrheit war … sie hasste das Konzept der Ehe nicht unbedingt. Sie hatte bloß gesehen, wie viel Unglück sie verursachen konnte. Abgesehen von einem Fall – der Ehe ihrer Eltern. Die beiden hatten einander so innig geliebt, mit Loyalität, Respekt und Zuneigung, dass sie sich niemals mit weniger zufriedengeben würde. Während sie älter und sich der harschen Realität dieser Welt bewusster geworden war, war ihr aufgegangen, dass die Beziehung ihrer Eltern ein echtes Wunder gewesen war. Und da sie erlebt hatte, wie die beiden miteinander umgegangen waren, würde sie sich in ihrem Leben nicht mit weniger als einem solchen Wunder zufriedengeben.

Ein Leben, in dem man sich lediglich tolerierte, würde sie … nun ja, nicht tolerieren. Und glücklicherweise musste sie das im Gegensatz zu anderen jungen Damen auch nicht.

„Wir alle müssen Dinge tun und unsere Rolle akzeptieren, Beatrice. Das gehört zum Lauf der Dinge“, merkte ihr Onkel an.

Sie mochte ihren Onkel, doch eine solche Denkweise ließ die schlimmsten Dinge unangefochten fortbestehen.

Sie musterte ihn aufmerksam. „Willst du mir sagen, dass ich heiraten muss, Onkel?“

Er schwieg für einen Moment und ein leichtes Grauen überkam sie.

War das möglich?

Er hatte ihren Wunsch, nicht zu heiraten, stets unterstützt; hauptsächlich deshalb, weil sie über ein kleinen Vermögen verfügte, das ihre Eltern ihr hinterlassen hatten, als sie vor zehn Jahren gestorben waren. Ihr Onkel war ihr ein gutmütiger Vormund gewesen, hatte ihr eine gute Bildung zukommen lassen und sie in ihren Bemühungen unterstützt. Sie hatte ihn immer als überaus vernünftigen Mann geschätzt. Doch jetzt, während er so neben ihrer Cousine saß, Maggies Arm in seinen gelegt hatte und sich freute wie ein Schneekönig, weil seine Tochter voraussichtlich den Bruder eines Dukes heiraten würde, fragte Beatrice sich …

Nein, nein. Das würde sie nicht einmal in Erwägung ziehen.

„Ich für meinen Teil freue mich aufs Heiraten“, sagte Maggie und sah dabei regelrecht liebestrunken aus. „Ich vergöttere Kit. Er ist der wundervollste Mann in ganz London.“

„Das kann unmöglich wahr sein“, entgegnete sie nüchtern. „Es gibt keinen einzigen wundervollen Mann, abgesehen von meinem Onkel hier.“ Sie bemerkte, dass Maggie fassungslos die Stirn in Falten legte, und beschloss, einzulenken. Ein wenig. „Aber ich muss sagen, dass er, verglichen mit seinem Bruder, erträglich ist.“

„Sein Bruder ist nicht so schrecklich“, sagte Maggie defensiv. „Er tut viel Gutes.“

„Durchaus. Nach seinen eigenen Bedingungen und ohne die Menschen zu verstehen oder zu fragen, denen er gönnerhaft hilft. Seine Arroganz ist atemberaubend“, entgegnete sie.

„Er ist ein Duke“, merkte ihr Onkel an, als würde das alles erklären.

Und im Großen und Ganzen tat es das auch. Es musste ihr nicht gefallen, doch sie musste es auch nicht unangefochten stehenlassen – und sie würde es anfechten, denn sie hatte die Mittel und die Möglichkeit dazu. Es war ihre Pflicht, besser zu sein.

„Heute wird er mir nicht entkommen“, sagte sie. „Mich kann er nicht wegwerfen, wie er es mit meinen Briefen getan hat. Und er wird mich anhören.“

Ihr Onkel und Maggie gaben gleichzeitig ein beunruhigtes Geräusch von sich.

„Muss das sein?“, fragte Maggie mit leichter Anspannung in der Stimme.

„Ja, muss es“, bestätigte sie. „Denn wenn es niemand macht, werden wir eine Menge Probleme bekommen, Frauen werden weiterhin in den Hintergrund gedrängt und lediglich als Fußnote in die Annalen der Geschichte eingehen.“

„Ja doch“, sagte Maggie mit besänftigendem Ton. „Das wissen wir, Beatrice. Du bist äußerst wortgewandt und wir schätzen deinen Standpunkt. Und ich stehe neben dir, als Schwester in der Sache der Blaustrümpfe, und dennoch will ich heiraten. Kannst du dich nicht für mich freuen?“

Beatrice starrte einige Augenblicke in Maggies hübsches Gesicht und ihr Herz wurde weich. „Natürlich freue ich mich für dich“, sagte sie. „Du bist eine wundervolle Freundin und ich würde dir nie etwas Schlechtes wünschen.“

Maggie nickte. „Danke.“

Sie rutschte auf ihrem Platz hin und her, während die Kutsche vor dem prächtigen Haus des Duke of Blackheath vorfuhr. Sie blickte zu dem hoch aufragenden Bauwerk hinauf, das jedes andere Gebäude in London in den Schatten stellte.

Es würde eine lange Nacht werden.

Beatrice zog die Pamphlete aus ihrer Handtasche und hielt sie fest in der Hand. Ihr Onkel rollte mit den Augen, protestierte aber nicht.

Sie wusste, dass sie manchmal nur ein einziges Ziel vor Augen hatte und dass das lästig wirken konnte. Doch wenn niemand so zielstrebig wäre, würde nie etwas vorangehen.

Als die Kutsche zum Stehen gekommen war, wartete sie schweigend darauf, dass der Lakai ihnen beim Aussteigen half.

Die Tür wurde geöffnet, die Trittstufen ausgeklappt und ihre Cousine ergriff in freudiger Erregung die behandschuhte Hand des Mannes, bevor sie mit großer Begeisterung weiterstolzierte.

Beatrice stieg nach ihr aus und brannte darauf, sich ins Getümmel zu stürzen.

Sie richtete ihren langen Seidenrock und straffte die Schultern. Sie liebte es, zu spüren, wie der Stoff dieses perfekten Kleides um ihre Beine schwang. Sie fühlte sich dadurch mächtiger. Ihr Kleid war zwar nicht so reich verziert wie andere, aber sie hatte sich bei der Wahl von den glühendsten der griechischen Göttinnen inspirieren lassen.

Sie verkniff sich ein bewunderndes Seufzen. Es war wirklich eines der prachtvollsten Häuser in ganz England. Fackeln säumten den Weg und warfen ein goldrotes Glühen aufs Pflaster. Die dorischen Säulen, die den Vorbau stützten, ragten vor ihr in die Höhe, und am Dach prangten wunderschöne Darstellungen griechischer Götter. Die Familie des Duke of Blackheath besaß Kunstverständnis und unterstützte Kunstschaffende und Intellektuelle.

Sie konnte den Duke of Blackheath nicht hassen. Nicht alles an ihm. Ein Mann, der so viel Geld an Künstler gab und Reden hielt, um das Theater zu unterstützen, konnte nicht gänzlich schlecht sein. Doch sie empfand ihn als wirklich unglaublich frustrierend.

Man könnte behaupten, dass Maggie sich nur aufgrund ihres Missmuts in Kit verliebt hatte, Blackheaths Bruder. Eine wirklich ärgerliche Sache.

Beatrice hatte oft versucht, Blackheath zu begegnen, und ihm viele Briefe geschrieben; als Kit Maggie dann eines Abends zum Tanzen aufforderte, hatte die ihn gefragt, ob Beatrice im Gegenzug seinen Bruder treffen dürfte.

Doch Kit hatte Maggie gesagt, dass der Duke sich niemals mit Beatrice treffen würde.

Er sei viel zu beschäftigt.

Sie wusste immer noch nicht, wie Maggie sich nach so einer Antwort in Kit hatte verlieben können. Doch die Welt hatte ihre Launen und Mysterien. Es gab keinen Weg umhin. Maggie hatte ihr Herz an ihn verloren.

Man hätte glauben sollen, dass Beatrice Blackheath mittlerweile schon einmal begegnet wäre, nachdem sein Bruder bereits seit Wochen ihre Cousine hofierte. Es stand mittlerweile beinahe fest, dass ihre Familien bald eine Verbindung eingehen würden. Wahrscheinlich würde Kit sogar an diesem Abend um ihre Hand anhalten.

Ja, man hätte glauben sollen, dass sich ihre Wege dabei schon einmal gekreuzt haben müssten. Aber nein, Blackheath war schwer in die Finger zu bekommen. Er war ständig mit Staatsangelegenheiten beschäftigt, hatte irgendetwas zu tun oder arbeitete.

Und anscheinend ließ er sich nicht gern auf gesellschaftlichen Veranstaltungen blicken, obwohl er den Ruf genoss, ein exzellenter Gastgeber zu sein.

Plötzlich drehte sich ihr Onkel mit einem Stirnrunzeln zu ihr und sagte: „Meine Liebe, es ist gar nicht so schrecklich. Vielleicht bist du doch schneller verheiratet, als du glaubst.“

Beatrice drehte sich zu ihm und entgegnete scherzhaft: „Onkel, auch wenn die Ärzte nicht die beste Meinung von meiner Sehkraft haben, erkenne ich eine Kirche und einen Bräutigam schon aus der Ferne, und ich würde schleunigst hinfort eilen.“ Sie schüttelte den Kopf, sodass ihre dunklen Locken sie im Nacken kitzelten. „Ich werde so bald nicht heiraten.“

Ihr Onkel lachte, doch es war ein halbes Stöhnen. „Was immer du sagst, Beatrice. Was immer du sagst. Ich werde nicht mit dir streiten. Du würdest nämlich eine exzellente Anwältin abgeben.“

„Stimmt. Wenn es mir denn erlaubt wäre, diesen Beruf zu erlernen.“

„Lass ab, meine Liebe. Lass ab“, flehte ihr Onkel, ehe er ihre Hand nahm und sie liebevoll drückte.

Dann folgte er den beiden Frauen die Stufen zum Haus hinauf, wo sich bereits viele Menschen drängten.

Aus dem großen, offenstehenden Eingangsportal drangen ihnen ein goldenes Glühen, Gelächter und fröhliche Stimmen entgegen. Beatrice empfand es als recht irritierend, dass ein Mann, der sich weigerte, sich mit ihr zu treffen, derart wundervolle Feste feierte.

Alle waren sich einig darin, dass der Duke of Blackheath die besten Feste gab, selbst wenn er ihnen häufig nicht persönlich beiwohnte.

Sie nahm sich einen Moment, um zu lauschen, und spürte, wie die Geräusche ihr Herz erfüllten.

Die musikalischen Klänge, die ihnen entgegenschwebten, waren grandios, denn der Duke of Blackheath war ein Förderer der Künste. Er mochte alle Formen von Musik und bedachte diejenigen mit Geld, die sie gerne spielten. Seine Generosität war weithin bekannt.

Einen Mann mit einem solchen Wesen würde sie doch gewiss auf ihre Seite ziehen können, oder? Denn wie sollte jemand, der andere derart unterstützte, ihr solche Unterstützung willentlich versagen? Sobald er ihr Anliegen verstand, würde er ihr gewiss beispringen.

Als sie die Schwelle übertraten und einem Lakaien in smaragdgrüner und goldfarbener Livree ihre Mäntel gaben, drehte Maggie sich zu ihr. Ihre kobaltblauen Augen weiteten sich vor Schreck und sie legte sich eine Hand an den Busen. Ihre Finger streiften die silbernen Bänder, die in ihr der Mode entsprechend tief ausgeschnittenes, blaues Seidenmieder gewebt waren. „Oh je, Beatrice, du hast diesen Blick aufgesetzt.“

„Welchen Blick?“, fragte Beatrice unschuldig.

Maggie neigte den Kopf zur Seite und die diamantbesetzte Blume in ihrem Haar zitterte. „Den Blick eines Stiers, der zu seinem Ansturm ansetzt.“

„Du kennst dich mit Stieren aus?“, witzelte sie.

Maggie nahm all ihre Entschlossenheit zusammen, was nicht häufig geschah. „Hör mir zu, Beatrice. Bitte mach heute Abend keine Szene. Ich flehe dich an. Ich will, dass heute alles gut geht.“

„Eine Szene?“, keuchte Beatrice und blinzelte. „Ich bin eine gesittete Dame. Ich werde einfach in der Menge untergehen.“

Maggie lachte und hakte sich bei ihrer Cousine unter. „Oh, Beatrice. Ich liebe dich. Aber könntest du vielleicht, also … musst du ihm dein Pamphlet unbedingt heute Abend zeigen? Kann das nicht warten?“

„Ich warte schon seit Monaten“, entgegnete Beatrice ungerührt.

Maggie nickte niedergeschlagen, während zahllose Gäste sie umschwärmten, wie emsige, aufgeregte Bienen, die Arbeit für ihre Königin verrichteten – oder in diesem Fall, für ihren Duke. „Ich kann deine Beharrlichkeit wohl verstehen, aber …“

In diesem Moment lehnte Beatrice sich vor und flüsterte eindringlich: „Maggie, ich würde nie deinen Abend ruinieren oder dich schlecht dastehen lassen. Ich verspreche dir, mich in der Öffentlichkeit von meiner besten Seite zu zeigen.“

Maggie kniff die Augen leicht zusammen. „In der Öffentlichkeit? Was soll das bedeuten?“

„Ich werde keine Gerüchte produzieren oder dir irgendwelche Schwierigkeiten machen“, schwor sie recht ernst, während sie sich durch die dicht gedrängt stehenden Menschen bewegten. „Dies wird ein schöner Abend für dich. Und ich werde alles mir Mögliche tun, um dich zu unterstützen, so wie du mich immer unterstützt hast, obwohl wir in Sachen Liebe und Ehe unterschiedlicher Meinung sind.“

Maggie strahlte und dieses Lächeln war mehr wert als tausend Zusicherungen eines guten Willens. „Danke, Beatrice. Das ist alles, was ich hören wollte.“

Kurz darauf wurden sie von der Menge in den Ballsaal gespült. Die Musik umfing sie und Beatrice wappnete sich. Heute Abend würde sie sich nicht ignorieren lassen.

Kapitel 2

William Leonidis Maximillian Easten, der Duke of Blackheath, hatte ein Geheimnis bezüglich Lady Beatrice. Eines, das er niemals irgendjemandem anvertrauen würde.

Er bewunderte sie. Immens. Sogar zu sehr für seinen eigenen Geschmack.

Und wenn es etwas gab, das Will sich nicht gestattete, war es übermäßige Intensität. Er hatte bereits schwer mit seiner Melancholie zu kämpfen, und Dinge, die ihn zu viel fühlen ließen? Nun, die musste er um jeden Preis meiden.

Und sämtliche von Lady Beatrices Briefen weckten Gefühle in ihm.

Zunächst hatte er gar nichts von dem Stapel immer leidenschaftlicher werdenden Handlungsaufforderungen gewusst. Doch dann hatte er herausgefunden, dass sein Sekretär es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Will vor den „hysterischen“ Briefen junger Damen zu „beschützen“. Die Worte seines Sekretärs, nicht seine eigenen.

Will hatte herausgefunden, dass der Mann ihm ihre Briefe vorenthalten hatte, was haarsträubend war. Er musste vor niemandem beschützt werden. Nicht einmal vor einem leidenschaftlichen Blaustrumpf. Er hatte sich schon gegen die französische Kavallerie verteidigt – er würde sich, wenn nötig, auch gegen eine Dame verteidigen, auch ohne Unterstützung.

Doch sein Sekretär hatte angemerkt, dass die Briefe junger Damen für einen Duke reine Zeitverschwendung seien.

Will hatte den Mann auf der Stelle entlassen.

Diese Briefe … bei Gott, sie glichen den Worten der Philosophen und brachten ein derart inniges Streben nach Gerechtigkeit zum Ausdruck, dass er nur Ehrfurcht empfinden konnte. Er hatte jedes Wort genossen. Jeden Ausdruck. Jedes der strahlenden und bestechenden Argumente.

Lady Beatrice Haven war ein Wunder. Er hatte augenblicklich großen Gefallen an ihr gefunden. Und? Er hatte sie um jeden Preis gemieden.

Bindungen waren für ihn schlicht unzulässig. Und er hatte sich auf gefährliche Weise zu ihr hingezogen gefühlt, jedes geschriebene Wort auf diesen Seiten, die er behutsam in Händen gehalten hatte, hatte eine Anziehungskraft auf ihn ausgeübt.

Die meisten Leute würden behaupten, dass ein Duke keine Zeit für die Pamphlete und Briefe einer solchen Person ohne politisches Amt hatte. Und er hatte sie trotzdem gelesen. Oft spät am Abend, nachdem der Rest seiner Arbeit erledigt gewesen war, bei einem Glas Brandy. Er hatte ihr mehrfach geschrieben und ihr versichert, dass er sein Bestes für sie tun würde.

Doch das hatte sie nicht beschwichtigt. In gewisser Hinsicht war er froh darum. Denn sie hatte ihm weitere Briefe geschrieben.

Ja, er bewunderte ihre Tatkraft und ihre Hingabe.

Doch Leidenschaft sprach aus jedem ihrer Sätze, und Leidenschaft war etwas, worauf er sich nicht einlassen konnte.

Also atmete er tief durch und straffte die Schultern, als er im Ballsaal stand, da er wusste, dass er an diesem Abend vermutlich mit Lady Beatrice in Kontakt kommen würde.

Er war ein Mann der Tat.

Er hatte den Krieg gesehen.

Er würde diesen Abend überstehen, ohne sich zum Narren zu machen, und er würde ganz sicher nicht dem amourösen Geflüster nachgeben, das ihn heimsuchte, seit er diese verdammten Briefe entdeckt hatte. Die Ehe seiner Eltern hatte ihn gelehrt, wie wichtig Selbstdisziplin und Zurückhaltung waren.

Leidenschaft war nichts für ihn.

Sein Bruder Kit musterte ihn befremdet und neigte den Kopf zur Seite. „Erleidest du gleich einen Hirnschlag? Du siehst völlig perplex aus.“

„Diese Cousine deiner Geliebten …“ Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, wie ich diesen Abend überstehen soll.“

Ihr jüngerer Bruder Ben näherte sich mit einer Champagnerflöte in der behandschuhten Hand. Benjamin war gerade in Oxford der Universität verwiesen worden; ein Lebemann und Schuft. Und in ihm schienen die Talente eines Spions aufzukeimen, da er kühn sagte: „Ihre Cousine ist gar nicht so schlecht.“

„Ich mag sie“, fügte Kit hinzu, der ganz offensichtlich das Unbehagen seines älteren Bruders genoss.

„Ach, wirklich?“ Er räusperte sich und war entschlossen, seine wahren Gefühle nicht preiszugeben. „Ich habe wirklich schlimme Geschichten gehört.“

Ben machte ein tadelndes Geräusch und in seinen dunklen Augen funkelte Heiterkeit. „Ich hätte nie gedacht, dass du auf Gerüchte hörst.“

„Gerüchte?“, wiederholte Will, während er sich an die verschiedenen Berichte erinnerte, die er gehört hatte, und darüber nachdachte. „Es waren Zeugenaussagen, keine Gerüchte.“

Er schluckte ein Lachen herunter und hob eine Augenbraue, während er sich einen bestimmten Bericht in Erinnerung rief. „Sie geht gerne zum Parlamentsgebäude und schreit Parlamentarier an.“

„Das ist nicht so ungewöhnlich“, entgegnete Kit.

Ben trank einen großen Schluck von seinem Champagner und merkte zu Wills Verärgerung an: „Du schreist auch gerne Parlamentarier an.“

Er schaute mit zusammengekniffenen Augen seinen Bruder an, den er sehr liebte, und antwortete: „Das ist etwas anderes, kleiner Welpe. Ich bin ein Duke. Ich darf Parlamentarier anschreien. Tatsächlich ist es sogar meine Aufgabe.“

Ben fuhr unbeirrt fort: „Ja, aber ich glaube, sie würde es auch gern zu ihrer Aufgabe machen.“

„Damen ist eine solche Arbeit nicht gestattet“, merkte Kit entschieden an.

Ben lachte. „Ich glaube, genau das würde sie gern ändern.“

Kit erschauderte. „Könnt ihr euch das vorstellen? Frauen im Parlament?“

Will konnte sich das durchaus vorstellen.

Er war der Überzeugung, dass Frauen im Leben mehr Möglichkeiten haben sollten. Er dachte an seine Mutter, die in seiner Kindheit aus dem Familiensitz geflohen war. Ben hatte noch in der Krippe gelegen.

In den dunkelsten und stillsten Momenten der Nacht konnte er immer noch ihr Gesicht sehen und wie sie sich mit Tränen in den Augen über sein Bett gelehnt hatte …

Sie war aufs europäische Festland geflohen, weil sie die Fesseln nicht ertragen hatte, mit denen Frauen und Mütter in England leben mussten. Oder zumindest war es das, was sein Vater erzählte … wenn er denn überhaupt mal von ihr sprach.

Er konnte sich also gut vorstellen, warum Lady Beatrice mehr für das schönere Geschlecht erreichen wollte. Und doch konnte er die Vorstellung nicht ertragen, mit ihr allein zu sein. Eine Frau wie Beatrice? Ihre Worte hatten bereits ein Feuer in ihm entfacht. Ein Feuer, das er entschieden unterdrücken würde.

Denn er hatte gesehen, welche Zerstörung ein solches Feuer anrichten konnte. Er konnte noch immer die Asche schmecken, wenn er allein in seinem Schlafgemach lag und die Vergangenheit ihn mit bitteren Erinnerungen einholte.

Doch heute Abend würde er es um seiner Brüder willen ertragen. Ein Duke musste so etwas tun.

Plötzlich wurden Lady Beatrice, Lady Margaret und der Vater der Letzteren angekündigt, während sie den Ballsaal betraten. Und zu seiner Überraschung teilte sich die Menge, um ihnen mit vor Aufregung angehaltenem Atem Einlass zu gewähren. Sämtliche Gäste schienen sich über das Eintreffen des Earls und seiner Tochter zu freuen.

Lag es daran, dass Kit Margaret so viel Aufmerksamkeit zukommen ließ?

Lady Margaret, Kits zukünftige Ehefrau, war leicht auszumachen. Zumindest hatte sein Bruder ihm gesagt, dass er sie heiraten würde.

Sie war wirklich sehr hübsch. Vielleicht ein wenig klein, aber sie hatte ein strahlendes Lächeln aufgesetzt und tauchte alles um sie herum in goldenes Licht. Alle schienen sich im Strahlen dieses Lächelns sonnen zu wollen. Ja, sie würde eine wundervolle Ehefrau abgeben und die Familie vorzüglich ergänzen.

Dann ließ Will seinen Blick ein Stück schweifen; und er entdeckte die Andere.

Beatrice.

Und die ganze Welt um ihn herum schien stehenzubleiben.

Das Stimmengewirr wurde davongeweht. Kaum dass er sie erblickt hatte, konnte er sich nicht mehr von ihr losreißen.
„Ist sie das?“, fragte er mit einer rauen Stimme, die deutlich tiefer klang, als er beabsichtigt hatte. Die Funken des unterdrückten Feuers versuchten bereits, sich einen Weg zu bahnen.

„Wer?“, fragte Kit und hob die Augenbrauen, während er seiner Geliebten zulächelte. „Margaret? Ja. Das ist definitiv Margaret. Ist sie nicht wunderschön?“

„Ja. Ja, sie ist schön“, stimmte er zu, korrigierte seinen Bruder dann aber: „Nein, nicht sie, die andere.“

„Hm?“, fragte Kit, der nur Augen für seine Geliebte hatte.

Ben lehnte sich näher und bestätigte: „Das, lieber Bruder, ist die Dame, die du ertragen musst. Lady Beatrice.“

Er konnte weder Luft holen noch blinzeln, während er sie betrachtete.

Lady Beatrice. Aktivistin, Blaustrumpf, eine unvergleichliche Frau. Sie war der Schrecken der Politiker und eine Frau des geschriebenen Wortes.

Es gab nur ein einziges Wort, um sie angemessen zu beschreiben.

Überwältigend.

Er wusste nicht, was er erwartet hatte, aber ganz sicher nicht das. Sie war eine Wucht und er … wie betäubt.

Sie stand da, mit ihrem dunkelbraunen Haar, das sich auf ihrem Kopf auftürmte, sodass ein Hals freigelegt war, der geradezu darum flehte, geküsst zu werden. Das Kerzenlicht spielte mit ihren Locken und ließ sie in einem feurigen Glanz erstrahlen.

Auf ihrer Nase saß eine Brille. Das goldene Gestell funkelte wie Juwelen, während sie die Menschen begutachtete, als wäre sie eine Königin.

Es gefiel ihm, dass sie diese Brille trug. So viele Damen verschmähten Brillen, wenn sie in Gesellschaft waren, obwohl sie sie brauchten und unablässig gegen Möbel liefen. Doch nicht Lady Beatrice.

Nein. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Beatrice vor jemandem einknicken würde, der ihr sagte, dass sie ohne vielleicht besser aussehen würde. In seinem ganzen Leben war ihm noch keine Frau mit einer derartigen Selbstbeherrschung begegnet. Sie war so selbstsicher. So … nun ja, überwältigend.

Mit ihrer kessen Nase und dem leicht spitz zulaufenden Kinn sah sie aus, als würde sie Unheil stiften, wo immer sie auch auftauchte. Sie hatte die Schultern zurückgenommen, was ihren Busen betonte, der von ihrem Kleid in der aktuellen griechischen Mode kaum bedeckt wurde. Dieses elfenbeinfarbene Seidenkleid schmiegte sich an ihre Schultern und lag so perfekt an ihrem Körper, dass ihm beinahe der Mund offen stehenblieb.

Das zu verhindern verlangte ihm einiges an Willenskraft ab.

Dies war die Frau, die er so beharrlich gemieden hatte und vor der ihn sein Sekretär so nobel hatte beschützen wollen?

Das war furchtbar. Er konnte sich doch nicht von der Cousine seiner zukünftigen Schwägerin in Versuchung führen lassen. Das würde für einen verdammten Aufruhr sorgen. Er, der Duke of Blackheath, ließ sich nicht in Versuchung führen.

Er verfügte über die Beherrschung, die seinen Eltern gefehlt hatte.

„Bist du dir sicher, dass du Maggie heiraten willst?“, hauchte er.

Er konnte sich im Leben nicht vorstellen, wie er jemals Margaret anschauen sollte, wenn Beatrice neben ihr stand.

„Natürlich“, sagte Kit fröhlich und lachte dann. „Du willst mir doch nicht nahelegen, Beatrice zu heiraten, oder? Kannst du dir vorstellen, mit einer so übellaunigen Frau verheiratet zu sein?“

Kit lachte erneut.

Will war versucht, sich in irgendeine dunkle Ecke zurückzuziehen. Doch er würde warten müssen, bis er im Gentlemen Jackson war. „Nein, nein, natürlich nicht“, stimmte er zu. „Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.“

Er hegte nicht die Absicht, zu heiraten – er war ein eingefleischter Junggeselle. Er würde vielleicht über eine Ehe nachdenken, wenn er ein alter, mürrischer Kerl war und die Leidenschaften und Albernheiten der Liebe hinter sich gelassen hatte, denen seine Brüder anheimgefallen waren. Allein die Vorstellung, eher zu heiraten, wirkte geradezu abstoßend auf ihn.

Nein, er würde sich nie verlieben. Liebe war des Teufels. Liebe war gefährlich. Liebe war der Weg in die Hölle, soweit er das beurteilen konnte. Sie hatte auf jeden Fall das Leben seiner Mutter ruiniert, und auch das seines Vaters.

Er würde sich nicht gestatten, sich auch nur auszumalen, Beatrice zu heiraten. Nicht einmal zum Spaß.

Und während er so dastand, völlig gelähmt von Beatrices Anblick, wurde ihm mit wachsendem Entsetzen bewusst, dass sie in seine Richtung schritt.

Ja, schritt.

Für diese junge Dame gab es kein zierliches Schlendern. Nein, sie durchquerte den Saal in feurigen Sätzen und großen Schritten. Wie sich ihr Seidenkleid dabei an ihren hochgewachsenen, kraftvollen Körper schmiegte, war … bezaubernd.

Und er spürte, dass ihn nicht Entsetzen, sondern Vorfreude ergriff. Herr im Himmel. Würde diese Begegnung schrecklich werden – oder absolut wundervoll? Er war sich nicht sicher. Doch sie sah aus, als würde sie herüberkommen, ihn bei den Eiern packen und einen ausgelassenen Tanz mit ihm aufführen wollen.

Er wusste nicht, ob er bleiben oder die Flucht ergreifen sollte, doch er war ein guter Soldat. Rückzug kam nur in Frage, wenn er keine andere Wahl hatte.

Und dann … wurde er aus seinem Tagtraum gerissen, als er ein Pamphlet in ihrer Hand bemerkte, das sie hielt wie ein Gentleman, der eine Hand an seinen Degen legte.

„Oh, nein“, stöhnte er.

„Sie ist eine Frau, auf die man gefasst sein muss“, sagte Ben, während seine Mundwinkel amüsiert zuckten.

Er hatte sich in seinem ganzen Leben noch nicht zurückgezogen und würde jetzt nicht damit anfangen.

Aber zur Hölle, all die höflichen Floskeln, die er sich zurechtgelegt hatte, waren weggeblasen, seit er gesehen hatte, wie sie flammenden Schrittes durch seinen Ballsaal marschiert war. Er war völlig aus dem Tritt gekommen. Denn sie löste eine ungewohnte Reaktion in ihm aus. Eine, die er in seinem ganzen Leben noch nicht verspürt hatte.

Will drehte sich zu seinen Brüdern, um sich zu sammeln und sie wenigstens mit einem toleranten Lächeln zu begrüßen. Hol’s der Teufel, sie war immerhin sein Gast.

Verflucht, er hatte ganze Bataillone gegen die Franzosen in die Schlacht geführt. Wo andere gezaudert hatten, war er voranmarschiert.

Es konnte doch nicht sein, dass eine Dame ihn derart ins Stocken brachte. Und erst recht nicht die Cousine einer Frau, die bald seine Schwägerin sein würde. Er musste wenigstens eine erträgliche Beziehung zu ihr aufbauen.

Seine Brüder mussten ob seiner Bestürzung offensichtlich ein Lachen unterdrücken, und er konnte es sich gerade so verkneifen, sie mit vernichtenden Blicken zurechtzuweisen.

Er war ein Duke. Er schaffte das.

Er würde über ihrem kindischen Humor stehen.

Und gerade als er sich umdrehen und ihr mit einer perfekten, höflichen Begrüßung begegnen wollte, hörte er eine klangvolle, tiefe, geradezu perfekte Stimme, die seinen Namen rief.