Interview Junia Swan über ihren historischen Liebesroman

Worum geht es in deinem Buch Die venezianische Schwester?

Um einen Mann und eine junge Frau, die meinen, in ihren Umständen gefangen zu sein und sich dadurch gezwungen sehen, Entscheidungen zu treffen, die ihren Gefühlen zuwiderhandeln. Dabei geraten sie immer mehr in den Sog einer Intrige aus der Vergangenheit.

Junia Swan im Interview Foto
Quelle: Junia Swan

Was hat dich zu dem Roman inspiriert?

In diesem Fall war es tatsächlich die Stadt Venedig und die Frage, was ein Mädchen im 19. Jahrhundert dazu bewegen könnte, eine Gondel zu rudern. Darf sie das überhaupt? Und wenn nicht, warum tut sie es dann? Wann? Diese Fragen haben mich ganz von selbst in die Dunkelheit der Nacht geführt und schlussendlich zu einem schlummernden Geheimnis. Mafia, Kriminalität, Armut und Korruption sind ja leider Probleme, mit denen Italien schon über Jahrhunderte kämpft. Deswegen war es naheliegend, dass sich beides miteinander verwebt.

Schauplatz deines Romans ist Venedig. Was verbindest du selbst mit dieser Stadt?

Als Tochter einer italienvernarrten Mutter (womit sie eindeutig auf mich abgefärbt hat) hatte ich das Glück, seit meiner Kindheit regelmäßig Italien zu bereisen. Venedig war selbstverständlich immer wieder ein Ausflugsziel. Sollte Ihnen jemals ein Foto aus den 1980iger Jahren von einem Rauhaardackel der einen venezianischen Hut trägt und über Venedigs Plätze stolziert, zwischen die Finger kommen, dann war das unserer. Es wurden tausende Fotos von ihm geschossen. Das, nur nebenbei. Venedig war für mich immer schon etwas Besonderes, doch in diese wundervolle Stadt richtig verliebt, habe ich mich erst im Frühling 2019, als ich mit meinem ältesten Sohn vier „Mutter-Sohn-Tage“ dort verbrachte. Abseits von den Touristenströmen entfaltet La Serenissima ihren eigenen Charme und auch Humor. Ich kann mir gut vorstellen, mal für einige Monate dorthin zu ziehen, um die Stadt noch mehr auf mich wirken zu lassen.

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Quelle: Junia Swan

In deinem Roman geht es um Geheimnisse, Täuschungen und falsche Identitäten. Welche Identität würdest du selbst gerne einmal für einen Tag annehmen?

Das ist eine total spannende und zugleich schwierige Frage und ich habe lange darüber nachgedacht. Vielleicht die meines Mannes, einfach nur um zu wissen, wie es so ist, mit mir verheiratet zu sein. Ich schätze, dadurch würde ich ihn noch mehr für seinen unerschütterlichen Einsatz und seine Treue bewundern.

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Quelle: Junia Swan

Wie kamst du zum Schreiben?

Ich würde eher sagen, das Schreiben kam zu mir. Von dem Moment an, als ich es beherrschte, habe ich es getan. Es ist für mich eine Ausdrucksform, die ich zum Leben brauche, wie der Fisch das Wasser. Wenn ich über einen längeren Zeitraum nicht schreibe, werde ich unruhig.

Was hat sich bei dem Schreibprozess von deinen ersten Versuchen zu jetzt geändert?

Mittlerweile habe ich über dreißig Romane geschrieben und ich kann bestätigen, was irgendein kluger Schriftsteller einst in einem Zeitungsinterview sagte. Nämlich, dass es über 10.000 geschriebene Seiten benötigt, bis man zu einer gewissen Reife gelangt. (Ich hoffe, ich fasse hier richtig zusammen, worauf er hinauswollte.) Wenn man bedenkt, wie viele Stunden Arbeit das sind, die keiner jemals sieht, kann einem schwindlig werden. Was ich im Laufe der Zeit gewonnen habe, ist Vertrauen in den Schreibprozess zu haben. Ich plotte kaum. Das heißt, meistens steht bei mir am Anfang eine winzige Idee. Manchmal schreibe ich mir ein paar Sätze zur Handlung auf, damit ich sie nicht vergesse. Im Großen und Ganzen stürze ich mich aber ins Geschehen und bin meistens selbst überrascht, wo ich dann lande. Konzepte? Pah!

Durch die Erfahrung wächst auch die Routine. Ich bin meistens im Flow und wenn es mal nicht weitergeht, lege ich das Manuskript beiseite, widme mich einem anderen und komme entweder zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurück oder lege es zum Stapel der „Unvollendeten“. Mit dem dürfen sich dann meine Nachfahren herumschlagen.

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Quelle: Junia Swan

Wie sieht dein Lieblingsplatz zum Schreiben aus?

Ich schreibe am liebsten mit dem Laptop auf dem Sofa im Wohnzimmer oder auf der Terrasse, was nicht sonderlich ergonomisch ist, ich weiß. Als Mutter von drei Kindern kann es durchaus vorkommen, dass ich inmitten des alltäglichen Trubels sitze, drei Sätze schreibe, aufspringe, irgendwas mache, wieder drei Sätze schreibe … Das ist sehr anstrengend und stellt für mich definitiv nicht die optimale Schreibumgebung dar – aber manchmal genieße ich auch das. Auf Dauer gänzlich vom Leben abgeschnitten zu sein, stelle ich mir sehr einsam vor.

Wo kommen dir die besten Ideen für deine Geschichten?

In meinem Alltag. Überall. Ständig. Beim Beobachten anderer Leute. Beim Lesen von Nachrichten, in der Nacht, wenn ich im Bett liege und versuche, einzuschlafen, etc.

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Quelle: Junia Swan

Was macht für dich einen guten Liebesroman aus?

Definitiv glaubwürdige Charaktere, mit Widersprüchlichkeiten und vielen Facetten in ihrer Persönlichkeit, die genauso dumm, impulsiv, witzig, unvorhergesehen und klug reagieren, wie wir es tun, aber gleichzeitig nicht aufgeben, sich mit ihren Problemen zu befassen, um diese dann zu überwinden (wie wir es oft leider nicht tun). Abgesehen davon ist es mir wichtig, über Liebe zu schreiben oder zu lesen und nicht über das Verliebtsein. Das wird ja heute gerne verwechselt. Liebe bedeutet durchhalten, auch, wenn man gerade kein Kribbeln im Bauch fühlt, die Verantwortung für seinen Partner zu übernehmen und auch in schweren Zeiten zu ihm zu halten. Liebe setzt voraus, dass man an sich selbst arbeitet, sich reflektiert und ja, manchmal die eigenen Wünsche zurückstellt. Wenn das beide tun, bewegen sie sich aufeinander zu und gewinnen dadurch die tiefe Geborgenheit einer Beziehung, die auch die Stürme des Alltags übersteht. Ich mag Protagonisten, die in der Veränderung ihres Charakters ein Vorbild sind, mich selbst und meine Ansichten hinterfragen und mich konfrontieren, herausfordern sowie keine einfachen Antworten geben. Das sind für mich Zutaten für einen guten Liebesroman.

Was liest du selbst am liebsten?

Genau das! Im Prinzip schreibe ich ja, um mich selbst zu unterhalten. Ich war genauso überrascht von Lucas Plan das Theater betreffend (ich verrate nicht mehr, um nicht zu spoilern) wie meine Leser!

Prinzipiell lese ich sehr gerne querbeet. Mein Liebling der Noir-Literatur ist definitiv Cornell Woolrich. Fasziniert haben mich auch beide Alexandre Dumas, Carlos Ruiz Zafon, Hilary Mantel (sie ist meines Erachtens die Königin historischer Romane), Martin Suter, Andreas Eschbach, Patricia Melo aber auch Henning Mankell oder Jojo Moyes. Zwischen uns das Meer von Kristin Hannah ist zum Beispiel ein schöner Roman über eine Liebe, die nicht aufgibt.