So fühlen deine Leser:innen dein Buch … Geschichten erleben – show don't tell 14. Dezember 2022

Quelle: Jakob Owens/unsplash.com

Wir Menschen funktionieren ganz einfach: Wir wollen etwas sehen, etwas gezeigt bekommen, um es zu glauben. Wenn wir es vor uns sehen, dann stimmt es für uns. Wir wollen Bilder! Deswegen haben wir einige Tipps für dich, wie du das perfekte Kopfkino erschaffen kannst

Menschen brauchen und erschaffen Bilder, um eine Situation begreifen, verstehen, glauben und empfinden zu können. Vor allem das Empfinden ist wichtig, denn bei Show don’t tell geht es ganz viel um Gefühle. Es ist das, was das Erzählen mit Worten von vielen anderen Arten des Erzählens unterscheidet.

Texte können nicht zeigen

In einem Film kann man beispielweise nicht einfach einen Baum zeigen. Man kann nur einen ganz konkreten Baum zeigen zum Beispiel eine Eiche. Und dieser ganz konkrete Baum, die Eiche, ist es dann auch, die das Publikum wahrnimmt. Ein Text hingegen kann einfach nur einen Baum enthalten. Jeder Leser stellt sich dann seinen eigenen Baum vor. Dieser eigene Baum hängt dabei nicht zuletzt von der Individualität der einzelnen Leser:innen ab und von deren Vorlieben und Erfahrungen. Sehr wesentlich aber auch von der Flora der Gegend, in der sie erleben: In jedem Teil der Welt wachsen andere Bäume und somit variiert auch die Vorstellung von einem „Standard-Baum“. Natürlich kann man nun hergehen und den Baum in allen möglichen Details beschreiben – aber abgesehen davon, dass das langweilig wäre, wird sich jede:r Leser:in diesen Baum erfahrungsgemäß immer noch etwas anders vorstellen.

Hier wird deutlich: Texte können nun mal nicht zeigen. Aber die Leser:innen können in deiner Geschichte aufgehen, sie können sie selbst erleben.

Es ist wie Kopfkino für den Leser!

Es geht darum, Bilder oder besser noch einen Film mit Worten zu schaffen. Die Handlungen, Gefühle, Abläufe und Geschehnisse sollten konkret mit Worten gezeigt werden. So, als würde es sich alles direkt vor den Augen der Leser:innen abspielen. Der Text wird dadurch für sie spürbar, die Vorstellungskraft wird angeregt und man wird aktiv in die Szene hineingeholt. Das Lesen wird zu einem Miterleben. Auch hier ist das Beispiel des Films wieder sinnvoll: Es gibt keine:n Erzähler:in, der sagt: Paul sagte wütend … Maria stotterte peinlich berührt … all diese Informationen müssen im Film gezeigt werden. Die Betrachter:innen sehen und hören, wie Pauls Gesicht vor Wut verzerrt ist und er schreit. Durch Mimik und Gestik entnehmen Kinozuschauer:innen enorm viel Information. Und so sollte es im Text auch sein. Es ist auch hier möglich, Gefühle und Sachverhalte zu zeigen, statt sie einfach nur zu erzählen.

Der Unterschied zwischen show und tell

Tell: Hanna geht die Straße entlang. Sie schaut sich um, entdeckt die schönen Blumenwiesen am Straßenrand. Sie genießt den Spaziergang.

Show: Hanna schlendert entspannt die Main Street entlang. Dabei streicht eine warme Brise über ihre Wangen und sie schließt einen Moment die Lider. Rings um sie wiegen Blumen in den Feldern. Die würzige Bergluft dringt an ihre Nase und spielt mit ihrem Haar. Sie atmet tief durch.

--> Schreibe aktiv und konkret!

--> Wenige, nicht ersetzbare Adjektive und Adverbien, dafür konkrete Verben und Nomen

--> Keine Wertung durch Verben wie „schön“ etc.

 

Im zweiten Beispiel wird keine Wertung der Situation vorgenommen, sondern lediglich gezeigt, was Hanna macht! Die Handlung steht im Vordergrund und lässt den Leser:innen Raum, diese zu deuten. Die Leser:innen verstehen aus dem Kontext, dass Hanna den Moment genießt, weil sie zum Beispiel die Augen schließt.

Emotionen sind der Schlüssel

Am besten funktioniert das Zeigen über Emotionen. Frage dich also immer, was deine Figur fühlt, wo und wie sie es fühlt. Als nächstes stelle dir vor, was genau sie tut und zeige das deinen Leser.innen, damit sie sich in die Figur hineinversetzen und mitfiebern können.

Nutze dazu nicht nur einen Sinn, denn neben dem Sehen gibt es noch so viel mehr. Auf manche Eindrücke reagieren wir reflexhaft, andere sind mit Erinnerungen verbunden. Liest man von schmackhaften Nudeln oder frischen Erdbeeren, bekommt man Appetit. Wird der Geruch nach Lebkuchen beschrieben, kann man es schon riechen, denkt an die Weihnachtsbäckerei, verbindet dies vielleicht mit angenehmen Erinnerungen und Gefühlen. Gefühle und Sinneswahrnehmungen sind eng miteinander verbunden.

Deswegen ist es wichtig viele Sinne bei den Leser:innen anzusprechen, damit ein komplexes Bild im Kopf erzeugt werden kann. Je lebendiger, desto emotionaler und glaubwürdiger. Im besten Fall passiert dann das, was sich jede:r Autor:in wünscht: eine Welt wird erschaffen, in die Leser:innen eintauchen können.

Visualisieren hilft

Versuche dir die Szene genau vorzustellen wie zum Beispiel ein Bühnenbild. Du bist der Protagonist. Was fühlst du, was passiert um dich herum. Schlägt dir Regen ins Gesicht? Pocht dein Herz schnell? Wonach riecht es? Was kannst du hören? Der Trick ist, zu zeigen, nicht zu berichten. Berichte nicht einfach, dass jemand Angst hatte. Sondern zeige konkret die Reaktion: kalter Schweiß läuft von der Stirn, die Finger zittern, der Puls dröhnt in ihren Ohren.

Aber Achtung!

Nimm dich in Acht vor häufig verwendeten Motiven und Vergleichen. Das zurückstreichen einer Locke zum Beispiel wird als gängiges Bild verwendet, dass wir beinahe in jedem Buch lesen. Soweit, dass es bereits seine Wirkung verloren und keine große Bedeutung mehr hat. Es ist einfach eine Geste. Natürlich kannst und sollst du auch solche Motive verwenden, denn sie machen den Text leicht und verständlich, aber versuche sparsam damit umzugehen.

Auch kann eine Szene durch zu viel Zeigen künstlich aufgebläht werden, da das Zeigen von Dingen immer mehr Raum in Anspruch nimmt, als das bloße erzählen. Manche Dinge brauchen aber überhaupt nicht ausschweifend zu sein, sondern müssen knallhart beschrieben werden. Ein gutes Beispiel sind Action-Szenen. Hier wollen Leser:innen nämlich nur eins: Handlung. Lange Ausschweifungen wirken hier eher frustrierend.

Nun hast du sicher genug Tipps, um dein eigenes Kopfkino für deine Leser:innen zu erschaffen.